© 2016 aok-business.de - PRO Online, 17.09.2016

Transcription

© 2016 aok-business.de - PRO Online, 17.09.2016
Entgeltfortzahlung - Allgemeines
Inhaltsübersicht
1.
2.
3.
4.
5.
6.
1
Allgemeines
Grundsatz: Ohne Arbeit kein Geld
Ausnahme: Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers
Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit
Zusätzliche arbeitsvertragliche Rechte und Pflichten bei Entgeltfortzahlung
Rechtsprechungs-ABC
6.1 Ärztliche Untersuchung - Mitwirkungspflicht
6.2 Angedrohtes Krankfeiern
6.3 Annahmeverzug
6.4 Arbeitsunfähigkeit
6.5 Arbeitsunfähigkeit/Erwerbsminderung
6.6 Arbeitswille
6.7 Arbeitszeitkonto
6.8 Aufforderung zum Krankenkassenwechsel
6.9 Bestimmung der Arbeitsunfähigkeitsdauer
6.10 Betriebliches Eingliederungsmanagement
6.11 Darlegungspflicht
6.12 Darlegungs- und Beweislast
6.13 Dienstunfähigkeit
6.14 EFZG als "Eingriffsnorm"
6.15 Erkranktes Kind - TVöD
6.16 Geldfaktor - Mindestlohn
6.17 Genesungsurlaub
6.18 Hormonbehandlung
6.19 Krankheit und Urlaub
6.20 Mitbestimmung beim bEM
6.21 Rückzahlung - 1
6.22 Rückzahlung - 2
6.23 Schadensersatz
6.24 Urlaub - Verfall
6.25 Urlaubsabgeltung - 1
6.26 Urlaubsabgeltung - 2
6.27 Urlaubsabgeltung - 3
6.28 Urlaubsabgeltung - 4
6.29 Urlaubsabgeltung - 5
6.30 Urlaubsabgeltung - 6
6.31 Urlaubsabgeltung - 7
6.32 Urlaubsabgeltung - 8
6.33 Urlaubsabgeltung - 9
6.34 Urlaubsabgeltung - 10
6.35 Urlaubsabgeltung - 11
6.36 Urlaubsabgeltung - 12
6.37 Urlaubsabgeltung - 13
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
6.38
6.39
6.40
6.41
6.42
6.43
6.44
6.45
6.46
6.47
6.48
6.49
6.50
6.51
6.52
6.53
6.54
6.55
6.56
6.57
6.58
6.59
6.60
6.61
6.62
6.63
6.64
6.65
6.66
6.67
6.68
6.69
6.70
6.71
6.72
6.73
6.74
Urlaubsabgeltung - 14
Urlaubsabgeltung - 15
Urlaubsabgeltung - 16
Urlaubsabgeltung - 17
Urlaubsabgeltung - 18
Urlaubsabgeltung - 19
Urlaubsabgeltung - 20
Urlaubsabgeltung - 21
Urlaubsabgeltung - 22
Urlaubsabgeltung - 23
Urlaubsabgeltung - 24
Urlaubsabgeltung - 25
Urlaubsabgeltung - 26
Urlaubsabgeltung - 27
Urlaubsabgeltung - 28
Urlaubsabgeltung - 29
Urlaubsabgeltung - Beamte - 1
Urlaubsabgeltung - Beamte - 2
Urlaubsabgeltung - Elternzeit
Urlaubsabgeltung - Schwerbehinderte
Urlaubsabgeltung - tariflicher Mehrurlaub
Urlaubsabgeltung - Vererblichkeit - 1
Urlaubsabgeltung - Vererblichkeit - 2
Urlaubsabgeltung - Vererblichkeit - 3
Urlaubsabgeltung - Vererblichkeit - 4
Urlaubsabgeltung - Verzicht
Urlaubsänderung
Urlaubsfestlegung
Urlaubsgewährung
Urlaubsgeld
Urlaubsübertragung - 1
Urlaubsübertragung - 2
Verfall - 1
Verfall - 2
Verschulden
Werbungskosten
Wettbewerbsverbot
Information
1. Allgemeines
Der größte Teil Erwerbstätiger ist auf Einkünfte aus einer Beschäftigung angewiesen. Die Arbeitnehmer
brauchen ihren Lohn oder ihr Gehalt zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das läuft in den meisten Fällen
reibungslos - kann aber auch zu Situationen führen, in denen der Arbeitgeber wegen fehlender
Gegenleistung kein Entgelt mehr schuldet oder wegen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses staatliche
Versorgungsleistungen gezahlt werden (müssen): Arbeitslosengeld ( SGB III ) und Arbeitslosengeld II, die
Grundsicherung für erwerbsfähige Hilfsbedürftige ( SGB II ). Für viele Möglichkeiten von Arbeitsausfällen hat
2
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
der Gesetzgeber vorgesorgt: Dann gibt es auch ohne Arbeitsleistung Entgeltfortzahlung. Die wichtigste
Regelung ist das "Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall" ( EFZG ).
2. Grundsatz: Ohne Arbeit kein Geld
Das Arbeitsverhältnis ist ein gegenseitiger Vertrag ( § 611 Abs. 1 BGB ). Der Arbeitnehmer verpflichtet sich,
Arbeit zu leisten. Der Arbeitgeber verpflichtet sich, dafür eine Vergütung zu zahlen. Leistet der Arbeitnehmer
seine Arbeit nicht, bekommt er auch kein Geld. Er verdient ja nichts.
Beispiel:
Arbeitnehmer N ist in der Fünf-Tage-Woche tätig. Seine Arbeitstage reichen von Montag bis Freitag. Der
Arbeitseinsatz erfolgt von morgens 08:00 Uhr - mit einer halben Stunde Pause - bis nachmittags 16:30
Uhr. Das Wochenende ist frei. Am ersten Wochenende im September macht N mit seinem Kegelklub eine
Tour. Der Abschluss am Sonntag wird härter als erwartet. N trinkt reichlich Alkohol, geht zu spät zu Bett
und verschläft am Montagmorgen. Er wird um 11:20 Uhr wach und entscheidet sich, erst am Dienstag
wieder zur Arbeit gehen.
Kann oder will ein Arbeitnehmer seine Arbeit nicht leisten, ist der Anspruch des Arbeitgebers auf diese
Leistung wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen ( § 275 Abs. 1 BGB ). Der Arbeitgeber ist in diesem Fall von
der Gegenleistung befreit, § 326 BGB . Das rechtfertigt den Grundsatz: ohne Arbeit kein Geld.
3. Ausnahme: Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers
Der Grundsatz "ohne Arbeit kein Geld" wird in vielen Fällen unterbrochen. Der Arbeitgeber trägt für seine
Mitarbeiter eine soziale Verantwortung. Der Gesetzgeber hat insoweit Regelungen geschaffen, die
Arbeitnehmern auch dann Entgelt sichert, wenn sie nicht arbeiten:
• Annahmeverzug des Arbeitgebers, § 615 BGB (s. dazu die Stichwörter Annahmeverzug Allgemeines ff. )
• Entgeltfortzahlung an Feiertagen, § 2 EFZG (s. dazu die Stichwörter Entgeltfortzahlung - Feiertage
und Feiertage )
• Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, §§ 3 ff. EFZG
• Urlaub, §§ 1 ff. BUrlG
• vorübergehende Verhinderung, § 616 BGB
Daneben gibt es noch eine Vielzahl weiterer gesetzlicher Ansprüche, die unter anderem an eine bestimmte
Funktion - z.B. an die Betriebsratstätigkeit in § 37 Abs. 2 BetrVG - oder eine bestimmte
Arbeitnehmereigenschaft - z.B. als stillende Mutter nach § 7 MuSchG - anknüpfen (vgl. Freistellung Gesetzliche Ansprüche ). Auch hier soll aus sozialen Gründen bei bestimmten Sachverhalten, die zu einem
Arbeitsausfall führen, kein Entgeltausfall eintreten. Die Entgeltfortzahlungspflicht bei Arbeitsausfällen ist
allerdings eine Ausnahme, nicht die Regel.
Praxistipp:
Individual- oder kollektivvertraglich können weitere Tatbestände vereinbart werden, in denen der
Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist. Genauso lassen sich - soweit dispositiv und gesetzlich
zulässig - für bestimmte Fälle Ansprüche ausschließen. Dabei ist vorrangig an § 616 BGB zu denken, der
sowohl arbeitsvertraglich als auch per Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag modifiziert, eingeschränkt
oder ganz ausgeschlossen werden kann.
Wichtig: Ein Arbeitnehmer hat nur dann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für Ausfallzeiten, wenn es
dafür eine gesetzliche oder vertragliche Anspruchsgrundlage gibt.
4. Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit
3
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
Arbeitnehmer haben nach Maßgabe der §§ 3ff. EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
(s. dazu auch die Stichwörter Arbeitsunfähigkeit - Allgemeines ff. ). Arbeitnehmer i.S.d. EFZG sind
1. Angestellte
2. Arbeiter und
3. Auszubildende ( § 1 Abs. 2 EFZG ).
Damit Arbeitgeber nicht gleich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses mit Lohnfortzahlungskosten belastet
werden, müssen Arbeitnehmer zunächst die vierwöchige Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG zurückgelegt
haben, bevor sie überhaupt einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bekommen ( Entgeltfortzahlung - Wartezeit
). Danach haben sie Anspruch auf eine sechswöchige Entgeltfortzahlung ( § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG Entgeltfortzahlung - 6-Wochen-Zeitraum ). Damit die Entgeltfortzahlung nicht ins Uferlose geht, sagt § 3
Abs. 1 Satz 2 EFZG : "Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit ert arbeitsunfähig krank, so verliert
er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von
höchstens sechs Wochen nicht, wenn
1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit
arbeitsunfähig war oder
2. seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten
abgelaufen ist" (s. dazu auch das Stichwort Entgeltfortzahlung - Mehrfacherkrankung ).
Beispiel:
Arbeitnehmer N nimmt seine Tätigkeit am 01.08. bei Arbeitgeber A auf. Wird er bis einschließlich 28.08.
arbeitsunfähig krank, hat N gegen A nach § 3 Abs. 3 EFZG keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Erkrankt N am 19.09. an einer Nierenentzündung, kann er deswegen für sechs Wochen
Entgeltfortzahlung in Anspruch nehmen. Diese sechs Wochen Entgeltfortzahlung können am Stück oder
in zeitlichen Abständen erfolgen. Entwickelt sich die Nierenentzündung zu einem chronischen Leiden, hat
N nur dann einen Anspruch auf weitere Entgeltfortzahlung, wenn zwischen dem letzten Krankheitstag der
Vorerkrankung und dem ersten Tag der neuen ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten liegt, in
denen N nicht wegen der Nierenentzündung arbeitsunfähig krank war ( § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EFZG ).
War N wiederholt wegen der Nierenentzündung arbeitsunfähig, beginnt ein neuer
Entgeltfortzahlungszeitraum nach Ablauf von zwölf Monaten nach Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit,
hier also mit dem 19.09. des Folgejahrs.
Ansprüche auf Entgeltfortzahlung gibt es nach dem EFZG nicht nur bei krankheitsbedingter
Arbeitsunfähigkeit, sondern auch bei:
• Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation ( § 9 EFZG - Entgeltfortzahlung Vorsorge und Rehabilitation )
• rechtmäßigem Schwangerschaftsabbruch ( § 3 Abs. 2 Satz 1 u. 2 EFZG - Entgeltfortzahlung Schwangerschaftsabbruch) und
• rechtmäßiger Sterilisation ( § 3 Abs. 2 Satz 1 EFZG - Entgeltfortzahlung - Sterilisation ).
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung setzt natürlich immer voraus, dass der kranke Arbeitnehmer auch
arbeitswillig ist ( BAG, 04.12.2002 - 5 AZR 494/01 ). Die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts orientiert sich am
Lohnausfallprinzip ( Entgeltfortzahlung - Entgelthöhe ). Arbeitgeber mit in der Regel nicht mehr als 30
Arbeitnehmern haben nach Maßgabe des Aufwendungsausgleichsgesetzes - AAG - die Möglichkeit, ihre
Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung teilweise erstattet zu bekommen ( Aufwendungsausgleich Allgemeines ff. ) Für Zeiten, in denen kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, haben Versicherte nach
Maßgabe der §§ 44 ff. SGB V Anspruch auf Krankengeld (vgl. Entgeltfortzahlung - Krankengeld ).
Tritt bei einem Arbeitnehmer eine Erkrankung während des Urlaubs ein, werden die durch ärztliches
Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet ( § 9 BUrlG
- s. dazu auch das Stichwort Arbeitsunfähigkeit - Urlaub ).
5. Zusätzliche arbeitsvertragliche Rechte und Pflichten bei Entgeltfortzahlung
4
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
Damit die Entgeltfortzahlung nicht rechtsmissbräuchlich in Anspruch genommen wird, hat das EFZG
einige Sicherheiten eingebaut (s. dazu die Stichwörter Arbeitsunfähigkeit - Anzeigepflicht , Arbeitsunfähigkeit
- Auslandserkrankung , Arbeitsunfähigkeit - Nachweispflicht , Entgeltfortzahlung - Melde- und Nachweispflicht
). Arbeitnehmer sind verpflichtet,
• ihre Arbeitsunfähigkeit und deren Dauer unverzüglich mitzuteilen, § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG
• bei einer länger als drei Kalendertage dauernden Arbeitsunfähigkeit spätestens am darauffolgenden
Werktag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG
• diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf Verlangen des Arbeitgebers bereits ab dem ersten Tag
zu präsentieren, § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG
• eine Folgebescheinigung beizubringen, wenn die Krankheit länger dauert als in der Bescheinigung
angegeben, § 5 Abs. 1 Satz 4 EFZG , und
• bei Erkrankungen im Ausland ein in § 5 Abs. 2 EFZG geregeltes besonderes Melde- und
Mitteilungsverfahren einzuhalten.
Hat ein Dritter die Arbeitsunfähigkeit verursacht, geht der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers
wegen seines Verdienstausfalls nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 EFZG auf den Arbeitgeber über (
Entgeltfortzahlung - Dritthaftung ). Der Arbeitnehmer muss seinem Arbeitgeber unverzüglich die zur
Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlichen Angaben machen ( § 6 Abs. 2 EFZG ).
Der Arbeitgeber kann die Entgeltfortzahlung verweigern,
• solange der Arbeitnehmer die von ihm nach § 5 Abs. 1 EFZG vorzulegende ärztliche Bescheinigung
nicht vorlegt oder den ihm nach § 5 Abs. 2 EFZG obliegenden Verpflichtungen nicht nachkommt (
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG - Entgeltfortzahlung - Leistungsverweigerungsrecht )
• wenn der Arbeitnehmer den Übergang eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Dritten auf
den Arbeitgeber verhindert ( § 7 Abs. 1 Nr. 2 EFZG - Entgeltfortzahlung Leistungsverweigerungsrecht )
Der Entgeltfortzahlungsanspruch wird nicht dadurch berührt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus
Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt ( § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG - Entgeltfortzahlung - Kündigung ). Das
Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund
kündigt, der den Arbeitnehmer zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist
berechtigt ( § 8 Abs. 1 Satz 2 EFZG ).
Abgesehen von § 4 Abs. 4 EFZG - Festlegung einer von § 4 Abs. 1, 1a und 3 EFZG abweichenden
Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts - kann von den Vorschriften des EFZG nicht zu
Ungunsten der Arbeitnehmer oder der in Heimarbeit Beschäftigten abgewichen werden ( § 12 EFZG Entgeltfortzahlung - Unabdingbarkeit ).
Fällt ein Arbeitnehmer
• krankheitsbedingt wiederholt für kurze Zeiträume aus
• oder liegt bei ihm eine andauernde Langzeiterkrankung vor
• oder ist seine Leistung krankheitsbedingt gemindert
• oder ist ihm die Arbeitsleistung krankheitsbedingt auf Dauer unmöglich
kommt nach den Grundsätzen der personenbedingten Kündigung - § 1 Abs. 2 KSchG - unter Umständen eine
Änderungs- oder Beendigungskündigung in Betracht (s. dazu das Stichwort Kündigung - personenbedingt:
Krankheit ).
6. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Entgeltfortzahlung Allgemeines in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
6.1 Ärztliche Untersuchung - Mitwirkungspflicht
5
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
Die individual- oder kollektivrechtlich vereinbarte Pflicht eines Arbeitnehmers, aus gegebener
Veranlassung auf seines Arbeitgebers an einer ärztlichen Untersuchung - entweder durch den Betriebs- oder
einen Vertrauensarzt - zur Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit mitzuwirken, ist grundsätzlich nicht zu
beanstanden. Auch wenn der Grundsatz freier Arztwahl gilt: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Arbeitnehmers wird hierdurch nicht übermäßig beeinträchtigt. Die Auswahl des Arztes steht nicht im Belieben
des Arbeitgebers, sondern in seinem freien Ermessen. "Macht der Arbeitgeber rechtzeitig vor oder während
der Begutachtung begründete Bedenken etwa gegen die Fachkunde oder Unvoreingenommenheit des
begutachtenden Arztes geltend, so kann es je nach den Umständen allein billigem Ermessen entsprechen,
dass der Arbeitgeber einen anderen Arzt mit der Begutachtung beauftragt" ( BAG, 27.09.2012 - 2 AZR 811/11
).
6.2 Angedrohtes Krankfeiern
Angedrohtes Krankfeiern, weil der Arbeitgeber gewünschten Urlaub verweigert, kann ein wichtiger Grund für
eine außerordentliche Kündigung sein. Wendet der gekündigte Arbeitnehmer ein, er sei im Zeitpunkt des
Androhens tatsächlich schon arbeitsunfähig gewesen, ist er im Rahmen einer sekundären
Behauptungslast gehalten vorzutragen, "welche konkreten Krankheiten bzw. Krankheitssymptome im
Zeitpunkt der Ankündigung der Krankschreibung vorgelegen haben und weshalb" er "darauf schließen durfte,
auch noch am Tag der begehrten Freistellung arbeitsunfähig zu sein". Erst danach muss der Arbeitgeber die
behauptete Arbeitsunfähigkeit wegen der ihm für den Kündigungsgrund obliegenden Beweislast entkräften (
BAG, 12.03.2009 - 2 AZR 251/07 ).
6.3 Annahmeverzug
Der Vergütungsanspruch eines Mitarbeiters entfällt, wenn der Zeitraum für die Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall abgelaufen und der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen immer noch nicht in der Lage
ist, die vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten. Daran ändert auch das bloße Angebot der Arbeitsleistung
nichts. Der Arbeitgeber kommt nicht in Annahmeverzug, wenn der Mitarbeiter die geschuldete Arbeit gar nicht
leisten kann oder die Weiterbeschäftigung auf einem schonenderen Arbeitsplatz abgelehnt hat ( BAG,
27.08.2008 - 5 AZR 16/08 ).
6.4 Arbeitsunfähigkeit
Ob ein Mitarbeiter arbeitsunfähig ist, bestimmt sich nach einer "vom Arzt nach objektiven Maßstäben
vorzunehmenden Bewertung des Gesundheitszustands [es folgt ein Hinweis auf die
Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie]". "Die Arbeitsunfähigkeit beurteilt sich nach der vom Arbeitnehmer
arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung, wie sie der Arbeitgeber ohne die Arbeitsunfähigkeit vertragsgemäß
annehmen muss." So lässt sich eine Arbeitsunfähigkeit bejahen, "wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich
geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr ausüben sollte, weil die Heilung der Krankheit
nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert würde" ( BAG, 09.04.2014 - 10 AZR 637/13 ).
6.5 Arbeitsunfähigkeit/Erwerbsminderung
Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung müssen sich nicht immer decken: Aus dem bloßen Umstand der
Rentenbewilligung allein kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der Leistungsempfänger
arbeitsunfähig ist. Der Rentenbezug begründet ohne Weiteres auch kein Indiz und keine Vermutung für das
Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit während des bewilligten Rentenbezugs. Das hat damit zu tun, dass die
arbeitsrechtlichen Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und die sozialrechtlichen
Voraussetzungen einer Erwerbsminderung nicht die gleichen sind (s. dazu BAG 29.09.2004 - 5 AZR 558/03 ).
So kann ein erwerbsgeminderter Rentenbezieher durchaus noch arbeitsfähig sein. Selbst eine Rente wegen
voller Erwerbsminderung setzt nicht zwingend voraus, dass der Arbeitnehmer seine bisher vertraglich
geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann (s. dazu LAG Hamm, 09.07.2003 - 18 Sa 215/03 und BAG,
29.09.2004 - 5 AZR 558/03 ). "Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die
wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die
Bedingungen am bisherigen Arbeitsplatz können jedoch von denen des allgemeinen Arbeitsmarkts
abweichen. So steht einer Erwerbsminderung eine vom Regelfall abweichende günstige Arbeitsgelegenheit
nicht entgegen" (BAG, 13.05.2015 - 2 AZR 565/14) .
6
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
6.6 Arbeitswille
Entgeltfortzahlung gibt es nur, wenn auch ein entsprechender Arbeitswille dahintersteht und die Arbeit allein
wegen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ausfällt. Wer überhaupt nicht arbeiten will, kann nicht
erwarten, dafür von seinem Arbeitgeber auch noch Geld zu bekommen. Beharrt ein Arbeitnehmer
beispielsweise nach seinem Widerspruch gegen einen Betriebsübergang auf Weiterbeschäftigung bei
seinem alten Arbeitgeber und lehnt er deswegen eine Tätigkeit für den Erwerber ab, beruht der
Arbeitsausfall beim Betriebsveräußerer nicht auf fehlendem Arbeitswillen, wenn der Arbeitnehmer krank wird (
BAG, 24.03.2004 - 5 AZR 355/03 ).
6.7 Arbeitszeitkonto
Arbeitnehmer haben nach § 4 Abs. 1 EFZG für den Zeitraum des § 3 Abs. 1 EFZG Anspruch auf Fortzahlung
des ihnen bei der für sie maßgeblichen regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts. Die
Entgeltfortzahlung richtet sich damit nach einem modifizierten Lohnausfallprinzip. Ausschlaggebend ist,
welche Arbeitszeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ausfällt. "Da Gutschriften auf einem Arbeitszeitkonto nur
eine andere Form von Entgelt sind, das lediglich nicht (sofort) ausgezahlt, sondern verrechnet wird, sind im
Krankheitsfall grundsätzlich auch Zeitgutschriften zu gewähren, unabhängig davon, ob das Arbeitsentgelt
verstetigt ausgezahlt wird" ( BAG, 16.07.2014 - 10 AZR 242/13 - mit dem Hinweis, dass - wie im
entschiedenen Fall - tarifliche Abweichungen möglich sind).
6.8 Aufforderung zum Krankenkassenwechsel
Auch eine Klinik darf Bewerber und bereits beschäftigte Arbeitnehmer nicht dazu auffordern, die
Krankenkasse zu wechseln. So ein Verhalten ist wettbewerbswidrig: Es ist Arbeitgebern untersagt, auf die
Arbeitnehmer und deren Wahl der Krankenkasse durch Druck sachwidrig Einfluss zu nehmen ( OLG
Brandenburg, 08.12.2011 - 6 U 18/11 ).
6.9 Bestimmung der Arbeitsunfähigkeitsdauer
"Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Verhinderungsfalls ist die
Entscheidung des Arztes. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass dann, wenn die ärztliche
Bescheinigung lediglich einen Kalendertag angibt, in der Regel Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der
(betriebs-)üblichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers an diesem Kalendertag bescheinigt werde [es folgt ein
Hinweis auf BAG, 12.07.1989 - 5 AZR 377/88] . Möglich sei danach aber auch die Bescheinigung der
Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende eines (auch arbeitsfreien) Kalendertags oder die Feststellung der
Arbeitsfähigkeit zu einem näher bestimmten anderen Zeitpunkt" ( BAG, 10.09.2014 - 10 AZR 651/12 ).
6.10 Betriebliches Eingliederungsmanagement
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei "Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen
und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften..."
mitzubestimmen. Zu diesen gesetzlichen Vorschriften gehören auch die Bestimmungen über das betriebliche
Eingliederungsmanagement in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX . Soweit darin der Begriff "Arbeitsunfähigkeit"
verwendet wird, ist dieser Begriff vom Gesetz zwingend vorgegeben - mit dem Ergebnis, dass die
Betriebspartner keine eigene Definition von "Arbeitsunfähigkeit" vereinbaren können. Hier ist die allgemeine
Definition von "Arbeitsunfähigkeit" - wie sie auch im Entgeltfortzahlungsrecht verwendet wird - zugrunde zu
legen ( BAG, 13.03.2012 - 1 ABR 78/10 ).
6.11 Darlegungspflicht
Macht ein Arbeitnehmer Entgeltfortzahlungsansprüche geltend, muss er dafür die anspruchsbegründenden
Tatsachen darlegen und beweisen. Ist er innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG länger als
sechs Wochen arbeitsunfähig, muss er darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Wird dies
vom Arbeitgeber bestritten, hat der Arbeitnehmer die Tatsachen darzulegen, aus denen sich der Schluss
ziehen lässt, es habe keine Fortsetzungserkrankung vorgelegen ( BAG, 13.07.2005 - 5 AZR 389/04 - mit dem
Hinweis, dass der Arbeitnehmer seinen Arzt von der Schweigepflicht entbinden muss).
7
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
6.12 Darlegungs- und Beweislast
Wer einen Anspruch hat oder zu haben glaubt, muss dafür nach allgemeinen Grundsätzen die so genannten
anspruchsbegründenden Tatsachen liefern (wenn das Gesetz nicht etwas vorsieht). Das EFZG gibt
Arbeitnehmern in § 3 Abs. 1 Satz 1 bei einer durch Krankheit bedingten Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf
Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts. Das heißt im Streitfall: "Die Darlegungs- und Beweislast des
Arbeitnehmers für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG umfasst neben der Tatsache
der Arbeitsunfähigkeit als solcher auch deren Beginn und Ende" ( BAG, 25.05.2016 - 5 AZR 318/15 Leitsatz).
6.13 Dienstunfähigkeit
Beamte haben nach einem Wiederaufnahmeverfahren Anspruch auf Übertragung eines Amtes derselben
oder einer mindestens gleichwertigen Laufbahn wie ihr bisheriges Amt und mindestens demselben
Endgrundgehalt, wenn sie die Altersgrenze noch nicht erreicht haben und dienstfähig sind ( § 42 Abs. 1
Satz 2 BBG ). Dabei ist die Weiterverwendung eines dienstunfähigen Beamten nach § 42 Abs. 3 BBG
möglich, wenn im Bereich des Dienstherrn in der Zeit, die für einen horizontalen Laufbahnwechsel notwendig
ist, ein Dienstposten frei wird, der einem statusrechtlichen Amt mit gleicher Wertigkeit zugeordnet werden
kann und gesundheitlich für ihn geeignet ist ( BVerwG, 26.03.2009 - 2 C 73.08 - mit dem Hinweis, dass dem
Dienstherrn nach § 42 Abs. 3 BBG die Suche nach einer anderweitigen Verwendung für dienstunfähige
Beamte obliegt).
6.14 EFZG als "Eingriffsnorm"
Art. 34 EGBGB a.F. (= Art. 9 Rom-I-VO) sah vor, dass so genannte Eingriffnormen, deren zwingende
Einhaltung von einem Staat vorgeschrieben ist, auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren
Anwendungsbereich fallen. Das BAG zum EFZG : "1. § 2 EFZG [Entgeltfortzahlung an Feiertagen] ist keine
Eingriffsnorm i.S.d. Art. 34 EGBGB a.F. 2. § 3 EFZG [Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit] ist dann als
Eingriffsnorm i.S.d. Art. 34 EGBGB a.F. anwendbar, wenn die betreffenden Arbeitsverhältnisse dem
deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen" ( BAG, 18.04.2012 - 10 AZR 200/11 - Leitsätze).
6.15 Erkranktes Kind - TVöD
§ 29 Abs. 1 Satz 1 lit. e) bb) TVöD gibt Beschäftigten unter Fortzahlung des Entgelts nach § 21 TVöD einen
Anspruch auf bis zu vier Tagen bezahlte Arbeitsbefreiung bei schwerer Erkrankung "eines Kindes, das das
12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wenn im laufenden Kalenderjahr kein Anspruch nach § 45 SGB V
besteht oder bestanden hat". § 29 Abs. 1 Satz 3 TVöD sagt dazu: "Die Freistellung darf insgesamt fünf
Arbeitstage im Kalenderjahr nicht überschreiten." Für Arbeitnehmer, die keinen Anspruch nach
§ 45 SGB V haben, bedeutet das: "§ 29 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e Doppelbuchst. bb TVöD begrenzt den
Anspruch nicht gesetzlich krankenversicherter Beschäftigter auf bezahlte Freistellung bei schwerer
Erkrankung mehrerer Kinder unter zwölf Jahren im selben Kalenderjahr nicht auf höchstens vier Arbeitstage.
Es gilt nur die Gesamtoberbelastungsgrenze von fünf Arbeitstagen im Kalenderjahr § 29 Abs. 1 Satz 3 TVöD "
( BAG, 05.08.2014 - 9 AZR 878/12 Leitsatz).
6.16 Geldfaktor - Mindestlohn
Für Zeiten von Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ergibt sich die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs
aus § 4 Abs. 1 EFZG , für Arbeitszeit, die wegen eines Feiertags ausfällt, aus § 2 Abs. 1 EFZG .
Grundsätzlich greift in beiden Fällen das Entgeltausfallprinzip. Gilt für die Branche ein Mindestlohn (hier:
nach § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn für pädagogisches Personal), ist dieser Mindestlohn als Geldfaktor in die
Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs einzustellen. Das gilt umso mehr, als der hier anzuwendende
TV Mindestlohn keine von § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage i.S.v. § 4 Abs. 4 EFZG vorsieht
und der EFZG-Anwendungsbereich weder durch das AEntG noch durch EU-Vorschriften eingeschränkt wird.
"Findet für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden eine Mindestlohnregelung Anwendung (hier: TV Mindestlohn
für pädagogisches Personal), ist diese für die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und bei
Arbeitsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 EFZG ... maßgeblich, wenn die Mindestlohnregelung
selbst keine abweichenden Bestimmungen enthält. " ( BAG, 13.05.2015 - 10 AZR 495/14 Leitsatz).
6.17 Genesungsurlaub
8
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
„Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003
über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen
Regelung oder Praxis wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, wonach einem Arbeitnehmer, der
sich während des Zeitraums, der im Urlaubskalender der ihn beschäftigenden Einrichtung für den
Jahresurlaub festgelegt ist, in einem gemäß dem innerstaatlichen Recht gewährten Genesungsurlaub
befindet, nach dessen Ende das Recht verweigert werden kann, seinen bezahlten Jahresurlaub in einem
späteren Zeitraum in Anspruch zu nehmen, entgegensteht, sofern, was vom nationalen Gericht zu beurteilen
ist, mit dem Anspruch auf Genesungsurlaub ein anderer Zweck verfolgt wird als mit dem Anspruch auf
Jahresurlaub" ( EuGH, 30.06.2016 – C-178/15 Leitsatz Polen).
6.18 Hormonbehandlung
§ 3 Abs. 1 EFZG sieht die Entgeltfortzahlung nur für Fälle vor, in denen die Arbeitsunfähigkeit infolge
Krankheit ohne Verschulden des Arbeitnehmers eingetreten ist. Tritt eine Arbeitsunfähigkeit infolge einer
Erkrankung auf, die auf eine Hormonbehandlung zur Beseitigung einer Unfruchtbarkeit zurückzuführen ist,
ist diese Krankheit nicht verschuldet. Eine unter ärztlicher Anleitung vorgenommener Hormonbehandlung ist
keine Verhaltensweise der privaten Lebensführung, die in vorwerfbarer Weise gegen das von einem
verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstoße ( LAG Hessen,
26.11.2008 - 6/18 Sa 740/08 ).
6.19 Krankheit und Urlaub
Wird ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs krank, "so werden die durch ärztliches Zeugnis
nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet", § 9 BUrlG . Für
Beamte enthält die NRW-ErholungsurlaubsVO die gleiche Rechtsfolge, wenn dem Dienstherrn die
Erkrankung unverzüglich angezeigt wird. Begleitet ein krankgeschriebener Beamter seine Familie mit
Zustimmung des Dienstherrn auf eine geplante Urlaubsreise, wird sein Urlaubsanspruch dadurch nicht
gemindert. Selbst dann nicht, wenn die Erkrankung zwischen Urlaubsbewilligung und Urlaubsbeginn eintritt.
Auch diese Situation wird von der Spezialregelung im Urlaubsrecht erfasst ( VG Gelsenkirchen, 18.10.2011 12 K 5952/10 - zwar zum NRW-Beamtenrecht, für § 9 BUrlG aber durchaus verallgemeinerungsfähig).
6.20 Mitbestimmung beim bEM
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei "Regelungen
über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im
Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften". Da § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX
für eine Rahmenvorschrift für das betriebliche Eingliederungsmanagement ist, erstreckt sich die
Mitbestimmung des Betriebsrats hier nur auf die "Aufstellung von Verfahrensgrundsätzen zur Klärung der
Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers überwunden und mit welchen Leistungen oder
Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann." Der Betriebsrat kann daher - auch nicht
über die Einigungsstelle - nicht die Beteiligung eines Integrationsteams durchsetzen, weil die Umsetzung der
erforderlichen Maßnahmen allein Sache des Arbeitgebers ist (BAG, 22.03.2016 -1 ABR 14/14) .
6.21 Rückzahlung - 1
Sieht ein Tarifvertrag vor, dass die Entgeltfortzahlung nicht über den Zeitpunkt hinaus erfolgt, in dem der
Arbeitnehmer Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung bekommt, ist es zulässig, diese Zahlung
tariflich als Vorschuss auf die Leistung der Rentenkasse zu vereinbaren, die der Arbeitnehmer dann
zurückzuzahlen hat. Der Arbeitgeber ist dabei grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer auf die
Rückzahlungsbestimmung im Tarifvertrag hinzuweisen ( BAG, 30.09.1999 - 6 AZR 130/98 - zu § 71 Abs. 2
Unterabs. 5 lit. b BAT in der ab 1994 geltenden Fassung des 69. Änderungstarifvertrags).
6.22 Rückzahlung - 2
Nach § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 Satz 1 lit. b) BAT werden Krankenbezüge nicht über den Zeitpunkt hinaus
gezahlt, von dem der Angestellte Bezüge aufgrund eigener Versicherung aus der gesetzlichen
Rentenversicherung erhält. Entsprechend dem eindeutigen Wortlaut, dem tariflichen Zusammenhang sowie
Sinn und Zweck der Vorschrift fällt hierunter auch die befristet gewährte Rente wegen einer teilweisen
9
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
Erwerbsminderung. Nur der unabdingbare Entgeltfortzahlungsanspruch für sechs Wochen nach den §§ 3 ,
12 EFZG bleibt bestehen. Zu viel gezahltes Krankengeld gilt nach § 71 Abs. 2 Unterabs. 5 Satz 2 BAT als
Vorschuss und kann zurückgefordert werden ( BAG, 07.02.2007 - 5 AZR 260/06 ).
6.23 Schadensersatz
Der Schutzzweck der Insolvenzverschleppungshaftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64
Abs. 1 GmbHG , § 130a Abs. 1 HGB erstreckt sich nicht auf Schäden, die einem Arbeitnehmer "in Gestalt der
Uneinbringlichkeit eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung für die Zeit krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit"
nach § 3 EFZG entstehen. Der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen erfasst neben dem
Quotenschaden der Altgläubiger nur den Vertrauensschaden, der einem (Neu-)Gläubiger dadurch entsteht,
dass er der (unerkannt) insolvenzreifen Gesellschaft Kredit gewährt oder eine sonstige Leistung an sie
erbringt, der kein werthaltiger Gegenanspruch gegenübersteht. Der Anspruch nach § 3 EFZG ist ein
gesetzlicher, aus sozialen Gründen gewährter Anspruch, der keinen Bezug zu auf diesen Zeitraum
entfallenden Vorleistungen des Arbeitnehmers hat ( BGH, 20.10.2008 - II ZR 211/07 ).
6.24 Urlaub - Verfall
§ 15 MTV Einzelhandel NW sieht vor, dass übertragener Urlaub "in den ersten 4 Monaten des folgenden
Kalenderjahres gewährt und genommen werden" muss. Der Tarifvertrag differenziert zwischen einem
gesetzlichen und einem tariflichen Anteil am 36-werktägigen Gesamturlaubsanspruch. Er trifft für den Verfall
des tariflichen Mehrurlaubs eine eigenständige Regelung. Das führt dazu, dass der tarifliche Anteil auch dann
mit dem 30.04. des Folgejahres verfällt, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub im laufenden Kalenderjahr
krankheitsbedingt nicht nehmen konnte. Zur eigenständigen Regelung sagt das BAG: "Ein 'Gleichlauf' [mit
der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 3 BUrlG ] ist nicht gewollt, wenn die Tarifvertragsparteien entweder bei
der Befristung und Übertragung oder beim Verfall des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und
tariflichem Mehrurlaub unterscheiden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige,
vom BUrlG abweichende Regelungen zur Befristung und Übertragung oder zum Verfall des
Urlaubsanspruchs getroffen haben" ( BAG, 12.11.2013 - 9 AZR 551/12 ).
6.25 Urlaubsabgeltung - 1
Nachdem der EuGH (20.01.2009 - Rs. C-350/06) die Vorlage geliefert hatte, gilt für den gesetzlichen
Mindesturlaub: Er wird nicht für Zeiten erworben, in denen der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zur Verfügung
gestellt hat, sondern auch für Zeiten, in denen er ordnungsgemäß krankgeschrieben war. Dieser
Urlaubsanspruch verfällt nicht, sondern ist vom Arbeitgeber, wenn der Urlaub nicht im Urlaubsjahr erteilt
wurde, zu einem späteren Zeitpunkt nachzugewähren. Daraus wiederum folgt, dass der Arbeitnehmer bei
Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Anspruch auf Abgeltung des noch offenen Urlaubs hat, und
zwar auch dann, wenn er während des gesamten Urlaubsjahres und darüber hinaus krankgeschrieben war
beziehungsweise weiterhin krankgeschrieben ist ( LAG Düsseldorf, 02.02.2009 - 12 Sa 486/06 Rechtsauffassung bestätigt durch BAG, 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 ).
6.26 Urlaubsabgeltung - 2
"Der vierwöchige Mindesturlaubsanspruch verfällt nicht, wenn ein Arbeitnehmer bis zum Ende des
Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt ist. Es steht in der Freiheit der Arbeits- und
Tarifvertragsparteien, den Verfall eines darüber hinausgehenden arbeits-, tarifvertrags - oder gesetzlichen
zusätzlichen Erholungsurlaubs mit oder nach dem 31.3. des Folgejahres zu bestimmen. Ob eine
arbeitsvertragliche Verfallklausel übergesetzliche Urlaubsansprüche auch im Fall durchgehender
Arbeitsunfähigkeit erfassen soll, ist durch Auslegung zu ermitteln" ( ArbG Berlin, 22.04.2009 - 56 Ca 21280/08
Leitsätze).
6.27 Urlaubsabgeltung - 3
Das neue Abgeltungsrecht (vgl. BAG, 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 ) gilt auch für den gesetzlichen
Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen. Ist ein Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses
arbeitsunfähig krank, muss der Arbeitgeber auch diesen Urlaub finanziell abgelten. Insoweit teilt der
Schwerbehindertenzusatzurlaub das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs ( BAG,
10
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
23.03.2010 - 9 AZR 128/09 - mit dem Hinweis, dass allerdings Tarifparteien bestimmen können, dass der
über den gesetzlichen Urlaub hinausgehende tarifliche Urlaubsabgeltung erlischt, wenn der
Urlaubsanspruch krankheitsbedingt nicht erfüllt werden kann).
6.28 Urlaubsabgeltung - 4
Die deutschen Arbeitsgericht müssen nach Art. 20 Abs. 3 GG auch den Grundsatz des Vertrauensschutzes
beachten. Soweit es die Urlaubsabgeltung betrifft, war die langjähriger BAG-Rechtsprechung, die bei bis zum
Ende des Übertragungszeitraums fortdauernder Arbeitsunfähigkeit seit 1982 vom Verfall der
Urlaubs(-abgeltungs-)ansprüche ausging, dazu geeignet, auf Arbeitgeberseite Vertrauen auf den
Fortbestand dieser Rechtsprechung zu begründen. "Mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste
Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996 trat eine wesentliche Änderung ein. Danach entfiel die
Vertrauensgrundlage. Seit dem 24. November 1996 war das Vertrauen von Arbeitgebern auf die Fortdauer
der bisherigen, zum nationalen Recht ergangenen Rechtsprechung nicht länger schutzwürdig" ( BAG,
23.03.2010 - 9 AZR 128/09 ).
6.29 Urlaubsabgeltung - 5
Sowohl der EuGH als auch das BAG haben es bislang offen gelassen, wie lange der
Urlaubsabgeltungsanspruch nach neuem Recht zurückgreift. Insoweit hat das LAG Hamm nun dem EuGH die
Frage vorgelegt, ob der betroffene Arbeitnehmer seine Urlaubsansprüche über Jahre hinweg ansammeln
kann, weil der gesetzliche Urlaubsanspruch für jedes Jahr der Arbeitsunfähigkeit erhalten bleibt. Die
EuGH-Entscheidung vom 20.01.2009 - Rs. C-350/06 - bezog sich nur auf das laufende Urlaubsjahr und das
Jahr davor ( LAG Hamm, 15.04.2010 - 16 Sa 1176/09 ).
6.30 Urlaubsabgeltung - 6
Eine konsequente Weiterentwicklung: "Aus der geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
zum Urlaubsabgeltungsanspruch des langandauernd arbeitsunfähigen Arbeitnehmers folgt die
Vererblichkeit des Abgeltungsanspruchs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des
Arbeitnehmers" ( LAG Hamm, 22.04.2010 - 16 Sa 1502/09 Leitsatz).
6.31 Urlaubsabgeltung - 7
"Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als reiner
Geldanspruch. Diese auf eine finanzielle Vergütung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der sog. Arbeitszeitrichtlinie
2003/88/EG gerichtete Forderung bleibt in ihrem Bestand unberührt, wenn die Arbeitsunfähigkeit des
Arbeitnehmers bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 31. März des dem Urlaubsjahr folgenden
Jahres fortdauert" ( BAG, 04.05.2010 - 9 AZR 183/09 Leitsatz - mit dem Hinweis, dass der arbeits- oder
tarifvertragliche vereinbarte längere "übergesetzliche" Urlaub das rechtliche Schicksal des gesetzlichen
Mindesturlaubs trägt, wenn die Vertragspartner hier nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt haben).
6.32 Urlaubsabgeltung - 8
Die von EuGH und BAG zuletzt aufgestellten Grundsätze sind auch dann anzuwenden, wenn ein
schwerbehinderter Arbeitnehmer arbeitsunfähig wird, dann zunächst eine Zeitrente wegen
Erwerbsminderung bekommt und im Anschluss daran nach mehreren Jahren aus dem Arbeitsverhältnis
scheidet. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall sowohl den gesetzlichen BUrlG -Urlaub als auch den
Zusatzurlaub für Scherbehinderte nach dem SGB IX abgelten. Beide Ansprüche verfallen nicht, obwohl der
jeweilige Übertragungszeitraum schon abgelaufen ist ( LAG Schleswig-Holstein, 16.12.2010 - 4 Sa 209/10 ).
6.33 Urlaubsabgeltung - 9
Ansprüche auf Urlaubsgeltung sind kein Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern reine Geldforderungen
- wie alle anderen Entgeltforderungen aus dem Arbeitsverhältnis. Der Urlaubsabgeltungsanspruch wird mit
Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Insoweit unterliegt er tariflichen und/oder einzelvertraglichen
Ausschlussfristen, die für den Verfall auf die Fälligkeit von Entgeltansprüchen abstellen. Wer diesen
Abgeltungsanspruch dann nicht rechtzeitig geltend macht, verliert ihn mit Ablauf der tariflichen/vertraglichen
11
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
Ausschlussfrist, und das ersatzlos ( BAG, 09.08.2011 - 9 AZR 352/10 ).
6.34 Urlaubsabgeltung - 10
Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist kein Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern eine reine, sich nicht
von anderen finanziellen Entgeltansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis unterscheidende Geldforderung.
Diese Geldforderung kann, auch wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abgeltung des nach langer
Arbeitsunfähigkeit bestehenden gesetzlichen Mindesturlaubs verlangt, innerhalb der anzuwendenden
tariflichen Ausschlussfristen verfallen. "Das ist mit Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie und den hierzu vom
EuGH aufgestellten Grundsätzen vereinbar" ( BAG, 09.08.2011 - 9 AZR 365/10 - mit dem Hinweis, dass es
ausreicht, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hat, seine Ansprüche innerhalb der tariflichen
Ausschlussfristen geltend zu machen).
6.35 Urlaubsabgeltung - 11
Die Übertragung von Urlaub ist nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG nur statthaft, wenn dringende betriebliche
Gründe oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe das rechtfertigen. Ansonsten gilt der
Grundsatz: Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr - Urlaub muss nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG im laufenden Jahr
gewährt und genommen werden. Das führt selbst bei lang anhaltender Arbeitsunfähigkeit zu dem Ergebnis:
Liegt zwischen dem Ende der Arbeitsunfähigkeit und dem Jahresende ein ausreichend großer Zeitraum, in
dem der Arbeitnehmer seinen Urlaub - einschließlich eventueller Restansprüche - noch nehmen könnte, bleibt
der Urlaub auf das Kalenderjahr befristet. Liegt kein (weiterer) Übertragungsgrund vor, ist der
Urlaubsanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres erloschen ( BAG, 09.08.2011 - 9 AZR 425/10 ).
6.36 Urlaubsabgeltung - 12
§ 13 Abs. 1 BUrlG schließt es aus, dass die Parteien des Arbeitsvertrags Vereinbarungen treffen, die zu
Ungunsten des Arbeitnehmers von den gesetzlichen Urlaubsregelungen abweichen. Das BUrlG schließt es
allerdings nicht aus, dass die Parteien neben oder zusätzlich zu den BUrlG -Ansprüchen eigene, vertragliche
Ansprüche begründen. So dürfen sie eine Vereinbarung schließen, die den Arbeitgeber verpflichtet, auch
eigentlich bereits verfallenen Urlaub noch zu gewähren. "Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die nicht die
(Nach-)Gewährung verfallenen Urlaubs, sondern dessen Abgeltung vorsieht" ( BAG, 18.10.2011 - 9 AZR
303/10 ).
6.37 Urlaubsabgeltung - 13
Der EuGH hat seine Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung präzisiert: "Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie
2003/88/EG (...) ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie
etwa Tarifverträgen nicht entgegensteht, die die Möglichkeit für einen während mehrerer Bezugszeiträume in
Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch
einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der
Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt" ( EuGH, 22.11.2011 - C-214/10 Deutschland).
6.38 Urlaubsabgeltung - 14
Ein Urlaubsanspruch geht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG mit Ablauf des ersten Quartals des Folgejahres
am 31.03. unter. Nach der EuGH-Entscheidung vom 22.11.2011 - C-214/10 - ist eine Ansammlung von
Urlaubsansprüchen über mehrere Jahre auch bei einer fortdauernden Erkrankung nicht geboten, sodass
eine nationale Regelung, die das Erlöschen von Urlaubsansprüchen mit einer Begrenzung des
Übertragungszeitraums von 15 Monaten unionsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Daher gehen
Urlaubsansprüche bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit über mehrere Jahre spätestens 15 Monate nach
Ende des Urlaubsjahres unter und sind bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht
abzugelten ( LAG Baden-Württemberg, 21.12.2011 - 10 Sa 19/11 ).
6.39 Urlaubsabgeltung - 15
"1. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG ... über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin
auszulegen, dass er nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der
12
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von einer effektiven Mindestarbeitszeit von zehn Tagen oder einem
Monat während des Bezugszeitraums abhängt. (...) 3. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG ist dahin
auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, nach der je nach Ursache der
Fehlzeiten des krankgeschriebenen Arbeitnehmers die Dauer des bezahlten Jahresurlaubs länger als die von
dieser Richtlinie gewährleistete Mindestdauer von vier Wochen oder genauso lang wie dieses ist" ( EuGH,
24.01.2012 - C-282/10 Leitsätze Frankreich).
6.40 Urlaubsabgeltung - 16
Mit Blick auf die EuGH-Entscheidung vom 22.11.2011 - C-214/10 - ist es nicht Zweck der europarechtlichen
Bestimmungen zum Urlaubsrecht, dafür zu sorgen, dass arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer über Jahre
hinweg Urlaubsansprüche ansammeln können. Insoweit ist es durchaus zulässig, den Urlaubsanspruch
auf einen 15-monatigen Übertragungszeitraum zu beschränken. Urlaub, der weiter zurückliegt, verfällt.
Wobei hier allerdings die Besonderheit besteht, dass der 15-Monats-Zeitraum im Tarifvertrag - der
Einheitliche Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 18.12.2003 - in
§ 11 Abs. 1 Unterabs. 3 bei Krankheit einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsieht ( LAG Hamm,
22.03.2012 - 16 Sa 1176/09 ).
6.41 Urlaubsabgeltung - 17
"1. Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG (...) ist dahin auszulegen, dass er für einen Beamten gilt, der unter
gewöhnlichen Umständen als Feuerwehrmann tätig ist. 2. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 ist dahin
auszulegen, dass ein Beamter bei Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für
bezahlten Jahresurlaub hat, der er nicht genommen hat, weil er aus Krankheitsgründen keinen Dienst
geleistet hat." "3. Art. 7 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er Bestimmungen des nationalen
Rechts nicht entgegensteht, die dem Beamten zusätzlich zu dem Anspruch auf einen bezahlten
Mindestjahresurlaub von vier Wochen weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren, ohne dass die
Zahlung einer finanziellen Vergütung für den Fall vorgesehen wäre, dass dem in den Ruhestand tretenden
Beamten diese zusätzlichen Ansprüche nicht haben zugutekommen können, weil er aus Krankheitsgründen
keinen Dienst leisten konnte." "4. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er einer
Bestimmung des nationalen Rechts entgegensteht, die durch einen Übertragungszeitraum von neun
Monaten, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt, den Anspruch eines in den
Ruhestand tretenden Beamten auf Ansammlung der finanziellen Vergütung für wegen Dienstunfähigkeit nicht
genommenen bezahlten Jahresurlaub beschränkt" ( EuGH, 03.05.2012 - C-337/10 Leitsätze Deutschland).
6.42 Urlaubsabgeltung - 18
Die EuGH-Rechtsprechung zum Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs bei Dauerkranken bezieht sich auf
den 4-wöchigen Urlaub, den der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern nach der Richtlinie 2003/88/EG geben muss.
Für den diese vier Wochen übersteigenden tariflichen Mehrurlaub dürfen die Tarifpartner die
Bedingungen selbst festlegen und können sie frei regeln. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, wenn der
tarifliche Mehrurlaub zum 31.05. des Folgejahres verfällt und ein Arbeitnehmer trotz Dauererkrankung dann
keinen Anspruch mehr auf Ersatzurlaub hat ( BAG, 22.05.2012 - 9 AZR 575/10 - zur 5-monatigen Verfallfrist
des § 26 Abs. 2 lit. a) TVöD , wonach wegen Arbeitsunfähigkeit übertragener Urlaub bis zum 31.05. des
Folgejahres anzutreten ist).
6.43 Urlaubsabgeltung - 19
"1. Die Tarifvertragsparteien des TV-L [Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12.10.2006]
haben mit § 26 Abs. 2 Buchst. a TV-L ein eigenständiges, von dem des Bundesurlaubsgesetzes
abweichendes Fristenregime geschaffen, nach dem der tarifliche Mehrurlaub auch bei fortbestehender
Arbeitsunfähigkeit am Ende des zweiten Übertragungszeitraums am 31. Mai des Folgejahres verfällt. 2. Die
Abgeltung tariflicher Mehrurlaubsansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht davon
abhängig, dass die Arbeitsunfähigkeit wiedererlangt wird. Insofern haben die Tarifvertragsparteien des TV-L
keine eigenständige getroffen, sondern lediglich auf die Bestimmungen zum gesetzlichen Mindesturlaub
Bezug genommen" ( BAG, 22.05.2012 - 9 AZR 618/10 ).
6.44 Urlaubsabgeltung - 20
13
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist als Arbeitsentgeltanspruch nach der neuen EuGH- und
BAG-Rechtsprechung nicht mehr auf den Übertragungszeitraum befristet, wenn ein Arbeitnehmer über
diesen Übertragungszeitraum hinaus arbeitsunfähig krank geschrieben ist (= Aufgabe der Surrogatstheorie,
wonach der Abgeltungsanspruch Ersatz des Urlaubsanspruch in Freizeit ist). Der Urlaubsabgeltungsanspruch
unterliegt nicht den BUrlG -Fristen. Der Arbeitgeber ist daher nicht gehalten, seinen
Urlaubsabgeltungsanspruch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.12. des laufenden
Kalenderjahres geltend zu machen ( BAG, 19.06.2012 - 9 AZR 652/10 ).
6.45 Urlaubsabgeltung - 21
Arbeitnehmer behalten ihren Urlaubsanspruch nach § 1 BUlrG auch dann, wenn sie das ganze Kalenderjahr
über arbeitsunfähig krank gewesen sind. Das gilt auch in Fällen, in denen ein Mitarbeiter eine befristete
Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und der einschlägige Tarifvertrag sagt, dass das Arbeitsverhältnis
während des Rentenbezugs ruht. Die Tarifvertragsparteien dürfen über den gesetzlichen Mindesturlaub nicht
verfügen. "Bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern ist § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG , wonach im Fall der
Übertragung der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen
werden muss, unionsrechtskonfom so auszulegen ist, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des
Urlaubsjahres verfällt" ( BAG, 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 Pressemitteilung).
6.46 Urlaubsabgeltung - 22
EuGH und BAG haben zunächst aufgeworfen Verfallfragen bei der Abgeltung von Urlaubsansprüchen
inzwischen klargestellt. Selbst EU-Recht gebietet es nicht, Urlaubsansprüche weiter aufrecht zu halten, wenn
die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers auch am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden
Jahres noch fortbesteht. "Die Annahme eines Verfalls des Urlaubsanspruchs bei fortbestehender
Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres stellt keinen Verstoß gegen das Prinzip der
Gewaltenteilung dar, sondern setzt den gesetzgeberischen Willen, den Urlaub eng an das Urlaubsjahr zu
binden, in unionsrechtskonformer Weise um" ( BAG, 16.10.2012 - 9 AZR 63/11 ).
6.47 Urlaubsabgeltung - 23
Bei der Altersteilzeit sind kranheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und die Unerfüllbarkeit von
Urlaubsansprüchen in der Freistellungsphase des Blockmodells gleichzustellen. Soweit es tariflichen
Mehrurlaub betrifft, können die Tarifpartner diesen Mehrurlaub frei regeln. Im Übrigen hat auch der EuGH
inzwischen festgestellt, dass eine Ausschlussfrist von insgesamt 15 Monaten nicht EU-rechtswidrig ist (
EuGH, 22.11.2011 - C-214/10 ). Das führt zu dem Ergebnis, dass Urlaubsansprüche des Jahres 2007 nun
spätestens mit dem 31.03.2009 verfallen sind - und das trotz der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ( BAG,
16.10.2012 - 9 AZR 234/11 ).
6.48 Urlaubsabgeltung - 24
Sieht ein Tarifvertrag (hier: MTV Chemie vom 24.06.1992 i.d.F. vom 16.04.2008) die Regelung "1. Der
Urlaub kann grundsätzlich nicht abgegolten werden. 2. Soweit jedoch bei der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch noch nicht erfüllt ist, ist er abzugelten. Nicht erfüllbare
Urlaubsansprüche sind nicht abzugelten." vor, ist das eine eigenständige, vom BUrlG abweichende
Vereinbarung. Sie ist Tarifnorm i.S.d. §§ 1 Abs. 1 , 4 TVG . Soweit es den gesetzlichen Mindesturlaub
betrifft, ist die tarifliche Regelung überholt (s. dazu die vorausgehenden Gliederungspunkte). "Für den vom
Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, den Mehrurlaub, bleibt die
Tarifregelung gemäß § 139 BGB wirksam" ( BAG, 13.11.2012 - 9 AZR 64/11 ).
6.49 Urlaubsabgeltung - 25
"Gestattet der Arbeitgeber den Arbeitnehmern, den Urlaub aus dem Vorjahr über den tariflich bestimmten
Zeitraum [hier: § 26 Abs. 2 TVöD , 31.05. des Folgejahres] hinaus [hier: bis zum 30.09. des Folgejahres] zu
übertragen, geht der Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub grundsätzlich am Ende des verlängerten
Übertragungszeitraums unter. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt
arbeitsunfähig krank ist [es folgt ein Hinweis auf BAG, 07.08.2012 - 9 AZR 760/10] . Dem Erlöschen steht
weder § 13 Abs. 1 BUrlG noch Unionsrecht entgegen. Da nicht der durch die Richtlinie 2003/88/EG des
14
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der
Arbeitszeitgestaltung gewährleistete Mindesjahresurlaub von vier Wochen betroffen ist, besteht keine
Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV " ( BAG, 12.03.2013 - 9 AZR 292/11 ).
6.50 Urlaubsabgeltung - 26
Trotz der gewandelten Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung bei längerer Krankheit: "Hatte der Arbeitnehmer
nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich die Möglichkeit, die Abgeltung des ihm
zustehenden gesetzlichen Mindesturlaubs in Anspruch zu nehmen, und schließt er einen Vergleich mit einer
Ausgleichsklausel, der zufolge sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis 'erledigt' sind, erfasst diese
grundsätzlich auch den Urlaubsabgeltungsanspruch. Der Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung stehen
weder § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG noch Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie entgegen" ( BAG, 14.05.2013 - 9 AZR
844/11 - Leitsatz - mit ausführlicher Begründung).
6.51 Urlaubsabgeltung - 27
Enthält ein Tarifvertrag für den Verfall von Urlaubsansprüchen keine eigene Regelung, gelten § 7
Abs. 3 BUrlG und die dazu vom BAG entwickelten Grundsätze. Das betrifft dann nicht nur den gesetzlichen
Mindesturlaub, das gilt dann auch für den tariflichen Mehrurlaub und den gesetzlichen sowie tariflichen
Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen. "§ 7 Abs. 3 BUrlG ist unionskonform so auszulegen, dass der
gesetzliche Urlaubsanspruch nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder
des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig ist. Die unionsrechtskonforme Auslegung hat jedoch nur zur
Folge, dass der aufrechterhaltene Urlaubsanspruch zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch
hinzutritt und damit erneut dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG unterfällt. Besteht die Arbeitsunfähigkeit
auch am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres fort, gebietet das Unionsrecht keine
weitere Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs" ( BAG, 12.11.2013 - 9 AZR 646/12 ).
6.52 Urlaubsabgeltung - 28
Sieht ein Tarifvertrag über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Urlaubsansprüche vor, sagt er
aber ansonsten "Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes ", ist das keine
eigenständige Regelung, sodass für den Verfall des tariflichen Mehrurlaubs die vom BAG entwickelten
Grundsätze Anwendung finden. Ist der Arbeitnehmer auch am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr
folgenden Jahres noch arbeitsunfähig krank, "so gebietet auch das Unionsrecht keine weitere
Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs [es folgt ein Hinweis auf EuGH, 22.11.2011 - C-214/10] . Der
zunächst aufrechterhaltene Urlaubsanspruch erlischt somit gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG zu diesem Zeitpunkt" (
BAG, 12.11.2013 - 9 AZR 727/12 - mit Hinweis auf BAG, 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 ).
6.53 Urlaubsabgeltung - 29
§ 18 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 23. Juni
2008 (nachfolgend MTV) sieht in Ziffer 7 für den tariflichen Urlaub vor: "Der Anspruch auf Urlaub erlischt drei
Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde." Das
Tatbestandsmerkmal "erfolglos geltend gemacht" ist nicht erfüllt, wenn der Arbeitgeber den Urlaub
antragsgemäß genehmigt hat, der Arbeitnehmer diesen Urlaub aber wegen seiner Arbeitsunfähigkeit nicht
antreten konnte. "Geltend gemacht" i.S.d. § 18 Ziffer 7 MTV bedeutet nicht "Urlaubsnahme". Geltend
gemacht wird der Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber auffordert, ihm Urlaub zu
gewähren. Wenn der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter dann den beantragten Urlaub (unter Zusage der Zahlung
von Urlaubsentgelt, BAG, 10.02.2015 - 9 AZR 455/13 ) erteilt, hat er die geschuldete Erfüllungshandlung
vorgenommen. Die Geltendmachung hatte Erfolg. "Die spätere krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des
Arbeitnehmers (vgl. § 9 BUrlG ) ist ein nachträgliches Erfüllungshindernis, das aus der Sphäre des
Arbeitnehmers stammt" ( BAG, 19.01.2016 – 9 AZR 507/14 – mit dem Ergebnis, dass der tarifliche
Mehrurlaub aus 2012 trotz Arbeitsunfähigkeit vom 14.12.2012 bis zum 07.06.2013 mit Ablauf des 31.03.2013
verfallen war).
6.54 Urlaubsabgeltung - Beamte - 1
15
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
Die Grundsätze, die EuGH und BAG zur Urlaubsabgeltung bei Krankheit aufgestellt haben, gelten auch für
Beamte, soweit es ihren Anspruch auf Abgeltung des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs
betrifft. Der Anspruch ergibt sich aus Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG , der so genannten
Arbeitszeitrichtlinie. Er betrifft aber nur den gesetzlichen Mindesturlaub - und nicht den über den
Mindesturlaub hinausreichenden Urlaub, auch keine Arbeitszeitverkürzungstage und auch den
Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 SGB IX nicht. Urlaubsansprüche aus vorangegangenen Jahren
("alter Urlaub") ist nur dann abzugelten, wenn er noch nicht verfallen ist - was hier jedenfalls 18 Monate nach
Ende des Urlaubsjahres der Fall wäre ( BVerwG, 31.01.2013 - 2 C 10.12 ).
6.55 Urlaubsabgeltung - Beamte - 2
Kann ein Beamter, für den Altersteilzeit im Blockmodell bewilligt worden ist, seinen restlichen
Erholungsurlaub krankheitsbedingt vor Eintritt in die Freistellungsphase nicht mehr nehmen, hat er in der
Regel keinen Anspruch darauf, den nicht genommenen Urlaub finanziell abgegolten zu bekommen. Ein
Abgeltungsanspruch kann erst bei Beendigung des Dienstverhältnisses, hier also mit Eintritt in den
Ruhestand entstehen. Folgt nach der 4-jährigen Arbeitsphase eine ebenso lange Freistellungsphase, ist der
Abgeltungsanspruch an ihrem Ende verfallen ( VG Koblenz, 24.01.2014 - 5 K 1135/13 - mit Hinweis auf die
mittlerweile gefestigte Rechtsprechung, dass wegen Krankheit nicht genommener Urlaub auch EU-rechtlich
innerhalb von 18 Monaten verfällt).
6.56 Urlaubsabgeltung - Elternzeit
"1. § 17 Satz 2 MuSchG und § 17 Abs. 2 BEEG , wonach die Arbeitnehmerin den vor Beginn der
Beschäftigungsverbote/der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhaltenen Erholungsurlaub auch noch nach
Ablauf der Verbote/der Elternzeit im laufenden Jahr oder im Folgejahr nehmen kann, verlängern nicht den
Übertragungszeitraum des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG . 2. Diese gesetzlichen Sonderregelungen bestimmen
abweichend von § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG , dass der Urlaub nicht im 'laufenden' Kalenderjahr gewährt und
genommen werden muss, sondern auch im Folgejahr genommen werden kann. Dieses ist dann das für das
Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG maßgebliche Urlaubsjahr" ( BAG, 15.12.2015 - 9 AZR 52/15 Leitsätze).
6.57 Urlaubsabgeltung - Schwerbehinderte
Die Vorschriften über die Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs
sind auch auf den schwerbehinderten Mitarbeitern nach § 125 SGB IX zustehenden Zusatzurlaub
anzuwenden. Das führt dazu, dass der Anspruch auf den Zusatzurlaub - wie der Anspruch auf den
gesetzlichen Mindesturlaub - erlischt, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer seinen (Zusatz)Urlaub nicht
bis zum Ende des Kalenderjahres - oder, wenn die Voraussetzungen für eine Übertragung vorliegen - bis zum
Ende des Übertragungszeitraums geltend macht. Trotz der neuen BAG-/EuGH-Rechtsprechung zum
verlängerten Verfall von Urlaubsansprüchen bei Krankheit: "Diese Voraussetzungen erfüllen allein eine
Schwerbehinderung und die ihr zugrunde liegende Erkrankung nicht. Eine Krankheit, die keine
Arbeitsunfähigkeit begründet, hindert ... den Verfall des Urlaubs nicht, da eine solche Krankheit der
Urlaubsgewährung nicht entgegensteht" ( BAG, 04.11.2015 - 7 AZR 851/13 ).
6.58 Urlaubsabgeltung - tariflicher Mehrurlaub
Sieht ein Tarifvertrag die Übertragung von tariflichen Urlaubsansprüchen vor, wenn dies durch in der Person
des Arbeitnehmers liegende Gründe gerechtfertigt ist, und sagt eine Tarifbestimmung "Wird der Urlaub nicht
bis zu dem in Betracht kommenden Zeitpunkt - spätestens jedoch bis zum Ablauf des auf das Urlaubsjahr
folgenden Kalenderjahres - angetreten, so verfällt er", kann der tarifliche Mehrurlaub auch schon vor der vom
BAG für den gesetzlichen Mindesturlaub angenommenen 15-Monats-Grenze verfallen. Diese
Tarifbestimmung sieht ein eigenes Fristenregime vor. So verfällt der tarifliche Mehrurlaub auch bei
fortdauernder Arbeitsunfähigkeit schon zum Ende des nächsten Kalenderjahres - und nicht am 31.03. des
noch darauf folgenden ( BAG, 16.07.2013 - 9 AZR 914/11 ).
6.59 Urlaubsabgeltung - Vererblichkeit - 1
Es kommt häufig vor, dass Arbeitnehmer langfristig arbeitsunfähig krank sind und dann sterben. Der Tod
beendet das Arbeitsverhältnis, aber lässt nicht gleichzeitig auch alle Ansprüche aus dem beendeten
16
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
Arbeitsverhältnis entfallen. § 1922 Abs. 1 BGB sagt: "Mit dem Tode einer Person () geht deren Vermögen
(Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über Erbfall". Für im Todeszeitpunkt
noch nicht erfüllt Urlaubsansprüche gilt: Der Tod des Arbeitnehmers führt dazu, dass seine Urlaubsansprüche
erlöschen. Der erloschene Urlaubsanspruch wandelt sich nicht nach § 7 Abs. 4 BUrlG in einen
Abgeltungsanspruch um, der auf die Erben übergeht ( BAG, 20.09.2011 - 9 AZR 416/10 ).
6.60 Urlaubsabgeltung - Vererblichkeit - 2
Der - trotz Krankheit - erworbene Urlaubsanspruch ist nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten, wenn er wegen der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder ganz noch teilweise in natura gewährt und genommen werden
kann. Stirbt der Arbeitnehmer, hat er als Erblasser weder zu Lebzeiten ein im Todeszeitpunkt zum Vollrecht
erstarkendes Anwartschaftsrecht auf die Urlaubsabgeltung noch eine werdendes Recht erworben, das als
vermögenswertes Recht nach § 1922 Abs. 1 BGB auf den/die Erben übergeht. Der Urlaubsanspruch ist
höchstpersönlich, er geht mit dem Tod des Arbeitnehmers unter ( BAG, 12.03.2013 - 9 AZR 532/11 - mit dem
Hinweis, dass dieser Grundsatz auch dann anzuwenden ist, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch
zuvor eingeklagt hat).
6.61 Urlaubsabgeltung - Vererblichkeit - 3
Der verkürzte Fall: Arbeitnehmer A starb nach schwerer Krankheit und Arbeitsunfähigkeit. Im Zeitpunkt des
Todes hatte er noch 140,5 nicht genommene Urlaubstage. Witwe W verlangte von A's Arbeitgeber als
Erbin die Abgeltung dieser Urlaubstage. Dazu meint der EuGH nach einem Vorlagebeschluss des LAG
Hamm, 14.02.2013 - 16 Sa 1511/12 : "Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass
er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie den im Ausgangsverfahren fraglichen
entgegensteht, wonach der Anspruch auf bezalten Jahresurlaub ohne Begründung eines
Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des
Arbeitnehmers endet. Eine solche Abgeltung kann nicht davon abhängen, dass der Betroffene im Vorfeld
einen Antrag gestellt hat" ( EuGH, 12.06.2014 - C-118/13 Leitsatz).
6.62 Urlaubsabgeltung - Vererblichkeit - 4
Interessant an dieser Entscheidung: Der Urlaub verfällt im Krankheitsfall nicht tageweise schon vor dem
31.03. des übernächsten Jahres, sondern am 31.03. des übernächsten Jahres komplett. Würde man der
gegenteiligen Meinung - die es in der Literatur gibt - folgen, käme man zu dem Ergebnis, dass der
Übertragungszeitraum - entgegen der EuGH- und BAG-Rechtsprechung - damit unterschritten wird. Im
Übrigen gilt: "1. Ist ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert,
gehen seine gesetzlichen Urlaubsansprüche mit Ablauf des 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr
folgenden Jahres unter. Der Verfall tritt nicht bereits vor diesem Zeitpunkt tageweise ein. 2. Der entstandene
Urlaubsabgeltungsanspruch ist vererbbar" (BAG, 22.09.2015 - 9 AZR 170/14 ).
6.63 Urlaubsabgeltung - Verzicht
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Abfindungsvergleich, dass mit "Erfüllung des Vergleichs
wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt und
gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt sind", erfasst diese Erledigungsklausel auch Ansprüche auf
Urlaubsabgeltung. Obwohl zwischen den Vertragspartnern keine Regelung zulässig ist, die das Entstehen
von Urlaubsabgeltungsansprüchen ausschließt: "Hatte der Arbeitnehmer die Möglichkeit, Urlaubsabgeltung in
Anspruch zu nehmen, und sieht er davon ab, steht ... [nicht mal] Unionsrecht einem Verzicht des
Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung .. entgegen" ( BAG, 14.05.2013 - 9 AZR 844/11 ).
6.64 Urlaubsänderung
" Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über
bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahingehend auszulegen, dass er nationalen
Rechtsvorschriften oder Tarifverträgen entgegensteht, die vorsehen, dass ein Arbeitnehmer, der sich während
des im Urlaubsplan seines Unternehmens vorgesehenen Jahresurlaubs im Krankheitsurlaub befindet, nach
Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht berechtigt ist, seinen Jahresurlaub in einem anderen als dem
17
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
ursprünglich festgelegten Zeitraum in Anspruch zu nehmen, der auch außerhalb des Bezugszeitraums liegen
kann" ( EuGH, 10.09.2009 - C 277/08 - zum spanischen Urlaubsrecht).
6.65 Urlaubsfestlegung
"1. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (...) ist in dem Sinne auszulegen, dass er einer Auslegung der
nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Arbeitnehmer, der sich während eines im Urlaubsplan des
Unternehmens, bei dem er beschäftigt ist, einseitig festgelegten Jahresurlaubs in Krankheitsurlaub befindet,
nicht das Recht hat, nach Beendigung des Krankheitsurlaubs seinen Jahresurlaub zu einem anderen gegebenenfalls außerhalb des entsprechenden Bezugszeitraums liegenden - Zeitpunkt als dem ursprünglich
festgelegten zu nehmen, wenn dem mit der Produktion oder Organisation des Unternehmens
zusammenhängende Gründe entgegenstehen. 2. Art. 7 der Richtlinie 2003/88 ist in dem Sinne auszulegen,
dass er einer Auslegung der nationalen Regelung entgegensteht, nach der während der Dauer eines
Arbeitsvertrags Jahresurlaub im Sinne von Abs. 1 der genannten Bestimmung, den der Arbeitnehmer
aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch nehmen konnte, durch eine finanzielle Vergütung ersetzt
werden kann" ( EuGH, 21.02.2013 - C-194/12 - Leitsätze Spanien).
6.66 Urlaubsgewährung
"Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG ... ist dahingehend auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften
entgegensteht, die vorsehen, dass ein Arbeitnehmer, der während des bezahlten Jahresurlaubs
arbeitsunfähig wird, nicht berechtigt ist, den Jahresurlaub, der mit der Arbeitsunfähigkeit zusammenfällt,
später in Anspruch zu nehmen" ( EuGH, 21.06.2012 - C-78/11 Leitsatz Spanien).
6.67 Urlaubsgeld
Auch wenn ein Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums
sowie darüber hinaus arbeitsunfähig krank ist: Seine Ansprüche auf Gewährung und Abgeltung des
gesetzlichen Urlaubs erlöschen nicht. Ist ein tarifliches Urlaubsgeld akzessorisch mit der Urlaubsgewährung
verknüpft, ist es erst dann zu zahlen, wenn auch der Anspruch auf die Urlaubsvergütung fällig ist ( BAG,
19.05.2009 - 9 AZR 477/07 - mit dem Hinweis, dass hier keine Urlaubsvergütung geschuldet war, weil dem
klagenden Arbeitnehmer bisher kein Urlaub gewährt wurde, und kein Urlaubsabgeltungsanspruch bestand,
weil das Arbeitsverhältnis noch fortdauerte).
6.68 Urlaubsübertragung - 1
Urlaubsansprüche, die krankheitsbedingt in früheren Jahren nicht realisiert werden konnten, kommen nach
der Übertragung zum Urlaubsanspruch aus dem laufenden Jahr hinzu - und sind mit ihm zusammen als
einheitlicher Urlaubsanspruch zu sehen. Ohne besondere individual- oder kollektivvertragliche Regelungen
ist das Urlaubsjahr das Kalenderjahr und der übertragene Urlaub unterliegt dem gleichen Zeitregime nach
§ 7 Abs. 3 Satz 3 und 4 BUrlG wie der Urlaubsanspruch aus dem laufenden Jahr. "Der Urlaubsanspruch
erlischt demnach trotz langwieriger krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, wenn der Arbeitnehmer im
Kalenderjahr einschließlich Übertragungszeitraum so rechtzeitig gesund und arbeitsfähig wird, dass er in der
verbleibenden Zeit seinen Urlaub nehmen kann" ( BAG, 09.08.2011 - 9 AZR 425/10 ).
6.69 Urlaubsübertragung - 2
§ 11 Ziff. 9 Satz 3 des Manteltarifvertrags für die Beschäftigten des Bäckerhandwerks Schleswig-Holstein
(nachfolgend: MTV) sieht vor: "Der in einem Urlaubsjahr nicht gewährte Urlaub kann auf das nächste
Urlaubsjahr nur übertragen werden, wenn die Gewährung aus außergewöhnlichen betrieblichen Gründen
bis zum Ablauf des alten Urlaubsjahres nicht möglich war." Diese Regelung ist insoweit unwirksam, als sie
die Übertragung des gesetzlichen Mindesturlaubs betrifft. § 11 Ziff. 9 MTV - das ergibt eine
richtlinienkonforme Auslegung der §§ 1 , 3 Abs. 1 BUrlG - greift damit in das Recht auf bezahlten Urlaub aus
§ 1 BUrlG ein, wenn der gesetzliche Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers auch dann entfallen soll, wenn er
ihn krankheitsbedingt nicht rechtzeitig im Urlaubsjahr nehmen konnte.
Aber: Die Vorgaben des Unionsrechts betreffen ausschließlich den 4-wöchigen gesetzlichen
Mindesturlaub. Urlaubsansprüche, die über den Mindesturlaub hinausgehen, können von den Tarifpartnern
18
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
frei geregelt werden. Frei geregelt heißt, dass die Tarifpartner den Mehrurlaubsanspruch auch befristen
können. Insoweit steht EU-Recht einem Verfall von tariflichem Mehrurlaub nicht entgegen. "Nach dem [in § 11
Ziff. 9 Satz 3 MTV ] erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien sollte (auch) der tarifliche Urlaubsanspruch
untergehen, wenn er im Urlaubsjahr aus krankheitsbedingten Gründen nicht in Anspruch genommen werden
konnte. Nach der Konzeption des MTV soll der Arbeitnehmer das Risiko tragen, dass der Anspruch auf
Mehrurlaub infolge der Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbar ist" (BAG, 05.08.2014 - 9 AZR 77/13) .
6.70 Verfall - 1
"Die Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes werden nicht dadurch berührt ( § 12 EFZG ), dass
Ansprüche kraft einer tariflichen Ausschlussfrist nach Ablauf bestimmter Fristen erlöschen" ( BAG, 16.01.2002
- 5 AZR 430/00 Leitsatz).
6.71 Verfall - 2
"1. Die Tarifvertragsparteien können für den nicht unionsrechtlich verbürgten Teil des Urlaubs (Mehrurlaub)
regeln, dass der Arbeitnehmer das Risiko der Inanspruchnahme bis zu einem von ihnen festgelegten
Zeitpunkt trägt. 2. Die richtlinienkonforme Fortbildung oder unionsrechtskonforme Auslegung von Vorschriften
des BUrlG ist nicht auf den tariflichen Mehrurlaub anzuwenden, wenn ein Tarifvertrag eigenständige
Regelungen trifft. Dazu muss die Auslegung ergeben, dass der Tarifvertrag vom grundsätzlichen Gleichlauf
zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Urlaub abweicht. Das ist der Fall, wenn er entweder
zwischen gesetzlichem Urlaub und tariflichem Urlaub unterscheidet oder sowohl für Mindest- als Mehrurlaub
wesentlich von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Übertragungs- oder Verfallsregeln bestimmt" ( BAG,
12.04.2011 - 9 AZR 80/10 Leitsätze).
6.72 Verschulden
Arbeitnehmer haben nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG einen maximal 6-wöchigen Entgeltfortzahlungsanspruch,
wenn sie infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert sind - "ohne dass" sie "ein Verschulden trifft".
Verschuldet ist eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, wenn der Arbeitnehmer in einem erheblichen Maß
gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten
verstößt. Ist ein Arbeitnehmer alkoholkrank, fehlt es bei einem Rückfall in den Alkoholkonsum regelmäßig
an einem Verschulden i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG . Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit ( BAG,
18.03.2015 - 10 AZR 99/14 - mit dem Hinweis, dass wegen der 40- bis 50-prozentigen Abstinenzrate ein
Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall nicht generell ausgeschlossen werden kann).
6.73 Werbungskosten
In der Regel sind krankheitsbedingte Aufwendungen eines Arbeitnehmers für Heilmittel steuerlich nicht
privilegiert und auch nicht abzugsfähig - sie gehören zu den Kosten der Lebensführung. In Betracht kommt
insoweit lediglich die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG , wenn dessen
Voraussetzungen erfüllt sind. Aber: "Aufwendungen zur Wiederherstellung der Gesundheit können dann
betrieblich oder beruflich veranlasst sein, wenn es sich um eine typische Berufskrankheit handelt oder der
Zusammenhang zwischen Erkrankung und dem Beruf eindeutig feststeht" ( BFH, 11.07.2013 - VI R 37/12
Leitsatz - hier: krankengymnastische Behandlungen einer als Geigerin tätigen Berufsmusikerin).
6.74 Wettbewerbsverbot
Ein Arbeitnehmer kann sich in einem sogenannten Wettbewerbsverbot verpflichten, für die Zeit nach dem
Ende seiner Beschäftigung Wettbewerb zu unterlassen (s. dazu §§ 74 ff. HGB ). Der Arbeitgeber muss dann
allerdings für die Dauer dieses Wettbewerbsverbots eine Karenzentschädigung zahlen. Diese Verpflichtung
entfällt nicht deswegen, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf die
Karenzentschädigung entsteht allein dadurch, dass er den ihm verbotenen Wettbewerb unterlässt. Insoweit
kommt es nicht darauf an, ob es dem Arbeitnehmer überhaupt möglich ist, gegen seinen früheren Arbeitgeber
in Wettbewerb zu treten ( BAG, 23.11.2004 - 9 AZR 595/03 ).
19
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017

Documents pareils