Ekaterina Moré - galerie B9

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Ekaterina Moré - galerie B9
Ekaterina Moré
Ekaterina Moré stammt aus einer russischen Künstlerfamilie und wurde 1976 in St.
Petersburg geboren. Im Fernen Osten Russlands, auf der Halbinsel Kamtschatka und in Wladiwostok,
wuchs sie auf. Seit 1995 lebt die Künstlerin mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter im Rheinland.
Von der Natur der subarktischen Zone ihres Heimatlandes träumt Ekaterina Moré aber heute noch. Die
intensiven atmosphärischen Farbtöne dieser entlegenen Region beflügeln ihre Fantasie: Wie auf Teneriffa
seien dort die Böden vulkanisch schwarz und die kurzen Sommer voller Blütenpracht, meint die Malerin.
Moré arbeitet gern mit solchen starken Farbkontrasten.
Ekaterina Morés Hauptthema ist die Rolle der Frau in der modernen Welt. Ihre Bilder verbreiten
Optimismus, Lebensfreude und positive Energie. Ein Vorbild für die typologischen Stilisierungen der
Künstlerin ist die Artdéco-Malerin Tamara de Lempicka; im Gegensatz zu deren Figuren wirken Ekaterina
Morés Protagonistinnen jedoch nicht akzentuiert kühl, sondern sie vermitteln eine emotionale Wärme.
Ekaterina Morés Malerei spricht die Menschen unmittelbar an, gleich aus welchem kulturellem Umfeld sie
kommen, ihre Werke befinden sich bereits in Sammlungen in vielen Ländern der Welt.
Die Heiligenbilder aus unserer Zeit weibliche Wesen als Metapher für die Würde des Menschen
Die Bilder von Ekaterina Moré sind keine Abbildungen oder Portraits im herkömmlichen Sinn. Sie sind vielmehr
Symbolbilder, die aus tiefen Empfindungen heraus entstanden sind. Mit ihren eindrucksvollen Darstellungen bringt die
Künstlerin ihre besondere Hochachtung vor der weiblichen Kraft zum Ausdruck. Nicht zufällig waren die Gottwesen in grauer
Vorzeit weiblich und auch in unserer Zeit verkörpert die Frau viele Eigenschaften in sich, welche die Künstlerin in ihren
Werken auf ideale Weise zur Harmonie bringt. Das anbrechende Jahrhundert wird feminin sein oder es wird nicht sein. Die
isolierte männliche Seite, das kalte Machtstreben und die brutale Gewalt, die mit dem Patriachat oft verbunden waren, sind
an ihre Grenzen gekommen. Ein neues Zeitalter nimmt seinen Anfang. Mit der Figur der Frau - erotisch, sensibel, dabei
kraftvoll und selbstbewusst setzt die Künstlerin positive Akzente in diese Richtung.
Ekaterina Moré wurde 1976 im damaligen Leningrad, das Anfang der 90er Jahre seinen ursprünglichen Namen, Sankt
Petersburg, zurückerhielt, geboren. Heute lebt sie im Rheinland. Ihr künstlerisches Talent wurde durch die Eltern besonders
gefördert, weil die bildende Kunst in der Familie große Hochachtung genoss. Schon der Urgroßvater studierte an der Baron
Stieglitz Akademie für Design, die während der Revolution geschlossen wurde. Ihr Großvater besuchte die Kunstakademie
in St. Petersburg. Der Vater, im Ausgleich zu seiner Offizierskarriere, war als Bildhauer tätig und entwarf zusammen mit der
Mutter, die als selbständige Künstlerin arbeitete, Bühnenbilder für das örtliche Theater.
Solch früher Kontakt zur bildenden Kunst haben bei Ekaterina Moré das Interesse am Malen und Zeichnen auf ganz
besondere Art und Weise geweckt. Bereits in jugendlichem Alter ließ sie professionelle Ansätze erkennen. So entwickelte
sie im Frühwerk eine eindrucksvolle Synthese zwischen traditioneller russischer Malerei und avantgardistischer Kunst.
Obwohl sie nie eine akademische Kunstausbildung genoss, fand sie rasch zu einer sehr individuellen malerischen
Ausdrucksform und setzte sich als Künstlerin im Westen erfolgreich durch.
Mit ihrem starken Interesse an der westlichen Kunst bildete sie unter den russischen Künstlern keine Ausnahme. Der Blick
nach Westen war kennzeichnend für die russische künstlerische Avantgarde früherer Zeiten und dokumentiert sich nicht
zuletzt in den reichen Kunstsammlungen, vor allem in der Heimatstadt von Ekaterina Moré, in Sankt Petersburg. Die
westeuropäische Malerei hatte sie bei zahlreichen Besuchen in der Eremitage kennen gelernt. Postimpressionistische Maler
wie Gauguin, Cézanne und van Gogh waren ihre ersten künstlerischen Vorbilder. Später kam Tamara de Lempicka hinzu,
die berühmte polnische Malerin, die lange Jahre in Paris gelebt hatte und von dort aus in die USA und später nach Mexiko
übersiedelte. Zwischen Tamara de Lempicka und Ekaterina Moré ergeben sich einige Gemeinsamkeiten. Die künstlerische
Entwicklung der beiden Frauen, die immer mehr zu der Darstellung der selbstbewussten und gleichzeitig erotisch feminin
anmutenden Zentralfigur führte, ist hier ebenso anzuführen, wie die Tatsache, dass Tamara de Lempicka bis zur
Oktoberrevolution einige glückliche Jahre in Sankt Petersburg, der Geburtsstadt von Ekaterina Moré, verbracht hat.
Durch den Beruf der Eltern lernte Ekaterina auch die Weite der russischen Landschaft und die Unterschiedlichkeit der
Regionen kennen. Sie wuchs an der russisch-amerikanischen Außengrenze, auf der Halbinsel Kamchatka und am
Japanischen Meer, auf. Die visuellen Erlebnisse dort haben ihren künstlerischen Horizont auf eine ganz besondere Art und
Weise erweitert. Die Halbinsel Kamtschatka wird von Ekaterina Moré in ihren Erinnerungen an diese Zeit sehr eindrucksvoll
beschrieben. Die Welt der dort lebenden Tschuktschen und Korjaken mit ihren farbenfrohen Kostümen, schamanischen
Traditionen und ihren besonderen rituellen Tänzen hinterließ einen bleibenden Eindruck. Diese menschenleere Gegend im
äußersten Nordosten Russlands ist zwar das genaue Gegenteil von der Welt der Salons und des Tête à tête, das Ekaterina
Moré heute malt, aber vielleicht kommt ihre Sensibilität für besondere Licht- und Farbeffekte von den Farberlebnissen in
dieser Gegend, die im Winter im Dunkeln liegt und gerade deshalb in der extrem kurzen Sommerzeit durch die
explodierende Farbkraft so intensiv auf die Sinne wirkt. Wie jenes intensive nordische Licht Ekaterinas Wahrnehmung
schärfte, war die Einsamkeit und Weite der subarktischen Region möglicherweise der Anlass der intensiven Beschäftigung
mit den inneren Bildern. Sie entdeckte in der Kunst die universelle Sprache der Menschheit, die unterschiedliche Kulturen
verbindet und die den Menschen die Möglichkeit gibt, dem inneren Kind zu begegnen.
So entwickelten sich im Fernen Osten Russlands also gute Voraussetzungen, um in Deutschland den eingeschlagenen
Weg auf künstlerischem Gebiet weiter zu gehen. Nach ihrem Umzug nach Deutschland begann sie großformatige Bilder zu
malen, die rasch Interesse bei Kunstsammlern und Galeristen erregten. Erste Ausstellungserfolge hatte die Künstlerin
bereits 2001. Bald danach waren ihre Bilder nicht nur in Düsseldorf und anderen deutschen Städten, sondern auch in
Moskau, Oslo und Paris zu sehen. Produktgestalter erkannten das Potential und die Ausdruckskraft ihrer Figuren und
übertrugen Ekaterinas Motive auf hochwertige Luxusartikel, so die Firma Rosenthal auf ihr wertvolles Porzellangeschirr.
Auch Innenarchitekten wurden auf die ansprechenden und spannungsreichen Motive der Künstlerin aufmerksam und
brachten sie an ganz besonderen Orten zur Wirkung. Wo könnten solche Salonszenen passender sein als in tatsächlichen
Salons wie zum Beispiel in der Bar des Maritim Hotels in Berlin?
Die Schönheit der Frauenfiguren Ekaterina Morés kommt aus deren Innerem. Dadurch wirken sie beseelt und lebendig.
Jene Wesen strahlen Selbstbewusstsein aus und Integrität. Eigenschaften, die angenehm auf den Betrachter wirken. Die
Attribute, welche die Personen tragen, rücken die Art der Darstellung in die Nähe von Heiligenbildern. Wie bei den Ikonen
entsteht hier eine Art Symbolbild, das in diesem Falle nicht in einen religiösen, sondern in einen weltlichen Kontext
eingebettet ist. Dabei kommt es ihr vor allem darauf an, die Vielschichtigkeit der Ebenen in einer Persönlichkeit zu einer
organischen Einheit zusammenzuführen. Diese Einheit besteht aus dem Zusammenspiel sich scheinbar widersprechender
Eindrücke. Dabei geht es nicht nur um kalte Rationalität und warmherzige Emotionen. Ekaterina Moré geht in der
Darstellung der Vielschichtigkeit des menschlichen Dasein weit darüber hinaus und legt tiefschichtige Nuancen offen.
Ekaterinas Frauenfiguren wirken stolz und selbstbewusst, dabei gleichzeitig mitfühlend und mütterlich. Sie erscheinen offen
und unnahbar zugleich, schwesterlich vertraut und doch seltsam fremd. Aus allen diesen Facetten entwickelt die Künstlerin
das Idealbild der Frau, dem wir auf der gleichen Ebene begegnen können wie meisterlichen Ikonen, bei denen es ebenfalls
um Idealbilder geht, die widersprechende Charakterzüge - vermeintlich gute wie angeblich schlechte - in sich vereinen.
Die Malweise solcher Bilder kann nicht klassisch realistisch sein. Die Künstlerin bildet hier eine Kunstwelt, die von der
Realwelt total verschieden ist - ein theatrum mundi in Reinform, an dem sich der Betrachter erfreuen kann. Darin hält sie
ihre Figuren in einer Art Schwebezustand zwischen eleganter äußerer Erscheinung und introvertiertem Wesen. Jene
Spannung zwischen innerer und äußerer Welt gibt den Bildern eine besondere Ausstrahlung. Durch jene unbestimmbare
Vielschichtigkeit werden die Szenen zusätzlich mit Spannung aufgeladen. Vor allem die Doppelportraits gelingen der
Künstlerin besonders gut. Die Protagonistinnen bewegen sich hier auf gleicher Ebene: Eine ähnliche Eleganz und eine
persönliche Ausstrahlung, deren Nuanciertheit hier besonders einfühlsam zum Ausdruck gebracht ist, zeigt die Bandbreite
der Palette, über welche die Künstlerin verfügt, um Schattierungen der Persönlichkeit offen zu legen. Nur eine kleine, fast
unsichtbare intime Berührung unterstreicht die Vertrautheit zwischen den beiden Protagonistinnen. Die Phantasie des
Betrachters wird so durch eine unwiderstehliche Kraft in Gang gesetzt. Wer sehnt sich nicht nach einer solchen
unbegrenzten Vertrautheit und Nähe?
Aufgrund ihrer in sich harmonierenden Vielstimmigkeit strahlen die weiblichen Wesen, denen Ekaterina Moré in ihrem Werk
die Referenz erweist, eine besondere persönliche Stärke aus, die bisweilen verunsichert. Sie scheinen den Mühen der
Alltagswelt enthoben und nur für sich selbst auf der Welt zu sein. Sie sind somit im wörtlichen Sinne autonom und vereinen
in sich Wissen und Würde. Das Kostüm, der Schmuck und sogar das Umfeld der jeweiligen Zentralfigur- die Attribute des
Frauseins - nehmen die Ausstrahlung der Zentralfiguren in sich auf und bildet die farbliche Ergänzung zu den
wohlgeformten weiblichen Körpern, die im Zentrum der künstlerischen Darstellung stehen. ähnlich wie bei der
Renaissancemalerei geht es Ekaterina Moré nicht nur um die Lichtwirkung der Farben, sondern auch um die Stofflichkeit,
die sie mit farblicher Brillanz zur Wirkung bringt. Durch ihr großes handwerkliches Können führt uns die Künstlerin eine
Wesensverwandtschaft mit künstlerischen Vorbildern vor Augen, die aufgrund der Freizügigkeit ihrer Darstellungen zunächst
abseits zu liegen scheint. Handelt es sich bei den Dargestellten um Heiligenbilder unserer Tage, um sehr moderne, weltliche
Nachfolgerinnen der klassischen Ikonenfiguren? ähnlich wie die ebenfalls mit hintergründiger Erotik aufgeladene
Renaissancemalerei lassen auch Ekaterina Morés Werke solche Mutmaßungen durchaus zu.
© Kunsthistoriker Helmut Orpel