Giffey´s EuroBasket im Wohnzimmer Wäre der Berliner niels Giffey

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Giffey´s EuroBasket im Wohnzimmer Wäre der Berliner niels Giffey
Giffey´s EuroBasket im Wohnzimmer
Wäre der Berliner niels Giffey an diesem Wochenende nicht als Basketball-Profi gefordert, könnte er
ein paar unvergessliche Tage mit Basketball-Verrückten in Europa erleben, die das NCAA-Final Four
verfolgen.
Der 23-Jährige selbst kann nämlich auf eine Traum-Karriere am College zurückblicken – und das in
jeder Hinsicht. Im ersten und letzten Jahr seiner Zeit in Connecticut, wo er für die UConn Huskies
spielte, durfte er den NCAA-Titel feiern.
2011 war der Small Forward von ALBA Berlin Teil des Championship-Teams um die späteren NBAStars Kemba Walker und Jeremy Lamb, die jetzt in Reihen der Charlotte Hornets und Oklahoma City
Thunders stehen.
Giffey hatte in den darauffolgenden beiden Jahren mit Verletzungen zu kämpfen, 2014 war er aber
zurück. Im Halbfinale legte einen Karrierebestwert auf und half seinem Team mit 24 Punkten gegen
die Memphis Tigers. Im Finale besiegte UConn dann Kentucky und sicherte sich so den Titel.
Große, laute Fangruppen, unbeschreibliche Momente in ausverkauften Sportarenen, die
Aufmerksamkeit der US-Medien, darüber Hinaus der Heldenstatus am College, der mit einem
Titelgewinn einhergeht. Das alles hat Niels Giffey in seinen vier Jahren kennengelernt und erlebt und
wird sie wahrscheinlich nie in seinem Leben mehr vergessen.
Aber welches Maß an Anpassung muss ein junger europäischer Spieler, der auf dem höchsten
College-Level gespielt hat, vornehmen, wenn er seinen ersten Profivertrag bei einem Verein
unterschreibt, der in der EuroLeague spielt?
„Ich bin immer noch dabei, mich anzupassen. Sogar an die kleinen Dinge, wie etwa die zwei
Trainingseinheiten am Tag“, berichtet Giffey im Gespräch mit fibaeurope.com. „Ich glaube, dass ich
mich langsam mehr und mehr daran gewöhne, auch an das viele Reisen und die lange Saison“, fügt er
hinzu. „Auch die Herangehensweise der Coaches hier bei Alba unterscheidet sich extrem zum
College, meine Teamkollegen sind andere. Aber bisher schlage ich mich ganz gut und all das macht
mich zu einem besseren Spieler.“
Was das Spiel an sich angeht, wird der Unterschied zwischen dem College und dem europäischen Stil
noch deutlicher. „In der EuroLeague, und auch der Beko BBL, ist das Spiel an sich etwas langsamer.
Dafür ist es sehr viel schneller im Halbfeld“, erklärt Giffey den Unterschied. Es werden viel mehr
Blöcke gestellt, viel mehr Pick´n´Rolls gespielt und es passieren viel mehr Dinge zur selben Zeit. Die
Teams sind tiefer aufgestellt und die Spieler sind sehr viel erfahrener. Deshalb wird nicht immer
gleich beim ersten freien Wurf abgeschlossen, sondern es gibt mehr Pässe und Ballbewegung.“
„Ich musste mich an all diese Dinge erst gewöhnen. Am College war es immer so, dass du drei gute
Basketballer hattest, aber auch fünf Jungs, die sehr unerfahren waren.“
„In der EuroLeague kannst du dir keinen Fehler erlauben. Es gibt nur einen sehr kleinen Spielraum.
Wenn du den nicht nutzt, wirst du bestraft!“
Giffey zählt nicht zu denen, die viele Fehler machen. Obwohl es seine erste Saison als Profi ist. Im
Schnitt legt er in der Bundesliga 7.1 Punkte bei einer Trefferquote von 47,3% auf, dazu sammelt er
2,6 Rebounds ein. In der EuroLeague kommt er auf 5,2 Punkte bei einer erstaunlichen Trefferquote
von 40,5%, was die Dreier anbelangt. Dazu sammelt er 2,4 Rebounds pro Spiel ein.
Nicht jeder Schritt verlief ohne Probleme, seit seiner Rückkehr nach Berlin im Juli 2014. Doch im
Großen und Ganzen verläuft die Saison für ihn nach Wunsch. „Nach Hause zurück zu kehren hat sehr
viel Spaß gemacht, denn ich wusste, dass ich vor meinen Eltern und Freunden spielen werde,
nachdem ich die vier Jahre zuvor auf einem anderen Kontinent verbracht hatte. Das war sehr speziell
für mich“, sagt Giffey. „Zur gleichen Zeit stieg damit aber auch der Erwartungsdruck, weil man der
Held in seiner Stadt sein möchte. Man will, dass alles perfekt läuft, aber es kann eben nicht alles
immer einwandfrei laufen.“
„Als Team haben wir bisher sehr erfolgreich gespielt. Die Leute haben nicht damit gerechnet, dass
wir auf diesem Level in der EuroLeague spielen würden. Wir müssen dankbar sein dafür sein, dass wir
diese Erfahrungen machen konnten, wie gegen Real Madrid zu spielen, die es höchstwahrscheinlich
in das Top Four schaffen werden“. „Die Erfahrung aus diesen Spielen hilft extrem weiter, besonders
einem jungen Spieler wie mir!“
Eine weitere große Erfahrung dürfte für Giffey die EuroBasket 2015 werden. In seiner Heimatstadt
spielt er mit der deutschen Nationalmannschaft die Vorrunde der EM, in der mit Serbien, Spanien,
der Türkei, Italien und Island harte Brocken auf das deutsche Team warten, das in die zweite Runde
einziehen will.
„Letzten Sommer hatte ich die Möglichkeit, in der NBA Summer League zu spielen und zu versuchen,
mich für ein Team zu empfehlen. Außerdem hatte ich ein paar persönliche Probleme, um die ich
mich kümmern musste. Ich habe eine Pause gebraucht und deshalb nicht für die Nationalmannschaft
gespielt“, erklärt der junge Spieler.
„Aber in diesem Sommer will ich definitiv, definitiv (das Wort wiederholt er) für die
Nationalmannschaft spielen. 2013 habe ich dort eine riesen Chance erhalten“, fügt er hinzu,
bezugnehmend auf sein Debüt im A-Kader und seine erste EuroBasket 2013 in Slowenien.
Giffey hatte bereits mit Bundestrainer Chris Fleming Kontakt. Und obwohl er keine Details nennen
möchte, was seine Rolle angeht, wird doch deutlich, dass die Nationalmannschaft großes Interesse
an seinen Wurfqualitäten hat.
Er weiß, dass er in Deutschland als exzellenter Scharfschütze bekannt und gefragt ist. Für ihn ist das
Motivation, doch es gibt noch einen weiteren Grund, der viel wichtiger ist. Es ist die Aussicht darauf,
an der Seite von Dirk Nowitzki zu spielen, der möglicherweise seine Zusage geben wird und nach vier
Jahren in die Nationalmannschaft zurückkehren wird. Auch und gerade wegen der Vorrunde vor
heimischen Fans in Berlin.
„Das wäre verdammt aufregend, von ihm kann man sich so viel abschauen“, schwärmt Giffey über
den bekannten Landsmann und lacht dabei. „Es wäre unglaublich für uns alle, wenn wir von seiner
Erfahrung und seinem Spielstil profitieren könnten!“
„Mit ihm jeden Tag zu trainieren und zu arbeiten wäre eine großartige Erfahrung für mich und jeden
jungen Spieler unserer Mannschaft. Natürlich wäre es immer noch eine schwere Gruppe, mit den
Türken, Spanien, all diesen guten Teams, das ist schon schwer. Aber wir spielen zuhause, deswegen
müssen wir noch härter kämpfen und unser Bestes geben!“