ACOG / R. Huch

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ACOG / R. Huch
FORTBILDUNG + KONGRESS
Committee on Obstetrics:
Maternal and Fetal Medicine
ACOG COMMITTEE OPINION NR. 267, JANUAR 2002
Sport während der Schwangerschaft
und Post-partum-Periode
Die physiologischen und morphologischen Veränderungen der
Schwangerschaft können Formen einer körperlichen Aktivität
beeinflussen. Die Gesundheit einer Frau einschließlich ihrer
geburtshilflichen und gynäkologischen Risiken muss in Betracht
gezogen werden, ehe ein Programm körperlicher Aktivität angeordnet wird. Grundsätzlich ist die Teilnahme an Freizeitaktivitäten während der Schwangerschaft ohne Gefahr. Jedoch
sollte jede Sportart hinsichtlich ihres individuellen Risikos und
möglicher Gefahren beurteilt werden. Aktivitäten, die mit der
Gefahr eines Sturzes oder eines abdominalen Traumas verbunden sind, sollten in der Schwangerschaft vermieden werden.
Auf Tiefseetauchen muss während der gesamten Schwangerschaft verzichtet werden, weil der Fet einem erhöhten Dekompressions-Risiko ausgesetzt ist. Sofern keine medizinischen
oder geburtshilflichen Komplikationen vorliegen, sind 30 Minuten oder länger einer mäßigen körperlichen Aktivität täglich
und wöchentlich empfehlenswert.
Die Centers for Disease Control
and Prevention sowie das American
College of Sports Medicine empfehlen gegenwärtig für nicht schwangere Frauen zur Förderung der Gesundheit 30 Minuten körperliche Aktivität pro Tag und Woche (1). Liegen keine geburtshilflichen Risiken
vor, können diese Empfehlungen für
die Schwangerschaft übernommen
werden.
In Anbetracht der – allerdings seltenen – Risiken ist vor Empfehlung eines entsprechenden Bewegungsprogramms eine Beurteilung jeder einzelnen Schwangeren erforderlich.
Wenn Kontraindikationen fehlen,
kann man den Frauen raten, regelmäßig mäßig intensiv Sport zu betreiben, um dieselben Gesundheits-
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vorteile wie vor der Schwangerschaft
zu haben.
Epidemiologische Daten weisen darauf hin, dass körperliche Aktivität
bei der primären Prävention des Gestationsdiabetes nützlich ist, besonders bei krankhaft adipösen Frauen (BMI > 33) (2). Die American Diabetes Association hat körperliche
Aktivität als eine zusätzliche Therapie beim Gestationsdiabetes empfohlen, wenn durch alleinige Diät
keine Euglykämie erreicht werden
kann (3, 4).
Die kardiovaskulären Veränderungen
in der Schwangerschaft müssen sowohl in Ruhephasen als auch bei körperlicher Aktivität berücksichtigt
werden. Nach dem ersten Trimester
führt das Liegen auf dem Rücken zu
einer Verminderung des venösen
Rückstromes und einer orthostatischen Hypotension. Deshalb sollten
schwangere Frauen während der aktiven Übung eine supine Lagerung
(auf dem Rücken) so weit als möglich vermeiden. Ebenso sollte auf längeres bewegungsloses Stehen verzichtet werden, weil dadurch ebenfalls der kardiale Rückfluss vermindert wird (5).
Epidemiologische Daten deuten auf
einen Zusammenhang zwischen ausgeprägter körperlicher Betätigung
einerseits und mangelnder Ernährung und Entwicklung einer Wachstumsretardierung des Feten andererseits hin. Das betrifft vor allem
schwangere Frauen, die körperlich
arbeiten. Es liegen Arbeiten darüber
vor, dass schwangere Frauen, die im
Beruf lange stehen oder periodisch
heben müssen, früher entbinden
und kleinere Neugeborene zur Welt
bringen (6). In anderen Berichten
konnten diese Zusammenhänge
nicht bestätigt werden. Das weist
darauf hin, dass mehrere Faktoren
oder Bedingungen zusammenkommen müssen, damit schwere Arbeit
das fetale Wachstum beeinträchtigen kann (7, 8).
Im Allgemeinen gilt ein weiter Bereich von sportlichen Aktivitäten als
unproblematisch. Die Sicherheit
hängt von den typischen Bewegungsabläufen bei der jeweiligen
Sportart ab. Teilnahme an Sportarten
mit hoher Kontaktintensität wie Eishockey, Fußball und Basketball kann
ein Trauma von Mutter und Kind zur
Folge haben. Gleichermaßen sind
Aktivitäten in bis zu 2.000 Meter
Höhe scheinen erlaubt zu sein, jedoch können Aktivitäten in größerer
Höhe Risiken zur Folge haben (1).
Frauen, die sich körperlichen Anstrengungen in größeren Höhen aussetzen, sollten über die Symptome
der Höhenerkrankung aufgeklärt werden. Bei ihrem Auftreten müssen alle
Aktivitäten beendet werden, geringere Höhen und medizinischer Beistand gesucht werden.
Hinweise über die Auswirkungen von
sportlicher Aktivität bei höheren
Temperaturen in der Schwangerschaft
sind selten (12–14). Bisher liegen
keine Berichte vor, nach der eine
Hyperthermie im Zusammenhang mit
sportlicher Aktivität teratogene
Schäden verursacht hätte.
Wettkampfsport sollte in der Schwangerschaft genauso eingeschränkt
werden wie normaler Sport. Sportlerinnen neigen während der Schwangerschaft zu stärkerem Training und
beginnen im Wochenbett früher mit
einem hochintensiven Training. Besorgnisse von Wettkampfsportlerinnen fallen in zwei Kategorien:
1) die Wirkung der Schwangerschaft
auf den Sport und
2) die Wirkung von ausgeprägtem
Training und sportlichen Auseinandersetzungen auf die Schwangerschaft und den Feten.
Derartige Athletinnen bedürfen besonderer geburtshilflicher Überwachung.
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Kontraindikationen gegen Sport
während der Schwangerschaft
Absolute Kontraindikationen
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hämodynamisch beeinträchtigende Herzerkrankung
restriktive Lungenerkrankung
inkompetenter Muttermundsverschluss/Cerclage
multiple Schwangerschaft mit Risiko zu vorzeitiger Wehentätigkeit
langandauernde Blutung im zweiten und dritten Trimester
Placenta praevia nach der 26. Schwangerschaftswoche
vorzeitige Wehentätigkeit in der gegenwärtigen Schwangerschaft
vorzeitiger Blasensprung
Präeklampsie-induzierte Hypertension
Relative Kontraindikationen
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ausgeprägte Anämie
ungeklärte mütterliche Arrhythmie
chronische Bronchitis
schlecht eingestellter Typ-1-Diabetes
extreme, krankhafte Adipositas
extremes Untergewicht (BMI < 12)
bekannte langdauernde Sitzweise
intrauterine Wachstumsretardierung in der gegenwärtigen
Schwangerschaft
schlecht eingestellte Hypotension
orthopädische Limitationen
schlecht eingestellte Anfallserkrankung
ausgeprägte Hyperthyreose
starkes Rauchen
Warnsymptome, bei denen die sportliche Aktivität
beendet werden muss
FORTBILDUNG + KONGRESS
Sportarten mit Sturzgefahr wie z.B
bei der Wettkampfgymnastik, beim
Reiten und Abfahrtslauf mit einem
Risiko für schwangere und nichtschwangere Frauen belastet. Derartige Aktivitäten sollten in der Schwangerschaft nicht ausgeübt werden (9).
Auf Tiefseetauchen muss während der
gesamten Schwangerschaft verzichtet werden. Dekompressions-Erkrankungen sind beim Feten häufiger,
weil seine pulmonale Zirkulation eine
Filtrierung von Luftblasen nicht zulässt (10).
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vaginale Blutung
Kurzatmigkeit vor der Übung
Schwindelgefühl
Kopfschmerzen
Brustschmerzen
Muskelschwäche
Schmerzen oder Schwellung im Unterschenkel
(eine Thrombophlebitis ausschließen!)
■ vorzeitige Wehentätigkeit
■ Abnahme der Kindsbewegungen
■ Abgang von Fruchtwasser
Eine Reihe der für die Schwangerschaft typischen physiologischen
und morphologischen Veränderungen
dauern noch vier bis sechs Wochen
im Wochenbett an. Infolgedessen
sollte das körperliche Training langsam wieder gesteigert werden, um
gesundheitlich keinen Schaden zu
nehmen.
Wie schnell der Wiedereinstieg in die
sportliche Aktivität erfolgt, variiert
von einer Person zur anderen, wobei
manche Frauen bereits am Tag der
Geburt wieder mit ihren Übungen beginnen. Es gibt keine Arbeiten, die
darauf hindeuten, dass eine schnelle Wiederaufnahme von sportlichen
Aktivitäten unerwünschte Wirkungen
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verursacht. Nach geringem Training
sollte die Intensität jedoch generell
langsam wieder gesteigert werden.
Mit der Wiederaufnahme des Trainings sind keine mütterlichen Beeinträchtigungen verbunden (15). Eine
mäßige Gewichtsverminderung während der Stillperiode ist unbedenklich und nicht mit einer Verminderung der kindlichen Gewichtszunahme verbunden (16). Schließlich sei
darauf hingewiesen, dass eine Rückkehr zu sportlichen Aktivitäten nach
der Schwangerschaft mit einer verminderten Häufigkeit einer postpartalen Depression verbunden ist –
allerdings nur, wenn der Sport Stress
abbaut und nicht erzeugt (17).
Die absoluten und relativen Kontraindikationen gegen Sport während
der Schwangerschaft sind in der Tabelle auf S. 555 aufgeführt, ebenso
die Warnsymptome, bei denen die
sportliche Aktivität sofort beendet
werden muss.
Aus dem bisher Gesagten lässt sich
eine Reihe von Folgerungen und
Empfehlungen ableiten:
■ Freizeit- und Leistungssportlerinnen können während einer unkomplizierten Schwangerschaft aktiv
bleiben und sollten ihre gewohnten
Übungen fortführen, wenn sie medizinisch unbedenklich sind. Die Da-
tenlage zum Hochleistungssport in
der Schwangerschaft ist dünn; jedoch sollten Frauen, die einen derartigen Sport betreiben, besonders medizinisch überwacht werden.
■ Früher inaktive Frauen und solche
mit medizinischen oder geburtshilflichen Komplikationen in der Anamnese sollten sich einer Untersuchung
unterziehen, ehe Vorschläge für aktive Übungen in der Schwangerschaft
gemacht werden. Sport während der
Schwangerschaft kann zusätzliche
Vorteile für Frauen mit Gestationsdiabetes bringen.
■ Einer sportlich aktiven Frau mit
einer Anamnese von vorzeitiger
Wehentätigkeit oder Wachstumsretardierung sollte empfohlen werden,
ihre Aktivitäten im zweiten und dritten Trimester einzuschränken.
Übersetzung: F.K. Beller
Literatur
1. American College of Sports Medicine:
ACSM’s guidelines for exercise testing
and prescription. 6th ed. Lippincott,
Williams and Wilkins, Philadelphia 2000.
2. Dye TD, Knox KL, Artal R et al.:
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in pregnancy. Am J Epidemiol 146 (1997)
961–965.
3. Jovanovic-Peterson L, Peterson CM:
Exercise and the nutritional management
of diabetes during pregnancy. Obstet
Gynecol Clin North Am 23 (1996) 75–86.
4. Bung P, Artal R: Gestational diabetes
and exercise: a survey. Semin Perinatol 20
(1996) 328–333.
5. Clark SL, Cotton DB, Pivarnik JM et al:
Position change and central hemodynamic
profile during normal third-trimester
pregnancy and post partum. Am J Obstet
Gynecol 164 (1991) 883–887 [erratum in
Am J Obstet Gynecol 165 (1991) 241].
6. Launer LJ, Villar J, Kestler E et al.: The
effect of maternal work on fetal growth and
duration of pregnancy: a prospective study.
Br J Obstet Gynaecol 97 (1990) 62–70.
7. Saurel-Cubizolles MJ, Kaminski M:
Pregnant women’s working conditions
and their changes during pregnancy: a
national study in France. Br J Ind Med 44
(1987) 236–243.
8. Ahlborg G Jr, Bodin L, Hogstedt C:
Heavy lifting during pregnancy – a hazard
to the fetus? A prospective study. Int J
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9. Artal R, Sherman C: Exercise during
pregnancy: safe and beneficial for most.
Phys Sports Med 27 (1999) 51–52, 54
(1999) 57–58.
10. Camporesi EM: Diving and pregnancy.
Semin Perinatol 20 (1996) 292–302.
11. Artal R, Fortunato V, Welton A et al.:
A comparison of cardiopulmonary
adaptations to exercise in pregnancy at
sea level and altitude. Am J Obstet
Gynecol 172 (1995) 1170–1180.
12. Clapp JF 3rd, Capeless EL: Neonatal
morphometrics after endurance exercise
during pregnancy. Am J Obstet Gynecol
163 (1990) 1805–1811.
13. Artal R, Wiswell RA, Drinkwater BL (eds):
Exercise in Pregnancy. 2nd ed. Williams
and Wilkins, Baltimore 1991.
14. Soultanakis HN, Artal R, Wiswell RA:
Prolonged exercise in pregnancy: glucose
homeostasis, ventilatory and cardiovascular
responses. Semin Perinatol 20 (1996) 315–
327.
15. Hale RW, Milne L: The elite athlete and
exercise in pregnancy. Semin Perinatol 20
(1996) 277–284.
16. McCrory MA, Nommsen-Rivers LA, Mole PA
et al.: Randomized trial of the short-term
effects of dieting compared with dieting
plus aerobic exercise on lactation performance. Am J Clin Nutr 69 (1999) 959–967.
17. Koltyn KF, Schultes SS: Psychological
effects of an aerobic exercise session and a
rest session following pregnancy. J Sports
Med Phys Fitness 37 (1997) 287–291.
Kommentar
Es ist gut, dass für die Beratung zum
Sport in der Schwangerschaft quasi
neue Standards vorliegen, wie
sie die reputablen Empfehlungen
der Amerikanischen Fachgesellschaft
für Geburtshilfe und Gynäkologie
(ACOG) auch zu vielen anderen Aspekten im geburtshilflich-gynäkologischen Bereich darstellen. Fragen
seitens einer modernen Frauengeneration zur Sportausübung in der
Schwangerschaft sind häufig, Informationsmöglichkeiten für die be-
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ratende Ärzteschaft in komprimierter Form sehr begrenzt. Mit Ausnahme der umfassenden Monographie
„Exercise in Pregnancy“ von Artal,
Wiswell und Drinkwater (2nd Edition, Williams & Wilkins, Baltimore,
1991) wird dieser Thematik in Lehrbüchern wenig Raum gegeben oder
aber es werden „alte Hüte“ mitgeschleppt.
Immer noch ist in der Ärzteschaft
eine den Sport in der Schwanger-
schaft nicht fördernde, vorsichtig
zurückhaltende Einstellung anzutreffen. Überhaupt waren Gynäkologen generell – auch außerhalb der
Schwangerschaft – für die Entwicklung des Frauensportes lange Zeit
sehr hinderlich und sicher mitverantwortlich, dass Frauen erst im
letzten Drittel des zurückliegenden
Jahrhunderts zum Leistungs- und
Wettkampfsport Zugang erhielten.
Für unsere Altvorderen wurde durch
Sport der Mutterberuf in Frage ge-
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stellt. Schon damals kritisierten Ärztinnen diese Ansicht mit dem
wiederholungswürdigen Ausspruch:
„Meine Herren Kollegen, wir turnen
nicht nur mit der Gebärmutter!“
Erfreulicherweise wird heute den
Ärzten empfohlen, zum Sport auch
in der Schwangerschaft aufzufordern
und zu ermutigen (ACOG 2002: „…
pregnant women should be encouraged to engage in regular, moderate
intensity physical activity …“),
wenn Kontraindikationen (die in den
ACOG-Empfehlungen sehr hilfreich
für die Beratung in absolute und
relative unterteilt werden) sorgfältig ausgeschlossen wurden. Das reflektiert nicht nur die vermehrte Bereitschaft, auf die Wünsche der
Schwangeren einzugehen und der
Selbstbestimmung möglichst breiten Raum zu geben, sondern auch
die wichtige Erkenntnis, wie nachteilig sich der Rat zum Sportverzicht
auf Schwangerschaftsverlauf und
kindliche Entwicklung auswirken
kann.
Obwohl die positiven subjektiven
Auswirkungen der Sportausübung in
der Schwangerschaft auf das psychische und physische Wohlbefinden,
besseren Schlaf oder höheres
Selbstwertgefühl schwer beweisbar
sind, kristallisieren sich doch objektive, fass- und messbare Vorteile wie
größere aerobe Fitness, größere kardiopulmonale Reserven, verbesserter
Muskeltonus, Vermeidung exzessiver
Gewichtszunahme, Förderung guter
Körperhaltung und Besserung von
Rückenschmerzen heraus. Und seit
den eindrücklichen Arbeiten von
Bung und Artal (1) sowie Jovanovic
und Peterson (2) ist wissenschaftlich belegt, dass regelmäßige, mäßig
intensive Sportausübung präventiven und therapeutischen Charakter
für den Gestationsdiabetes hat. Etwa
jede 20. Frau entwickelt heute in unserer Wohlstandsgesellschaft – oft
unentdeckt – einen Gestationsdiabetes, den Experten als einen durch
die Belastung Schwangerschaft vorweggenommenen Altersdiabetes ver-
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stehen. Sport in der Schwangerschaft hat somit auch für das gesamte Frauenleben präventive Aspekte.
Mit den wichtigen Aspekten, welche
Sportarten in der Schwangerschaft
nicht ausgeübt werden sollten und
welche Belastungsintensitäten für
die kindliche Entwicklung ein Risiko
darstellen, setzen sich die neuen
ACOG-Empfehlungen ebenfalls auseinander. Während bei der Beratung
bezüglich einer bestimmten Sportart
der gesunde Menschenverstand mithelfen kann und es einleuchtet, von
Sportarten mit großem Sturz- und
Verletzungsrisiko abzuraten, sind die
Grenzen in der Schwangerschaft in
Bezug auf die tolerable Intensität
nur aus entsprechenden Studien abzuleiten.
Frauen, die während der gesamten
Schwangerschaft intensiven Ausdauersport betreiben, haben eindeutig
untergewichtige Neugeborene (3). Es
wird allerdings kontrovers diskutiert,
wie das auch die neuen ACOG-Empfehlungen zeigen, ob das ausschließlich der Sportaktivität und
nicht auch anderen Lebensstilfaktoren zuzuschreiben ist. Die Furcht ist
allerdings berechtigt, dass bei sehr
intensiver körperlicher Aktivität zu
Lasten der utero-plazentaren Durchblutung eine Blutumverteilung in die
arbeitenden Muskeln und in die Haut
zur Thermoregulation erfolgt und
dass diese chronische utero-plazentare Minderperfusion Ursache für
eine Wachstumsretardierung sein
kann.
Vorsichtig und für den Beratenden
auch nicht sehr präzise empfiehlt
deshalb das ACOG Committee gemäßigte Aktivität (moderate exercise)
während der Schwangerschaft. Der
Rat der vorangehenden ACOG-Empfehlungen (1994) war da für die Praxis leichter umsetzbar: Dort wurde
empfohlen, die mütterliche Herzfrequenz nicht über 140 Schläge/min
bei Belastung ansteigen zu lassen.
Wir wissen allerdings aus eigenen
Studien, dass für die Belastungsgrenze individuell große Unterschiede bestehen und dass für die eine
oder andere Frau solche Grenzen zu
niedrig liegen könnten, um die aerobe Fitness in der Schwangerschaft zu
erhalten.
Gott sei Dank stellt die zunehmende
Schwerfälligkeit der schwangeren
Frau mit zunehmenden Schwangerschaftswochen auch einen gewissen
natürlichen Schutz des Feten vor exzessiver mütterlicher sportlicher Betätigung dar. Dieser natürliche
Schutz vor Überbelastung fehlt allerdings in der Frühschwangerschaft,
wenn manche Sportlerinnen sich
durch die schwangerschaftstypischen Veränderungen ihres Körpers
besonders leistungsfähig und fit für
sportliche Höchstleistungen fühlen.
Hier ist gute Beratung besonders
wichtig.
Die Empfehlung des ACOG Committee, dass Sport in einer Höhe bis
2.000 m (im Original: 6.000 feet,
d.h. 1.828 m) sicher ist, ist ohne Frage richtig. Diese Empfehlung mit einer relativ niedrigen Höhe könnte
aber auch verunsichern, da z.B. der
Kabinendruck in Langstreckenflügen
auf voller Flughöhe „Höhen“ bis
2.500 m entspricht, die als gut tolerabel für Mutter und Fet betrachtet
werden (4). Auch einen Aufenthalt
beispielsweise in St. Moritz im Engadin müssten Schwangere nach dieser
Empfehlung sogar ohne Sportaktivität vermeiden. In diesem Punkt
wird die Meinung des ACOG Committee als zu restriktiv betrachtet.
Vielleicht könnte die Beratung hier,
um Schwangere nicht zu sehr einzuschränken, auf der Basis der vorhandenen Evidenz etwas flexibler gehandhabt und neben der Höhe auch
vom Zeitpunkt der akuten Höhenexposition abhängig gemacht werden.
Denkbar wären folgende Empfehlungen (5):
■ In den ersten 4–5 Tagen des Aufenthalts in größerer Höhe sollten
■ Wenn sofort nach Höhenexposition Sport getrieben werden soll,
sollte dies besser in geringeren Höhen geschehen.
■ Je intensiver die Sportbetätigung,
desto niedriger sollte die Höhe gewählt werden.
■ Die rein passive Höhenexposition,
d.h. der Aufstieg mit Flugzeug,
Bahn, Auto und der Aufenthalt ohne
körperliche Aktivität, sollte in der
Schwangerschaft vorsichtshalber
3.000 m nicht überschreiten.
Vermisst wird in den ACOG Empfehlungen die zu Sport im Wasser, insbesondere die Kombination von aufrechter Immersion und körperlicher
Aktivität, wie es z.B. beim so genannten Aqua-Jogging möglich ist.
Wir halten aufgrund eigener Erfahrungen diesen Sport im Wasser für
eine nahezu ideale Betätigung (6).
Aufgrund der guten Wärmeableitung
durch das Wasser ist eine relativ intensive Betätigung möglich, die
Sturzgefahr ist minimal, der große
Wasserwiderstand mildert abrupte
Bewegungen, der Auftrieb macht den
Sport nahezu gewichtsunabhängig –
und schwangeren Frauen macht dieser Sport Spaß! Auch Sportlerinnen,
die oft nur ungern in der Schwangerschaft ihre Trainingsintensität reduzieren, finden durch Sport im Wasser eine gute Möglichkeit für die
Fortführung eines Konditionstrainings.
Literatur
1. Bung P, Artal R: Gestational diabetes and
exercise: a survey. Semin Perinatol 20
(1996) 328–333.
2. Jovanovic-Peterson L, Peterson CM:
Exercise and the nutritional management
of diabetes during pregnancy. Obstet
Gynecol Clin North Am 23 (1996) 75–86.
3. Clapp JF: The course of labor after
endurance exercise during pregnancy. Am
J Obstet Gynecol 163 (1990) 1799–1805.
4. Huch R, Baumann H, Fallenstein F et al.:
Physiologic changes in pregnant women
and their fetuses during jet air travel. Am
J Obstet Gynecol 154 (1986) 996–1000.
5. Huch R: Physical activity at Altitude in
Pregnancy. Semin Perinatol 20 (1996)
303–314.
6. Hartmann S, Kölble N, Rake A et al.:
„Aqua-Fit“ in der Schwangerschaft:
Maternale und fetale hämodynamische
Reaktionen bei einem Trainingsprogramm
im Wasser. Geburtsh Frauenheilk 12
(2001) 977–982.
Prof. Dr. Renate Huch,
Zürich
FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 5
FORTBILDUNG + KONGRESS
Höhen über 2.500 m vermieden werden.
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