2012.02.14 Listenhunde - Tierschutzverein Potsdam und

Transcription

2012.02.14 Listenhunde - Tierschutzverein Potsdam und
TIERSCHUTZVEREIN POTSDAM UND UMGEBUNG e.V.
PRESSEMITTEILUNG
Arthur-Scheunert-Allee 2
14588 Nuthetal
Tel.: 0331 / 97 30 33
Fax: 033200 / 52 44 03
www.tierschutzvereinpotsdam.de
E-Mail:
[email protected]
Dienstag, 14. Februar 2012
-
Bankverbindung:
Mittelbrandenburgische
Sparkasse
BLZ: 160 500 00
Konto-Nr: 350 100 30 20
Steuernr.: 046/142/00990
FA Potsdam-Stadt
Wie stehen Sie zu der Einteilung in unwiderlegbar gefährliche Hunde, gefährliche Hunde
(ein Wesenstest kann das Gegenteil beweisen) und ungefährliche Hunde?
Ich denke, dass die Regelung der von Ihnen angesprochenen Hundehalterverordnung die
schlechteste mögliche Lösung war. Sie war ungerecht, unfair und stempelte die Opfer ihrer
Halter zu Tätern und machte sie dadurch erneut zu Opfern.
Seitens der Verhaltensforschung wurde eindeutig festgestellt, und das war von Anfang an der
Hauptkritikpunkt, dass die aufgeführten Rassen American Staffordshire Terrier, Bullterrier,
Dobermann, Rottweiler, Staffordshire Bullterrier und Hunden vom Pitbull-Typus im Vergleich
mit der Kontrollgruppe der Golden Retriever, einem, wenn nicht sogar dem, Familienhund in
Deutschland, kein Unterschied im Auftreten von inadäquat aggressivem Verhalten aufweisen.
Im Rückblick muss man zudem festhalten, dass diese vom Land Brandenburg vorgenommene
Einteilung der Hunde sehr viel Leid verursacht hat. Ich möchte nur ein Beispiel nennen: Bei uns
musste ein völlig unauffälliger Hund (Blacky) auf Grund der falschen Rassezugehörigkeit und
der Versäumnisse seines Herrchens über 6 Jahre im Tierheim leben. Er verstarb dort ohne jemals
wieder ein Chance zu bekommen. Er ist einer von vielen tausend Hunden, die nach in Kraft
treten der Verordnung in die Tierheime kamen und nicht mehr zu vermitteln waren. Ich könnte
Ihnen noch viele Beispiele über Senta, Baxter, Lore und wie sie alle hießen, allein aus unserem
Tierheim erzählen. Auch heute noch füllen diese Hunde die Tierheime des
Landestierschutzverbandes.
Als dritte Kritik muss erwähnt werden, dass die Tierschutzvereine mit den immensen Kosten und
Aufwendungen alleine gelassen wurden. Hier hätte ausreichend Geld zur Verfügung gestellt
werden müssen, das ist den Vereinen verweigert worden.
Jetzt gilt es für den Gesetzgeber dringend nachzusteuern und die Vorschläge seitens des
Tierschutzes hin zu einem Hundeführerschein aufzugreifen.
-
Bestätigt Ihre Erfahrung, dass Hunde die z.B. den Listenrassen Pitbull Terrier oder
American Staffordshire Terrier angehören ein höheres Aggressionspotenzial besitzen bzw.
gefährlicher zubeißen? (ich habe hierzu beispielsweise gehört, dass die Hunde besonders
gefährlich seien, weil sie wenn sie einmal zugebissen haben nicht mehr loslassen bis ihr
Opfer tot ist, stimmt das?)
Nein, wie bereits gesagt ein höheres Aggressionspotenzial ist wissenschaftlich wiederlegt
worden. Meine eigene Erfahrung sagt mir, dass gerade diese Rassen eine höhere Reizschwelle
und eine größere Beißhemmung haben -was ich von unserem kleinen hitzköpfigen Podengo
nicht behaupten kann - und wenn sie vernünftig erzogen und sozialisiert werden noch völlig
gelassen und entspannt sind, während ihre Artgenossen bereits deutliches Drohverhalten an den
Tag legen. In England gehört der Staffordshire Bullterrier übrigens deswegen zu den
beliebtesten Familienhunderassen und hat dort wie der Boxer, der auch bei uns als sehr
kinderlieb gilt, den Beinnamen „Nanny-Dog“. Die Beißkraft eines Pitbulls liegt unter der eines
Schäferhundes, der übrigens in Deutschland die Rangliste der Beißvorfälle anführt. Das
Problem sind nicht die Hunde und schon gar nicht einige wenige Rassen, sondern ihre Halter.
Jeder Hund ab einer gewissen Gewichtsklasse kann schwere Verletzungen verursachen. Jedoch
für das Eintreten dieses Falles ist allein der Mensch verantwortlich. Nur durch eine vernünftige
Prägung hat ein Hund eine gesunde Beißhemmung, durch die er dem Menschen nicht gefährlich
werden kann. Wird der Hund nicht nur falsch geprägt, sondern auch nicht gut sozialisiert, nicht
argerecht gehalten, nicht ausgelastet und misshandelt - wird er gefährlich. Deshalb sollten alle
Hundehalter einen Hundeführerschein machen, um nachweisen zu können, dass sie in der
Lage sind, einen Hund richtig zu prägen, zu sozialisieren, zu halten und auszulasten.
Beim Menschen ist es nicht anders, durch falsche Ideologie, Gewalt, falsche Prägung, gemischt
mit Unzufriedenheit, Frust, Depressionen, Not und Hunger werden Menschen sehr unsozial und
teilweise äußerst gefährlich.
Es kommt auf die richtige Erziehung an.
-
Gibt es für die Hunde, die zu diesen "Rasselisten" gehören und in einem Tierheim leben
überhaupt irgendeine Chance innerhalb Brandenburgs noch vermittelt zu werden?
Nein, so gut wie keine. Wir haben die bittere Erfahrung machen müssen, dass wir sie in
Tierheime anderer Bundesländer bringen mussten, erst vor wenigen Wochen haben wir wieder
einen Listenhund in ein Tierheim eines anderen Bundeslandes gebracht, damit er eine reelle
Chance hat. Er wurde bereits vermittelt. In Brandenburg würde er noch immer im Tierheim
stehen. Fünf seiner Potsdamer Leidensgenossen stehen schon seit längerem beim Potsdamer
Fundtierbetreuer, der wir ja zur Zeit nicht sind.
- Wie viele Hunde stehen aktuell in Potsdam bei Ihrem Verein zur Vermittlung und wie viele
davon sind Listenhunde bzw. Mischlinge von Listenhunden?
Wir vermitteln derzeit 6 Hunde, davon gehört aber keiner der 1. oder der 2. Liste an. Wie gesagt,
wir konnten unsere Listenhunde in Tierheime anderer Bundesländer bringen damit sie eine reelle
Chance haben.
- Welche Rolle spielt es bei diesen Rassen, dass sie ursprünglich für Hundekämpfe gezüchtet
wurden? Merkt man das an ihrem Charakter?
Hier liegt ein weitverbreiteter Irrtum vor, ursprünglich wurden sie für völlig andere Aufgaben
gezüchtet. Die Zucht war aber auch zu der Zeit als mit Ihnen Hundekämpfe veranstaltet
wurden kein Problem für die Charaktere der Hunde.
- Gibt es einen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Halter-Klientel, das den Hunden nun
negativ angelastet wird? (Kriminelle, Nazis und Zuhälter haben sich in der Vergangenheit ja
durchaus über einen starken, bedrohlich wirkenden Hund wie z.B. einen Pitbull Terrier optisch
profiliert)
Jetzt kommen wir zum eigentlichen Problem. Ja eine bestimmte Sorte Halter hat dem
Image der Hunde sehr geschadet und der missbräuchliche Umgang mit diesen Rassen
führte zu der damals vorherrschenden Wahrnehmung. Schon lange vor den
Hundehalterverordnungen hätte dies erkannt werden müssen und entsprechend
gegengesteuert werden müssen, da es in vielen Fällen im Vorfeld von Beißattacken
genügend Hinweise auf die Halter und ihren missbräuchlichen Umgang mit ihren Hunden
gegeben hat.
- Ich würde mich neben der Beantwortung der Fragen außerdem über ein Statement zu
Rasselisten freuen. Dieses können Sie frei formulieren, um Ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen.
Die Hundehalterverordnung muss dringend überarbeitet werden und dem Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst werden. Wenn man hierzu bereit ist, landen die
Rasselisten dahin wo sie hingehören, auf dem Müllhaufen der Geschichte.