Die Zweitwohnungsverordnung

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Die Zweitwohnungsverordnung
Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung
SJZ 109 (2013) Nr. 5 89
Die Zweitwohnungsverordnung
Eine Übersicht mit ausgewählten Schwerpunkten
Dr. iur. Emanuel Dettwiler, Rechtsanwalt, LL.M. (Zürich)
I.Einleitung
Am 11. März 2012 wurde die Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau
von Zweitwohnungen!» (Initiative)
durch Volk und Stände angenommen.1
Kurz danach setzte der Bundesrat eine
unter der Leitung des Bundesamts für
Raumentwicklung (ARE) stehende Arbeitsgruppe ein, um die mit Annahme
der Initiative entstandenen offenen
Fragen zu beantworten.2 Die Arbeitsgruppe, die sich im Wesentlichen aus
Vertretern des Initiativkomitees, Interessenvertretern und Vertretern diverser Bundesbehörden zusammensetzt,3
verabschiedete bereits gegen Ende
Mai 2012 den Verordnungsentwurf
zur konferenziellen Anhörung.4 Am
22. August 2012 verabschiedete der
AS 2012 3627.
Vgl. Medienmitteilung (MM) des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) vom
15. März 2012.
3
Vgl. MM ARE vom 15. März 2012.
4
Vgl. MM ARE vom 24. Mai 2012.
5
Vgl. MM des Bundesrats vom 22. August
2012.
6
So auch Art. 15 Abs. 3 BPR.
7
Art. 8 Abs. 1 und 2 PublG.
8
Vgl. Botschaft vom 22. Oktober 2003 zum
Publikationsgesetz, BBl 2003 7729.
9
Dieter Biedermann, St. Galler Kommentar
zu Art. 195 N 7.
1
2
Bundesrat die Zweitwohnungsverordnung (Verordnung) und setzte sie per
1. Januar 2013 in Kraft.5 Die folgenden Ausführungen sollen eine Übersicht über die Verordnung geben. Einleitend wird die Frage der (direkten)
Wirkung des Zweitwohnungsartikels
sowie dessen Verhältnis zur Verordnung beleuchtet.
A. Wirkung der Annahme der
Zweitwohnungsinitiative
Mit Annahme der Initiative stellte sich
die zentrale Frage, ob und gegebenenfalls wo und bis wann Zweitwohnungen
noch bewilligt und gebaut werden können. Gemäss Art. 195 BV entfaltet eine
Verfassungsänderung Rechtskraft ab
dem Tag, an dem sie von Volk und Ständen angenommen wird.6 Während Erlasse des Bundes in der Regel erst am
Tag nach deren Veröffentlichung in der
Amtlichen Sammlung des Bundesrechts
ihre Rechtskraft entfalten,7 findet diese
Bestimmung auf Verfassungsänderungen keine Anwendung.8 Soweit die
neuen Verfassungsnormen direkt anwendbar sind, entfalten sie daher ihre
Rechtswirkung unmittelbar.9 Anlass zu
Diskussionen über die direkte Anwendbarkeit hat insbesondere Art. 75b Abs. 1
BV gegeben. Dieser hält fest, dass der
Anteil von Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und
der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde auf
höchstens 20 Prozent beschränkt ist.
Nach richtiger Ansicht ist Art. 75b
Der Autor stellt die am 1. Januar 2013 in
Kraft getretene Zweitwohnungsverordnung
vor und nimmt Stellung zu Fragen be­
züglich des räumlichen und zeitlichen
Geltungsbereichs, der Definition «Zweit­
­
wohnung» und der Zulässigkeit einer Um­
nutzung bestehender Wohnungen und
­Hotelbetriebe. Er zeigt auf, dass der Bau
neuer Zweitwohnungen zulässig bleibt, so­
fern sie touristisch qualifiziert genutzt wer­
den. Nicht anwendbar ist die Verordnung
auf ausserhalb der Bauzone errichtete Bau­
ten. Behandelt wird auch das Übergangs­
recht, welches den Bau von Zweitwohnun­
gen erlaubt, die auf einem vor dem 11.
März 2012 bewilligten, projektbezogenen
Sondernutzungsplan basieren. Der Autor
plädiert für ein Ausführungsgesetz, das Un­
gereimtheiten der Verordnung klären soll.
Zi.
L’auteur présente l’ordonnance sur les
résidences secondaires, entrée en vigueur
au 1er janvier 2013. Il se prononce sur le
champ d’application temporel et local, sur
la définition de la notion de « résidence
secondaire » et sur l’admissibilité du changement d’affectation de résidences ou
d’établissements hôteliers existants. Il
démontre que la construction de nouvelles
résidences secondaires reste possible
pour autant qu’elles permettent un usage
touristique qualifié. En outre, l’ordonnance
ne s’applique pas aux constructions érigées en dehors des zones à bâtir. L’auteur
traite aussi du droit transitoire, qui permet
de construire des résidences secondaires
qui se fondent sur un plan d’affectation
spécial lié à un projet, autorisé avant le 11
mars 2012. L’auteur plaide pour une loi
d’application qui clarifierait les incohérences de l’ordonnance. P.P.
90 SJZ 109 (2013) Nr. 5
Abs. 1 BV direkt anwendbar10 und bedarf keiner Ausführungsbestimmungen
auf Gesetzesstufe.11 Der direkten Anwendbarkeit tut auch der gewisse Spielraum bei der Auslegung des Begriffs der
Zweitwohnung keinen Abbruch.12 Die
Erteilung von Baubewilligungen für
Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über
20% ist somit seit dem 11. März 2012
verfassungswidrig.13 Aus Gründen des
Vertrauensschutzes ist es jedoch gerechtfertigt, zum Zeitpunkt der Annahme der Initiative bereits eingereichte Baugesuche noch zu bewilligen.14
Gemäss Bundesgericht ist nämlich bei
der (bundesgerichtlichen) Prüfung eines
Bauvorhabens in der Regel vom Rechtszustand auszugehen, der im Zeitpunkt
der Baubewilligung galt, es sei denn, es
bestünden zwingende Gründe für die
sofortige Anwendung neuen Rechts.15
Dass die Bewilligung von Zweitwohnungen seit dem 11. März 2012 nicht
mehr zulässig ist, ergibt sich bereits aus
dem bis zur Annahme der Initiative einhelligen Verständnis von Befürwortern
wie Gegnern,16 dass die Annahme der
Initiative zu einem umgehenden Baustopp führen würde. Die Bemühungen,
im Nachhinein mit teilweise weit hergeholten Argumenten die direkte Anwendbarkeit zu verneinen, befremden.17
An der direkten Anwendbarkeit von
Art. 75b Abs. 1 BV ändert auch die (eher
unglücklich formulierte) Übergangsbestimmung zu diesem Artikel nichts. Gemäss Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV sind Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die
ab dem 1. Januar 2013 erteilt werden,
nichtig. Der Umkehrschluss, dass Baubewilligungen noch bis am 31. Dezember 2012 gültig erteilt werden konnten,
den gewisse Autoren18 aus dieser
­Vorschrift ziehen, ist unzulässig.19 Das
­argumentum e contrario als Auslegungsregel verlangt ein qualifiziertes
Schweigen des Erlasses,20 und an diesem
Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung
gebricht es vorliegend. Die Übergangsbestimmung muss im Zusammenhang
mit Art. 75b Abs. 1 BV gesehen werden,
und letztere Norm hält in aller Deutlichkeit fest, dass der Bau von Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem
Zweitwohnungsanteil von über 20%
nicht erlaubt ist. Damit fehlt es am für
einen Umkehrschluss notwendigen
qualifizierten Schweigen. Unzulässig ist
der Umkehrschluss im Übrigen auch,
weil die fehlende Nichtigkeit einer Baubewilligung nicht automatisch bedeutet, dass die Baubewilligung rechtens
erteilt wurde. Eine fehlerhafte Verfügung kann bekanntlich nebst nichtig
auch anfechtbar oder widerrufbar
Ebenso ARE, Erläuternder Bericht zur Verordnung über Zweitwohnungen vom
17. August 2012 (EB), 17; Arnold Marti,
Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative –
ungelöste Rätsel und des Pudels Kern, ZBl
113 2012 281. A.M. Fabian Mösching, Ab
welchem Zeitpunkt ist die Zweitwohnungsinitiative anwendbar?, Jusletter 10. Dezember 2012, N 9 ff.; Bernhard Waldmann, Die
Zweitwohnungsverordnung, Jusletter 10. Dezember 2012, N 22 f. Die kantonalen Gerichte haben die direkte Anwendbarkeit
bisher ebenfalls verneint (vgl. etwa VGer GR
Urteil R12 111, E. 3.).
11
Art. 75b Abs. 1 BV ist somit auch direkt anwendbar (und wirkt beschränkend), wenn
die 20-Prozent-Schwelle nur in Bezug auf
die Bruttogeschossfläche (nicht aber in Bezug auf den Gesamtbestand) überschritten
wird (in diesem Sinne auch EB, Fn. 10, 17 f.).
12
EB (Fn. 10) 18; a.M. Mösching, (Fn. 10) N 20
ff.
13
So ist wohl auch EB (Fn. 10) 10 zu verstehen, wonach in Gemeinden mit einem Anteil von mehr als 20% Zweitwohnungen nur
noch Erstwohnungen bewilligt werden
können.
14
Vgl. Marti (Fn. 10) 282.
15
BGer, 14.12.2012, 1C_159/2012 m.w.H. Das
Bundesgericht hielt in E. 6.2 denn auch fest,
dass Art. 75b BV auf Bauvorhaben, die vor
dessen Annahme aufgelegt wurden und
auch kantonal letztinstanzlich vor dem
10
11. März 2012 beurteilt wurden, nicht anwendbar ist. Offen lässt das Bundesgericht,
ob sich daraus der Umkehrschluss ziehen
lässt, dass Art. 75b BV auf nach dessen Annahme aufgelegte und/oder kantonal letztinstanzlich beurteilte Bauvorhaben anwendbar ist, wie hier vertreten wird.
16
Vgl. z.B.: Argumentarium des Bundesrates
im Abstimmungsbüchlein zur Volksabstimmung vom 11. März 2012: «Die Beschränkung der Zweitwohnungen auf einen fixen
Anteil von 20 Prozent aller Wohnungen
würde in zahlreichen Gemeinden zu einem
abrupten Baustopp führen.» Der sofor­tige
oder abrupte Baustopp wurde auch andernorts betont: Vgl. statt vieler MM v­ on
economiesuisse vom 24. Februar 2012
(http://www.economiesuisse.ch/de/themen/
wb/wettbewerballg/seiten/_detail.aspx?artI
D=Zweitwohnungsinitiative-trifft-strukturschwache-Regionen, zuletzt aufgerufen
am 28. Januar 2013); Argumentarium der
Initiativgegner vom 20. Januar 2012 im
Dossier 08.073 der Bundesversammlung,
Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen. Volksinitiative Argumentarien Contra.
17
Vgl. beispielsweise Mösching (Fn. 10) N 22,
der den Begriff «Minarett» gestützt auf die
Definition im Duden (Minarett ist ein Moscheeturm) für eine direkte Anwenbarkeit
von Art. 72 Abs. 3 BV als ausreichend definiert erachtet, eine nähere Umschreibung
des Begriffs «Zweitwohnung» auf Gesetzesoder Verordnungsstufe jedoch als umumgängliche Voraussetzung für die direkte Anwendbarkeit von Art. 75b Abs. 1 BV sieht,
obwohl der Begriff «Zweitwohnung» im
­Duden Online (www.duden.de, zuletzt aufgerufen am 28. Januar 2013) ebenso präzise
definiert ist («zweite Wohnung [für Wochenenden oder Urlaub»]). Für seine These,
Art. 75b Abs. 1 BV brauche zwingend eine
Präzisierung, zitiert Mösching auch die
Botschaft zur Initiative (BBl 2008 8766, die
Botschaft). Allerdings erwähnt gerade diese
den Baustopp für Zweitwohnungen als
Konsequenz einer Annahme der Initiative
gleich mehrfach (BBl 2008 8758, 8764,
8766, 8767).
18
Mösching (Fn. 10) N 24; Alain Griffel zitiert
in NZZ vom 19. März 2012; Tobias Jaag, Interview in NZZ vom 4. Mai 2012.
19
Marti (Fn. 10) 282.
20
Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann,
Verwaltungsrecht, 6. A., Zürich 2012, N 222 f.
Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung
sein,21 wobei die Fehlerhaftigkeit einer
Verfügung diese in der Regel nur anfechtbar (und nicht nichtig) macht.22 Da
die Erteilung von Baubewilligungen für
Zweitwohnungen seit dem 11. März
2012 nicht mehr zulässig ist, die Bundesverfassungsnorm aber erst ab 1. Januar 2013 Nichtigkeit als Rechtsfolge
vorsieht, sind Baubewilligungen, die
zwischen dem 11. März und 31. Dezember 2012 erteilt wurden, somit zwar
nicht nichtig, wegen Verfassungswidrigkeit jedoch anfechtbar.23
B. Verfassungsmässigkeit der
Verordnung
Der Bundesrat hat die Zweitwohnungsverordnung gestützt auf Art. 182 Abs. 2
Häfelin/Müller/Uhlmann (Fn. 20) N 949.
22
Häfelin /Müller /Uhlmann (Fn. 20) N 951.
23
So auch Marti (Fn. 10) 282.
24
So fälschlicherweise beispielsweise VGer
GR, Urteil R12 77 vom 23. Oktober 2012,
E. 2.b) und Energiedirektion BE Entscheid
RA Nr.110/2012/164 vom 13. November
2012, I. 3.
25
Thomas Sägesser, St. Galler Kommentar zu
Art. 182, Rz. 17. A.M. Giovanni Biaggini, BV
Kommentar, Zürich 2007, Art. 182 N 5.
26
Ulrich Häfelin/Walter Haller/Helen Keller,
Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. A.,
Zürich 2012 N 2098.
27
Tobias Jaag, Die Verordnung im schweizerischen Recht, ZBl 112 (2011) 629, 655.
28
MM ARE vom 30. Mai 2012.
29
Vgl. dazu Art. 3 Abs. 1 ZwVO und im einzelnen IV.A.1.
30
MM ARE vom 30. Mai 2012. Dieses Argument überzeugt nicht, da es für einen
Grundrechtseingriff kein Gesetz im formellen Sinne braucht: Rainer J. Schweizer,
St. Galler Kommentar, Art. 36 BV, N 14.
31
Art. 1 Abs. 1 ZwVO.
32
Vgl. zur Methodik der Erstellung dieser
Liste: EB (Fn. 10) 4 f.
33
Art. 1 Abs. 4 ZwVO.
34
EB (Fn. 10) 3.
35
EB (Fn. 10) 17.
36
EB (Fn. 10) 17 f.
21
BV (und nicht gestützt auf die Kompetenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen gemäss Art. 197 Ziff. 9
Abs. 1 BV)24 erlassen. Art. 182 Abs. 2 BV
räumt dem Bundesrat Vollzugskompetenz durch den Erlass von sogenannt
selbständigen (d.h. direkt auf die Verfassung gestützten) Verordnungen ein.25
Als Vollziehungsverordnung kann die
Zweitwohnungsverordnung grundsätzlich unbeschränkt auf ihre Übereinstimmung mit der Bundesverfassung und den
Bundesgesetzen hin überprüft werden.26
Als Bundesverordnung ist sie jedoch der
abstrakten Normenkontrolle entzogen
und kann nur im Rahmen der akzessorischen Normenkontrolle im konkreten
Anwendungsfall überprüft werden.27 Für
die folgenden Ausführungen von Relevanz ist somit, dass die Zweitwohnungsverordnung nicht durchsetzbar ist, soweit
sie den Verfassungsnormen zur Zweitwohnungsinitiative widerspricht.
II. Geltungsbereich (Art. 1 ZwVO)
A.Regelungsumfang
Die Zweitwohnungsverordnung befasst sich nur mit dem Bau neuer
Zweitwohnungen.28 Für Wohnungen,
die zum Zeitpunkt der Annahme der
Initiative bereits bestanden oder
rechtskräftig bewilligt waren, enthält
die Verordnung grundsätzlich keine
Einschränkungen.29 Begründet wird
dies damit, dass Einschränkungen bezüglich vorbestehender Wohnungen
einen Eingriff in die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) darstellen würden, was
einer gesetzlichen Grundlage bedürfte.30
B. Räumlicher Geltungsbereich
1. Vermutete Zweitwohnungsquote
Die Zweitwohnungsverordnung gilt
nur für Gemeinden, die gemessen am
SJZ 109 (2013) Nr. 5 91
Gesamtbestand der Wohnungen einen Zweitwohnungsanteil von über
20 Prozent aufweisen.31 Die Verordnung statuiert für 573 Gemeinden,
welche im Anhang zur Verordnung
aufgelistet sind,32 die Vermutung, dass
sie diesen Zweitwohnungsanteil übersteigen. Der Anhang ist mindestens
jährlich vom ARE zu aktualisieren.33
Während Art. 75b Abs. 1 BV die
20%-Beschränkung des Zweitwohnungsanteils auf den Gesamtbestand
sowohl der Wohnungen als auch der für
Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche bezieht, bestimmt sich der
Geltungsbereich der Verordnung lediglich basierend auf dem Zweitwohnungsanteil am Gesamtbestand. Dies sei sachgerecht, weil es keine schweizweit
gültige Definition des Begriffs Bruttogeschossfläche gibt, und in der kurzen
Zeit, die für den Entwurf der Verordnung blieb, eine Erhebung der Bruttogeschossflächen nicht als praxistauglich
angeschaut wurde.34 Trotz der Verordnung, die auf das Kriterium der Bruttogeschossfläche verzichtet, bleibt Art.
75b Abs. 1 BV, und damit auch die
20%-Beschränkung bezüglich der für
Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde direkt anwendbar, auch ohne Erlass des in Artikel 75b Abs. 2 BV vorgesehenen
Ausführungsgesetzes.35 «Die 20 Prozent-Quote ist erreicht bzw. überschritten, wenn sie auch nur für den einen
der beiden Parameter, nämlich den Gesamtbestand der Wohneinheiten, erfüllt
ist.»36
2. Möglichkeit zur Widerlegung der
Vermutung
Jeder Gemeinde steht es frei, die Vermutung, eine Zweitwohnungsgemeinde zu sein, durch den Nachweis
zu widerlegen, dass ihr Zweitwohnungsanteil 20 Prozent nicht über-
92 SJZ 109 (2013) Nr. 5
schreitet.37 M.E. kann der Nachweis
nebst der Gemeinde auch durch einen
in seinen Interessen direkt betroffenen Baugesuchsteller erbracht werden. Der Nachweis hat gegenüber
dem ARE bzw. der zuständigen Baubewilligungsbehörde zu erfolgen.38
Nach Vorliegen einer Bestätigung
durch das ARE, dass der Nachweis
rechtsgenügend erbracht wurde, muss
es (wieder) möglich sein, in der entsprechenden Gemeinde bis zur Ausschöpfung der 20%-Quote Zweitwohnungen zu erstellen.39 Die Aktualisierung
des Anhangs muss nicht abgewartet
werden, da dem Anhang nur deklaratorischer Vermutungscharakter zukommt. Wird eine Gemeinde aufgrund
ihres erfolgreichen Nachweises von
der Liste gestrichen und können somit
in der entsprechenden Gemeinde wieder Zweitwohnungen bewilligt werden, so muss dies solange möglich
sein, bis die Liste gegebenenfalls aufgrund der jährlich vom ARE vorzunehmenden Überprüfung und Anpassung der Liste wieder ändert.
C. Zeitlicher Geltungsbereich
(Art. 9)
Die Verordnung ist seit dem 1. Januar
2013 in Kraft40 und gilt, bis die Ausführungsgesetzgebung zu Art. 75b BV
in Kraft treten wird,41 soweit diese erforderlich ist.42
III. Definition von «Zweitwohnung»
(Art. 2 ZwVO)
Auch wenn ein gewisser Spielraum bei
der Auslegung des Begriffs Zweitwohnung die direkte Anwendbarkeit von
Art. 75b BV nicht hindert, erscheint es
sinnvoll, den Begriff in einem Erlass
zu definieren, um eine einheitliche
Auslegung sicherzustellen. Diesem
Bedürfnis kommt die Verordnung in
Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung
Art. 2 ZwVO nach. Danach gilt als
Zweitwohnung jede Wohnung, die
nicht dauerhaft genutzt wird, und
zwar entweder durch Personen mit
Wohnsitz in der Gemeinde43 oder
durch Personen zu Erwerbs- oder Ausbildungszwecken.44 Diese relativ weite
Definition45 erfasst auch Zweitwohnungen, die nach der Hauptstossrichtung der Initiative, die Vermeidung
von kalten Betten, eigentlich nicht als
Zweitwohnungen zu betrachten sind.
Art. 4 ZwVO gibt hierzu Gegensteuer,
indem Wohnungen, die zwar nicht als
Erstwohnungen zu betrachten sind,
aber auch nicht die typischerweise
mit Zweitwohnungen verbundenen
negativen Auswirkungen, insbesondere die kalten Betten, zeitigen, vom
Verbot des Zweitwohnungsbaus ausgenommen werden.46
A. Dauernde Nutzung durch
Personen mit Wohnsitz in der
Gemeinde
Entscheidend für die Definition der
dauernden Nutzung durch Personen
mit Wohnsitz in der Gemeinde ist der
zivilrechtliche Wohnsitz gemäss Art.
23 ZGB. Dieser liegt am Ort, an dem
sich eine Person mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält, d.h. wo
sie ihren Lebensmittelpunkt hat.47 Das
ist in der Regel der Ort, wo man nächtigt, die Freizeit verbringt und die persönlichen Effekten hat.48
B. Dauernde Nutzung durch Personen zu Erwerbs- oder Ausbildungs-zwecken
Eine Wohnung gilt auch dann nicht
als Zweitwohnung, wenn sie dauerhaft durch Personen genutzt wird, die
zwar keinen Wohnsitz in der Gemeinde haben, sich aber zu Erwerbsoder Ausbildungszwecken in der entsprechenden Gemeinde aufhalten.
Hierbei dürfte es sich in erster Linie
um saisonal eingesetzte Arbeitskräfte
und Wochenaufenthalter handeln.
C. Der Begriff «Wohnung»
Art. 75b BV bezieht den Zweitwohnungsanteil auf den Gesamtbestand
der «Wohneinheiten». Dieser Begriff
könne gemäss ARE zu Missverständnissen führen. Daher wurde in der
Verordnung der Begriff «Wohnung»
gewählt, bei dem es sich um einen in
der Statistik fachlich definierten
­Begriff handelt.49 Gemäss dem vom
Bundesamt für Statistik BFS zum
­eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregister (GWR) herausgege­
benen Merkmalskatalog ist unter
Wohnung «die Gesamtheit der Räume
zu verstehen, die eine bauliche Einheit
bilden und einen eigenen Zugang
entweder von aussen oder von einem
gemeinsamen Bereich innerhalb des
Gebäudes (Treppenhaus) haben. […]
Ein Einfamilienhaus besteht im GWR
Art. 1 Abs. 3 ZwVO. Dabei finden die üblichen Massstäbe der Beweiswürdigung Anwendung.
38
EB (Fn. 10) 5.
39
Dies muss m.E. unabhängig davon gelten,
ob der Nachweis durch eine betroffene Gemeinde oder einen individuellen Baugesuchsteller erbracht wurde.
40
Art. 9 Abs. 1 ZwVO.
41
Art. 9 Abs. 2 ZwVO.
42
Vgl. zur direkten Anwendbarkeit von
Art. 75b Abs. 1 BV oben I.A.
43
Art. 2 lit. a ZwVO.
44
Art. 2 lit. b ZwVO.
45
So der Erläuternde Bericht, 6.
46
Siehe unten V.
47
BSK I ZGB-Staehelin, Art. 23 N 5.
48
BSK I ZGB-Staehelin, Art. 23 N 6.
49
EB (Fn. 10) 3; vgl. auch Merkmalskatalog
des Eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregisters, Version 3.5, Neuenburg,
2009 50. Auf S. 83 des Merkmalskatalogs
wird unter dem Stichwort «Wohneinheit»
auf «Wohnung» verwiesen.
37
Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung
aus einer Wohnung; Einfamilienhäuser mit Einliegerwohnungen u.dgl.
werden als Mehrfamilienhäuser er
52
53
Merkmalskatalog des GWR (Fn. 49) 50.
EB (Fn. 10) 3, Fn. 2.
Art. 3 Abs. 1 ZwVO.
Für die Festlegung des Zweitwohnungsanteils stützt sich die Verordnung auf statistische Daten, die auf der effektiven Nutzung
jeder individuellen Wohnung als Erst- oder
Zweitwohnung beruhen. Diese Daten könnten auch zur Festlegung, ob es sich bei einer
bestehenden Wohnung um eine Erst- oder
Zweitwohnung handelt, herangezogen werden.
54
EB (Fn. 10) 7.
55
Möglich wäre eine solche Regelung auf Gesetzesstufe: Art. 190 BV.
56
Dass die Annahme der Initiative zu einem
Umnutzungsverbot führen würde, wurde
bereits früh erkannt. So heisst es in der
Botschaft (8767): «Bei den bestehenden
­
Erstwohnungen würde die Perspektive wegfallen, diese einmal in lukrativere Zweitwohnungen umnutzen zu können.» Und die
im Auftrag des ARE erstellte Studie Ursula
Rütter-Fischbacher/Heinz Rütter/Armida
Wegmann, Wirkung der Eidgenössischen
Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau
von Zweitwohnungen!», Rüschlikon 2008,
66, hält fest: «Umnutzungen von bestehenden Erstwohnungen, […], sind nicht möglich, da sich bei einer Umnutzung das Verhältnis von Erst- zu Zweitwohnungen
zugunsten der Zweitwohnungen verändern
würde, was die Initiative untersagt.»
57
So auch Presse- und Informationsdienst des
Generalsekretariats UVEK, Argumentarium
Eidgenössische Volksabstimmung vom
11. März 2012, 3: «Wo diese Schwelle [von
höchstens 20 Prozent am gesamten Wohnungsbestand] bereits erreicht ist, wären
keine neuen Zweitwohnungen mehr zulässig.»
58
EB (Fn. 10) 7: «In Gemeinden mit einem
Zweitwohnungsanteil von bereits über 20
Prozent ist die Umnutzung von Erst- in
Zweitwohnungen mit Blick auf den Wortlaut von Artikel 75b Absatz 1 BV nicht unproblematisch, da in solchen Gemeinden
grundsätzlich jede zusätzliche Zweitwohnung weiter weg von der verfassungsrechtlich zulässigen Quote führt.»
59
EB (Fn. 10) 7.
fasst.»50 Mitgezählt wird jede Wohnung, unabhängig davon, ob sie für
Privat- oder Kollektivhaushalte bestimmt ist.51
50
51
IV. Umnutzung bestehender
Wohnungen und von Hotelbetrieben (Art. 3 ZwVO)
A. Grundregel zur Umnutzung (Art.
3 Abs. 1 ZwVO)
1.Grundsätzliches
Wohnungen, die am 11. März 2012
bereits bestanden oder rechtskräftig
bewilligt waren, können gemäss
Verordnung im Rahmen der vorbestandenen, anrechenbaren Brutto­geschossfläche und unter Vorbehalt
bestehender Nutzungseinschränkungen von Erst- in Zweit- und von
Zweit- in Erstwohnungen umgenutzt
werden.52 Begründet wird diese Regelung mit der angeblichen Schwierigkeit, festzustellen, welche Wohnung
bereits am 11. März 2012 als Zweitwohnung genutzt wurde, und dies
obwohl die für diese Feststellung erforderlichen Daten offensichtlich zur
Verfügung stehen.53 Als weitere Begründung wird die Befürchtung angeführt, in strukturschwachen Gebieten
könnten gewisse Erstwohnungen
nicht als solche verkauft oder vermietet werden.54
Eine für Betroffene unerwünschte
Auswirkung einer Verfassungsbestimmung wie auch die angebliche Schwierigkeit, die Nutzung der bestehenden
Wohnungen festzustellen, können jedoch kein rechtsgenügender Grund
sein, auf Verordnungsstufe55 eine Regelung einzuführen, die im Widerspruch zur Verfassungsbestimmung56
steht. Die Umnutzung einer Erst- in
eine Zweitwohnung erhöht nämlich
den Anteil an Zweitwohnungen, was
aufgrund der Beschränkung des
SJZ 109 (2013) Nr. 5 93
Zweitwohnungs­
anteils auf 20% in
Zweitwohnungsgemeinden seit dem
11. März 2012 unzulässig ist.57
An der Verfassungswidrigkeit vermag auch der Vorbehalt des Missbrauchs der Umnutzung von Art. 3
Abs. 4 ZwVO nichts ändern, wonach
eine Umnutzung insbesondere unzulässig ist, wenn sie den Neubau einer
Erstwohnung zur Folge hat. Art. 75b
Abs. 1 BV beschränkt nicht den Bau
neuer Zweitwohnungen, sondern den
Anteil von Zweitwohnungen am Gesamtbestand, und dieser erhöht sich
auch durch Umnutzung von Erst- in
Zweitwohnungen. Abgesehen davon
dürfte das Missbrauchsverbot in der
Praxis auch zahnlos bleiben, da zum
einen die Überwachung schwierig ist,
und zum anderen die lokalen Behörden ein beschränktes Interesse an der
strikten Umsetzung der Missbrauchsregelung haben. Die Problematik der
grosszügigen
Umnutzungsregelung
wird denn auch im Erläuternden Bericht anerkannt.58 Fragwürdig ist die
Umnutzungsmöglichkeit, weil voraussehbar ist, dass sie den Druck zur Umnutzung von Erstwohnungen in
Zweitwohnungen erhöhen wird59, mit
entsprechend negativen Auswirkungen für die in der Gemeinde wohnhafte Bevölkerung und saisonalen
Arbeitskräfte (insb. Erhöhung der
­
Wohnkosten).
Die weiteren Ausführungen stehen
daher unter dem Vorbehalt der Verfassungswidrigkeit von Art. 3 Abs. 1 ZwVO.
2. Vorbehalt bestehender
Nutzungseinschränkungen
Der Grund dafür, dass die Verordnung
die Umnutzung unter den Vorbehalt
bestehender Nutzungseinschränkungen stellt, liegt im erwähnten Druck
zur Umnutzung von Erstwohnungen
in Zweitwohnungen. Aufgrund dieses
94 SJZ 109 (2013) Nr. 5
schon länger bestehenden Drucks hatten verschiedenen Gemeinden bereits
vor Annahme der Initiative kommunale Vorschriften erlassen60, und diese
kommunalen und allfällige kantonale
Vorschriften sollen nebst den bundesrechtlichen Zweitwohnungsregelungen weiterhin Geltung haben. Unverständlich bleibt, weshalb die Verordnung
in verfassungswidriger Manier Umnutzungen überhaupt im Grundsatz zulässt. Ohne diese Regelung wäre der
Vorbehalt nämlich entbehrlich.
B. Ausgewählte Rechtfertigungsgründe für die Umnutzung (Art.
3 Abs. 2 ZwVO)
Nebst dem (nach hier vertretener Auffassung verfassungswidrigen) Grundsatz von Art. 3 Abs. 1 ZwVO, dass
sämtliche am 11. März 2012 bereits
bestandene oder rechtskräftig bewilligte Wohnungen von Erst- in Zweitwohnungen und umgekehrt umgenutzt werden können, werden in
Art. 3 Abs. 2 ZwVO beispielhaft einige
Situationen erwähnt, die zur Umnutzung führen können. Irreführend ist,
dass die Situationen in Art. 3 Abs. 2
ZwVO als Rechtfertigungsgründe bezeichnet werden, da es aufgrund von
Abs. 1 für eine Umnutzung gar keine
Rechtfertigung braucht.
Eine Umnutzung ist gemäss Art. 3
Abs. 2 ZwVO zum einen gerechtfertigt, wenn sie entweder im Zusammenhang mit einer Erbschaft, einem
Wohnsitzwechsel oder einer Änderung des Zivilstandes erfolgt,61 oder
zum anderen der Erhaltung des Ortskerns dient.62
C. Die Umnutzung von Hotelbetrieben (Art. 3 Abs. 3 ZwVO)
1. Die Umnutzung unter den Voraussetzungen von Art. 4 ZwVO
Die Zweitwohnungsverordnung lässt
im weiteren die Umnutzung von Ho-
Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung
telbetrieben zu, welche am 11. März
2012 bereits Bestand hatten. Dies gilt
allerdings nur unter den Voraussetzungen von Art. 4 ZwVO,63 d.h., wenn
sie danach entweder als Erstwohnungen genutzt werden64 oder wenn sie
nicht indi­viduell ausgestaltet sind sowie dauerhaft und ausschliesslich zur
kurz­zeitigen Nutzung durch Gäste zu
marktüblichen Bedingungen angeboten werden.65 Die Verfassungsbestimmung steht dieser Regelung m.E. nicht
entgegen, da auch der Bau neuer
Wohnungen in den Schranken von
Art. 4 ZwVO grundsätzlich verfassungskonform ist.66
2. Die ausnahmsweise Umnutzung
ohne Einhaltung der Voraussetzungen von Art. 4 ZwVO
Äusserst problematisch ist aber die
weitere in der Verordnung vorgesehene Umnutzung von Hotels in nicht
«qualifiziert touristisch bewirtschaftete Zweitwohnungen».67 Diese systemfremde und sachwidrige Ausnahme führt zu einer Erhöhung des
Zweitwohnungsanteils und hält daher
selbst einer grosszügigen Auslegung
von Art. 75b BV nicht stand.68 Begründet wird diese Ausnahme entsprechend auch nicht mit dem Sinn und
Zweck der Verfassungsbestimmung,
sondern mit deren angeblicher tourismus- und wirtschaftspolitischen Wichtigkeit,69 da sie den Marktaustritt nicht
mehr rentabler Hotelbetriebe und
einen erwünschten und sinnvollen
­
Strukturwandel in der Hotellerie sicherstelle. Unersichtlich ist, wieso es
für den Marktaustritt von Hotels dieser Ausnahmebestimmung bedarf.
Marktmechanismen dürften hierzu
genügen. Tatsächlich fördert diese
verfassungswidrige Ausnahme denn
auch nicht den Strukturwandel, sondern dient – im Gegenteil – dem Ver-
such der Strukturerhaltung (mittels
Quersubventionierung von Hotelbetrieben durch den Verkauf von Zweitwohnungen).70
Missbräuchliche Umnutzungen von
Hotels in nicht qualifiziert touristisch
bewirtschaftete Zweitwohnungen sollen insbesondere dadurch verhindert
werden, dass das Hotel mindestens 25
Jahre71 bewirtschaftet worden sein
Z.B. Ausscheidung von Hotelzonen, in welchen nur Hotels gebaut werden können in
Pontresina, Saanen und Crans Montana
oder Erstwohnanteilsregelungen in Astano,
Colina d’Oro, Saas Fee, Val d’Illiez, Vaz/
Obervaz (Lenzerheide).
61
Art. 3 Abs. 2 lit. a ZwVO.
62
Art. 3 Abs. 2 lit. b ZwVO.
63
Zu Art. 4 ZwVO siehe im einzelnen unten V.
64
Art. 4 lit. a ZwVO.
65
Art. 4 lit. b ZwVO.
66
Siehe dazu unten V., A. M. Waldmann (Fn.
10) N 30.
67
Dieser Begriff wird in der Verordnung nicht
definiert, ist aber identisch zu verstehen
wie die «Bewirtschaftung im Rahmen strukturierter Beherbergungsformen» gemäss
Art. 4 lit. b Ziff. 1 ZwVO: Vgl. EB (Fn. 10) 12.
68
Siehe auch Bernhard Waldmann, «Zweitwohnungsbegriff führt zu vielen Ausnahmen», NZZ vom 7. September 2012, 23, der
meint, der Bundesrat habe sich mit der Zulassung der Umnutzung von bestehenden
Hotels in nicht bewirtschaftete Zweitwohnungen zu weit von der Verfassung entfernt.
69
EB (Fn. 10) 9.
70
So letztlich der Erläuternde Bericht (Fn. 10)
9, wonach durch die Umnutzbarkeit von
Hotels in Zweitwohnungen «eine Wertverminderung der Hotelimmobilien mit damit
zusammenhängenden Folgen auf die Hotelfinanzierung vermieden werden» könne.
71
Gemäss Erläuterndem Bericht (Fn. 10) 9 soll
für die Berechnung der Bewirtschaftungsdauer auch die Zeit gezählt werden, in der
vorübergehend keine hotelmässige Nutzung stattgefunden habe. Dieses Verständnis lässt sich selbst bei einer grosszügigen
Auslegung nicht mit dem Wortlaut von
Art. 3 Abs. 3 ZwVO in Einklang bringen. Anzurechnen ist richtigerweise nur die Zeit
tatsächlicher hotelmässiger Nutzung.
60
Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung
muss, und das Gutachten eines unabhängigen Experten bescheinigt, dass
der Hotelbetrieb ohne Verschulden
des Besitzers72 nicht mehr nachhaltig
und wirtschaftlich als Hotel geführt
werden kann73. Damit soll verhindert
werden, dass der Hotelbetrieb nur
durch finanzielle Aushöhlung, etwa
durch eine systematische übermässige
Entnahme von Geldern, die für ein
langfristiges going concern des Hotelbetriebs reinvestiert werden müssten,74 und nicht durch anderweitige,
äussere Umstände, in eine Lage gebracht wird, dass er nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann.
Nebst diesen Voraussetzungen sind
für die Umnutzung gemäss der Ausnahmeregelung von Art. 3 Abs. 3
Art. 3 Abs. 3 Satz 3 ZwVO.
Darunter sind m.E. sowohl Hotelbetreiber
als auch Hoteleigentümer zu verstehen. Es
ist nämlich unerheblich, ob der Hotelbetreiber durch unzureichende Investitionen und
zu hohe Gewinnabschöpfung den Hotelbetrieb wirtschaftlich unattraktiv macht oder
ob der Hoteleigentümer vom Hotelbetreiber einen übermässigen Pachtzins verlangt,
der keinen wirtschaftlichen Hotelbetrieb
mehr ermöglicht.
74
Der Erläuternde Bericht, EB (Fn. 10) 9,
spricht von Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten.
75
EB (Fn. 10) 9.
76
Vgl. Art. 24 ff. RPG.
77
EB (Fn. 10) 7.
78
Art. 24a Abs. 1 lit. b RPG.
79
Aufgrund der Missbrauchsgefahr dieser
Ausnahmebestimmung ist die Einhaltung
der Voraussetzungen durch die Gemeindebehörden strikt zu überwachen.
80
Vgl. Art. 4 lit. b ZwVO. Selbstverständlich
bleibt auch der Bau neuer Erstwohnungen
in einer Zweitwohnungsgemeinde zulässig:
Art. 4 lit. a ZwVO.
81
EB (Fn. 10) 11.
82
Art. 4 lit. b Ziff. 1 ZwVO; vgl. dazu nachstehend V.A.
83
Art. 4 lit. b Ziff. 2 ZwVO; vgl. dazu nachstehend V.B.
72
73
ZwVO vor allem auch allfällige weitergehende kommunale und kantonale
Vorschriften zu beachten, die der
­Verhinderung unerwünschter Umnutzung von Hotel­
betrieben in nicht
­touristisch bewirtschaftete Zweitwohnungen dienen.75
D. Anwendbarkeit auf bestehende
Wohnungen ausserhalb der
Bauzone
Laut Erläuterndem Bericht bezieht
sich Art. 3 ZwVO nur auf die Um­
nutzungsmöglichkeit von Zweitwohnungen innerhalb der Bauzone. Die
Umnutzung bestehender Zweitwohnungen ausserhalb der Bauzone sei
bereits heute abschliessend auf Bundesebene im Raumplanungsrecht geregelt76 und richte sich daher stets
(und nur) nach diesen spezifischen
Regeln.77 Da diese Regeln jedoch unter dem Vorbehalt der Zulässigkeit
unter anderen Bundeserlassen stehen78, ist m.E. die Frage der Zulässigkeit einer Umnutzung einer Erst- in
eine Zweitwohnung und umgekehrt
richtigerweise auch bei Wohnungen
ausserhalb der Bauzone nicht nur unter den bestehenden Regeln des RPG,
sondern auch unter Berücksichtigung
der Verordnung wie auch der künftigen Gesetzgebung zu Art. 75b BV zu
prüfen.
V. Bau neuer Zweitwohnungen
(Art. 4 ZwVO)
Nebst der Umnutzung bestehender
Erst- in Zweitwohnungen lässt die
Verordnung unter bestimmten Voraussetzungen79 auch den Bau neuer
Zweitwohnungen zu.80 Einleuchtend
begründet wird dies damit, dass die
Initiative zwar darauf abzielte, keine
weiteren sog. «kalten Betten» in Tourismusdörfern zu schaffen und die
SJZ 109 (2013) Nr. 5 95
Entstehung weiterer ausgestorben
wirkender Geistersiedlungen zu verhindern, sich aber nicht gegen die
Entstehung neuer «warmer Betten»
richtete.81
Um sicherzustellen, dass der Bau
neuer Zweitwohnungen nicht zu weiteren kalten Betten führt, ist dieser nur
unter relativ strengen Voraussetzungen
möglich. So darf die neue Zweitwohnung zum einen nicht individuell ausgestaltet und ausschliesslich zur kurzzeitigen Nutzung durch Gäste zu
marktüblichen Bedingungen angeboten
werden. Zum anderen muss sie entweder im Rahmen strukturierter Beherbergungsformen bewirtschaftet werden,82
oder der Eigentümer der Wohnung muss
im selben Haus wohnen.83
Nicht individuell ausgestaltet ist eine
Wohnung, wenn sie nicht auf den persönlichen Gebrauch des Eigentümers
und dessen individuelle Bedürfnisse zugeschnitten ist, die Wohnung beispielsweise keine persönlichen Gegenstände
des Eigentümers wie Familienfotos,
Kleider oder Sportgeräte wie Skis enthält. Dadurch, dass die Zweitwohnung
ausschliesslich zur kurzzeitigen Nutzung durch Gäste zu marktüblichen Bedingungen angeboten werden darf, soll
wohl vermieden werden, dass nicht individuell ausgestaltete Zweitwohnungen langfristig vermietet und damit indirekt zu individuell genutzten Zweitwohnungen mit kalten Betten werden.
A. Die qualifiziert touristisch
bewirtschaftete Neubauwohnung (Art. 4 lit. b Ziff. 1 ZwVO)
Eine Zweitwohnung gemäss Art. 4
lit. b Ziff. 1 ZwVO muss im Rahmen
eines hotelmässigen Betriebskonzepts
angeboten werden. Dazu bedarf es regelmässig einer minimalen Infrastruktur wie etwa einer Réception und einer genügend grossen Mindestgrösse
96 SJZ 109 (2013) Nr. 5
des Betriebs.84 Die hotelmässig angebotenen Leistungen85 müssen von der
Mehrheit der Gäste auch tatsächlich
in Anspruch genommen werden, was
vom Eigentümer, Investor oder Betreiber solcher Wohnungen nachzuweisen ist. Nachzuweisen ist auch eine
branchenübliche Lösung zur Finanzierung von Erneuerungsinvestitionen.
Um den Charakter einer nicht individuell genutzten Wohnung zu bewahren,
ist die allfällige Eigennutzung durch
den Eigentümer86 zu beschränken, und
zwar auf höchstens drei Wochen in der
Hauptsaison. Darüber hinaus ist dem Eigentümer die Eigennutzung nur durch
Miete zu den gleichen Bedingungen,
wie sie für gewöhnliche Gäste der entsprechenden Einrichtung gelten, möglich.87
Die Einhaltung dieser Voraussetzungen zu überprüfen, dürfte kein leichtes
sein. Baubewilligungen für entsprechende Zweitwohnungen sollten daher
unter Auflagen erteilt werden. Beispielsweise könnten Bauherren verpflichtet werden, der Gemeinde vor
Nutzungsbeginn Verträge mit einem
Betreiber vorzulegen, welche eine mit
Art. 4 lit. b Ziff. 1 konforme Nutzung
sicherstellen.88 Oder es ist denkbar, eine
Bau­bewilligung unter der Auflage einer
jährlichen Berichterstattung an die Gemeindebehörden über die Nutzung der
Wohnungen und hotelmässigen Einrichtungen sowie die Finanzierung von
Erneuerungsinvestitionen zu erteilen.
Kann eine gestützt auf Art. 4 lit. b
ZwVO erstellte Zweitwohnung nicht
oder in nicht qualifizierendem Umfang
wie vorgesehen vermietet werden, weil
das Angebot nicht auf genügendes Interesse stösst, liegt das Risiko hierfür
ausschliesslich beim Eigentümer oder
Betreiber der Wohnung. Es ist ausgeschlossen, eine gestützt auf Art. 4 lit. b
ZwVO erstellte Wohnung jemals als
Zweitwohnung ohne die damit einher-
Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung
gehenden Einschränkungen zu nutzen.
Jederzeit möglich sein muss es jedoch,
diese als Erstwohnung zu nutzen, und
sei es nur vorübergehend, um danach
wieder als qualifiziert touristisch bewirtschaftete Zweitwohnung genutzt
zu werden.
Aufgrund des zu hohen Missbrauchspotenzials ist die Möglichkeit,
den Bau neuer Zweitwohnungen, die
nicht hotelmässig betrieben, aber über
eine Vertriebsorganisation zur Vermietung angeboten werden, zuzulassen,
nicht in die Verordnung eingeflossen.
Im auszuarbeitenden Gesetz soll diese
Möglichkeit nochmals geprüft werden.
Denkbar ist diese Möglichkeit nur unter
strengen Voraussetzungen.89
B. Die Neubauwohnung im Haus
des ortsansässigen Eigentümers
(Art. 4 lit. b Ziff. 2 ZwVO)
Die Ausnahme von Art. 4 lit. b Ziff. 2
ZwVO wurde geschaffen, um der lokalen Bevölkerung in Tourismusgemeinden durch Vermietung oder anderweitige Bewirtschaftung einer Einliegerwohnung an Feriengäste einen
Verdienst zu ermöglichen.90 Die Wohnung kann nur tage- oder wochenweise vermietet werden. Eine langjährige (Jahres-)Vermietung ist nicht
zulässig. Um sicherzustellen, dass eine
Zweitwohnung den Voraussetzungen
von Art. 4 lit. b Ziff. 2 ZwVO dauerhaft
genügt, müssen Gemeinden geeignete
Massnahmen ergreifen. Dazu gehört
insbesondere die Erteilung von Baubewilligungen unter Auflagen, wie
beispielsweise dass eine Wohnung
«über eine kommerzielle Vermarktungs- und Vertriebsorganisation, ein
Reservationssystem einer Tourismusorganisation oder über eine andere
geeignete Einrichtung zu marktüb­
lichen Konditionen zur kurzfristigen
Vermietung angeboten» werden
muss.91 Denkbar ist auch, dass eine
Baubewilligung unter der Auflage einer Mindestauslastung erteilt wird.
Eine solche könnte sich an ortsüblichen Auslastungen orientieren, welche sich typischerweise mit professionell vermarkteten Ferienwohnungen
erzielen lassen.92 Die Sanktion bei
Nichteinhaltung der Auflagen könnte
in der Zahlung einer vorgängig festgelegten Sonderabgabe oder darin
liegen, dass die Zweitwohnung künftig nur noch als Erstwohnung genutzt
werden könnte.
C. Was gilt als Bau einer Zweitwohnung?
Als Bau einer Wohnung gilt nicht nur
der Neubau einer Wohnung, sondern
jegliche bauliche Veränderung, welche die Schaffung einer zusätzlichen
Wohnung zur Folge hat, also beispielsweise die Aufteilung einer Vierzimmerwohnung in zwei Zweizim EB (Fn. 10) 11. Beispiele dafür sind REKAFeriendörfer oder Hapimag (hotelmässige
Residenzen ohne Stockwerkeigentum) sowie die Landal-Feriendörfer oder das
Rocksresort in Laax GR (mit Stockwerkeigentum).
85
Z.B. tägliche Reinigung und Aufräumen der
Wohnung, Betrieb betriebsinterner Sportanlagen, etc.
86
Darunter ist auch die Nutzung (unabhängig
davon ob entgeltlich oder unentgeltlich)
durch Familienmitglieder, Freunde und Bekannte des Eigentümers zu verstehen: EB
(Fn. 10) 11.
87
EB (Fn. 10) 11.
88
EB (Fn. 10) 11.
89
EB (Fn. 10) 11.
90
EB (Fn. 10) 12.
91
EB (Fn. 10) 13.
92
In Scuol GR beispielsweise 220 bis 250 Tage:
Ivo Willimann / Giovanni Danielli, Grundlagen und Empfehlungen für eine bessere
Auslastung von bestehenden Zweitwohnungen. Entwurfsfassung für die Region
Goms, Luzern 2011, 12 (eine definitive Fassung scheint es nicht zu geben).
84
Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung
merwohnungen.93 M.a.W. darf ein
Umbau, der im Rahmen einer Umnutzung einer Erst- in eine Zweitwohnung gemäss Art. 3 ZwVO erfolgt,
grundsätzlich nicht dazu führen, dass
nebst der zulässigen neuen Zweitwohnung eine zusätzliche Zweitwohnung entsteht, es sei denn, die Voraussetzungen von Art. 4 lit. b ZwVO
seien erfüllt.
D. Zulässigkeit von Erweiterung
und Ersatz bestehender Zweitwohnungen
Eine Zweitwohnung zu ersetzen, d.h.
auf der selben Parzelle die bestehende(n) Zweitwohnung(en) abzureissen und neu aufzubauen, bleibt
m.E. zulässig, sofern die Bruttogeschossfläche der ersetzten Zweitwohnung durch den Ersatzbau nicht vergrössert wird, und zwar unabhängig
davon, ob die Zweitwohnung vor dem
11. März 2012 bestanden hat bzw.
rechtskräftig bewilligt war oder nicht.
Unter der Annahme, Art. 3 Abs. 1
ZwVO sei durchsetzbar (und nicht verfassungswidrig wie hier vertreten wird),
ist der Ersatz einer Erstwohnung durch
EB (Fn. 10) Art. 4 Bst. a, 10.
Art. 39 Abs. 2 und 3 RPV.
95
Mit dieser Begründung wird zumindest im
Erläuternden Bericht argumentiert: EB
(Fn. 10) 14.
96
EB (Fn. 10) 14.
97
Die Änderung der RPV erfolgt durch Art. 7
ZwVO.
98
Art. 39 Abs. 5 RPV.
99
Art. 6 Abs. 1 ZwVO. Obwohl in Art. 6 Abs. 1
ZwVO nicht erwähnt, ist m.E. auch in einer
Baubewilligung für eine qualifiziert touristisch bewirtschafteten Wohnung gemäss
Art. 3 Abs. 3 ZwVO die Nutzungspflicht
festzulegen.
100
Art. 6 Abs. 2 ZwVO.
101
Dieter Zobl, Grundbuchrecht, Zürich 1999,
N 338; Henri Deschenaux SPR V/3, 713.
102
EB (Fn. 10) 15.
eine Zweitwohnung m.E. ebenfalls zulässig, allerdings nur in Bezug auf am
11. März 2012 vorbestandene Wohnungen und nur im Rahmen der vorbestandenen, anrechenbaren Bruttogeschossfläche und unter Vorbehalt bestehender
Nutzungseinschränkungen. Der Ersatz
einer nach dem 11. März 2012 rechtskräftig bewilligten oder erstellten Erstwohnung durch eine Zweitwohnung ist
aber auf jeden Fall unzulässig.
Die bauliche Erweiterung von am
11. März 2012 als Zweitwohnungen benutzten Wohnungen über die damals
bestehende anrechenbare Brutto­
geschossfläche hinaus, ist m.E. mit Blick
auf Art. 3 Abs. 1 ZwVO nicht zulässig.
Unzulässig wäre es auch, eine am
11. März 2012 als Erstwohnung benutzte Wohnung über die vorbestandene anrechenbare Bruttogeschossfläche hinaus zu erweitern und diese
erweiterte Wohnung dann gestützt auf
Art. 3 Abs.1 ZwVO in eine Zweitwohnung umzuwandeln. Eine am 11. März
2012 vorbestandene, nach diesem Datum aber baulich erweiterte Erstwohnung kann somit nur noch in eine
Zweitwohnung umgenutzt werden, sofern vorgängig ein Rückbau auf die am
11. März 2012 vorbestandene, anrechenbare Bruttogeschossfläche erfolgt.
93
94
VI. Sonderregelung für Zweitwohnungen in landschaftsprägenden
Bauten (Art. 5 und 7 ZwVO)
Für Rustici und Maiensässbauten ausserhalb der Bauzonen erlaubte die
Raumplanungsverordnung bisher ausnahmsweise eine Umnutzung unter
strengen Voraussetzungen.94 Mit der
Ermöglichung solcher Umnutzungen,
und damit dem Erhalt solcher Bauten,
soll der Charakter besonderer, schützenswerter Kulturlandschaften ermöglicht werden. Angesichts der
SJZ 109 (2013) Nr. 5 97
Stossrichtung der Initiative, die landschaftliche Schönheit zu erhalten, ist
es konsequent, solche Umnutzungen
unter den strengen Voraussetzungen
der RPV auch weiterhin zuzulassen.95
Wie der Erläuternde Bericht richtigerweise festhält, macht eine solche Ausnahme jedoch nur Sinn, wenn mit der
Bewilligung diese landschaftliche Bereicherung auch langfristig erhalten
bleibt.96 Dies soll damit erreicht werden, dass Bewilligungen nach Art. 39
Abs. 2 RPV künftig nur noch unter der
auflösenden Bedingung erteilt werden können, dass die Schutzwürdigkeit gegeben ist.97 Die Kantone werden im Weiteren verpflichtet,98 mit
einer kantonalen Behörde dafür zu
sorgen, dass bei Wegfall der Schutzwürdigkeit der Baute die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes
verfügt und vollzogen wird.
VII.Anmerkung im Grundbuch und
Eröffnung (Art. 6 ZwVO)
Seit dem 1. Januar 2013 müssen Baubewilligungsbehörden in Zweitwohnungsgemeinden in der Baubewilligung
festlegen, ob es sich bei der bewilligten
Wohnung um eine «Erstwohnung»
nach Art. 4 lit. a ZwVO oder um eine
«qualifiziert touristisch bewirtschaftete Wohnung» gemäss Art. 4 lit. b
ZwVO handelt.99 Diese Nutzungs­
beschränkung ist basierend auf der in
der Bewilligung enthaltenen Anweisung der Baubewilligungsbehörde auf
dem Grundbuchblatt des betroffenen
Grundstücks anzumerken.100 Der Anmerkung kommt aber keine kon­
s­
titutive Wirkung zu. Die Nutzungsbeschränkung gilt unabhängig von der
Anmerkung101 und ergibt sich bereits
aus Art. 75b Abs. 1 BV und seit dem
1. Januar 2013 auch aus Art. 197 Ziff. 9
Abs. 2 BV.102
98 SJZ 109 (2013) Nr. 5
A. Anmerkung bei gemischtgenutzten Bauten
Betrifft eine Baubewilligung ein Gebäude, in dem sowohl Erstwohnungen
wie auch qualifiziert touristisch bewirtschaftete Wohnungen erstellt
werden sollen,103 so ist in der Bewilligung für jede Wohnung die Nutzung
individuell festzulegen, und die Anmerkung muss sich auf jede einzelne
Wohnung beziehen.
B. Anmerkungen bei Umbauten?
Auch wenn durch den Umbau einer
Wohnung oder eines Hauses eine neue
Wohnung geschaffen wird, hat die
Baubewilligungsbehörde in der Bewilligung eines solchen Umbaus das
Grundbuchamt zur Anmerkung gemäss Art. 6 Abs. 2 ZwVO anzuweisen.
C. Unvollständigkeit der Regelung
Fraglich ist, wie mit Wohnungen umzugehen ist, für deren Erstellung zwischen dem 11. März und 31. Dezember
2012 eine Baubewilligung erteilt
wurde. Bei der Erteilung solcher Baubewilligungen galt die Regelung von
Art. 6 ZwVO noch nicht, weshalb die
Grundbuchämter i.d.R. wohl auch
nicht zur Anmerkung angewiesen
wurden.
Da sich die Nutzungsbeschränkung
wie erwähnt bereits aus Art. 75b Abs. 1
BV ergibt, können Wohnungen in Zweitwohnungsgemeinden, deren Bau zwischen dem 11. März und 31. Dezember
2012 bewilligt wurde, nur als Erstwohnungen genutzt werden. Da ein Eigentümer, der in dieser Periode eine Baubewilligung erhalten hat, nicht schlechter
zu stellen ist wie wenn er diese erst ab
1. Januar 2013 erhalten hätte, muss es
ihm in Analogie zu Art. 4 lit. b Ziff. 1
möglich sein, nachzuweisen, dass die in
dieser Periode bewilligten Wohnungen
qualifiziert touristisch bewirtschaftet
Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung
sind. Unzulässig ist es aber, Wohnungen,
die in dieser Periode erstellt wurden, als
(nicht qualifiziert touristisch bewirtschaftete) Zweitwohnungen zu nutzen
und diese Nutzungsart anmerken zu
lassen.
D.Eröffnung
Baubewilligungsbehörden, die Baubewilligungen für qualifiziert touristisch bewirtschaftete Zweitwohnungen (gestützt auf Art. 3 Abs. 3 und
Art. 4 lit. b ZwVO) oder gestützt auf
die Sonderregelung von Art. 8 Abs. 1
ZwVO erteilen, müssen diese dem ARE
eröffnen.104
keit dieser Bestimmung darf mit Fug
gezweifelt werden.
Um von der Regelung von Art. 8
Abs. 1 ZwVO zu profitieren, müsse ein
Sondernutzungsplan am 11. März 2012
nicht bereits rechtskräftig gewesen sein.
Es genüge, dass die Genehmigung vor
dem 11. März 2012 erteilt worden
war.108 Damit wollte man wohl insbesondere auf das Grossüberbauungsprojekt Aminona in Mollens/VS, Rücksicht
nehmen. Der Quartierplan «AminonaOst» war zum Zeitpunkt der Annahme
der Initiative zwar bereits genehmigt,
jedoch noch Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens.109
B. Nichtigkeit von Baubewilligungen ab 1. Januar 2013 (Abs. 2)
VIII. Übergangsrecht (Art. 8 ZwVO)
A.
Baubewilligungen basierend
auf projektbezogenem Sondernutzungsplan (Abs. 1)
Art. 8 Abs. 1 ZwVO enthält eine Sonderregelung für Baubewilligungen für
Zweitwohnungen, die gestützt auf einen projektbezogenen Sondernutzungsplan erteilt werden. Danach sind
Baubewilligungen für Zweitwohnungen nach bisherigem Recht möglich,
wenn der Sondernutzungsplan vor
dem 11. März 2012 genehmigt wurde105
und darin die wesentlichen Elemente
der Baubewilligung betreffend Lage,
Stellung, Grösse und Gestaltung der
Bauten und Anlagen sowie deren
Nutzungsart und Nutzungsmass geregelt sind.106 Mit dieser Übergangsbestimmung wurde wohl beabsichtigt,
den Weiterbau von bereits im Grundsatz genehmigten Grossprojekten in
Mollens/VS (Aminona) und Andermatt
zu ermöglichen. Sie wird daher auch
oft als «Lex Andermatt» bezeichnet.107
Begründet wird diese Ausnahmeregelung letztlich mit dem Vertrauensschutz107. An der Verfassungsmässig-
Art. 8 Abs. 2 ZwVO wiederholt die
­bereits in der Übergangsbestimmung
in der Verfassung festgehaltene Re­
gelung110, wonach zwischen dem
1. Januar 2013 und dem Inkrafttreten
der Ausführungsbestimmungen keine
Baubewilligungen für Zweitwohnungen erteilt werden können. Vorbehalten bleibt die Erteilung von Baubewilligungen nach Art. 3 Abs. 3 und 4 lit. b
sowie nach Art. 8 Abs. 1 ZwVO.111
Z.B. eine Bewilligung nach Art. 4 lit. b Ziff. 2
ZwVO
104
Art. 6 Abs. 3 ZwVO.
105
Art. 8 Abs. 1 lit. a ZwVO. Entscheidend soll
sein, dass die Genehmigung vor Annahme
der Initiative erteilt wurde: EB (Fn. 10) 17.
106
Art. 8 Abs. 1 lit. b ZwVO.
107
Vgl. dazu im einzelnen EB (Fn. 10) 16 f.
108
EB (Fn. 10) Art. 8 Abs. 1, 17.
109
Die Beschwerde wurde erst am 3. Juli 2012
vom Bundesgericht letztinstanzlich abgewiesen (BGer, 1C_393/2011).
110
Vgl. Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV.
111
Art. 8 Abs. 2 ZwVO.
103
Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung
IX.Schlussbemerkung
Art. 75b BV mag mit seiner 20%-Regelung starr wirken und teilweise
Vgl. z.B. den im Lichte von Abs. 1 unnötigen
Abs. 2 von Art. 3 ZwVO oder die in Art. 6
ZwVO fehlende Regelung betreffend Klassifizierung von seit Annahme der Initiative
erstellten Wohnungen als Erst- oder Zweitwohnung, so Letztere überhaupt zulässig
sind, was hier verneint wird.
113
Art. 190 BV.
112
auch unerwünschte Auswirkungen
haben. Wenn mit Annahme der Initiative das Pendel in die eine Richtung
ausschlug, so schlägt es mit der Verordnung in die andere Richtung aus.
Auf Druck betroffener Kreise und Regionen wurden mit der Verordnung
zahlreiche Ausnahmen von der klaren
Regelung von Art. 75b BV geschaffen,
was sie in einigen zentralen Punkten
verfassungswidrig macht. Die unter
grossem Zeitdruck entstandene Ver-
SJZ 109 (2013) Nr. 5 99
ordnung weist auch diverse Un­
gereimtheiten auf.112 Es ist daher
wünschenswert, dass ein Ausführungsgesetz möglichst rasch Klarheit
schaffen wird. Dieses wird auch allfällige, teilweise durchaus wünschenswerte Ausnahmen von der strikten
20%-Regelung vorsehen können.113