Hintergrund: Indonesien - Friedrich-Naumann
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Hintergrund: Indonesien - Friedrich-Naumann
Hintergrund: Indonesien Nr. 74 / 09. November 2015 Klimaschutz: Bescheidene Ziele, schlimme Realität Moritz Kleine-Brockhoff, M. Husni Thamrin und Zoe van Doren Zusammenfassung Der G20-Staat Indonesien zählt mit geschätzten zwei Gigatonnen CO2-Ausstoß zu den sechs größten CO2-Emittenten der Welt. 2007 hielt der damalige Präsident Yudhoyono während der Klimakonferenz in Bali ein bewegendes Plädoyer für Klimaschutz. Später unterschrieb er Gesetze und Dekrete, die Indonesiens riesige CO2-Speicher - Regenwald und sein Torfboden - schützen sollten. Yudhoyono setzte ein Ziel: 2020 sollten Indonesiens CO2-Emissionen 26% unter dem Wert liegen, der ohne Klimaschutzmaßnahmen erreicht würde. Hoffnung machen Umweltschutzgesetze, eine REDD+ Partnerschaft samt staatlichem Abholzungsmoratorium auf einer Fläche von 74 Millionen Hektar und Schutz von Torfböden. Die beiden markbeherrschenden Holzfirmen versprachen, Primärwald fortan stehen zu lassen. Doch bislang sieht die Praxis anders aus. In Indonesien, wo der Rechtsstaat schwach ist, wird einfach weiter abgeholzt - immer mehr und immer schneller. CO2 Emissionen steigen rasant. In zwölf Jahren verschwand Primärwald auf einer Fläche, die der Hälfte Englands entspricht. Kahlschlag folgen Brandrodung samt Qualm, der die Region vernebelt, sowie die Trockenlegung von Torfboden. Beides dient der Schaffung von Palmölplantagen. Die Wirtschaft des Inselstaates, der 250 Millionen Einwohner hat, wächst jährlich um gut fünf Prozent. Strom kommt aus Kohlekraftwerken, KFZ-Abgasnormen interessieren nicht, Müll wird an der Straßenecke verbrannt. Die neue Regierung, seit 2014 im Amt, sieht Klima- und Umweltschutz nicht als Prioritäten an. Trotzdem hat Indonesien nun zur bevorstehenden Klimakonferenz COP 21 in Paris ein neues Ziel vorgestellt: bis 2030 sollen CO2-Emissionen 29% unter dem Wert liegen, der ohne KlimaschutzMaßnahmen erreicht würde. Hintergrund: Indonesien Nr. 74 / November 2015 |1 Ambitionierte Worte Indonesien gehört zu den mehr als 150 Staaten, die im Vorfeld der Klimakonferenz in Paris (COP 21) Klimaziele vorgelegt haben. Das Papier mit den sogenannten „Intended Nationally Determined Contributions“ (INDC), also „beabsichtigte, nationale Beiträge“, enthält die Einsicht, dass Indonesien mit seinem riesigen Regenwald, hoher Artenvielfalt und großen CO2-Speichern eine entscheidende Rolle beim Kampf gegen globalen Klimawandel spielt. Indonesien kündigt einen „Übergang zu einer Zukunft mit wenig Kohlenstoff“ an. Ausgehend von einem anhaltend hohem Wirtschaftswachstum von 7% p.a. sollen im Jahr 2020 CO2-Emissionen 26% und im Jahr 2030 dann 29% unter „business as usual“ liegen, also unter dem Wert, der in den kommenden Jahren ohne Klimaschutz-Maßnahmen erreicht würde. 1 Als Vergleichswert wird die Emissions-Entwicklung der Jahre 2000 bis 2010 herangezogen. Bislang liegen allerdings nur Zahlen von 2000 bis 2005 vor. In diesem Zeitraum stieg Indonesiens CO2 Ausstoß nach Schätzung der Regierung von 1,4 Gigatonnen auf 1,8 Gigatonnen. Der rasante Anstieg ist nur zu knapp einem Fünftel der Verbrennung fossiler Brennstoffe geschuldet. Die meisten Emissionen, 63%, resultieren aus Regenwaldzerstörung. Sie macht Indonesien mit einem Ausstoß von 1.000 Tonnen CO2 pro Million US$ Bruttosozialprodukt zum intensivsten CO2-Emittenten der Welt.2 Indonesien erneuerte jüngst auch seine bereits 2009 gemachte Ankündigung, dass CO2 Emissionen sogar um 41% im Vergleich zu „business as usual“ reduziert werden könnten, falls das Land internationale Unterstützung erhalte. Norwegen hatte bereits 2010 im Rahmen einer REDD+ Partnerschaft 3 eine Milliarde US$ in Aussicht gestellt, falls Indonesien Regenwald schützt, statt ihn abzuholzen. Indonesien hat zudem angekündigt, dass bis 2025 mindestens 23% seiner Energieproduktion aus erneuerbaren Energien stammen werde. „Indonesien wird seinen verbleibenden Regenwald schützen“, verspricht die Ministerin für Umwelt- und Forst in ihrem Klimaziel-Papier. Zum Vergleich: Anders als Indonesien, das nur eine Abschwächung des Anstiegs von Emissionen anstrebt, hat Brasilien tatsächliche Abnahme seines CO2-Ausstoßes angekündigt: Im Jahr 2025 soll er 37% unter dem Ausstoß von 2005 liegen, im Jahr 2030 sogar 43% darunter. 4 Indonesien hat solche Ambitionen nicht, die Regierung rechnet mit einem Anstieg der CO2 Emissionen. 5 Allerdings begnügen sich die allermeisten Entwicklungs- und Schwellenländer, im Klimakontext „Non-Annex I Länder“ genannt, mit relativen Emissionsreduktionszielen, sprich mit einer Eindämmung des Anstiegs von CO2 Emissionen. Dazu zählen auch Staaten wie Singapur und Südkorea, die technologisch und finanziell durchaus in der Lage wären, mehr zu tun. In Indonesien ist zudem unklar, wie die relativen Emissionsreduktionsziele erreicht werden und wie sie sich auf die Abholzrate und deren Emissionsbeitrag auswirken sollen. Im INDC-Papier ist von einer „strategischen Herangehensweise“ die Regenwaldabholzung in Indonesien. Quelle: CIFOR, Flickr Hintergrund: Indonesien Nr. 74 / November 2015 |2 Rede, konkrete Maßnahmen werden nicht genannt. Das Klimakonsortium CAT, dem auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung angehört, hält Indonesiens Klimaziele für „inadäquat“.6 In Indonesien hatte der ehemaligen Präsident Susilo Bambang Yudhoyono, der von 2004 bis 2014 regierte, in einer Rede den Eindruck erweckt, als gebe es für ihn kaum etwas Wichtigeres als Klimaschutz. 2007, als die Bali-Klimakonferenz, die einen Fahrplan für weitere Verhandlungen verabschieden sollte, kurz vor dem Scheitern stand, sagte Präsident Yudhoyono vor den Delegierten aus aller Welt: „Was wir am heutigen Tag tun, wird Auswirkungen auf die kommenden Jahrzehnte haben. Deshalb müssen wir unsere Plicht tun, müssen unserer moralischen Verpflichtung nachkommen. Die Welt schaut uns heute zu. Geschichte wird morgen über uns richten. Zukünftige Generationen werden sich daran erinnern, ob wir die vor uns liegende Gelegenheit wahrnahmen oder durch unsere Finger gleiten ließen. Es steht zu viel auf dem Spiel. Die Alternative zu einem Durchbruch hier und jetzt ist nicht akzeptabel. Wir können nicht scheitern. Wir sollten nicht scheitern. Für unsere kommenden Generationen müssen wir diesen Durchbruch schaffen.“ Ein Schritt vor, zwei zurück Während der Amtszeit von Präsident Yudhoyono verabschiedete Indonesien eine ganze Reihe von klimafreundlichen Gesetzen, Dekreten und Regularien. Ein nationales Klimawandel-Komitee wurde gegründet, das Klimaschutz-Strategien entwickelte. Ein Umweltschutzgesetz brachte die Verpflichtung zu Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Genehmigungsverfahren. Ein Nationaler Aktionsplan zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen sah Monitoring des Regenwaldbestandes vor, präsidiale Dekrete schrieben Messungen von Treibhausgasemissionen vor und schafften eine REDD+ Agentur. Im Jahr 2011 erließ Präsident Yudhoyono ein Moratorium: Auf einer Fläche von 74 Millionen Hektar – ein Gebiet, das drei Mal so groß ist wie Großbritannien – sollte es keine Genehmigungen für Wirtschaftsaktivitäten auf Wald- und Torfflächen geben. Das Moratorium war Teil der REDD+ Partnerschaft, in der Norwegen nur nach positiven Entwicklungen Geld zahlt. 7 Neben Indonesiens Regierung unternahmen auch die beiden marktbeherrschenden Holzfirmen APP und APRIL, die Abholzung und Trockenlegung von Torfboden durch einen neuen Kanal. Quelle. Rainforest Action Network , Flickr gemeinsam 80% des indonesischen Holz- und Papiermarktes beherrschen, positive Schritte. Beide Firmen versprachen, dass sie und ihre Zulieferer keine neuen Flächen erschließen, sprich keinen Primärwald mehr antasten. Die Unternehmen sagten zu, sich mit bestehenden Konzessionsflächen zufrieden zu geben und dort nachhaltige Forstwirtschaft zu betreiben. Greenpeace und andere Umweltorganisationen begrüßten die Ankündigungen.8 Ernüchternd ist, dass die positiven Maßnahmen der vergangenen Jahre bislang dort keine Wirkung zeigen, wo es zählt: im Wald. Im Gegenteil: Laut einer in Nature Climate Change veröffentlichten Hintergrund: Indonesien Nr. 74 / November 2015 |3 Studie 9 holzte Indonesien zwischen 2000 und 2012 immer mehr und immer schneller ab. Die Abholzfläche habe Jahr für Jahr um 47.600 Hektar zugenommen. Allein im Jahr 2012 seien 840.000 Hektar Regenwald zerstört worden, was fast der Hälfte von Rheinland-Pfalz entspricht. Mittlerweile holze Indonesien jährlich doppelt so viel Regenwald ab wie Brasilien. Insgesamt seien in Indonesien in den zwölf Jahren sechs Millionen Hektar Primärwald zerstört worden.10 Das entspricht der Hälfte der Fläche von England. 2013 nahm die Geschwindigkeit des Waldschwundes kurz ab, 2014 stieg sie wieder.11 Wer in Indonesien Wälder auf Sumatra und auf Borneo besucht, stellt fest: Es wird so schnell abgeholzt wie menschenmöglich. Denjenigen, die vor Ort agieren – Firmen, staatliche Behörden, Militär und Polizei - ist egal, welche Gesetze im fernen Jakarta erlassen werden. Indonesien ist seit 1998 auf dem Weg zu einer Demokratie, die heute noch längst nicht perfekt ist. Korruption verhindert Rechtsstaatlichkeit. Politischer Wille und Gesetze sind wichtige Schritte, aber entscheidend ist Implementierung. Zudem zweifeln manche auch daran, ob der umweltpolitische Wille in Jakarta ausgeprägt genug ist. 2013 kam es zu einem Eklat, als der Schauspieler und Umwelt-Aktivist Harrison Ford Indonesiens Forstminister zur Rede stellte. Ford war wütend, weil er gesehen hatte, dass im Tesso Nilo Nationalpark auf Sumatra massiv abgeholzt wird.12 Verschiebung der Prioritäten Fairerweise muss man daran erinnern, dass die Gesetze, Erlasse, Moratorien und Selbstverpflichtungen, die Indonesiens Wald schützen und den Anstieg von CO2-Emissionen verlangsamen sollen, sehr jung sind. Schlagartig Wirkung zu erwarten, wäre vermessen. Gleichzeit ist nicht spürbar, dass Indonesiens Umweltzerstörung in irgendeiner Weise abnähme und dass daran in Politik und Gesellschaft wirklich Interesse bestünde. Im Parlament wurde 2012 ein Ausschuss von Abgeordneten gegründet, der sich mit Klimawandel befasst, der „Green Economy Caucus“. Nur 14 der 560 Abgeordneten traten bei. Im Wahljahr 2014 spielten Klima- und Umweltschutz keine Rolle. Keine Partei hat die Themen in ihrem Programm. Der Sieger der direkten Präsidentschaftswahl, Indonesiens neuer Präsident Joko Widodo, versprach in der ersten Langfassung seines Wahlprogrammes, 100 Millionen Hektar Waldfläche zu renaturieren. In späteren, kürzeren Fassungen sowie unter den neun nach Amtsantritt vorgestellten Prioritäten des Regierungsprogramms von Präsident Widodo sind Umweltschutz und Maßnahmen gegen Klimawandel gar nicht mehr zu finden. Sie spielen auch im öffentlichen Diskurs, inklusive der Medien, in der Regel keine nennenswerte Rolle in Indonesien. Drei Monate nach Amtsantritt nahm der neue Präsident per Dekret manche Errungenschaften seines Vorgängers zurück. Der nationale Klimawandelrat sowie die Agentur REDD+ wurden als eigenständige, staatliche Behörden abgeschafft. Ihre Aufgaben übernimmt ein neues Ministerium, das durch die Zusammenlegung von Umwelt- und Forstministerium entstand. Die REDD+ Partnerschaft mit Norwegen wackelte, im April 2015 vereinbarten beide Staaten dann aber doch, sie fortzusetzen. Zwei Jahre zuvor hatte Australien eine ähnliche Partnerschaft abgebrochen, weil es zu wenige Fortschritte gegeben hatte. 13 Immerhin verankerte Präsident Joko Widodo das relative Emissionsreduktionsziel von -26% im Vergleich zu „business as usual“ im staatlichen Entwicklungsplan 2015-2019. Im neuen Umwelt- und Forstministerium wurde ein Generaldirektorat für Klimawandel eingerichtet. Ein interministerielles „Climate Change Supervision Board“ wurde geschaffen. Und Präsident Widodo verlängerte im Mai 2015 das Moratorium, das neue Forstkonzessionen auf einer Fläche von 74 Millionen Hektar betrifft. Greenpeace reagierte skeptisch: das Moratorium habe zu viele Schlupflöcher, außerdem seien weitere 48,5 Millionen Hektar Wald nicht von dem Stillhalteabkommen gedeckt.14 Eine Priorität von Indonesiens Präsident Widodo ist die Steigerung der Energieproduktion, welche allerdings angesichts von Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum in der Tat nötig ist. Bis 2019 will Indonesien 35.000 Megawatt mehr Strom produzieren. Die Hälfte soll aus neuen Kohle-, ein Viertel Hintergrund: Indonesien Nr. 74 / November 2015 |4 aus Gaskraftwerken und ein Viertel aus erneuerbaren Energien stammen. Heute sieht der Energiemix anders aus: Knapp drei Viertel stammen von Öl und Kohle, 20 Prozent von Gas und etwa sieben Prozent aus erneuerbaren Energien. 15 Die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat Indonesien weiche Kredite bis zu zwei Milliarden Euro für Investitionen in erneuerbare Energien angeboten. Umwelt- und Klimaschutz in Indonesien wären wichtig für die Welt und wichtig für das Land. Es ist mit 17.000 Inseln verwundbar durch Bedrohungen, die Klimawandel bringen könnte. Viele Großstädte Indonesiens liegen an Küsten: Jakarta, Makassar, Manado, Padang und Surabaya. Ein steigender Meeresspiegel könnte sie erfassen. Bei steigenden Temperaturen könnte die Malariamücke in auch höher gelegenen Gegenden überleben und viel mehr Menschen stechen als bisher. Längere Trockenperioden könnten Waldbrände wahrscheinlicher machen und ihre Löschung herauszögern. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt Indonesien bei Planung und Umsetzung von Klimastrategien. Forst-, Energie- und Transport-Emissionen sollen vermindert werden. Mensch und Natur tragen die Folgen Nach Angaben des INTERGOVERNMENTAL PANEL ON CLIMATE CHANGE (IPCC) der Vereinten Nationen sind Waldbrände für 70% des globalen Anstiegs von Kohlendioxidemissionen verantwortlich. In Indonesien sind Waldbrände ein alljährliches Phänomen. Nachdem Regenwald abgeholzt wurde, machen Firmen während der Trockenzeit den Boden durch Brandrodung kahl, damit Palmöl-Plantagen entstehen können. Palmöl landet in Biokraftstoffen (Biodiesel und E10) oder wird bei der Herstellung von Lebensmittel- und Kosmetikprodukten verwendet. Indonesien ist der weltgrößte Palmölproduzent und –exporteur. Mittlerweile stehen auf 11 Millionen Hektar Land Palmölplantagen, was der Fläche Bulgariens entspricht.16 Palmölplantage in Indonesiens Provinz Papua. Quelle: CIFOR, Flickr Bei der Schaffung neuer Palmölplantagen in Indonesien entsteht durch Brandrodung in der Trockenzeit "Haze", ein fieser Qualm, der sich wie Nebel ausbreitet. Die Dimension ist gigantisch. In diesem Jahr schwelten nach systematischen Brandrodungen auf Sumatra und auf Borneo mehr als 2.200 Brände. Ihr Qualm vernebelte nicht nur Teile der beiden riesigen indonesischen Inseln, sondern auch die Nachbarstaaten Singapur und Malaysia sowie den Süden Thailands. Wenn unterirdische Torfschichten glimmen, sind die Schwelbrände kaum zu löschen. Bis Oktober waren 43 Millionen Menschen von dem Nebel betroffen, 500.000 ließen sich wegen akuter Atemwegserkrankungen behandeln, 19 starben. 17 Flughäfen und Schulen wurden vorrübergehend geschlossen, auch in Singapur und in Kuala Lumpur, wo Behörden Atemschutzmasken verteilten. Weil die Trockenzeit in Hintergrund: Indonesien Nr. 74 / November 2015 |5 diesem Jahr lange anhielt, war "Haze" so schlimm wie lange nicht. Ende Juni kam nach Bränden der erste Qualm, erst Anfang November sorgte Regen für Linderung. Zwischenzeitlich stieg der Luftschadstoffindex - Werte über 300 gelten als gesundheitsgefährdend - auf 900. Singapur bot Militärflugzeuge zum Löschen an, Indonesien lehnte ab. Vizepräsident Jusuf Kalla hatte gesagt, die Nachbarn sollten dankbar sein, elf Monate gute Luft zu haben. Erst als die Umweltkatastrophe ein fürchterliches Ausmaß angenommen und auch zu einer Gesundheitskrise geführt hatte, nahm Indonesien internationale Hilfe an. Zu dem Zeitpunkt war es unmöglich, den Bränden etwas Nennenswertes entgegensetzten. Krisenmanagement blieb Kosmetik. Indonesiens CO2-Ausstoß schoss durch die Brände weiter in die Höhe. Im September und Oktober lagen Indonesiens tägliche Emissionen durch Brände über den täglichen Emissionen der gesamten Wirtschaft der USA. 18 Die Bilanz der diesjährigen Haze-Saison: Es brannte in Indonesien auf einer Fläche, die zwei Millionen Fußballfeldern entspricht. Sumatra und Borneo waren wie immer am stärksten betroffen, aber erstmals lag ein Viertel der Gesamtfläche in der Provinz Papua im Osten des Landes. 19 Ironischerweise kam die fürchterliche Haze-Saison 2015 genau ein Jahr nachdem die größten Palmöl-Produzenten im September 2014 ein „Indonesisches Palmöl-Versprechen“ unterzeichnet hatten, in dem sie sich zu Nachhaltigkeit und zu Umweltverantwortung bekannt hatten.20 Tradition und fehlenden Aufklärung Brandrodung zur Gewinnung von Landwirtschaftsfläche hat in Indonesien und in anderen Staaten Südostasiens seit Jahrhunderten Tradition. Seit knapp 50 Jahren legen auf Sumatra und auf Borneo nicht nur Kleinbauern sondern auch Firmen systematisch Feuer, und zwar in immer größerem Ausmaß. 1972, 1997, 2006, 2013 und 2015 war Haze am schlimmsten. Das Klimaphänomen El Niño mit längeren Trockenzeiten könnte dazu beitragen, dass die Katastrophenjahre sich seit einer Dekade häufen. Indonesien verspricht seit langem, etwas gegen Brandrodung zu unternehmen. Ende 1997 verabschiedete die Regierung in Jakarta zusammen mit den anderen neun Ländern des Südostasiatischen Staatenbundes ASEAN einen "Regionalen Haze Aktionsplan". 21 Seitdem - zuletzt Ende Oktober 2015 22 - gab es zahlreiche Absichtserklärungen, die Brandrodung und Trockenlegung von Torfboden durch einen Indonesien unterzeichnete. In der neuen Kanal. Quelle Rainforest Action Network , Flickr Praxis gab es immer noch jährlich eine Haze-Saison. Es wurde weiterhin gezündelt, ohne dass der Staat einschritt. Mut macht, dass sich das unter Indonesiens Präsident Joko Widodo nun endlich zu ändern scheint. Er scheint Haze ernster zu nehmen als sein Stellvertreter und als seine Vorgänger. Präsident Widodo reiste in diesem Jahr mehrfach in Brandgebiete, war schockiert und wies die Polizei an, Firmen zu belangen, die systematisch abfackeln. Erstmals machte man sich Mühe, zu eruieren, wer auf brennenden Flächen Konzessionen hält. So wurde schnell klar, welche Firmen besonders großflächig zündeln. 140 Angestellte, darunter sieben Manager, wurden verhaftet – das hatte es noch nie gegeben. 23 Das Hintergrund: Indonesien Nr. 74 / November 2015 |6 Umwelt- und Forstministerium hat eine Firma, Bumi Mekar Hijau, auf Schadenersatz in Höhe von mehr 500 Millionen US$ verklagt, weil das Unternehmen auf einer Fläche von 20.000 Hektar brandgerodet haben soll. Genau wie seine Vorgänger tut auch Präsident Widodo wenig dafür, Umweltund Klimabewusstsein in der Gesellschaft zu schaffen oder zu stärken. Andere Politiker, ihre Parteien, Schulen und Universitäten halten sich ebenfalls zurück. So bleibt es bei alten Gewohnheiten. In Indonesien wird Müll oft einfach in die Gegend oder in Flüsse geworfen oder an der Straßenecke verbrannt. Alle Waren werden den Kunden in Plastiktüten übergeben. Es gibt keine Müllverbrennungsanlagen, keinen Haze in Malaysia. Flaschenpfand und keine Klärwerke für Quelle: Malaysiakini Abwässer. Wer mit einem Schnellboot vor der Hauptstadt Jakarta hinaus auf das Meer fährt, gleitet erst einmal 45 Minuten lang durch eine braune Suppe bevor das Wasser blau wird. Während der Regenzeit bringen Meeresströmungen Abfälle an manche Küsten. Dann werden auf der Urlaubsinsel Bali die Strände von Kuta und Seminyak zu Müllhalden. Für Autos gelten eigentlich Abgasnormen, aber sie interessieren niemanden. Aus Auspuffen alter LKW und Busse schießen dunkle Abgaswolken. Die meisten KFZ tanken Diesel- oder Normalbenzin, das schlechte Qualität hat. Am populärsten ist "Premium", ein Benzin, das nur eine Oktanzahl von 88 hat. Hoffnung auf Paris Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit organisiert seit 2011 in vielen Provinzen Indonesiens Bildungsveranstaltungen zu Klimawandel mit Studenten, NGOs, Parteien und Vertretern von Lokalregierungen. Auf nationaler Ebene sind Umwelt- und Klimathemen nach wie vor leider nur bei Umweltkatstrophen oder im Kontext internationaler Klimagipfel im Blickpunkt – so wie jetzt, kurz vor COP 21 in Paris. Immerhin hielt Indonesiens Präsident Joko Widodo jüngst in Washington eine wohlklingende Rede. „Ich versichere Ihnen: Indonesien liegt die Umwelt sehr am Herzen. Sie werden in Zukunft stärkere Fokussierung auf Umweltthemen von meiner Regierung sehen. Wir werden unsere Emissionen reduzieren. Wir werden mit bei COP 21 Treffen in Paris mit allen Parteien arbeiten. Wir verpflichten uns, unseren Wald zu erhalten“, sagte Präsident Widodo.24 Moritz Kleine-Brockhoff leitet das Jakarta-Büro der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit in Indonesien, M. Husni Thamrin, Katharina Weber-Lortsch und Zoe van Doren arbeiten dort. Hintergrund: Indonesien Nr. 74 / November 2015 |7 http://www.dephut.go.id/uploads/files/18321925e6ce3770e3ebb5090ed8d987.PDF http://www.wri.org/blog/2014/11/6-graphs-explain-world%E2%80%99s-top-10-emitters 3 REDD+ steht für “Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation” 4 http://www.wri.org/blog/2015/09/closer-look-brazils-new-climate-plan-indc 5 http://www.thejakartapost.com/news/2015/09/19/government-predicts-rise-c02-emissions2020.html#sthash.DCmgeY16.dpuf 6 http://www.climateactiontracker.org/countries/indonesia 7 http://www.norway.or.id/Norway_in_Indonesia/Environment/-FAQ-Norway-Indonesia-REDD-Partnership/#.VjCQAlLMScw 8 http://www.greenpeace.org/international/Global/international/publications/forests/2013/Indonesia/APP-ForestConservation-Policy.pdf, http://www.greenpeace.org/international/en/news/Blogs/makingwaves/april-ends-itsdeforestation/blog/53103/ 9 http://www.nature.com/nclimate/journal/v4/n8/full/nclimate2277.html 10 http://www.wri.org/blog/2014/06/new-study-shows-indonesia-losing-primary-forest-unprecedented-rates 11 http://www.wri.org/blog/2015/09/brazil-and-indonesia-struggling-reduce-deforestation 12 https://www.youtube.com/watch?v=oZnzZxumGcw 13 http://www.redd-monitor.org/2013/07/04/australia-shuts-down-the-kalimantan-forest-carbon-partnership-a-lot-offunds-spent-and-very-little-progress/ 14 http://www.greenpeace.org/seasia/Press-Centre/Press-Releases/Indonesian-President-Extends-Weak-ForestMoratorium/ 15 http://www.usea.org/sites/default/files/event-/Indonesia%20Country%20Presentation_0.pdf 16 http://www.reuters.com/article/2015/10/07/us-indonesia-forests-insight-idUSKCN0S02SX20151007 17 http://www.todayonline.com/world/asia/haze-death-toll-indonesia-climbing-says-minister 18 http://www.wri.org/blog/2015/10/indonesia’s-fire-outbreaks-producing-more-daily-emissions-entire-us-economy 19 http://www.thejakartapost.com/news/2015/11/02/rain-starts-extinguish-forest-fires.html 20 http://www.palmoilpledge.id/ 21 http://haze.asean.org/how-it-became-a-problem-in-the-region/regional-haze-action-plan/ 22 http://www.asean.org/news/asean-secretariat-news/item/11th-meeting-of-the-conference-of-the-parties-to-the-aseanagreement-on-transboundary-haze-pollution 23 http://www.thejakartapost.com/news/2015/09/19/jakarta-share-names-culprits-behind-haze-fires.html 24 https://www.youtube.com/watch?v=Y6Ngy_bOKwU 1 2 Impressum Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) Bereich Internationale Politik Referat für Querschnittsaufgaben Karl-Marx-Straße 2 D-14482 Potsdam Hintergrund: Indonesien Nr. 74 / November 2015 |8