Die ANTHROPOLOGISCHEN GRUNDLAGEN der MONTESSORI
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Die ANTHROPOLOGISCHEN GRUNDLAGEN der MONTESSORI
1 Heribert Tilmann Die ANTHROPOLOGISCHEN GRUNDLAGEN der MONTESSORI – DIDAKTIK und - PÄDAGOGIK und die sich daraus ergebenden DIDAKTISCHEN PRINZIPIEN (Geordnete und teilweise explizierte Stichworte) ( 07.10.03 ) 1. Anthropologische Grundlagen Die Montessori - PädagogInnen auf der ganzen Welt halten die Pädagogik im Sinne Maria Montessoris (1870-1952) und der Arbeit ihres Sohnes Mario (1898-1982) nicht für die einzig mögliche Art, über Erziehung zu denken und mit Kindern erzieherisch umzugehen. Die Montessori-Didaktik gar als die „beste“ auszugeben und als unkritisierbar zu dogmatisieren, ist wegen der Bindung Montessoris an das Prinzip der laufenden „wissenschaftlichen“ Kritik, im Sinne der kritischen Prüfung unter falsifikatorischer Perspektive inakzeptabel! Der „Streit um Montessori“ (G. Schulz-Benesch) ist historisch bis heute der voll akzeptierte Normalfall. Maria Montessori selbst hat aber immer darum gebeten, man solle sich nicht über ihre Person oder gar einzelne ihrer Sätze streiten, sondern um die Frage, was der wirksamste Weg sei, um Kindern bei der Selbst – „Bildung“ im Rahmen ihrer jeweiligen Persönlichkeitsentwicklung zu helfen. Um den Beitrag Montessoris zur Lösung der pädagogisch-didaktischen Probleme zu prüfen und zu würdigen, ist es (schon logisch) notwendig, dass der pädagogische Zielhorizont explizit gemacht und in seinen jeweiligen Begründungen transparent nachvollziehbar angegeben wird. Die folgenden Grundannahmen (Prinzipien) normativer Art mit der empirischen Fundierung sind als Positionen zu verstehen, zu denen sich MontessoriPädagogInnen mit vielen guten Gründen bis heute entschieden haben. Sie werben um Akzeptanz, wobei letztlich nur die Kinder und die Art, wie sie in Montessori-Einrichtungen ihre Entwicklung, ihr „Leben“, aufbauen, überzeugen können. 1 2 1.0 Grundansatz: • Die Anthropologische Begründung von Erziehung muss interdisziplinär angelegt sein! • Sie fragt im Kern nach „Ort“ und Funktion, die der („ganze“) Mensch als besonderes, mit Geist begabtes Lebewesen unter den anderen Lebewesen unseres “Kosmos“ hat. • Neben dem Menschenbild, besonders dem Bild von „Kind“, ist zu fragen: • nach dem Weltbild („Kosmos“ mit immanenten Ordnungsstrukturen) und • nach dem Gottesbild (Kosmos als Schöpfung – Mensch als Geschöpf). • Als Geschöpf ist der Mensch zur Deviation (bis zum Bösen) aber auch zur Regeneration fähig. • „Erziehung“ muss von der „Person“ sowie der integrierten Individualität und sozialen „Personalität“ des Kindes her gedacht werden, nicht von der Methode! Unter „Erziehung“ versteht M. Montessori: „Dem Leben des Kindes von Grund auf helfen“ ( >Entwicklungs-Pädagogik/Didaktik) 1.1 Normative Aussagensysteme 1. Das Kind ist schon „Mensch“, wenn es geboren wird. Es wird nicht erst durch Erziehung dazu gemacht! 2. Die Besonderheit des Menschen besteht in seiner Freiheit, die sich besonders in der „Freien Wahl“ der Tätigkeit zeigt. 3. Kinder sind vollwertige Personen, zwar noch klein an Gestalt aber schon Träger aller Menschenrechte! 4. Die Würde des Kindes ist unantastbar (s. GG Art. 1) ! 5. Das Kind hat das Recht, jederzeit mit Respekt behandelt zu werden! 6. Das Kind hat das Recht, auf ein jederzeit menschenwürdiges Leben! 7. Kinder dürfen nicht wie Nummern, Sachen oder „Objekte“ behandelt werden! Sie sind „Subjekte“ ihrer Entwicklung! 8. Das Kind hat das Recht auf individuelle Hilfe bei der Entwicklung! 9. Alles, was erwiesenermaßen das Kind / den Jugendlichen daran hindert, seine individuelle Persönlichkeit in Freiheit zu entwickeln, soll unterlassen werden! 10. Die Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern soll als beziehungsreiches Miteinander verschiedener Partner gestaltet werden! 11. „Erziehung“ ist zwar eine Form der geplanten Einflussnahme auf das Kind, sie darf aber nicht in einen Kampf ausarten, bei dem es Gewinner und Verlierer gibt! 2 3 1.2 Empirisch fundierte Aussagensysteme 1. Jedes Kind ist anders. 2. Keiner kann für das Kind wachsen oder lernen, das kann es jeweils nur selbst. 3. Das Kind ist von Geburt an ein Geschöpf mit „Geist“. Es setzt sich aktiv mit seiner Umwelt auseinander. Dabei wird die Entwicklung besonders von seinem Geist gelenkt. (Daher sprechen wir stets von der psycho – physischen Entwicklung.) 4. Die „Kindheit“ ist ein menschliches Entwicklungsstadium mit eigener Bedeutung. Das neugeborene Kind ist noch ein „Psychischer Embryo“ (M. Montessori). Es kann bei ihm noch alles werden, während der Erwachsene „wohl Gedanken und Grundsätze ausdrücken kann, sich aber mehr oder weniger auf sie festgelegt hat und sich nur schwer noch ändern kann“. Kindheit unterscheidet sich daher grundlegend vom Leben der Erwachsenen. („Kinder sind anders!“ M. Montessori) 5. Ein Kind kann nicht nicht lernen. Kinder wollen lernen, können aber nicht alles zu jeder Zeit lernen. 6. Das Kind ist von Beginn seines Lebens an der „Baumeister“ seiner selbst als „Schöpfer des Menschen“ (M. Montessori). Das Kind ist der „Bildner seiner Persönlichkeit“, nicht der Erwachsene. ( Wir sprechen daher auch von der „Selbstbildung“ – nicht Selbsterziehung - , dem vor allem aktiven Selbstaufbau des Kindes.) 7. Jedes Kind verfügt über eine angeborene Energie, ein aktives Potenzial, das es in die Lage versetzt, seine Persönlichkeit selbst-aktiv, auf je seine Weise aufzubauen. 8. Das Kind hat ein jeweils spezifisches, genetisch bestimmtes Grundmuster von Entwicklungsmöglichkeiten. (Montessori nennt diese „Potenzialitäten“.) Sie stellen einen Entwicklungsrahmen dar. 9. Diese Potenzialitäten sind als „Bauplan“ organisiert. Die Realisierung dieser Möglichkeiten hängt von der Wirkung weiterer Faktoren ab. 10. Mit seinen von innen kommenden Interessen und mit Hilfe von Umwelterfahrungen betreibt das Kind seinen Persönlichkeitsaufbau jeweils selbst (s. dreipoligen Begriff von „Entwicklung“). 11. Die Interessen und die darin aufscheinenden jeweiligen Entwicklungsaufgaben seiner Biographie zeigen sich bei jedem Kind nach außen hin in „Sensiblen Phasen“ ( heute auch „Lernfenster“ o.ä. genannt). 12. Das Kind kann sich gesund an Leib und Seele entwickeln, wenn es, in einer „angemessenen“ , anregungsreichen Umgebung, die in jeder Sensiblen Phase anstehenden Entwicklungsaufgaben ungestört bewältigen kann. 13. Der gesamte Entwicklungsprozess des Menschen besteht in einer ständigen Integration von Erfahrungen. Dabei passt ein Mensch 3 4 entweder eigene Persönlichkeitsstrukturen den neuen Umwelteindrücken an oder fügt neue Erfahrungen in bereits vorhandene Strukturen ein. (J. Piaget spricht von „Akkomodation“ oder „Assimilation“.) 14. Kleine Kinder nehmen Eindrücke vor allem unbewusst auf und integrieren sie mit Hilfe ihres „Absorbierenden Geistes“ (M. Montessori). Das Kind vermag dabei auch ungemein komplexe Phänomene der umgebenden Wirklichkeit – quasi photographisch – zu erfassen und sie dann geistig zu ordnen. 15. Durch die ständig wachsende, tätige Auseinandersetzung mit seiner realen Umwelt wird (mit ca.5 Jahren) die unbewusste Geistesform immer mehr zu einer bewussten. Sie nähert sich mehr und mehr der kognitiven Struktur von Erwachsenen an, die im Besonderen bewusst, willentlich und auf ein Ziel gerichtet hin aufmerksam lernen können (bes.ab ca.8 Jahren). 16. Erfolgreiche Selbstbildung ist von außen beobachtbar, wenn das Kind zur „Polarisation der Aufmerksamkeit“ (in der Fachsprache auch „das Montessori-Phänomen“ genannt) kommt. 17. Schon kleine Kinder sind zur Polarisation der Aufmerksamkeit fähig. Diese Fähigkeit ist der Schlüssel zu selbst gesteuertem Lernen, und zum Aufbau aller (erwünschten) personalen Kompetenzen (Dispositionen). 18. Diese gerichtete Aufmerksamkeit und Konzentration ergibt sich im Zusammenhang mit gewissen äußeren Bedingungen, die empirisch bestimmt werden können. Der Kern ist die Freie Wahl der Arbeit. 19. Wenn Erzieherpersonen dem Kind bei seiner Entwicklung helfen wollen, müssen sie Rahmen-Bedingungen herstellen, die von Montessori als „Vorbereitete Umgebung“ bezeichnet werden. 20. Die Wirksamkeit dieser Rahmen-Bedingungen hängt ab von der „Passung“ im Hinblick auf die spezifischen Lerninteressen der Kinder im Rahmen der sensiblen Phasen ihrer psycho-physischen Entwicklung. 21. So ist das Phänomen der Polarisation der Aufmerksamkeit d a s Kriterium bei der Auswahl der Mittel der Vorbereiteten Umgebung, aber auch der Maßstab für die Um- und Fortsetzung der Montessori-Didaktik und -Pädagogik in den unterschiedlichen Institutionen ( z.B. „Schulentwicklung“) bis in die heutige Zeit hinein. 22. Polarisationsphänomene sind auch das zentrale (Einstiegs-)Kriterium für die Beurteilung der Wirksamkeit von Erziehungsmaßnahmen und den dabei verwendeten Lernmaterialien („Lernerfolgskontrolle“) . 23. Das Kind (der Jugendliche) benötigt für seinen individuellen Selbstaufbau auch die Hilfe der Erwachsenen: „Brot und Liebe“ (M. Montessori), besonders aber“ „Freiheit“. (Das ist die „Erfahrung, Meister seiner selbst“ zu sein. M. Montessori) 24. Zur Freiheit gehört auch innere „Disziplin“. Diese lernt das Kind durch äußere Ordnung und Freiheit: Die freie Bewegung, die Freie Wahl der Arbeit, in Bindung an die jeweiligen „Sachen“ und sozialen Regeln. 4 5 2. Die Allgemeinen Ziele der Montessori -Didaktik / -Pädagogik: Hilf mir, ich selbst zu werden ! • „Kinderhaus“ und Schule sollen ein (psychohygienisch) gesunder Lebensraum für die Heranwachsenden sein, in dem Kinder auch „Kind“ sein dürfen. Die nach dem „Entwicklungsalter“ gemischte Gruppe ist als der Normalfall auch für die Bildung von Schulklassen anzusehen! • Die Schule soll sich primär nach den Kindern /Jugendlichen und ihren Lern- und Entwicklungsbedürfnissen richten! Nicht umgekehrt! (Die Kinder sind nicht für die Schule da! Sie sind auch nicht bloße Planungsmasse für die Durchsetzung gesellschaftlicher Interessen!) • Die ganze Arbeit in der Schule ist von dem Bemühen geprägt, jedem Kind/Jugendlichen die „Polarisation der Aufmerksamkeit“ zu ermöglichen. Dadurch „bildet“ sich das Kind, dadurch werden die Erziehungsziele erst erreichbar. 2.1 Allgemeine Erziehungsziele aus der individuellen Perspektive: Individuelle und soziale Handlungsfähigkeit! 1. Selbstständigkeit und durch Selbstverantwortung geprägte individuelle Handlungsfähigkeit und -bereitschaft! (Selbsttätigkeit und „Selbstbestimmungskompetenz“) 2. Soziale Sensibilität und soziale Verantwortungsbereitschaft, sowie Kommunikationsfähigkeit und (Mit-) Entscheidungsfähigkeit! („Sozialkompetenz“) 3. Solidaritäts- und Liebesfähigkeit im Frieden mit sich und -dadurch- mit anderen! Einsatzbereitschaft für die „Schwachen“! 4. Erfahrungen und Kenntnisse, nicht nur von bloß angelernten Einzelheiten, sondern Einsicht in die Struktur von Zusammenhängen! („Sachkompetenz“) 5. Fähigkeiten, sich selbst Informationen zu beschaffen, sie zu verarbeiten, das eigene Lernen aus eigener Motivation zu organisieren und den jeweiligen Erfolg kritisch einzuschätzen! („Methodenkompetenz“) 5 6 2.2 Allgemeine Erziehungsziele (Richtziele) aus gesamt-gesellschaftlicher Perspektive: 1. Mehr Gerechtigkeit und tätige Liebe unter den Menschen! 2. Mehr Frieden in Freiheit für alle Menschen auf unserer „einen Welt“ („ Nazione unica“ . M. Montessori) ! 3. Bewahrung der Schöpfung, unserer so verletzlichen und geschundenen Erde („Kosmos“) ! Diese Ziele mit ihrer friedenspädagogischen und ökologischen Akzentsetzung sind kennzeichnend für die didaktische Konzeption der Arbeit in Montessori-Schulen, die Montessori daher als „Kosmische Erziehung“ bezeichnet. „Was ist die Aufgabe der Erziehung? In Geduld zu erwarten, dass die Phänomene“ (des Entwicklungsfortschritts im Rahmen der Sensiblen Phasen) „in Erscheinung treten. Und wessen bedarf der Lehrer, um in bescheidener und geduldiger, in vollkommener Weise dem zarten Leben, das in der Entwicklung begriffen ist, helfen zu können? Mit Liebe muss er sein Werk beginnen. Aber nicht von einem unklaren Wunsch zum Guten darf er nur beseelt sein; streng sachliche, methodische, wissenschaftliche Untersuchung der Wirklichkeit muss ihm zur Seite stehen.“ „ Der Gedanke, zu unterrichten“ (einen Lehrplan durchzuführen), „macht dem Streben Platz, dem Leben zu helfen, die Persönlichkeit zu entwickeln. Wir sehen einen neuen Weg, weil wir hier nicht mehr von uns selbst, von unserer Kultur ausgehen können, sondern weil wir vom Kinde ausgehen müssen.“ ( Beim Umgang mit den kranken Kindern der ersten ärztlichen Tätigkeit Montessoris) „ergaben sich psychologische Tatsachen, die zeigen, dass der Lehrer, wenn er wirklich fördern will, dem Kinde nachgehen , sein eignes Handeln, sein Vorgehen vom Kinde abhängig machen muss, nicht umgekehrt.“ (Maria Montessori: Das Werk des Kindes. In: Das KIND, 2003, H. 33, S. 8) 6 7 3. Inhaltsauswahl (Ausgewählte Spezifica!) 1. Tätige Sinneseindrücke in steter Verbindung mit Bewegung ! (-> Bedeutung der Hand für das „Begreifen“!) - Ist „ Selbst-aktives Tun“ möglich („Denken: Ordnen des Tuns“, H. Aebli; Sprechen: Ordnen des Denkens - Interdependenz )? Welche Sinne werden angesprochen als „Materiallieferung“ für Denken und Sprechen ? Ergeben sich Hilfen zur Ordnung der Eindrücke und zur Ermöglichung des schöpferischen „Selbst - Ausdrucks“? - 2. Freie Wahl der Arbeit – Immer wenigstens eine Entscheidungsmöglichkeit! - Weckt die „Vorbereitete Umgebung“ das tiefe Interesse des Kindes ( jeweilige „Passung“ hins. der Sensiblen Phasen von Kind/Jugendlichen)? Dient das geordnete Inhaltsangebot dem Aufbau der Persönlichkeit der Kinder ( s.o. “Ziele“) in der speziellen „altersgemischten“ Lerngruppe ? - 3. Kulturgut für sich entdecken und erleben ! (Der „Kosmos“ ist gerade weit genug!) („Cosmic Curriculum“ Maria und Mario Montessoris) - Wie können die Inhalte problemorientiert erlebt werden? Ermöglichen die Inhalte Entdeckungen („entdeckendes Lernen“)? Den “Anfang der Wissenschaft“ geben! Neugier und Forscherdrang herausfordern! Ermöglichen die Inhalte einen „historisch-genetischen“ Zugang? - 4. Das Lernen von bloßen Einzelheiten stiftet Verwirrung, Erkenntnisse ergeben sich aus der Einsicht in die Struktur von Zusammenhängen. 5. Vom „Ganzem“ zum Detail – im Detail auch das „Ganze“ geben (Exemplarisches Prinzip) ! 6. Sensible Phasen - Sind die einzelnen Inhalte darauf angelegt, dass das Kind, seinen „sensiblen Phasen“ entsprechend, etwas finden und daran arbeiten kann? - 7. Kind als Bildner seiner Persönlichkeit - Kann das Kind mit dem Gelernten in die Fähigkeit zur Bewältigung verschiedenster gesellschaftlicher Situationen hineinwachsen? Entsprechen die Inhalte dem Kriterium, dass das Kind seine Persönlichkeit aktiv ausbilden kann? - 8. Respekt vor jedem Kind – Individualisierung und Differenzierung ! - Kann das Kind seine spezifischen Potenzialitäten entwickeln? - 9. Keine Unter- bzw. Überforderung ! - Hat das Kind die Möglichkeit, „seinen Geist zu recken“ (M.Wagenschein) ? Kann das Kind „sein Bestes“ geben? 7 8 - 4. Methoden - Lernhilfen Leitprinzip: „Hilf mir, es selbst zu tun!“ (M. Montessori) – zusammen mit den Anderen! Montessori-Pädagogik/Didaktik bietet keine „Rezepte“, nur Prinzipien für die Gestaltung individueller Lösungen ! Von primärer Bedeutung sind alle indirekten und handlungsorientierten „offenen“ Methoden (individuell zugeschnittene „Maß-nahmen“). Darin eingebettet gibt die Lehrkraft aber auch direkt „Lektionen“ zum „Material“. Kriterium für das Ausmaß der Lenkung durch die Erzieher/Lehrkraft: Das Ausmaß, in dem das Kind zur Polarisation der Aufmerksamkeit fähig ist. • Systematische Beobachtung • Realerfahrung : Basisvoraussetzung ↓ „Vorbereitete Umgebung“ als geordneter Handlungsrahmen Lehrkraft und andere Kinder sind lebendiger Teil der Vorb. Umgebung . ↓ „Freie Wahl der Arbeit“ als „Normalfall“ der Unterrichtsorganisation: Das einzelne Kind entscheidet vorrangig selbst über das Wozu? Was? Wie? Wo? Mit wem? Wie lange? („Lass mir Zeit“!) Gebundene Arbeit, soweit sachlich notwendig. ↓ Stille als „Raum“ für Polarisation der Aufmerksamkeit ↓ ↓ Lehrer: Beobachter Kind: Baumeister seiner selbst ↓ ↓ Begleiter/Helfer Allein das Kind weiß, was seiner ↓ Entwicklung Not tut ordnendes Element Verfahren d. „Pädagogischen“ DIAGNOSTIK Beobachtung und Reflexion zur rationalen Begründung von didaktischen Entscheidungen 8 9 5. Medien : „Schlüssel zur Welt“ (M. Montessori) – nicht mehr, aber auch nicht weniger! Jedem Medieneinsatz sollte soweit irgend möglich eine Fülle von Realerfahrungen („vor Ort“) zugrunde liegen! Erst dann können didaktische Medien ihre ordnenden und Zusammenhang bildenden Funktionen im Geist des Kindes/Jugendlichen entfalten. Die „Vorbereitete Umgebung“ des Schulkindes ist somit zunächst stets die vielgestaltige reale Welt außerhalb von Kinderhaus und Schule. Also: „Raus aus der Schule!“ (M. Montessori) Erst danach: Aufarbeitung auch innerhalb des Gruppen- bzw. Klasenraums! Für die Schule der Jugendlichen hat Montessori im Rahmen ihres „Erdkinderplans“ die programmatische Konzeption einer „Erfahrungsschule des sozialen Lebens“ entwickelt. Versuche, diese Ideen umzusetzen, gibt es derzeit in Deutschland so wie an verschiedenen Orten der Welt. - - - - - - Zentral: Lernmaterialien : Primär für die Hand der Kinder / Jugendlichen, auch als „materialisierte Abstraktion“ (M. Montessori), brauchbar für die Freie Wahl der Arbeit. Unbedingt also erforderlich: „Autodidaktisches“ Material (!), in dem das Kind alles, was den möglichen Lerninteressen im Rahmen der Sensiblen Phasen entsprechen könnte, vorfindet, ist von zentraler Bedeutung. Dieses ist nur teilweise fertig zu kaufen, muss also, zumal wenn es sprachbezogen ist, weitgehend von der Lehrkraft selber, für seine Art der Vorbereiteten Umgebung hergestellt werden, nach den „Bauprinzipien“ der autodidaktischen Materialien. Das Angebot wird mit dem jeweiligen „Bildungsplan“ koordiniert. Zudem sollte vorhanden sein: Arbeitsmaterialien (Papiere u. Hefte in versch. Farben und Größen, Stifte, Farben, ... „Büroorganisation“) Lehrmaterial ( z.B. Globus, Landkarten, Modelle etc.) Übungsmaterial (z.B. für die Rechtschreibung ....) Anschauungsmaterial, soweit Realobjekte nicht zur Verfügung stehen Technische Medien etc. 9 10 Die autodidaktischen Materialien umfassen speziell: - - - Materialien für die „Übungen des täglichen/praktischen Lebens“ Sinnesmaterialien zur geistigen Ordnung von Sinneserfahrungen Sprachmaterialien und alle Arten von passenden Büchern (Kinder– und Jugendliteratur, Sachbücher ... ) (Zugang zur Schulbibliothek) Mathematische Materialien Musisch-kreative Materialien (in einem „Haus voller Kunst und Musik“) Religionspädagogische Materialien (ggf. im „Atrium“) Die vielfältigen Materialien zur „Kosmischen Erziehung“ (entsprechend dem „Cosmic Curriculum“) Zentrale Merkmale / Kriterien: - - - - - Klarer sachlicher Gehalt der Aufgabe aus einem möglichen, systematisch vernetzbaren Rahmen Isolierung der Schwierigkeit Ästhetik und Aufforderungscharakter („Stimme der Gegenstände“) Haltbarkeit Aktivität – „Operationen“ Hilfsmittel zur Ordnung des Geistes (Systemzusammenhang bezogen auf die Progression kindlicher Interessen) Immanente Fehlerkontrolle (wenn sachlich möglich) -----------------------------------------------------------------------------------Erwiesene Wirksamkeit im Hinblick auf die Polarisation der Aufmerksamkeit Begrenzter Umfang der Präsentation Im Hinblick auf die moralische Entwicklung des Kindes ( bes. i.S. der Entwicklung des moralischen Urteils) muss die Erzieherin/ Lehrkraft bereit sein, nicht als inszeniertes „Vorbild“ zu agieren, sondern sich, als lebendiger Teil der Vorbereiteten Umgebung, wie ein „Material“ vom Kind entdecken und „benutzen“ zu lassen. Montessori hofft für das Kind, dass es dabei Güte, Liebe und Klarheit des Gewissensurteils vorfindet. Dass Menschen verschiedener Nationen, Kulturen und Religionen dazu einen unterschiedlichen Rahmen von normativen Voraussetzungen bieten, ist selbstverständliche Ausgangsbasis für eine pädagogische Arbeit im Hinblick auf den „kosmischen“ (s.2.2.) Zielhorizont. 10 11 6. Lernerfolgskontrolle → Dominante Prinzipien: Selbstkontrolle! Und: Von den Stärken ausgehen! • Primärer Stellenwert aller Formen der Leistungsfeststellung • Dabei vorrangig: alle Formen der „Prozessdiagnostik“ • Es geht nicht um die Kontrolle des Kindes als Person, sondern primär um die Erfolgskontrolle bei seinem Lernverhalten • Wichtig für das Kind : Angstfreiheit, Selbstwirksamkeitserfahrung, Selbsteinschätzung, Selbstwerterfahrung, Selbstbewusstsein „Was kann ich?“ „Was kann ich noch nicht?“ „Warum kann ich es, warum noch nicht?“ „Wie kann ich das lernen, was ich noch nicht kann?“ • Stellenwert der Leistungsbeurteilung Kind soll vor allem seine Leistung selbst beurteilen (lernen) können Die Beurteilung der Lehrkräfte kann hinzutreten, besonders bei noch nicht „normalisierten“ Kindern (=die noch nicht zur Polarisation der Aufmerksamkeit kommen) Prozess-, nicht Produktbewertung steht im Vordergrund Verbalbewertung auf der Basis transparenter Kriterien Dem Kind Vertrauen schenken und erhalten • Wie wird mit dem „Fehler“ umgegangen? Fehler als Freund („Der Fehler: mein Freund!“ H.K. Berg) Kein Vorwurf, keine Bestrafung, neue Chancen geben Fehler als erlebte Handlungskonsequenz zugeben können Fehler als „Lernmöglichkeit“, auch „Umwege“ positiv einschätzen Individuell helfen Versuch + Irrtum, um zum Ziel zu kommen • Mögliche Verfahren der Leistungsfeststellung Vielfältige Systematische Beobachtung (der „Königsweg“ der „pädagogischen Diagnostik“). Einstieg über die Phänomene im Rahmen der „Polarisation der Aufmerksamkeit“ Laufende, methodenintegrierte, d.i. auch häufige Selbstkontrolle Immanente Fehlerkontrolle, soweit möglich, vor hinzukommender Fremdkontrolle Lernergebnisse in der Gruppe diskutieren 11 12 - Lernergebnisse in der „Praxis“ anwenden Dokumentation der intra-individuellen Entwicklung Lerntagebuch, Nach Fächern geordnete Ablage(mappe) Lehrzielkatalog als mögliche „Sachnorm“ Entwicklungsberichte mit informationshaltigen Aussagen Gespräch: Kind – Lehrkraft, Kind - Gruppe NICHT: kollektive Tests und gezwungene Leistungsvergleiche i.S. einer „Institutionalisierung des Konkurrenzprinzips“ • Verfahren der Leistungsbeurteilung Gespräche: Lehrer-Kind / Jugdl., Lehrer-Eltern-Kind / Jugdl. „Pensenbuch“ (i.e.S.: „Sachnormen“ und Beurteilung) Verbal (Bericht bzw. Protokoll), Transparenz (!) der Beurteilungsnormen - Leistungsdokumentation (Arbeitsmappen, Präsentationen) Prozess-, nicht Produktbewertung steht im Vordergrund NICHT: Ziffernbeurteilung, nicht negative verbale Beurteilung, eine die Persönlichkeit des Kindes treffende Bewertung Angstfreie Rückmeldung Sparsamkeit bei Lob, sofern es das Kind abhängig macht oder hält Tadel, wenn schon, dann vor allem in Form von „Ich-Botschaften“ (T. Gordon) Zeugnisse nur soweit, wie für die Außenverwendung nötig - 12