Schlussakkord einer schönen Symphonie

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Schlussakkord einer schönen Symphonie
[TSP_PR60: TSP_04-SONDERTHEMEN-BEILAGEN <SONDER_R6> ... 08.07.06]
06 VORSCHAU
Autor:S_WILMS
www.tagesspiegel.de /wm2006
10.07.06
Sonnabend, den 8. Juli 2006
DIE TAKTIKSCHULE mit Mathias Klappenbach
WM Reif
Die meisten Flanken bei dieser WM hat bislang Luis Figo geschlagen, auf Platz zwei
in dieser Rangliste steht David Odonkor vor Philipp Lahm, Fünfter ist Cristiano Ronaldo. Heute wird also viel geflankt werden, zumal die zentralen defensiven Mittelfeldspieler beider Mannschaften bislang
nur wenige Angriffe durch die Mitte gestattet haben. Hier
könnte heute aber mehr möglich sein, falls beide
Teams offensiv spielen und einer der beiden
zentralen Spieler öfter aufrückt. Trotz einiger personeller Umbesetzungen
behalten beide Teams ihre
Grundsysteme bei –
Portugal
das
4-2-3-1, Deutschland
das 4-4-2 – doch mit kleinen Modifikationen lässt
sich die Ausrichtung ändern, vor
allem auf den Außenpositionen.
Wenn die portugiesischen Außenverteidiger weiter vorne spielen, entsteht
noch mehr Druck über die ohnehin stark besetzten Flügel. Diese Taktik bietet sich auch deshalb an, weil in der Mitte Pauleta und zuletzt auch
Deco nicht so stark waren. Bei den Deutschen wird
auf rechts Schneider mit nach vorne stoßen, von der linken Seite könnten die Linksfüßer Jansen und Hitzlsperger
noch mehr Flanken schlagen – der kopfballstarke Miroslav
Klose hat noch kein Tor nach einer Flanke von der Grundlinie erzielt. Heute dürfte er mehr Gelegenheiten dazu bekommen, zumal
die Teams im Spiel um den dritten Platz offensiver spielen als vorher im
Turnier. Seit 1978 sind immer drei Tore oder mehr gefallen.
Schlussakkord
einer schönen
Symphonie
Marcel Reif blickt täglich auf
die Spiele voraus
WM-HISTORIE Deutschland
WM-HISTORIE Portugal
Dreimal stand Deutschland im
kleinen Finale, das erste Mal bei
seiner ersten WM-Teilnahme:
Am 7. Juni 1934 spielte die
Mannschaft von Bundestrainer
OttoNerzin Neapel gegenÖsterreich. Die 9000 Zuschauer hatten eine halbe Stunde lang keinen Gefallen daran: Beide Mannschaften spielten traditionell in
weißen Hemden und schwarzen
Hosen, erst nach 30 Spielminuten zogen sich die Österreicher
rote Leibchen über ihre Trikots.
Vielleicht hatte die Einheitsfarbe auch das bis heute
schnellste deutsche Tor der
Man braucht nicht viel Platz,
um das zu notieren: Portugal
und WMs, das war und ist eine
kurze Geschichte enttäuschter
Hoffnungen. Gut, 1966, da hatten sie Eusebio, wir wissen das,
auch, dass er Torschützenkönig
war mit neun Toren und seine
Mannschaft im kleinen Finale
mit 2:1 gegen die UdSSR gewann. Doch sonst? 1950 waren
sie qualifiziert, scheuten aber
die weite Reise nach Brasilien.
1986 das Aus in Mexiko in der
Vorrunde – nach einem 1:0 gegen England hatte die Selecao
gegen Polen und gegen Ma-
WM-Geschichte
begünstigt:
Ernst Lehner erzielte es nach 25
Sekunden. Deutschland siegte
3:2. Weniger erfolgreich waren
die Deutschen 1958. Im Spiel
umPlatz 3unterlag derbeimTurnier in Schweden entthronte
Weltmeister den Franzosen 3:6.
1970 siegten die Deutschen –
gegenüber dem 3:4 im Halbfinalspiel gegen Italien spielte das
Team auf fünf Positionen verändert – 1:0 gegen Uruguay. Das
Tor schoss der Kölner Wolfgang
Overath – vor 104 000 Zuschauern im nicht mal ausverkauften
Aztekenstadion von Mexiko.
Seid’s umarmt: Müller (13) und Kollegen 1970.
rokko verloren. Doch das große
Trauma, das war 2002. Die Portugiesen waren einer der Favoriten, hatten fast die komplette
„goldene Generation“ auf dem
Platz: Luis Figo, Sergio Conceicao, Abel Xavier, Fernando
Couto. Doch alssie unbedingt einen Punkt brauchten, am 14.
Juni 2002 in Incheon im letzten
Vorrundenspiel, treffen sie auf
Südkorea, einen der Gastgeber
dieser WM. Rot für Joao Pinto in
der 27., Gelb-Rot für Beto in der
66. Minute. Vier Minuten später
trifft Ji Sung Park für Südkorea.
1:0. Portugal ist draußen.
Eingeengt: Pinto (in Rot) 2002 gegen Südkorea.
Foto: dpa
Foto: dpa
Das Spiel um Platz
drei, eigentlich gehört es abgeschafft, eigentlich
hat niemand Interesse daran, eigentlich wollen die Portugiesen nur noch nach Hause.
Aber nun gut, es ist nicht abgeschafft, und stattdessen gibt es die
Gelegenheit, noch einen fulminanten Schlussakkord nach einer wunderschönen Symphonie zu setzen.
Die Deutschen spielen um Platz
drei, ich denke, sie werden ihn auch
einnehmen, und die Argentinier
und Brasilianer sind allenfalls vor
dem TV dabei. Und von dort aus
können sie zusehen, dass sich die
deutsche Elf sogar Gesten leisten
kann und Oliver Kahn ehren.
Und dann? Wenn alles vorbei ist?
Dann werden hoffentlich keine falschen Lehren aus dem kleinen Erfolg gezogen. Das wäre dann urdeutsch, zur Mäßigung zu mahnen
und Klinsmanns Tempo drosseln zu
wollen. Deutschland ist dann vielleicht Dritter, und das war kein Zufall, das war harte Arbeit. Klinsmann hat in diesen glücklichen Tagen einmal gesagt, dass alles unterhalb des Halbfinales eine Katastrophe sei. Richtig. Und sehr weit vorausgedacht. Natürlich muss das
Fußballland Deutschland mit seinen 80 Millionen Einwohnern bei einer WM das Halbfinale erreichen, eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit. Aber um dahin zu kommen, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, ist es noch ein weiter
Weg. Klinsmann hat den ersten
Schritt gemacht, der DFB und die
Bundesliga sind gut beraten, wenn
sie in die gleiche Richtung laufen.
Und bloß keine Philosophiediskussionen mehr, welchen Stil wir spielen sollen oder können. Es geht voran, lautet das Motto, nicht unbedarft, aber mutig und selbstbewusst. Denn das ist der größte Erfolg, den sich Klinsmann und seine
Jungs anheften können: Sie haben
bewiesen, dass man auch als Deutscher ohne die übliche Verzagtheit
sehr weit kommt. Das ist einen
grandiosen Tusch wert.
HEUTE im Lido
MITREDEN können
DER PROFI
DER DÄNE
DER BIESDORFER
Toru Kamikawa will besser
pfeifen als Graham Poll
Aus Nuno Ricardo Oliveira
Ribeiro wurde Maniche
Robert Huth geht Michael
Ballack aus dem Weg
Es war nicht seine WM – noch
nicht. Denn Robert Huth hat
Zeit. Wie wenige andere steht
der 22-jährige Berliner, den sie in Chelsea liebevoll „The Berlin Wall“ nannten, für die Zukunft
der Nationalelf. Jetzt kommt er zum Zug, im doppelten Sinne. Gegen Portugal kann er wohl auflaufen, und ab der kommenden Saison wird er
endlich öfter spielen können: Beim FC Middlesbrough kann er mehr Spielpraxis sammeln als im
Starensemble um Neu-Chelseaer Ballack.
Foto: AFP
Nuno Ricardo Oliveira Ribeiro,
einlangweiliger Name.Fand jedenfalls Nuno Ricardo Oliveira
Ribeiro – und nannte sich nach seinem Idol Michael Manniche, einem Dänen, der in den Achtzigern bei Benfica Lissabon spielte. Nur ein „n“ ließ
er weg, damit es portugiesischer aussieht. Maniche war damals neun – 20 Jahre später schoss
Maniche Holland im Achtelfinale aus der WM
und gilt als Mitfavorit um den „most valuable
player“, den wertvollsten Spieler dieser WM.
Foto: ddp
Er hat seine Arbeit gut gemacht bisher, der J-League-Schiedsrichter aus Japan,
zwei Vorrundeneinsätze pfiff er fehlerlos. Doch
das ist wohl nicht der einzige Grund für seine Nominierung: Kamikawa ist einer von zwei Profischiedsrichtern bei dieser WM. Fifa-Chef Blatter
sieht in der Professionalisierung der Unparteiischen die Zukunft. Der andere Profischiedsrichter übrigens hieß Graham Poll. Der zeigte Josip Simunic drei Gelbe Karten in einem Spiel.
Foto: dpa
19.00 Uhr
Einlass
21.00 Uhr
Live aus dem
Gottlieb-Daimler-Stadion
Spiel um Platz drei:
Deutschland
gegen
Portugal
Cuvrystraße 7 (Ecke Schlesische
Straße), Berlin-Kreuzberg
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