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ZeitHaus Automobile Klassiker Volkswagen Typ 3 – der erste Mittelklassewagen von VW 1961-1973 Automobile Meilensteine sind das Thema des ZeitHauses in der Autostadt – dies ungeachtet ihrer Herkunft. ZeitHaus-Philosophie ist es, Trendsetter zu präsentieren: Automobile, die Maßstäbe definierten, anderen Herstellern als Vorbild dienten – oder besonderen Stellenwert in der Geschichte von Volkswagen haben. Als dritte Modellreihe nach Käfer und Bulli gehört der Typ 3 zweifellos zu diesem elitären Kreis: Er bedeutete den ersten Schritt des einstigen Käfer-Produzenten in die Mittelklasse und damit den Start auf dem Weg zum Vollsortimenter. Darüber hinaus ist der Typ-3-Kombi der Begründer einer Wolfsburger Erfolgsstory – deren Titel lautet „Variant“. Und als weltweit erstes Automobil mit optionaler elektronischer Benzineinspritzung schrieb dieser Volkswagen Ende der 60er Jahre AutotechnikGeschichte. Begeisterungsstürme erzeugte er nicht, der neue Volkswagen 1500 (später als Typ 3 bezeichnet), als er 1961 anlässlich der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt (Foto auf der folgenden Seite) sein Debüt gab. Reinhard Seiffert, Redakteur von „das Auto, Motor und Sport“ (ab Ausgabe 1/1963 „auto motor und sport“) und IAA-Beobachter, nannte ihn „aschenbrödelhaft“ unscheinbar: „Man sieht ihn an, sagt: aha, das ist er also, und wird ihn künftig, wenn er in Zehntausenden auf den Straßen rollt, ebenso gleichmütig zur Kenntnis nehmen.“ Dennoch überzeugte ihn das Konzept des Neuen: Er sei „ein sympathischer Gebrauchsgegenstand bester Qualität“ und damit „das Eisen des Volkswagenwerkes im Feuer der Zukunft“. In der Tat hatten die Wolfsburger Formgestalter ihren neuen Mittelklassewagen nicht auf Effekt getrimmt, sondern geradezu puristisch auf Funktion. Die geradlinige Karosserie im Pontonstil – ein Novum für den Käfer-Produzenten Volkswagen – ruht wie der Käfer auf einem Plattformrahmen mit Mittelträger und ist mit diesem verschraubt. Auch der Radstand entspricht dem traditionellen Käfer-Maß von 2,4 Metern – damals Voraussetzung für eine möglichst preisgünstige Herstellung des Typ 3 auf den existenten Käfer-Produktionslinien und die Nutzung der unveränderten Kundendienst-Prüfstände der weltweiten VW-Händlerschaft. Lediglich die Spurweiten waren im Vergleich zum Käfer vorn um fünf Millimeter, hinten sogar um 58 Millimeter erweitert worden. Größere Karosserie-Überhänge sorgten überdies für ein Längenwachstum gegenüber dem Käfer von 155 Millimeter, die Breite wuchs um 65 Millimeter. Vor allem die vorn Sitzenden profitieren von den zusätzlichen Millimetern und der raumökonomischeren Pontonform ohne Trittbretter: Haben Fahrer und Beifahrer im Käfer engen Körperkontakt, so bleibt beiden im 1500 dank zusätzlicher 135 Innenbreiten-Millimeter eine von Zeitgenossen als üppig empfundene Bewegungsfreiheit. Zudem wurde Aufsteigern vom Käfer – und für die war der neue „Große Volkswagen“ in erster Linie gedacht – mehr Gepäckraum geboten. Sowohl unter der vorderen Haube, als auch unter der vermeintlichen Motorhaube im Heck lassen sich im 1500 überraschend viele Koffer und Taschen verstauen. Dabei war es 1500-Fahrern der ersten Stunde stets ein Vergnügen, Bewunderern ihres Gefährts die Heckklappe zu öffnen und im Brustton der Überzeugung zu verkünden, der Neue aus Wolfsburg benötige keinen Motor mehr – er liefe nämlich von alleine. Tatsächlich verbirgt sich unter der „Motorhaube“ kein Motor, sondern zunächst einmal ein zweiter Gepäckraum. Erst unterhalb die- ses Behältnises ist – nach Öffnen einer Klappe im Kofferraum-Boden sichtbar und zugänglich – der luftgekühlte Vierzylinder-Boxer zu finden, der dank mancherlei Tricks der VW-Ingenieure ungewöhnlich flach baut. So wurde das Kühlluftgebläse, das im Käfer steil oberhalb des Kurbelgehäuses aufragt, nach unten an den hinteren Austritt der Kurbelwelle verpflanzt. Verlegte Ansaugrohre und Luftführungen sowie ein ultraflacher Luftfilter sind durchweg auf möglichst geringe Bauhöhe hin konzipiert. So entstand eine Art Unterflurmotor – Grundvoraussetzung für die Verwirklichung einer zuvor im Serienwagen-Bau von Volkswagen unbekannten Karosserie-Variante: nämlich für einen dreitürigen Kombi, den Variant. Dieser Variant war die zweite letztlich in Serienproduktion gegangene Typ-3-Version. Die Nummer drei wurde das zweisitzige, in Osnabrück bei Karmann gefertigte Coupé Karmann-Ghia. Die gleichfalls in Frankfurt präsentierten (und bereits mit 8.200 DM bzw. 9.500 DM ausgepreisten) beiden Cabrio-Versionen, viersitzig auf Limousinen-Basis und zweisitzig als Karmann-Ghia, blieben indessen im Wortsinn „Traumwagen“: Ihr Serienanlauf wurde „aus Kostengründen“ in letzter Minute gestoppt. Für eine viertürige Typ-3-Limousine – siehe die Abbildung auf der vorherigen Seite – kam dagegen bereits im Prototypen-Stadium das Aus. Unbewusst realisierte Volkswagen mit dem Variant eine Anfang der 60er Jahre in Deutschland noch wenig bekannte, in den USA jedoch weit verbreitete PersonenwagenGattung: die eines Raumwagens für Familien. Waren zuvor Kombis hierzulande fast ausschließlich von Handwerkern und Handelsvertretern geordert worden, so sprach der kompakte, aber dennoch geräumige Volkswagen weit überwiegend Privatkäufer an, und das von Jahr zu Jahr in zunehmendem Maße. Betrug der Variant-Anteil an der Typ-3-Produktion im ersten kompletten Produktions-Jahr (1962) noch 17,6 Prozent, so zog die praktische Variante bereits 1967 mit den Limousinen gleich, um diese mit einem Anteil von 53,5 Prozent im Jahr 1968 zu überholen. 1973, im letzten Typ 3-Baujahr, kamen auf eine georderte Limousine etwas über drei Variant. Dabei bot Volkswagen ab 1965 parallel sogar gleich zwei Limousinen-Varianten an. Zur Stufenheck-Version gesellte sich mit dem Modell TL eine Fließheck-Ausführung, die außer der sportlicheren Linienführung handfeste Vorteile bot: mehr Kopffreiheit im Fond und einen höheren Heckkofferraum. Auch der Frontkofferraum wuchs im Laufe der Typ-3-Geschichte, einhergehend mit einer für damalige VW-Verhältnisse gründlichen Design-Überarbeitung. Im Sommer 1969 erschien der Mittelklasse-VW mit einer um 120 Millimeter verlängerten Frontpartie. Das führte vorn zu einer Vergrößerung des Gepäckvolumens um immerhin 25 Prozent. Mehr noch als in der Formgebung des Blechs wurde der Typ 3 im Laufe seiner 13-jährigen Produktionszeit unter dem Blech modifiziert – auch dies ist typisch für die Modellpolitik von Volkswagen. So verwirklichte ab 1963 die zusätzliche Zweivergaser-Version 1500 S mit 54 statt 45 PS den Wunsch nach mehr Temperament und höheren Tempi von bis zu 140 (statt mit 45 PS maximal 130) km/h. 2,5 Millimeter mehr Zylinderbohrung führten 1965 zu 1.584 ccm (statt zuvor 1.493 ccm) und damit zu etwas mehr Drehmoment. Der bessere Motordurchzug war von Nutzen, als Volkswagen 1965 den 54 PS-Typ 3 auf Wunsch und gegen Aufpreis von 800 DM mit einem vollautomatischen Getriebe ausrüstete. Gekoppelt war diese Bedienungserleichterung mit einer aufwändigen Doppelgelenk-Hinterachse mit Schräglenkern statt der zuvor VW-typischen Pendelachse – ein in jener Zeit Aufsehen erregender Pluspunkt in Sachen Fahrsicherheit. Bis heute geradezu sensationell ist eine Innovation, mit der Volkswagen und Bosch bereits 1967 auf dem US-Markt und ab 1968 auch in Europa Automobil-Geschichte schrieben: Weltweit erstmalig offerierte die Volkswagenwerk AG ihren Kunden damals für zusätzliche 585 DM eine elektronisch gesteuerte Benzineinspritzung. Diese hochmoderne Kraftstoffaufbereitung führte im Typ 3 zwar nicht zu einer höheren Motorleistung, dafür sorgte sie für eine wesentliche Entgiftung der Abgase – was Volkswagen in der Automobil-Industrie zum Umweltschutz-Vorreiter kürte. 1973 kam mit dem neuen Volkswagen Passat das Ende des Typ 3, der zwar nie die Stückzahlen des legendären Käfers erreichte, doch in seiner unauffälligen Art speziell in Deutschland Karriere machte: Jahrelang nahm er in der deutschen Zulassungsstatistik Rang 3 (nach Käfer und Opel Kadett) ein, die vorherigen Mittelklasse-Könige von Opel (Rekord) und Ford (17m) ließ er damit souverän hinter sich. „Der Erfolg des Volkswagenwerks“, verriet „auto motor und sport“-Tester Reinhard Seiffert 1965 im Test des neuen 1600 TL ein Wolfsburger Geheimnis, „beruht zum großen Teil darauf, daß viele Leute so vernünftig sind, im Auto in erster Linie das Fahrzeug und erst in zweiter Linie das Mittel zur äußeren Selbstbestätigung zu sehen.“ Dem ist in Sachen Volkswagen womöglich auch heute nichts hinzuzufügen. Hersteller: Volkswagenwerk AG / Baujahr 1973 Meilenstein Volkswagen 1600 L Variant Warum Meilenstein? Der Typ 3, 1961 als VW 1500 präsentiert, war der erste Schritt von Volkswagen in die Mittelklasse – und damit der Start in die heute von Volkswagen gebotene Typenvielfalt, die das gesamte Spektrum vom Kleinwagen Up bis hin zum Luxusautomobil Phaeton abdeckt. Zudem ist der Typ 3 das weltweit erste Serienauto, das (in Europa ab 1968) optional mit elektronischer Benzineinspritzung bestellt werden konnte. Wann entstanden? Sein Debüt feierte der Volkswagen Typ 3 im Jahr 1961 als zweitürige Stufenheck-Limousine 1500 und als Karmann-Ghia. 1962 ging die Kombiversion Variant in Produktion. 1963 folgte zusätzlich die 54-PS-Version 1500 S. Der Typ 3 1600, nun auch als Fließhecklimousine TL, erschien 1965. Im Jahr 1969 erfolgte eine Karosserieüberarbeitung. Im Juli 1973 wurde die Produktion des Typ 3 zugunsten des neuen Passat eingestellt. Wie erfolgreich? In knapp zwölf Jahren entstanden 2.584.904 Exemplare des Typ 3. Er rangierte damit jahrelang nach Käfer und Opel Kadett an dritter Stelle der deutschen Zulassungs- statistik. Welche Wirkung? Insbesondere mit seiner optionalen elektronischen BoschEinspritzung agierte der Volkswagen Typ 3 als Technik-Vorreiter. Er war aber auch eines der ersten Mittelklasse-Modelle mit befriedigend abgestimmter Vollautomatik. Und dass Kombis nicht nur Handwerker-Vehikel, sondern auch Familien- und Freizeit-Auto sein können, bewies in Deutschland als Erster der Typ 3 Variant. Welche Daten? Vierzylinder-Boxer im Heck, 1.584 ccm, 40 kW/54 PS bei 4.000/min; Einzelradaufhängungen mit Drehstabfederung; Leergewicht 1035 kg; Höchstgeschwindigkeit: 140 km/h; ehemaliger Neupreis: 9.455 DM. W eitere Informationen finden Sie unter www.autostadt.de oder erhalten Sie direkt beim ZeitHaus-Team unter [email protected] Fotonachweis: Autostadt, bei einigen der abgebildeten Motive handelt es sich um zeitgenössische Dokumente