4 - Universität Zürich
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Strategische Lohnsysteme 1 Konkrete Fragen eines globalen Unternehmens 11 Was heisst „strategische Belohnung“? 12 Monetäre Incentivierung? 2 Stand der betriebswirtschaftlichen Praxis 21 deskriptiv: Kaderlöhne und Entwicklung Managervergütungen CH 22 explikativ: Erklärungsvarianten 23 normativ: Debatte a) Probleme b) Regulierungen c) Praktische Beurteilung 3 Aktuelle Forschungsergebnisse aus der Wissenschaft 31 Neuropsychologische Befunde 32 Verhaltensökonomische Experimente 4 Weiterführende Fragen © Lehrstuhl Human Resource Management 1 Ziele • Stand in der betriebswirtschaftlichen Praxis überblicken • Ausgewählte relevante (neuro-) psychologische und (verhaltens-) ökonomische Befunde kennen • (Miss-) Erfolgsfaktoren von strategischen Lohnsystemen kritisch reflektieren © Lehrstuhl Human Resource Management 2 11 Was heisst „strategische Belohnung“? Strategisch • nachhaltig – mit langfristigen Auswirkungen • übergeordneten Eckzielen des Unternehmens verpflichtet • vertikal und horizontal integriert • corporate oversight ( board) Belohnung • intrinsisch (Ansehen, Einflussmöglichkeiten) • extrinsisch - Basissalär - variable Entlohnung - Benefits © Lehrstuhl Human Resource Management 3 AXA share Performance AXA Group Performance Entity Performance Monetäre Incentivierung: Beispiel Individual Performance Individual Competencies 12 Stock options Performance Units/Shares Short Term Incentive Comp. Fixed Salary Present © Lehrstuhl Human Resource Management Short term 1 year Medium term 2 -4 years Long term 4-10 years Future 4 12 Monetäre Incentivierung: Fragen Übergeordnete Ziele? • Identifikation mit und Ausrichtung nach Unternehmenszielen? • Bindung Mitarbeiter (welche)? • Gewinnung? Erfolgsabhängig? • Definition von Erfolg (Kennzahlen? Zeithorizont?) • Risiko- und Kostenadjustierung? Marktkonformität? • welcher Markt? • Marktpolitik des Unternehmens? Implementierung? • Kommunikation, Transparenz, „Firewalls“? • Rechte und Regulierungen? • Messung und Beurteilung Leistungen und Erfolg? © Lehrstuhl Human Resource Management 5 21 Kaderlöhne Schweiz © Lehrstuhl Human Resource Management 6 21 Entwicklung Managervergütungen CH Zunahme der Hochlöhne AHV-Statistik Quelle: NZZ, 27.04.2011, Nr. 97, S. 11 > 1 Million CHF > 500‘000 CHF 1997 500 3‘000 2008 2‘800 12‘000 Hohe variable Anteile PwC-Studie 2013: für CEO (SMI) 24% base salary, cash bonus 21%, LTI 45%, other 10% Öffnung der Lohnschere Quelle: NZZ, 21.11.2009, Nr. 271, S. 29 BFS: Zunahme Nominallohn 1996-2008 Hochlohn in % Tieflohn in % Lohn der von 5% über-/unterschritten wird 32 19 Lohn der von 10% über-/unterschritten wird 27 18 Lohn der von 20% über-/unterschritten wird 23 16 Lohn der von 30% über-/unterschritten wird 19 16 Gesellschaftliches Skandalisierungspotenzial Innerbetriebliches Frustrationspotenzial © Lehrstuhl Human Resource Management 7 22 Erklärungsvarianten Benz, M., Stutzer, A. (2003). Was erklärt die gestiegenen Managerlöhne? Die Unternehmung, (57)1, 5-19. Markt für Manager Angebot verknappt sich quantitativ („war for talents“) und qualitativ (Anforderungen werden komplexer) bei lokaler Unterversorgung drückt globales Niveau durch Macht der Manager Ausnutzung des eigenen Informationsvorteils vis-à-vis Verwaltungsrat Ausnutzung des Handlungsvorteils vis-à-vis zersplittertem Aktionariat Institutionelle Bedingungen Reziprozitäten in Netzwerken von VR-Verflechtungen über Benchmarking („Towers Perrin“) Ausrichtung an Referenzgruppe > Median Andere Faktoren, z.B. Entlohnungsinstrument (z.B. Optionen) Branche (z.B. Banking) strategische Ereignisse (z.B. M&A) © Lehrstuhl Human Resource Management 8 22 Beispiel Beratung: Benchmark CEO Salär Linie I CEO B MID Q1 Q3 Markttrend Industrie Chief Executive Officer Base Salary in KCHF Mittlere Tendenz oberes Quartil unteres Quartil Cepec AG (2011).Salärbenchmarking des TopManagement, Lausanne. Beschäftigtenzahl © Lehrstuhl Human Resource Management 9 22 Beispiel Beratung: Benchmark HR-Spez. Quelle: klingler consultants ag, März 2013. © Lehrstuhl Human Resource Management 10 23 Debatte: Probleme Interne Fairness Integration aller VR-, GL- und Personalpositionen ins gleiche bzw. vergleichbare Funktionsbewertungskonzept Externe Fairness Vergleich der Positionen mit relevanten Konkurrenzen auf dem Salärmarkt Ausrichtung am Unternehmenserfolg 1. Begrenzung der variablen Honorierung (z.B. für CEOs auf 50%). 2. Balance zwischen kurz- und langfristigem Zeithorizont des variablen Teils (z.B. für CEO: 50% auf drei Jahre, 50% auf ein Jahr). 3. Für variable Honorierung sowohl strategiegerechte finanzielle als auch nicht-finanzielle Kennzahlen (z.B. je 50%). 4. Auszahlung nur wenn Unternehmenserfolg gleich oder höher als derjenige der relevanten Wettbewerber. © Lehrstuhl Human Resource Management 11 23 Debatte: Regulierungen – Ziele Göx, R. (2013). Was bringt die Regulierung von Managerlöhnen? Antrittsvorlesung Universität Zürich, 16.12.2013 1. Verbesserung des Entlohnungsprozesses Erhöhung Transparenz Prozedurale Veränderungen, Checks and Balances 2. Vermeidung sub-optimaler Entlohnungspraktiken Klarer Zusammenhang zwischen Ergebnis und Entlohnung Vermeidung «exzessiver» Vergütungen Verringerung der Risikobereitschaft (besonders in Banken) 3. Allgemeinere Ziele Vermeidung der Haftung des Steuerzahlers für Firmenverluste Verteilungs- und gesellschaftspolitische Anliegen © Lehrstuhl Human Resource Management 12 23 Debatte: Regulierungen – Massnahmen Göx, R. (2013). Was bringt die Regulierung von Managerlöhnen? Antrittsvorlesung Universität Zürich, 16.12.2013 1. Massnahmen zur Verbesserung des Entlohnungsprozesses Offenlegung Gesamtbezüge für börsenkotierte Firmen Erhöhte Dokumentations- und Berichtspflichten Say on Pay Abzocker-Initiative (Minder) am 03.03.13 angenommen 2. Eingriffe in die Lohnstruktur Bonussteuer Steuerliche Diskriminierung bestimmter Entlohnungsformen Unmittelbare Eingriffe in die Vergütungsstruktur Bonuslimite 3. Regulierung der Lohnhöhe Mindestlohn-Initiative am 18.06.14 abgelehnt Progression Absolute Lohnhöhe und steuerliche Diskriminierung hoher Löhne Relative Lohnlimite 1:12-Initiative am 24.11.13 abgelehnt © Lehrstuhl Human Resource Management 13 23 Debatte: Regulierungen – Ergebnis (1/3) Supranational Financial Stability Board (FSB) der G-20-Staaten: Principles of Sound Compensation Practices Europäische Kommission: Empfehlungen zur Vergütung von börsenkotierten Gesellschaften und spezielle Empfehlungen für die Finanzbranche National OR 663b/bis: bestimmte Offenlegungsvorschriften für Vergütung von VR und Geschäftsleitung Art. 95 Abs. 3 BV: Minder-Initiative Richtlinie SIX Swiss Exchange: weitere Offenlegungsvorschriften Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance der Economiesuisse Finanzmarktaufsicht (FINMA): 10 Grundsätze, verbindlich für die grössten Finanzinstitute © Lehrstuhl Human Resource Management 14 23 Debatte: Regulierungen – Ergebnis (2/3) Grundsätze angemessener Vergütung 1. VR ist verantwortlich und er erlässt Vergütungssystem 2. Verständlich, nachvollziehbar sowie langfristig ausgerichtet 3. Unabhängige Spezialisten einbeziehen 4. Übereinstimmung mit der Risikopolitik und Förderung Risikobewusstsein 5. Langfristiger wirtschaftlicher Erfolg 6. Zuteilung erfolgt anhand nachhaltiger Kriterien 7. Ausrichtung aufgeschobene Vergütung auf künftige Risiken 8. Vergütungen der Kontrollfunktionen begründen keine Interessenkonflikte 9. Jährlicher Vergütungsbericht des VR 10. Abweichung nur in begründeten Ausnahmefällen möglich und muss offengelegt werden © Lehrstuhl Human Resource Management 15 23 Debatte: Regulierungen – Ergebnis (3/3) Göx, R. (2011). Die Höhe der Managerlöhne in grossen Schweizer Publikumsgesellschaften: Problemfall oder drohende Überregulierung? Die Unternehmung 65(1). 51-80 © Lehrstuhl Human Resource Management 16 23 Debatte: Praktische Beurteilung Fakt Erkenntnis Konsequenz Kernfragen: Höhe, Struktur, Grundlage und Bestimmung der variablen Vergütung Es geht um Geld Belohnung = Bezahlung (wie bei Söldnern) In der Regel werden Berater zugezogen Angelegenheit ist komplex oder mikropolitisch gesteuert Geringer Durchblick. I von VIE tief. Welche Motivation? Hohe variable Löhne brechen in Schwächephasen ein In Schwächephase ist Kader besonders gefordert Hohe variable Löhne sind nicht leistungsgerecht Viele Lohnberechnungen basieren auf Börsenkurs Börsenkurse sind volatil, durch viele Marktkräfte bestimmt und kurzfristig manipulierbar Börsenkursbasierte Anreize sind ungeeignet Unternehmen sind Plattformen der Verbundproduktion Managementperformance ist Ergebnis einer Teamleistung Grosse individuelle Abstufung im Managementteam ist unfair Durchschnittslohn der Rektoren der US-Universitäten ist 5% des Lohnes eines CEO; Spitzenführungskräfte sind nicht nur monetär motiviert Was motiviert wie? Antworten der Psychologie? Antworten der Ökonomie? Jahressalär des US ****Cdr in Afghanistan ist die Hälfte des Lohnes eines Angestellten im 1. Jahr Investment Banking © Lehrstuhl Human Resource Management 17 31 Psychologische Befunde (1/3) Sind Menschen geldsüchtig? Belohnungssystem und Suchtsystem liegen nahe beieinander Olds, J., Milner, P. (1954). Positive reinforcement produced by electrical stimulation of septal area and other regions of rat brain. J.Comp. Physiolo. Psycholoy, 47, 419–427. Geld ist ein erlernter Verstärker • Es gibt primäre (Essen, Liebe …) Verstärker. • Geld stimuliert die gleichen Regionen wie primäre Verstärker. • Ursprünglich neutraler Stimulus erhält positiven Wert. • Belohnungserwartung führt zu Dopaminausschüttung. • Geld wird sekundärer Verstärker. © Lehrstuhl Human Resource Management 18 31 Psychologische Befunde (2/3) Was bewirkt Geld? Die Belohnungswährung Geld • wird bei Verteilungen als unfairer empfunden als z.B. freie Zeit; De Voe, S.E. & Iyengar, S.S. (2010). Medium of exchange matters: what’s fair for goods is unfair for money. Psychological Science, 21(2), 159-162. • evoziert geringere aktive und passive Hilfsbereitschaft; Vohs, K.D., Mead, N.L. & Goode, M.R. (2006). The psychological consequences of money. Science , 314, 1154-1156. • führt zu egozentrischer Interpretation von Fairness. Thompson, L. & Loewenstein ,G. (1992). Egocentric interpretations of fairness and interpersonal conflict. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 51, 176-197. © Lehrstuhl Human Resource Management 19 31 Psychologische Befunde (3/3) Was bewirken bedingte Belohnungen? Leistungslöhne • Adressaten interpretieren sie anders als vom Sender gedacht (Quelle: Gneezy, Uri & Rustichini (2000). A fine is a price, Journal of Legal Studies, 29, 1-18.) • Aus unbedingter Hilfsbereitschaft wird bedingte Hilfsbereitschaft Warneken, F. & Tomasello, M. (2006). Altruistic Helping in Human Infants and Young Chimpan. Science 311(5765). 1301-1303. © Lehrstuhl Human Resource Management 20 32 Verhaltensökonomische Experimente (1/3) Mehr Leistung durch höhere Anreize? Labyrinth-Experiment mit Ratten • Schwacher Stromstoss: wenig Lernen • Mittlerer Stromstoss: rasches Lernen • Starker Stromstoss: Abnahme der Leistung (Ersatz Erfolgsmotivation durch Misserfolgsvermeidungsmotivation) Ariely, D., Gneezy, U., Loewenstein, G. & Mazar, N. (2009). Large stakes and big mistakes. Review of Economic Studies, 76, 451-469. Prämien-Experiment mit Menschen • Niedrige Prämie (24 Rupien = 1 Tageslohn) • Mittlere Prämie (240 Rupien) • Hohe Prämie (2400 Rupien = 5 Monatslöhne) © Lehrstuhl Human Resource Management 21 32 Verhaltensökonomische Experimente (1/3) Quelle: Ariely, D., Gneezy, U., Loewenstein, G. & Mazar, N. (2009). Large Stakes and Big Mistakes. The Review of Economic Studies, 76(2), 451-469. Fazit 1. Zwischen Stärke Anreiz und Leistung besteht eine umgekehrte U-Kurve 2. Aber abhängig - von der Art der Aufgabe (Kopf- vs. Handarbeit) - vom Stressempfinden der Beschäftigten . Erfahrung . Persönlichkeitstyp © Lehrstuhl Human Resource Management 22 32 Verhaltensökonomische Experimente (2/3) Quelle: Ariely, D., Kamenica E. & Prelec, D. (2008). Man‘s Search for Meaning: The Case of Legos. Journal of Economic Behavior and Organization, 67(3/4), 671677. Was motiviert in der Arbeit? Sinn erleben Legofiguren bauen Anzahl Figuren Verdienst USD Sinn-Gruppe 10,6 14,4 Sisyphos-Gruppe 7,2 11,52 Anerkennung erfahren Form des Feedbacks Zahl der bearbeiteten Blätter Gruppe A (Anerkannt) 9,03 Gruppe B (Ignoriert) 6,77 Gruppe V (Vernichtet) 6,34 Fazit 1. Wer Leistung fordert muss Sinn bieten 2. Bedingungen intrinsischer Motivation 3. Freiwilligenarbeit © Lehrstuhl Human Resource Management 23 32 Verhaltensökonomische Experimente (3/3) Soziale Normen? (Quelle: Martin, St. (2012). Idea Watch. Harvard Business Review, 90(10), 23-25). „I may start legal proceedings against you to collect the amount unpaid.“ 68% „Over 94% of UK citizens pay their taxes on time.“ 73% „Nine out of 10 citizens living in your postcode pay their taxes on time.“ 79% „Over 93% of citizens living in your town pay their taxes on time. 83% © Lehrstuhl Human Resource Management 24 4 Weiterführende Fragen Wenn Topmanager nicht nur monetär motiviert sind, welche Faktoren aktivieren ihre nicht-monetäre Motivation • im Aufgabeninhalt (Sinn…) • Aufgabenkontext (Anerkennung…) • soziale und Karriereanreize für CEO‘s? Wenn Topmanager trotzdem hoch bezahlt sind, wofür steht dann ihre Vergütung tatsächlich? Zur Diskussion: • hohe Leistung dank hohem Bonus… • der Erfolg wird durch den Chef ermöglicht… • die Motivation durch Geld ist die Motivation des Söldners… Integration des Bezahlungssystems des obersten Kaders in die Gesamtführung des Unternehmens Balanced Scorecard, Kultur © Lehrstuhl Human Resource Management 25 Literatur • • • • • • • • • Kaplan, R.S. & Norton, D.P. (1992). The balanced scorecard – measures that drive performance. Harvard Business Review, (70)1, 71-79. Kaplan, R.S., Norton D.P. (1993). Putting the balanced scorecard to work. Harvard Business Review, (71)5, 134-147. Kaplan, R.S., Norton D.P. (1996). Using the balanced scorecard as a strategic management system. Harvard Business Review, 74(1), 75-85. Schneider, U.S. (2011). Lehman Brothers auf dem Dorfe. NZZ Folio, 4, 66-67. Ariely, D. (2010). Fühlen nützt nichts, hilft aber. Droemer Knaur: München. Hostettler, St. (2011). Managersaläre. Orell Füssli: Zürich. Senn, D. & Pedergnana, M. (Hrsg.) (2010). Vergütungssysteme in der Schweiz. Schulthess: Zürich. Kohn, A. (1993). Why Incentive Plans Cannot Work. Harvard Business Review, 9, 54-63. ASCO (2012). Schweizer Vergütungsmodell. ASCO Think WhitePaper. © Lehrstuhl Human Resource Management 26