Traktor oder Lkw?

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Traktor oder Lkw?
Magazin für Agrarmanager
Sonderdruck aus 4 -2012
www.NeueLandwirtschaft.de
www.dlv.de
Fahrkomfort, Bodenschutz und Dieseleffizienz
Traktor oder Lkw?
Landwirte sind Transportunternehmer wider Willen. Meist werden die vorhandenen
Traktoren als Zugmaschinen für Anhänger eingesetzt. Weder in Bezug auf den Kraft­
stoffverbrauch noch hinsichtlich des Komforts für den Fahrer ist das sinnvoll.
Konzeptvergleich von Fendt 933 Vario, MAN TGS 41.440 und Mercedes Secutor 1833 bei Fahrkomfort, Bodenschutz
sowie Dieseleffizienz beim Transport auf Straße und Acker.
Fotos: Autoren
Neue Landwirtschaft 4 | 2012
landmaschinen
Fendt 933 mit Abschiebemulde der Firma SGT und Abdruck eines
Anhänger­reifens.
Prof. Dr. Ludwig Volk und Sandra Rose, Fach­
hochschule Südwestfalen, Agrarwirtschaft Soest
A
n einem Großtraktor und zwei Lastkraftwagen wurden in einem Projekt
– beauftragt durch die Industrie und
als praxisnahe Forschung – Transportleistung,
Fahrerbeanspruchung und Dieselverbrauch
ermittelt. Die Fahrzeuge wurden als Transporter
mit maximaler Gesamtmasse von 40 bzw. 32 t
auf einem 25 km Rundkurs auf Landstraßen,
Feldwegen und auf dem Acker eingesetzt.
Die Fragestellung: Welches Konzept bewährt
sich angesichts unterschiedlichster Anforderungen in der Landwirtschaft am besten.
Welches Fahrzeug ist beim Gütertransport auf
verschiedensten Untergründen besonders
wirtschaftlich und gleichzeitig fahrerschonend
unterwegs?
◼ Vergleich von drei
Fahrzeugkonzepten
Es wurden bei gleichen Straßen- und Ackerbedingungen auf einem 25 km Rundkurs in
Brandenburg gemessen:
▪ Fendt 933 Vario,
▪ MAN TGS 41.440,
▪ Mercedes Secutor 1833.
Neue Landwirtschaft 4 | 2012
MAN 41.440 mit Wechselaufbau von Bergmann und Abdruck eines
Zwillingsreifens.
Beim Einsatz der drei Transportfahrzeuge
wurden Messwerte für folgende Parameter
ermittelt:
▪ Fahrkomfort auf der Straße als Schwingungsbeanspruchung für den Fahrer,
▪ Geräuschpegel bei der Vorbeifahrt der
Fahrzeuge aus Fußgängerposition,
▪ Dieselverbrauch auf einer 25 km Straßenrundstrecke mit 40 t oder 32 t zulässigem
Gesamtgewicht,
▪ Fahrkomfort auf dem Acker als Schwingungsbeanspruchung für den Fahrer und
▪ Spurtiefe und Bodenkontaktfläche auf
dem Acker.
des Anhängers beträgt 10,5 t, das zulässige
Gesamtgewicht liegt bei 30 t, wovon ca. 15 %
Masse über die tiefe Zugkugelkupplung auf die
Hinterachse des Traktors übertragen werden.
Von den drei Achsen des Anhängers wurden die
erste und dritte Achse hydraulisch gelenkt.
Der Traktor Fendt 933 war auf der Vorderachse
mit radialen Reifen der Dimension 650/65
R 34 und auf der Hinterachse mit 710/75 R
42, beide von Continental, bereift. Der SGTAnhänger war auf allen Achsen mit radialen
Reifen der Dimension 750/45 R 26,5 von
Alliance ausgerüstet.
◼ Traktor Fendt 933 Vario
mit Tridemanhänger
Der Lkw MAN TGS hatte einen Häckselaufbau von Bergmann. Der Lkw verfügt über
einen 8 × 8 Antrieb, der die Kraft mechanisch
überträgt und bei dem alle Achsen einzeln
gesperrt werden können. Die Bereifung des
Lkw war eine typische Baustellenbereifung
von verschiedenen Reifenherstellern. An den
zwei Lenkachsen war er mit Einzelreifen und
an den beiden hinteren Achsen mit Zwillingsreifen bestückt. Die Straßenreifen wurden
mit straßenüblichem hohen Reifendruck von
8 bar eingesetzt.
Der 6-Zylindermotor entwickelt ein Drehmoment von 2.100 Nm bei 1.400/min und hat
Verwendet wurde ein einjähriger Fendt 933
mit 221 kW (300 PS) Nennleistung und 243 kW
(330 PS) Maximalleistung. Der Deutz-Sechszylindermotor leistet mit einem Hubraum von
7,7 Liter ein maximales Drehmoment von
1.326 Nm bei 1.900 U/min. Das Leergewicht
betrug 10,76 Tonnen bei einer maximalen
Traktoreigenmasse von 16 t und einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h.
Der gezogene Tridemanhänger der Firma SGT
hat ein Nutzvolumen von 56 m³ und ist als
Abschiebemulde ausgeführt. Das Leergewicht
◼ MAN TGS 41.440 8 x 8
landmaschinen
Mercedes Secutor
1833 mit Abschiebe­
auflieger und Abdruck
eines Anhänger­
reifens.
eine Nennleistung von 324 KW (440 PS). Das
Lkw-Leergewicht betrug 19,2 t, die Nutzlast
12,8 t, der beladene Lkw darf 32 t wiegen.
◼ Mercedes Secutor 1833
Der Secutor 1833 ist ein modifizierter MercedesBenz Zetros. Der Motor leistet mit 7,2 Liter
Hubraum 240 kW (326 PS) und erreicht ab
1.200 U/min ein Drehmoment von 1.300 Nm.
Die landwirtschaftliche Zugmaschine hat ein
Allison-Automatikgetriebe, das permanenten
Kraftfluss sichert und verbrannte Fahrkupplungen durch Überhitzung bei Acker- und
Befreiungsfahrten vermeidet. Der Secutor
hat ein Leergewicht von 8,11 t und darf als
maximales Gesamtgewicht 18 t auf die Straße
bringen.
Zur besseren Lastabstützung und für mehr
Traktion auf dem Acker ist der Secutor mit
großen Einzelreifen 560/60 R 22,5 von Alliance auf der Vorderachse und Einzelreifen
600/50 R 22,5 auf der Hinterachse ausgerüstet.
Um bei Acker- und Straßenbedingungen die
Fahreigenschaften und den Dieselverbrauch
des Secutor zu verbessern, wurde das Fahrzeug
mit einer Reifendruckregelanlage ausgerüstet. Im Secutor werden beide Achsen mit
permanentem Allrad angetrieben und der
Fahrer kann sowohl in der Vorder- als auch
in der Hinterachse das Differenzialgetriebe
sperren. Am Lkw Secutor wurde eine SGT-Abschiebemulde mit 56 m³ Volumen angebaut.
Gekoppelt wird der Abschiebewagen auf dem
Secutor mit einer Scharmüller-Kugelkupplung
vor der Hinterachse. Das Tridemfahrwerk hat
zwei Lenkachsen und eine Liftachse.
◼ Fahrerbeanspruchung
Mit den vergleichenden Messungen der
Schwingungsbelastung beim Fahren mit
den drei Fahrzeugen wurden Daten erhoben,
die eine Bewertung der Fahrerbeanspruchung
bei landwirtschaftlichen Transportarbeiten
ermöglichen.
Viele Fahrer von Traktoren, Arbeitsmaschinen und Lkw leiden früher oder später an
Rückenbeschwerden. Diese schmerzhafte
Erkenntnis erfahren im Laufe des Berufslebens über die Hälfte der Landwirte, wobei
die Rückenschmerzen bis zur Berufsaufgabe
führen können. Die Fahrerbeanspruchung
durch Lastkraftwagen und Traktoren werden als Erschütterung gemessen, wobei die
Beschleunigungsspitzen und die Einwirkzeit
auf den Rücken und die Muskulatur zu einem
Kennwert zusammengefasst werden. Mit dem
Erschütterungswert (gemessen und berechnet
wird in m/sec² ) wird die Beschleunigung des
Fahrers aus der Ruhelage und die Rückkehr
in die Ruhelage ausgedrückt.
Der Fahrer erfährt beim langsamen Fahren
und beim Arbeiten schwache Schwingungen
als Rückmeldung von der Straße und dem
Acker. Er erträgt stärkere Schwingungen als
subjektive Grenze für tolerable Geschwindigkeit auf Straße und Acker und erleidet starke
Schwingungen als Rückmeldung für zu hohe
Geschwindigkeit, bis hin zur Gesundheits­
gefährdung.
An den drei Transportfahrzeugen wurde
die Fahrerbeanspruchung gemessen. Dazu
wurden jeweils zwei Vertikal-Beschleunigungssensoren angebaut, ein Sensor am
Kabinenboden, der andere an der Unterseite
des Fahrersitzes. Am Kabinenaufstieg war
zusätzlich ein Radargerät für die Geschwindigkeitsmessung montiert.
Die Intensität der Schwingungen in der Kabine
und beim Fahrer, gemessen am Sitz, bestimmt
den Fahrkomfort. Die Schwingungen bestimmen die Dauerarbeitsleistung des Fahrers
und damit die Gesundheitsgefährdung. Die
zunehmende Ermüdung, kombiniert mit
abnehmender Leistungsfähigkeit, wird durch
die Erschütterungen als konditionszehrende
Schwingungsbeanspruchung beeinflusst.
Schmerzhafte Erkrankungen an der Wirbelsäule, im Rücken und bei den Weichteilen
gelten, je nach Ausprägung, als berufliche
Krankheit.
◼ Fahrkomfort bei Straßenfahrt
Um den Fahrkomfort vergleichend zu messen,
wurden die Beschleunigungswerte (= Schwingungsbeanspruchung) am Fahrersitz und an
der Kabine bei 40 km/ h Sollgeschwindigkeit
gemessen. Der 25 km Rundkurs wurde in
Anlehnung an eine möglichst praxisnahe
landwirtschaftliche Ernte-Transportstrecke für
Biomasse ausgewählt. Er beinhaltete neben
Teilstücken auf geraden, ebenen Straßenbe-
Schwingungsbelastung in m/s2
3
2
1
0
–1
–2
t = 40 Sekunden
— Secutor — MAN — Fendt
Abbildung: Schwingungsbelastung am Fahrersitz der drei Fahrzeuge bei 40 km/h auf der Straße.
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landmaschinen
Fahrer­­kabine
Fahrer­­sitz
Fendt 933 mit Grammer Maximo Evolution Dynamik
1,56 m/s²
1,97 m/s²
MAN TGS mit ISRI 6860/875 NTS Standard
1,94 m/s²
1,76 m/s²
Mercedes Secutor 1833 mit ISRI Standard Schwing-Sitz
1,10 m/s²
1,49 m/s²
Tabelle 1:
Schwingungsbean­
spruchung bei Stra­
ßenfahrt mit 40 km/h
in der Kabine und für
den Fahrer.
Tabelle 2: Gewichte und Dieselverbrauch der drei Fahrzeuge.
Fendt 933 Vario
mit SGT Anhänger
MAN TGS 41.440
mit Bergmann Aufbau
Mercedes Secutor 1833
mit SGT Auflieger
40
32
40
Tatsächliches Gesamtgewicht (t)
41,12
33,12
39,91
Leergewicht (t)
23,68
19,2
20,51
Nutzlast (t)
17,44
13,98
19,4
Dieselverbrauch l/100 km
97,2
57,2
68,4
Zulässiges Gesamtgewicht (t)
Tabelle 3: Bodenkontaktflächen, Radlasten und Spurtiefen der drei Fahrzeuganhänger bzw. des Aufbaus.
Fendt 933 Vario
mit SGT Anhänger
MAN TGS 41.440
mit Bergmann Aufbau
Mercedes Secutor 1833
mit SGT Auflieger
3,9
4,6
3,5
Radlast (t)
Anhänger-Reifendruck (bar)
Reifendimension
4
8
4
750/45 R 26,5
2 × 315/80 R 22,5
750/50 R 26,5
2.800
2.170
2.880
6
11
6
Bodenkontaktfläche (cm2)
Spurtiefe (cm)
lägen auch Kopfsteinpflaster und reparierte
Abschnitte mit Asphalt auf schadhaftem Unterbau oder Brückenfahrten. Daneben waren
übliche Hindernisse wie Ampeln, Kurven, Einfahrten, Kreuzungen und Verkehr zu meistern.
Die Vorgaben für den Fahrer waren:
▪ Geschwindigkeit 40 km/h
▪ möglichst gleichmäßig und vorausschauend fahren und
▪ möglichst wenig zu bremsen.
Als mittlere Geschwindigkeit wurde bei 40 km/h
auf der Straße mit vollbeladenem Fahrzeug die
Fahrerbeanspruchung gemessen. Je kleiner der
Messwert ist, desto komfortabler ist der Fahrer
unterwegs (Abbildung und Tabelle 1).
Beim Traktor erschütterten Straßenlöcher
über der ungefederten Hinterachse, verstärkt
durch den kurzen Radstand, den Fahrer am
heftigsten, trotz weicher Kabinenfederung
und aufwändig gefedertem und gedämpftem
Sitz. Der Lkw MAN mit dem Fahrersitz über
der vorderen Lenkachse und den harten
Reifen schützt den Fahrer deutlich besser vor
Erschütterungen im Vergleich zum Traktor. Am
komfortabelsten fährt der Fahrer im Secutor,
wobei die großvolumigen Einzelreifen mit
vergleichsweise niedrigerem Reifenluftdruck,
die Federung der Achsen und die Sitzposi­
tion zwischen den Achsen zum Fahrkomfort
beitragen.
◼ Dieselverbrauch
Beim Kriterium Dieselverbrauch kommt mit
57,2 l eindeutig der MAN am besten weg,
gefolgt von Secutor mit 68,4 l und Fendt mit
97,2 l. Nach jedem Rundkurs von 25 km wurde
der Tank mit einer Zapfpistole mit genauer
Messung bis zum Rand nachgefüllt und die
Füllmenge dokumentiert. Die Strecke wurde
mit allen Fahrzeugen mindestens drei Mal
gefahren. Die Verbrauchsergebnisse in Kombination mit den Nutzlasten zeigt Tabelle2.
◼ Geräuschmessung
Die Geräuschmessungen wurden auf einer wenig befahrenden Landstraße durchgeführt, um
in einem realen Vergleich aus Fußgängersicht
die drei Fahrzeuge zu bewerten. Gemessen
wurde der an- und abschwellende Lautstärkenwert in dB (A) beim vorbeifahrenden Fahrzeug
für das Umfeld als Maximalbelastung. Mit
jedem Fahrzeug wurde mit der Geschwindigkeit von 60 km/h gefahren und in Anlehnung
an die DIN-Norm 45636 gemessen. Dabei
verursachte der Lkw MAN TGS mit 89,8 dB(A)
Deutscher Landwirtschaftsverlag GmbH
die geringste Vorbeifahrgeräuschbelastung,
gefolgt vom Mercedes Secutor 1833 mit
SGT-Auflieger mit 90,0 dB(A). Mit 103,5 dB(A)
war der Traktor mit Anhänger das lauteste
Fahrzeug. Subjektiv beurteilt waren es die
Reifengeräusche, die am lautesten zu hören
waren. Zu beachten ist der logarithmische
Maßstab bei der Lautstärkenermittlung, aus
dem hervorgeht, dass die dB (A) Messung als
Unterschied zwischen den Werten mindestens
eine Verdoppelung der Lautstärkenwahrnehmung bedeutet.
◼ Bodenkontaktflächen
und Spurtiefen
Beim Tridemanhänger hinter dem Fendt
933 waren Alliance Reifen der Dimension
750/45R26,5 montiert. Bei einer Radlast von
durchschnittlich 3,9 Tonnen je Reifen stützte
sich der Reifen auf 2.800 cm² Bodenfläche
ab und drückte eine Spur von 6 cm in den
Boden (Tabelle 3).
Beim MAN 8 × 8 waren auf den zwei Lenkachsen und den zwillingsbereiften Hinterachsen
Baustellenreifen verschiedener Hersteller mit
der Dimension 315/80 R22,5 montiert. Sie hatten den straßenüblichen Reifendruck von 8 bar.
Die Bodenkontaktfläche der Zwillingsreifen
betrug 2.170 cm². Bei einer Radlast von 4,6 t
betrug die Spurtiefe 11 cm. Diese Bereifung
ist nicht für die Ackerfahrt geeignet, schädigt
das Bodengefüge und entspricht nicht den
Kriterien der guten fachlichen Praxis.
Am Secutorauflieger waren Michelin CargoxBib
Radialreifen montiert. Die Bodenkontaktfläche
betrug pro Reifen 2.880 cm². Mit über 40 t
Gesamtgewicht und einer Radlast von 3,5 t
betrug die Spurtiefe 6 cm.
Fazit: Wer landwirtschaftliche Transporte
mit dem Traktor durchführt, verbraucht
mehr Kraftstoff als mit dem Lkw. Zudem
ist der Fahrer einer höheren Schwingungsbelastung ausgesetzt. Für gelegentliche
Transporte und kurze Strecken wird es beim
Traktor als Zugmaschine bleiben. Sobald ein
Lkw ausgelastet werden kann, sollte er auch
angeschafft werden. Wird er überwiegend
am Feldrand be- und entladen werden, kann
jeder Standard-Lkw mit Straßenbereifung
eingesetzt werden. Für den Einsatz auf Acker
und Straße gut geeignet ist der Mercedes
Secutor mit breiten Reifen und Reifendruckregelanlage. Er ist Traktor und Straßen-Lkw
sowohl beim Kraftstoffverbrauch als auch
NL
beim Fahrkomfort überlegen. (mö)
Redaktion Neue Landwirtschaft: Berliner Straße 112 a, 13189 Berlin, Telefon 030-293974-50, Telefax 030-293974-59
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