Die Zweitwohnungsverordnung
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Die Zweitwohnungsverordnung
Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung SJZ 109 (2013) Nr. 5 89 Die Zweitwohnungsverordnung Eine Übersicht mit ausgewählten Schwerpunkten Dr. iur. Emanuel Dettwiler, Rechtsanwalt, LL.M. (Zürich) I.Einleitung Am 11. März 2012 wurde die Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!» (Initiative) durch Volk und Stände angenommen.1 Kurz danach setzte der Bundesrat eine unter der Leitung des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) stehende Arbeitsgruppe ein, um die mit Annahme der Initiative entstandenen offenen Fragen zu beantworten.2 Die Arbeitsgruppe, die sich im Wesentlichen aus Vertretern des Initiativkomitees, Interessenvertretern und Vertretern diverser Bundesbehörden zusammensetzt,3 verabschiedete bereits gegen Ende Mai 2012 den Verordnungsentwurf zur konferenziellen Anhörung.4 Am 22. August 2012 verabschiedete der AS 2012 3627. Vgl. Medienmitteilung (MM) des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) vom 15. März 2012. 3 Vgl. MM ARE vom 15. März 2012. 4 Vgl. MM ARE vom 24. Mai 2012. 5 Vgl. MM des Bundesrats vom 22. August 2012. 6 So auch Art. 15 Abs. 3 BPR. 7 Art. 8 Abs. 1 und 2 PublG. 8 Vgl. Botschaft vom 22. Oktober 2003 zum Publikationsgesetz, BBl 2003 7729. 9 Dieter Biedermann, St. Galler Kommentar zu Art. 195 N 7. 1 2 Bundesrat die Zweitwohnungsverordnung (Verordnung) und setzte sie per 1. Januar 2013 in Kraft.5 Die folgenden Ausführungen sollen eine Übersicht über die Verordnung geben. Einleitend wird die Frage der (direkten) Wirkung des Zweitwohnungsartikels sowie dessen Verhältnis zur Verordnung beleuchtet. A. Wirkung der Annahme der Zweitwohnungsinitiative Mit Annahme der Initiative stellte sich die zentrale Frage, ob und gegebenenfalls wo und bis wann Zweitwohnungen noch bewilligt und gebaut werden können. Gemäss Art. 195 BV entfaltet eine Verfassungsänderung Rechtskraft ab dem Tag, an dem sie von Volk und Ständen angenommen wird.6 Während Erlasse des Bundes in der Regel erst am Tag nach deren Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Bundesrechts ihre Rechtskraft entfalten,7 findet diese Bestimmung auf Verfassungsänderungen keine Anwendung.8 Soweit die neuen Verfassungsnormen direkt anwendbar sind, entfalten sie daher ihre Rechtswirkung unmittelbar.9 Anlass zu Diskussionen über die direkte Anwendbarkeit hat insbesondere Art. 75b Abs. 1 BV gegeben. Dieser hält fest, dass der Anteil von Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde auf höchstens 20 Prozent beschränkt ist. Nach richtiger Ansicht ist Art. 75b Der Autor stellt die am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Zweitwohnungsverordnung vor und nimmt Stellung zu Fragen be züglich des räumlichen und zeitlichen Geltungsbereichs, der Definition «Zweit wohnung» und der Zulässigkeit einer Um nutzung bestehender Wohnungen und Hotelbetriebe. Er zeigt auf, dass der Bau neuer Zweitwohnungen zulässig bleibt, so fern sie touristisch qualifiziert genutzt wer den. Nicht anwendbar ist die Verordnung auf ausserhalb der Bauzone errichtete Bau ten. Behandelt wird auch das Übergangs recht, welches den Bau von Zweitwohnun gen erlaubt, die auf einem vor dem 11. März 2012 bewilligten, projektbezogenen Sondernutzungsplan basieren. Der Autor plädiert für ein Ausführungsgesetz, das Un gereimtheiten der Verordnung klären soll. Zi. L’auteur présente l’ordonnance sur les résidences secondaires, entrée en vigueur au 1er janvier 2013. Il se prononce sur le champ d’application temporel et local, sur la définition de la notion de « résidence secondaire » et sur l’admissibilité du changement d’affectation de résidences ou d’établissements hôteliers existants. Il démontre que la construction de nouvelles résidences secondaires reste possible pour autant qu’elles permettent un usage touristique qualifié. En outre, l’ordonnance ne s’applique pas aux constructions érigées en dehors des zones à bâtir. L’auteur traite aussi du droit transitoire, qui permet de construire des résidences secondaires qui se fondent sur un plan d’affectation spécial lié à un projet, autorisé avant le 11 mars 2012. L’auteur plaide pour une loi d’application qui clarifierait les incohérences de l’ordonnance. P.P. 90 SJZ 109 (2013) Nr. 5 Abs. 1 BV direkt anwendbar10 und bedarf keiner Ausführungsbestimmungen auf Gesetzesstufe.11 Der direkten Anwendbarkeit tut auch der gewisse Spielraum bei der Auslegung des Begriffs der Zweitwohnung keinen Abbruch.12 Die Erteilung von Baubewilligungen für Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20% ist somit seit dem 11. März 2012 verfassungswidrig.13 Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist es jedoch gerechtfertigt, zum Zeitpunkt der Annahme der Initiative bereits eingereichte Baugesuche noch zu bewilligen.14 Gemäss Bundesgericht ist nämlich bei der (bundesgerichtlichen) Prüfung eines Bauvorhabens in der Regel vom Rechtszustand auszugehen, der im Zeitpunkt der Baubewilligung galt, es sei denn, es bestünden zwingende Gründe für die sofortige Anwendung neuen Rechts.15 Dass die Bewilligung von Zweitwohnungen seit dem 11. März 2012 nicht mehr zulässig ist, ergibt sich bereits aus dem bis zur Annahme der Initiative einhelligen Verständnis von Befürwortern wie Gegnern,16 dass die Annahme der Initiative zu einem umgehenden Baustopp führen würde. Die Bemühungen, im Nachhinein mit teilweise weit hergeholten Argumenten die direkte Anwendbarkeit zu verneinen, befremden.17 An der direkten Anwendbarkeit von Art. 75b Abs. 1 BV ändert auch die (eher unglücklich formulierte) Übergangsbestimmung zu diesem Artikel nichts. Gemäss Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV sind Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die ab dem 1. Januar 2013 erteilt werden, nichtig. Der Umkehrschluss, dass Baubewilligungen noch bis am 31. Dezember 2012 gültig erteilt werden konnten, den gewisse Autoren18 aus dieser Vorschrift ziehen, ist unzulässig.19 Das argumentum e contrario als Auslegungsregel verlangt ein qualifiziertes Schweigen des Erlasses,20 und an diesem Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung gebricht es vorliegend. Die Übergangsbestimmung muss im Zusammenhang mit Art. 75b Abs. 1 BV gesehen werden, und letztere Norm hält in aller Deutlichkeit fest, dass der Bau von Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20% nicht erlaubt ist. Damit fehlt es am für einen Umkehrschluss notwendigen qualifizierten Schweigen. Unzulässig ist der Umkehrschluss im Übrigen auch, weil die fehlende Nichtigkeit einer Baubewilligung nicht automatisch bedeutet, dass die Baubewilligung rechtens erteilt wurde. Eine fehlerhafte Verfügung kann bekanntlich nebst nichtig auch anfechtbar oder widerrufbar Ebenso ARE, Erläuternder Bericht zur Verordnung über Zweitwohnungen vom 17. August 2012 (EB), 17; Arnold Marti, Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative – ungelöste Rätsel und des Pudels Kern, ZBl 113 2012 281. A.M. Fabian Mösching, Ab welchem Zeitpunkt ist die Zweitwohnungsinitiative anwendbar?, Jusletter 10. Dezember 2012, N 9 ff.; Bernhard Waldmann, Die Zweitwohnungsverordnung, Jusletter 10. Dezember 2012, N 22 f. Die kantonalen Gerichte haben die direkte Anwendbarkeit bisher ebenfalls verneint (vgl. etwa VGer GR Urteil R12 111, E. 3.). 11 Art. 75b Abs. 1 BV ist somit auch direkt anwendbar (und wirkt beschränkend), wenn die 20-Prozent-Schwelle nur in Bezug auf die Bruttogeschossfläche (nicht aber in Bezug auf den Gesamtbestand) überschritten wird (in diesem Sinne auch EB, Fn. 10, 17 f.). 12 EB (Fn. 10) 18; a.M. Mösching, (Fn. 10) N 20 ff. 13 So ist wohl auch EB (Fn. 10) 10 zu verstehen, wonach in Gemeinden mit einem Anteil von mehr als 20% Zweitwohnungen nur noch Erstwohnungen bewilligt werden können. 14 Vgl. Marti (Fn. 10) 282. 15 BGer, 14.12.2012, 1C_159/2012 m.w.H. Das Bundesgericht hielt in E. 6.2 denn auch fest, dass Art. 75b BV auf Bauvorhaben, die vor dessen Annahme aufgelegt wurden und auch kantonal letztinstanzlich vor dem 10 11. März 2012 beurteilt wurden, nicht anwendbar ist. Offen lässt das Bundesgericht, ob sich daraus der Umkehrschluss ziehen lässt, dass Art. 75b BV auf nach dessen Annahme aufgelegte und/oder kantonal letztinstanzlich beurteilte Bauvorhaben anwendbar ist, wie hier vertreten wird. 16 Vgl. z.B.: Argumentarium des Bundesrates im Abstimmungsbüchlein zur Volksabstimmung vom 11. März 2012: «Die Beschränkung der Zweitwohnungen auf einen fixen Anteil von 20 Prozent aller Wohnungen würde in zahlreichen Gemeinden zu einem abrupten Baustopp führen.» Der sofortige oder abrupte Baustopp wurde auch andernorts betont: Vgl. statt vieler MM v on economiesuisse vom 24. Februar 2012 (http://www.economiesuisse.ch/de/themen/ wb/wettbewerballg/seiten/_detail.aspx?artI D=Zweitwohnungsinitiative-trifft-strukturschwache-Regionen, zuletzt aufgerufen am 28. Januar 2013); Argumentarium der Initiativgegner vom 20. Januar 2012 im Dossier 08.073 der Bundesversammlung, Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen. Volksinitiative Argumentarien Contra. 17 Vgl. beispielsweise Mösching (Fn. 10) N 22, der den Begriff «Minarett» gestützt auf die Definition im Duden (Minarett ist ein Moscheeturm) für eine direkte Anwenbarkeit von Art. 72 Abs. 3 BV als ausreichend definiert erachtet, eine nähere Umschreibung des Begriffs «Zweitwohnung» auf Gesetzesoder Verordnungsstufe jedoch als umumgängliche Voraussetzung für die direkte Anwendbarkeit von Art. 75b Abs. 1 BV sieht, obwohl der Begriff «Zweitwohnung» im Duden Online (www.duden.de, zuletzt aufgerufen am 28. Januar 2013) ebenso präzise definiert ist («zweite Wohnung [für Wochenenden oder Urlaub»]). Für seine These, Art. 75b Abs. 1 BV brauche zwingend eine Präzisierung, zitiert Mösching auch die Botschaft zur Initiative (BBl 2008 8766, die Botschaft). Allerdings erwähnt gerade diese den Baustopp für Zweitwohnungen als Konsequenz einer Annahme der Initiative gleich mehrfach (BBl 2008 8758, 8764, 8766, 8767). 18 Mösching (Fn. 10) N 24; Alain Griffel zitiert in NZZ vom 19. März 2012; Tobias Jaag, Interview in NZZ vom 4. Mai 2012. 19 Marti (Fn. 10) 282. 20 Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Verwaltungsrecht, 6. A., Zürich 2012, N 222 f. Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung sein,21 wobei die Fehlerhaftigkeit einer Verfügung diese in der Regel nur anfechtbar (und nicht nichtig) macht.22 Da die Erteilung von Baubewilligungen für Zweitwohnungen seit dem 11. März 2012 nicht mehr zulässig ist, die Bundesverfassungsnorm aber erst ab 1. Januar 2013 Nichtigkeit als Rechtsfolge vorsieht, sind Baubewilligungen, die zwischen dem 11. März und 31. Dezember 2012 erteilt wurden, somit zwar nicht nichtig, wegen Verfassungswidrigkeit jedoch anfechtbar.23 B. Verfassungsmässigkeit der Verordnung Der Bundesrat hat die Zweitwohnungsverordnung gestützt auf Art. 182 Abs. 2 Häfelin/Müller/Uhlmann (Fn. 20) N 949. 22 Häfelin /Müller /Uhlmann (Fn. 20) N 951. 23 So auch Marti (Fn. 10) 282. 24 So fälschlicherweise beispielsweise VGer GR, Urteil R12 77 vom 23. Oktober 2012, E. 2.b) und Energiedirektion BE Entscheid RA Nr.110/2012/164 vom 13. November 2012, I. 3. 25 Thomas Sägesser, St. Galler Kommentar zu Art. 182, Rz. 17. A.M. Giovanni Biaggini, BV Kommentar, Zürich 2007, Art. 182 N 5. 26 Ulrich Häfelin/Walter Haller/Helen Keller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. A., Zürich 2012 N 2098. 27 Tobias Jaag, Die Verordnung im schweizerischen Recht, ZBl 112 (2011) 629, 655. 28 MM ARE vom 30. Mai 2012. 29 Vgl. dazu Art. 3 Abs. 1 ZwVO und im einzelnen IV.A.1. 30 MM ARE vom 30. Mai 2012. Dieses Argument überzeugt nicht, da es für einen Grundrechtseingriff kein Gesetz im formellen Sinne braucht: Rainer J. Schweizer, St. Galler Kommentar, Art. 36 BV, N 14. 31 Art. 1 Abs. 1 ZwVO. 32 Vgl. zur Methodik der Erstellung dieser Liste: EB (Fn. 10) 4 f. 33 Art. 1 Abs. 4 ZwVO. 34 EB (Fn. 10) 3. 35 EB (Fn. 10) 17. 36 EB (Fn. 10) 17 f. 21 BV (und nicht gestützt auf die Kompetenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen gemäss Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV)24 erlassen. Art. 182 Abs. 2 BV räumt dem Bundesrat Vollzugskompetenz durch den Erlass von sogenannt selbständigen (d.h. direkt auf die Verfassung gestützten) Verordnungen ein.25 Als Vollziehungsverordnung kann die Zweitwohnungsverordnung grundsätzlich unbeschränkt auf ihre Übereinstimmung mit der Bundesverfassung und den Bundesgesetzen hin überprüft werden.26 Als Bundesverordnung ist sie jedoch der abstrakten Normenkontrolle entzogen und kann nur im Rahmen der akzessorischen Normenkontrolle im konkreten Anwendungsfall überprüft werden.27 Für die folgenden Ausführungen von Relevanz ist somit, dass die Zweitwohnungsverordnung nicht durchsetzbar ist, soweit sie den Verfassungsnormen zur Zweitwohnungsinitiative widerspricht. II. Geltungsbereich (Art. 1 ZwVO) A.Regelungsumfang Die Zweitwohnungsverordnung befasst sich nur mit dem Bau neuer Zweitwohnungen.28 Für Wohnungen, die zum Zeitpunkt der Annahme der Initiative bereits bestanden oder rechtskräftig bewilligt waren, enthält die Verordnung grundsätzlich keine Einschränkungen.29 Begründet wird dies damit, dass Einschränkungen bezüglich vorbestehender Wohnungen einen Eingriff in die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) darstellen würden, was einer gesetzlichen Grundlage bedürfte.30 B. Räumlicher Geltungsbereich 1. Vermutete Zweitwohnungsquote Die Zweitwohnungsverordnung gilt nur für Gemeinden, die gemessen am SJZ 109 (2013) Nr. 5 91 Gesamtbestand der Wohnungen einen Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent aufweisen.31 Die Verordnung statuiert für 573 Gemeinden, welche im Anhang zur Verordnung aufgelistet sind,32 die Vermutung, dass sie diesen Zweitwohnungsanteil übersteigen. Der Anhang ist mindestens jährlich vom ARE zu aktualisieren.33 Während Art. 75b Abs. 1 BV die 20%-Beschränkung des Zweitwohnungsanteils auf den Gesamtbestand sowohl der Wohnungen als auch der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche bezieht, bestimmt sich der Geltungsbereich der Verordnung lediglich basierend auf dem Zweitwohnungsanteil am Gesamtbestand. Dies sei sachgerecht, weil es keine schweizweit gültige Definition des Begriffs Bruttogeschossfläche gibt, und in der kurzen Zeit, die für den Entwurf der Verordnung blieb, eine Erhebung der Bruttogeschossflächen nicht als praxistauglich angeschaut wurde.34 Trotz der Verordnung, die auf das Kriterium der Bruttogeschossfläche verzichtet, bleibt Art. 75b Abs. 1 BV, und damit auch die 20%-Beschränkung bezüglich der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde direkt anwendbar, auch ohne Erlass des in Artikel 75b Abs. 2 BV vorgesehenen Ausführungsgesetzes.35 «Die 20 Prozent-Quote ist erreicht bzw. überschritten, wenn sie auch nur für den einen der beiden Parameter, nämlich den Gesamtbestand der Wohneinheiten, erfüllt ist.»36 2. Möglichkeit zur Widerlegung der Vermutung Jeder Gemeinde steht es frei, die Vermutung, eine Zweitwohnungsgemeinde zu sein, durch den Nachweis zu widerlegen, dass ihr Zweitwohnungsanteil 20 Prozent nicht über- 92 SJZ 109 (2013) Nr. 5 schreitet.37 M.E. kann der Nachweis nebst der Gemeinde auch durch einen in seinen Interessen direkt betroffenen Baugesuchsteller erbracht werden. Der Nachweis hat gegenüber dem ARE bzw. der zuständigen Baubewilligungsbehörde zu erfolgen.38 Nach Vorliegen einer Bestätigung durch das ARE, dass der Nachweis rechtsgenügend erbracht wurde, muss es (wieder) möglich sein, in der entsprechenden Gemeinde bis zur Ausschöpfung der 20%-Quote Zweitwohnungen zu erstellen.39 Die Aktualisierung des Anhangs muss nicht abgewartet werden, da dem Anhang nur deklaratorischer Vermutungscharakter zukommt. Wird eine Gemeinde aufgrund ihres erfolgreichen Nachweises von der Liste gestrichen und können somit in der entsprechenden Gemeinde wieder Zweitwohnungen bewilligt werden, so muss dies solange möglich sein, bis die Liste gegebenenfalls aufgrund der jährlich vom ARE vorzunehmenden Überprüfung und Anpassung der Liste wieder ändert. C. Zeitlicher Geltungsbereich (Art. 9) Die Verordnung ist seit dem 1. Januar 2013 in Kraft40 und gilt, bis die Ausführungsgesetzgebung zu Art. 75b BV in Kraft treten wird,41 soweit diese erforderlich ist.42 III. Definition von «Zweitwohnung» (Art. 2 ZwVO) Auch wenn ein gewisser Spielraum bei der Auslegung des Begriffs Zweitwohnung die direkte Anwendbarkeit von Art. 75b BV nicht hindert, erscheint es sinnvoll, den Begriff in einem Erlass zu definieren, um eine einheitliche Auslegung sicherzustellen. Diesem Bedürfnis kommt die Verordnung in Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung Art. 2 ZwVO nach. Danach gilt als Zweitwohnung jede Wohnung, die nicht dauerhaft genutzt wird, und zwar entweder durch Personen mit Wohnsitz in der Gemeinde43 oder durch Personen zu Erwerbs- oder Ausbildungszwecken.44 Diese relativ weite Definition45 erfasst auch Zweitwohnungen, die nach der Hauptstossrichtung der Initiative, die Vermeidung von kalten Betten, eigentlich nicht als Zweitwohnungen zu betrachten sind. Art. 4 ZwVO gibt hierzu Gegensteuer, indem Wohnungen, die zwar nicht als Erstwohnungen zu betrachten sind, aber auch nicht die typischerweise mit Zweitwohnungen verbundenen negativen Auswirkungen, insbesondere die kalten Betten, zeitigen, vom Verbot des Zweitwohnungsbaus ausgenommen werden.46 A. Dauernde Nutzung durch Personen mit Wohnsitz in der Gemeinde Entscheidend für die Definition der dauernden Nutzung durch Personen mit Wohnsitz in der Gemeinde ist der zivilrechtliche Wohnsitz gemäss Art. 23 ZGB. Dieser liegt am Ort, an dem sich eine Person mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält, d.h. wo sie ihren Lebensmittelpunkt hat.47 Das ist in der Regel der Ort, wo man nächtigt, die Freizeit verbringt und die persönlichen Effekten hat.48 B. Dauernde Nutzung durch Personen zu Erwerbs- oder Ausbildungs-zwecken Eine Wohnung gilt auch dann nicht als Zweitwohnung, wenn sie dauerhaft durch Personen genutzt wird, die zwar keinen Wohnsitz in der Gemeinde haben, sich aber zu Erwerbsoder Ausbildungszwecken in der entsprechenden Gemeinde aufhalten. Hierbei dürfte es sich in erster Linie um saisonal eingesetzte Arbeitskräfte und Wochenaufenthalter handeln. C. Der Begriff «Wohnung» Art. 75b BV bezieht den Zweitwohnungsanteil auf den Gesamtbestand der «Wohneinheiten». Dieser Begriff könne gemäss ARE zu Missverständnissen führen. Daher wurde in der Verordnung der Begriff «Wohnung» gewählt, bei dem es sich um einen in der Statistik fachlich definierten Begriff handelt.49 Gemäss dem vom Bundesamt für Statistik BFS zum eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregister (GWR) herausgege benen Merkmalskatalog ist unter Wohnung «die Gesamtheit der Räume zu verstehen, die eine bauliche Einheit bilden und einen eigenen Zugang entweder von aussen oder von einem gemeinsamen Bereich innerhalb des Gebäudes (Treppenhaus) haben. […] Ein Einfamilienhaus besteht im GWR Art. 1 Abs. 3 ZwVO. Dabei finden die üblichen Massstäbe der Beweiswürdigung Anwendung. 38 EB (Fn. 10) 5. 39 Dies muss m.E. unabhängig davon gelten, ob der Nachweis durch eine betroffene Gemeinde oder einen individuellen Baugesuchsteller erbracht wurde. 40 Art. 9 Abs. 1 ZwVO. 41 Art. 9 Abs. 2 ZwVO. 42 Vgl. zur direkten Anwendbarkeit von Art. 75b Abs. 1 BV oben I.A. 43 Art. 2 lit. a ZwVO. 44 Art. 2 lit. b ZwVO. 45 So der Erläuternde Bericht, 6. 46 Siehe unten V. 47 BSK I ZGB-Staehelin, Art. 23 N 5. 48 BSK I ZGB-Staehelin, Art. 23 N 6. 49 EB (Fn. 10) 3; vgl. auch Merkmalskatalog des Eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregisters, Version 3.5, Neuenburg, 2009 50. Auf S. 83 des Merkmalskatalogs wird unter dem Stichwort «Wohneinheit» auf «Wohnung» verwiesen. 37 Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung aus einer Wohnung; Einfamilienhäuser mit Einliegerwohnungen u.dgl. werden als Mehrfamilienhäuser er 52 53 Merkmalskatalog des GWR (Fn. 49) 50. EB (Fn. 10) 3, Fn. 2. Art. 3 Abs. 1 ZwVO. Für die Festlegung des Zweitwohnungsanteils stützt sich die Verordnung auf statistische Daten, die auf der effektiven Nutzung jeder individuellen Wohnung als Erst- oder Zweitwohnung beruhen. Diese Daten könnten auch zur Festlegung, ob es sich bei einer bestehenden Wohnung um eine Erst- oder Zweitwohnung handelt, herangezogen werden. 54 EB (Fn. 10) 7. 55 Möglich wäre eine solche Regelung auf Gesetzesstufe: Art. 190 BV. 56 Dass die Annahme der Initiative zu einem Umnutzungsverbot führen würde, wurde bereits früh erkannt. So heisst es in der Botschaft (8767): «Bei den bestehenden Erstwohnungen würde die Perspektive wegfallen, diese einmal in lukrativere Zweitwohnungen umnutzen zu können.» Und die im Auftrag des ARE erstellte Studie Ursula Rütter-Fischbacher/Heinz Rütter/Armida Wegmann, Wirkung der Eidgenössischen Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!», Rüschlikon 2008, 66, hält fest: «Umnutzungen von bestehenden Erstwohnungen, […], sind nicht möglich, da sich bei einer Umnutzung das Verhältnis von Erst- zu Zweitwohnungen zugunsten der Zweitwohnungen verändern würde, was die Initiative untersagt.» 57 So auch Presse- und Informationsdienst des Generalsekretariats UVEK, Argumentarium Eidgenössische Volksabstimmung vom 11. März 2012, 3: «Wo diese Schwelle [von höchstens 20 Prozent am gesamten Wohnungsbestand] bereits erreicht ist, wären keine neuen Zweitwohnungen mehr zulässig.» 58 EB (Fn. 10) 7: «In Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von bereits über 20 Prozent ist die Umnutzung von Erst- in Zweitwohnungen mit Blick auf den Wortlaut von Artikel 75b Absatz 1 BV nicht unproblematisch, da in solchen Gemeinden grundsätzlich jede zusätzliche Zweitwohnung weiter weg von der verfassungsrechtlich zulässigen Quote führt.» 59 EB (Fn. 10) 7. fasst.»50 Mitgezählt wird jede Wohnung, unabhängig davon, ob sie für Privat- oder Kollektivhaushalte bestimmt ist.51 50 51 IV. Umnutzung bestehender Wohnungen und von Hotelbetrieben (Art. 3 ZwVO) A. Grundregel zur Umnutzung (Art. 3 Abs. 1 ZwVO) 1.Grundsätzliches Wohnungen, die am 11. März 2012 bereits bestanden oder rechtskräftig bewilligt waren, können gemäss Verordnung im Rahmen der vorbestandenen, anrechenbaren Bruttogeschossfläche und unter Vorbehalt bestehender Nutzungseinschränkungen von Erst- in Zweit- und von Zweit- in Erstwohnungen umgenutzt werden.52 Begründet wird diese Regelung mit der angeblichen Schwierigkeit, festzustellen, welche Wohnung bereits am 11. März 2012 als Zweitwohnung genutzt wurde, und dies obwohl die für diese Feststellung erforderlichen Daten offensichtlich zur Verfügung stehen.53 Als weitere Begründung wird die Befürchtung angeführt, in strukturschwachen Gebieten könnten gewisse Erstwohnungen nicht als solche verkauft oder vermietet werden.54 Eine für Betroffene unerwünschte Auswirkung einer Verfassungsbestimmung wie auch die angebliche Schwierigkeit, die Nutzung der bestehenden Wohnungen festzustellen, können jedoch kein rechtsgenügender Grund sein, auf Verordnungsstufe55 eine Regelung einzuführen, die im Widerspruch zur Verfassungsbestimmung56 steht. Die Umnutzung einer Erst- in eine Zweitwohnung erhöht nämlich den Anteil an Zweitwohnungen, was aufgrund der Beschränkung des SJZ 109 (2013) Nr. 5 93 Zweitwohnungs anteils auf 20% in Zweitwohnungsgemeinden seit dem 11. März 2012 unzulässig ist.57 An der Verfassungswidrigkeit vermag auch der Vorbehalt des Missbrauchs der Umnutzung von Art. 3 Abs. 4 ZwVO nichts ändern, wonach eine Umnutzung insbesondere unzulässig ist, wenn sie den Neubau einer Erstwohnung zur Folge hat. Art. 75b Abs. 1 BV beschränkt nicht den Bau neuer Zweitwohnungen, sondern den Anteil von Zweitwohnungen am Gesamtbestand, und dieser erhöht sich auch durch Umnutzung von Erst- in Zweitwohnungen. Abgesehen davon dürfte das Missbrauchsverbot in der Praxis auch zahnlos bleiben, da zum einen die Überwachung schwierig ist, und zum anderen die lokalen Behörden ein beschränktes Interesse an der strikten Umsetzung der Missbrauchsregelung haben. Die Problematik der grosszügigen Umnutzungsregelung wird denn auch im Erläuternden Bericht anerkannt.58 Fragwürdig ist die Umnutzungsmöglichkeit, weil voraussehbar ist, dass sie den Druck zur Umnutzung von Erstwohnungen in Zweitwohnungen erhöhen wird59, mit entsprechend negativen Auswirkungen für die in der Gemeinde wohnhafte Bevölkerung und saisonalen Arbeitskräfte (insb. Erhöhung der Wohnkosten). Die weiteren Ausführungen stehen daher unter dem Vorbehalt der Verfassungswidrigkeit von Art. 3 Abs. 1 ZwVO. 2. Vorbehalt bestehender Nutzungseinschränkungen Der Grund dafür, dass die Verordnung die Umnutzung unter den Vorbehalt bestehender Nutzungseinschränkungen stellt, liegt im erwähnten Druck zur Umnutzung von Erstwohnungen in Zweitwohnungen. Aufgrund dieses 94 SJZ 109 (2013) Nr. 5 schon länger bestehenden Drucks hatten verschiedenen Gemeinden bereits vor Annahme der Initiative kommunale Vorschriften erlassen60, und diese kommunalen und allfällige kantonale Vorschriften sollen nebst den bundesrechtlichen Zweitwohnungsregelungen weiterhin Geltung haben. Unverständlich bleibt, weshalb die Verordnung in verfassungswidriger Manier Umnutzungen überhaupt im Grundsatz zulässt. Ohne diese Regelung wäre der Vorbehalt nämlich entbehrlich. B. Ausgewählte Rechtfertigungsgründe für die Umnutzung (Art. 3 Abs. 2 ZwVO) Nebst dem (nach hier vertretener Auffassung verfassungswidrigen) Grundsatz von Art. 3 Abs. 1 ZwVO, dass sämtliche am 11. März 2012 bereits bestandene oder rechtskräftig bewilligte Wohnungen von Erst- in Zweitwohnungen und umgekehrt umgenutzt werden können, werden in Art. 3 Abs. 2 ZwVO beispielhaft einige Situationen erwähnt, die zur Umnutzung führen können. Irreführend ist, dass die Situationen in Art. 3 Abs. 2 ZwVO als Rechtfertigungsgründe bezeichnet werden, da es aufgrund von Abs. 1 für eine Umnutzung gar keine Rechtfertigung braucht. Eine Umnutzung ist gemäss Art. 3 Abs. 2 ZwVO zum einen gerechtfertigt, wenn sie entweder im Zusammenhang mit einer Erbschaft, einem Wohnsitzwechsel oder einer Änderung des Zivilstandes erfolgt,61 oder zum anderen der Erhaltung des Ortskerns dient.62 C. Die Umnutzung von Hotelbetrieben (Art. 3 Abs. 3 ZwVO) 1. Die Umnutzung unter den Voraussetzungen von Art. 4 ZwVO Die Zweitwohnungsverordnung lässt im weiteren die Umnutzung von Ho- Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung telbetrieben zu, welche am 11. März 2012 bereits Bestand hatten. Dies gilt allerdings nur unter den Voraussetzungen von Art. 4 ZwVO,63 d.h., wenn sie danach entweder als Erstwohnungen genutzt werden64 oder wenn sie nicht individuell ausgestaltet sind sowie dauerhaft und ausschliesslich zur kurzzeitigen Nutzung durch Gäste zu marktüblichen Bedingungen angeboten werden.65 Die Verfassungsbestimmung steht dieser Regelung m.E. nicht entgegen, da auch der Bau neuer Wohnungen in den Schranken von Art. 4 ZwVO grundsätzlich verfassungskonform ist.66 2. Die ausnahmsweise Umnutzung ohne Einhaltung der Voraussetzungen von Art. 4 ZwVO Äusserst problematisch ist aber die weitere in der Verordnung vorgesehene Umnutzung von Hotels in nicht «qualifiziert touristisch bewirtschaftete Zweitwohnungen».67 Diese systemfremde und sachwidrige Ausnahme führt zu einer Erhöhung des Zweitwohnungsanteils und hält daher selbst einer grosszügigen Auslegung von Art. 75b BV nicht stand.68 Begründet wird diese Ausnahme entsprechend auch nicht mit dem Sinn und Zweck der Verfassungsbestimmung, sondern mit deren angeblicher tourismus- und wirtschaftspolitischen Wichtigkeit,69 da sie den Marktaustritt nicht mehr rentabler Hotelbetriebe und einen erwünschten und sinnvollen Strukturwandel in der Hotellerie sicherstelle. Unersichtlich ist, wieso es für den Marktaustritt von Hotels dieser Ausnahmebestimmung bedarf. Marktmechanismen dürften hierzu genügen. Tatsächlich fördert diese verfassungswidrige Ausnahme denn auch nicht den Strukturwandel, sondern dient – im Gegenteil – dem Ver- such der Strukturerhaltung (mittels Quersubventionierung von Hotelbetrieben durch den Verkauf von Zweitwohnungen).70 Missbräuchliche Umnutzungen von Hotels in nicht qualifiziert touristisch bewirtschaftete Zweitwohnungen sollen insbesondere dadurch verhindert werden, dass das Hotel mindestens 25 Jahre71 bewirtschaftet worden sein Z.B. Ausscheidung von Hotelzonen, in welchen nur Hotels gebaut werden können in Pontresina, Saanen und Crans Montana oder Erstwohnanteilsregelungen in Astano, Colina d’Oro, Saas Fee, Val d’Illiez, Vaz/ Obervaz (Lenzerheide). 61 Art. 3 Abs. 2 lit. a ZwVO. 62 Art. 3 Abs. 2 lit. b ZwVO. 63 Zu Art. 4 ZwVO siehe im einzelnen unten V. 64 Art. 4 lit. a ZwVO. 65 Art. 4 lit. b ZwVO. 66 Siehe dazu unten V., A. M. Waldmann (Fn. 10) N 30. 67 Dieser Begriff wird in der Verordnung nicht definiert, ist aber identisch zu verstehen wie die «Bewirtschaftung im Rahmen strukturierter Beherbergungsformen» gemäss Art. 4 lit. b Ziff. 1 ZwVO: Vgl. EB (Fn. 10) 12. 68 Siehe auch Bernhard Waldmann, «Zweitwohnungsbegriff führt zu vielen Ausnahmen», NZZ vom 7. September 2012, 23, der meint, der Bundesrat habe sich mit der Zulassung der Umnutzung von bestehenden Hotels in nicht bewirtschaftete Zweitwohnungen zu weit von der Verfassung entfernt. 69 EB (Fn. 10) 9. 70 So letztlich der Erläuternde Bericht (Fn. 10) 9, wonach durch die Umnutzbarkeit von Hotels in Zweitwohnungen «eine Wertverminderung der Hotelimmobilien mit damit zusammenhängenden Folgen auf die Hotelfinanzierung vermieden werden» könne. 71 Gemäss Erläuterndem Bericht (Fn. 10) 9 soll für die Berechnung der Bewirtschaftungsdauer auch die Zeit gezählt werden, in der vorübergehend keine hotelmässige Nutzung stattgefunden habe. Dieses Verständnis lässt sich selbst bei einer grosszügigen Auslegung nicht mit dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 ZwVO in Einklang bringen. Anzurechnen ist richtigerweise nur die Zeit tatsächlicher hotelmässiger Nutzung. 60 Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung muss, und das Gutachten eines unabhängigen Experten bescheinigt, dass der Hotelbetrieb ohne Verschulden des Besitzers72 nicht mehr nachhaltig und wirtschaftlich als Hotel geführt werden kann73. Damit soll verhindert werden, dass der Hotelbetrieb nur durch finanzielle Aushöhlung, etwa durch eine systematische übermässige Entnahme von Geldern, die für ein langfristiges going concern des Hotelbetriebs reinvestiert werden müssten,74 und nicht durch anderweitige, äussere Umstände, in eine Lage gebracht wird, dass er nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann. Nebst diesen Voraussetzungen sind für die Umnutzung gemäss der Ausnahmeregelung von Art. 3 Abs. 3 Art. 3 Abs. 3 Satz 3 ZwVO. Darunter sind m.E. sowohl Hotelbetreiber als auch Hoteleigentümer zu verstehen. Es ist nämlich unerheblich, ob der Hotelbetreiber durch unzureichende Investitionen und zu hohe Gewinnabschöpfung den Hotelbetrieb wirtschaftlich unattraktiv macht oder ob der Hoteleigentümer vom Hotelbetreiber einen übermässigen Pachtzins verlangt, der keinen wirtschaftlichen Hotelbetrieb mehr ermöglicht. 74 Der Erläuternde Bericht, EB (Fn. 10) 9, spricht von Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten. 75 EB (Fn. 10) 9. 76 Vgl. Art. 24 ff. RPG. 77 EB (Fn. 10) 7. 78 Art. 24a Abs. 1 lit. b RPG. 79 Aufgrund der Missbrauchsgefahr dieser Ausnahmebestimmung ist die Einhaltung der Voraussetzungen durch die Gemeindebehörden strikt zu überwachen. 80 Vgl. Art. 4 lit. b ZwVO. Selbstverständlich bleibt auch der Bau neuer Erstwohnungen in einer Zweitwohnungsgemeinde zulässig: Art. 4 lit. a ZwVO. 81 EB (Fn. 10) 11. 82 Art. 4 lit. b Ziff. 1 ZwVO; vgl. dazu nachstehend V.A. 83 Art. 4 lit. b Ziff. 2 ZwVO; vgl. dazu nachstehend V.B. 72 73 ZwVO vor allem auch allfällige weitergehende kommunale und kantonale Vorschriften zu beachten, die der Verhinderung unerwünschter Umnutzung von Hotel betrieben in nicht touristisch bewirtschaftete Zweitwohnungen dienen.75 D. Anwendbarkeit auf bestehende Wohnungen ausserhalb der Bauzone Laut Erläuterndem Bericht bezieht sich Art. 3 ZwVO nur auf die Um nutzungsmöglichkeit von Zweitwohnungen innerhalb der Bauzone. Die Umnutzung bestehender Zweitwohnungen ausserhalb der Bauzone sei bereits heute abschliessend auf Bundesebene im Raumplanungsrecht geregelt76 und richte sich daher stets (und nur) nach diesen spezifischen Regeln.77 Da diese Regeln jedoch unter dem Vorbehalt der Zulässigkeit unter anderen Bundeserlassen stehen78, ist m.E. die Frage der Zulässigkeit einer Umnutzung einer Erst- in eine Zweitwohnung und umgekehrt richtigerweise auch bei Wohnungen ausserhalb der Bauzone nicht nur unter den bestehenden Regeln des RPG, sondern auch unter Berücksichtigung der Verordnung wie auch der künftigen Gesetzgebung zu Art. 75b BV zu prüfen. V. Bau neuer Zweitwohnungen (Art. 4 ZwVO) Nebst der Umnutzung bestehender Erst- in Zweitwohnungen lässt die Verordnung unter bestimmten Voraussetzungen79 auch den Bau neuer Zweitwohnungen zu.80 Einleuchtend begründet wird dies damit, dass die Initiative zwar darauf abzielte, keine weiteren sog. «kalten Betten» in Tourismusdörfern zu schaffen und die SJZ 109 (2013) Nr. 5 95 Entstehung weiterer ausgestorben wirkender Geistersiedlungen zu verhindern, sich aber nicht gegen die Entstehung neuer «warmer Betten» richtete.81 Um sicherzustellen, dass der Bau neuer Zweitwohnungen nicht zu weiteren kalten Betten führt, ist dieser nur unter relativ strengen Voraussetzungen möglich. So darf die neue Zweitwohnung zum einen nicht individuell ausgestaltet und ausschliesslich zur kurzzeitigen Nutzung durch Gäste zu marktüblichen Bedingungen angeboten werden. Zum anderen muss sie entweder im Rahmen strukturierter Beherbergungsformen bewirtschaftet werden,82 oder der Eigentümer der Wohnung muss im selben Haus wohnen.83 Nicht individuell ausgestaltet ist eine Wohnung, wenn sie nicht auf den persönlichen Gebrauch des Eigentümers und dessen individuelle Bedürfnisse zugeschnitten ist, die Wohnung beispielsweise keine persönlichen Gegenstände des Eigentümers wie Familienfotos, Kleider oder Sportgeräte wie Skis enthält. Dadurch, dass die Zweitwohnung ausschliesslich zur kurzzeitigen Nutzung durch Gäste zu marktüblichen Bedingungen angeboten werden darf, soll wohl vermieden werden, dass nicht individuell ausgestaltete Zweitwohnungen langfristig vermietet und damit indirekt zu individuell genutzten Zweitwohnungen mit kalten Betten werden. A. Die qualifiziert touristisch bewirtschaftete Neubauwohnung (Art. 4 lit. b Ziff. 1 ZwVO) Eine Zweitwohnung gemäss Art. 4 lit. b Ziff. 1 ZwVO muss im Rahmen eines hotelmässigen Betriebskonzepts angeboten werden. Dazu bedarf es regelmässig einer minimalen Infrastruktur wie etwa einer Réception und einer genügend grossen Mindestgrösse 96 SJZ 109 (2013) Nr. 5 des Betriebs.84 Die hotelmässig angebotenen Leistungen85 müssen von der Mehrheit der Gäste auch tatsächlich in Anspruch genommen werden, was vom Eigentümer, Investor oder Betreiber solcher Wohnungen nachzuweisen ist. Nachzuweisen ist auch eine branchenübliche Lösung zur Finanzierung von Erneuerungsinvestitionen. Um den Charakter einer nicht individuell genutzten Wohnung zu bewahren, ist die allfällige Eigennutzung durch den Eigentümer86 zu beschränken, und zwar auf höchstens drei Wochen in der Hauptsaison. Darüber hinaus ist dem Eigentümer die Eigennutzung nur durch Miete zu den gleichen Bedingungen, wie sie für gewöhnliche Gäste der entsprechenden Einrichtung gelten, möglich.87 Die Einhaltung dieser Voraussetzungen zu überprüfen, dürfte kein leichtes sein. Baubewilligungen für entsprechende Zweitwohnungen sollten daher unter Auflagen erteilt werden. Beispielsweise könnten Bauherren verpflichtet werden, der Gemeinde vor Nutzungsbeginn Verträge mit einem Betreiber vorzulegen, welche eine mit Art. 4 lit. b Ziff. 1 konforme Nutzung sicherstellen.88 Oder es ist denkbar, eine Baubewilligung unter der Auflage einer jährlichen Berichterstattung an die Gemeindebehörden über die Nutzung der Wohnungen und hotelmässigen Einrichtungen sowie die Finanzierung von Erneuerungsinvestitionen zu erteilen. Kann eine gestützt auf Art. 4 lit. b ZwVO erstellte Zweitwohnung nicht oder in nicht qualifizierendem Umfang wie vorgesehen vermietet werden, weil das Angebot nicht auf genügendes Interesse stösst, liegt das Risiko hierfür ausschliesslich beim Eigentümer oder Betreiber der Wohnung. Es ist ausgeschlossen, eine gestützt auf Art. 4 lit. b ZwVO erstellte Wohnung jemals als Zweitwohnung ohne die damit einher- Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung gehenden Einschränkungen zu nutzen. Jederzeit möglich sein muss es jedoch, diese als Erstwohnung zu nutzen, und sei es nur vorübergehend, um danach wieder als qualifiziert touristisch bewirtschaftete Zweitwohnung genutzt zu werden. Aufgrund des zu hohen Missbrauchspotenzials ist die Möglichkeit, den Bau neuer Zweitwohnungen, die nicht hotelmässig betrieben, aber über eine Vertriebsorganisation zur Vermietung angeboten werden, zuzulassen, nicht in die Verordnung eingeflossen. Im auszuarbeitenden Gesetz soll diese Möglichkeit nochmals geprüft werden. Denkbar ist diese Möglichkeit nur unter strengen Voraussetzungen.89 B. Die Neubauwohnung im Haus des ortsansässigen Eigentümers (Art. 4 lit. b Ziff. 2 ZwVO) Die Ausnahme von Art. 4 lit. b Ziff. 2 ZwVO wurde geschaffen, um der lokalen Bevölkerung in Tourismusgemeinden durch Vermietung oder anderweitige Bewirtschaftung einer Einliegerwohnung an Feriengäste einen Verdienst zu ermöglichen.90 Die Wohnung kann nur tage- oder wochenweise vermietet werden. Eine langjährige (Jahres-)Vermietung ist nicht zulässig. Um sicherzustellen, dass eine Zweitwohnung den Voraussetzungen von Art. 4 lit. b Ziff. 2 ZwVO dauerhaft genügt, müssen Gemeinden geeignete Massnahmen ergreifen. Dazu gehört insbesondere die Erteilung von Baubewilligungen unter Auflagen, wie beispielsweise dass eine Wohnung «über eine kommerzielle Vermarktungs- und Vertriebsorganisation, ein Reservationssystem einer Tourismusorganisation oder über eine andere geeignete Einrichtung zu marktüb lichen Konditionen zur kurzfristigen Vermietung angeboten» werden muss.91 Denkbar ist auch, dass eine Baubewilligung unter der Auflage einer Mindestauslastung erteilt wird. Eine solche könnte sich an ortsüblichen Auslastungen orientieren, welche sich typischerweise mit professionell vermarkteten Ferienwohnungen erzielen lassen.92 Die Sanktion bei Nichteinhaltung der Auflagen könnte in der Zahlung einer vorgängig festgelegten Sonderabgabe oder darin liegen, dass die Zweitwohnung künftig nur noch als Erstwohnung genutzt werden könnte. C. Was gilt als Bau einer Zweitwohnung? Als Bau einer Wohnung gilt nicht nur der Neubau einer Wohnung, sondern jegliche bauliche Veränderung, welche die Schaffung einer zusätzlichen Wohnung zur Folge hat, also beispielsweise die Aufteilung einer Vierzimmerwohnung in zwei Zweizim EB (Fn. 10) 11. Beispiele dafür sind REKAFeriendörfer oder Hapimag (hotelmässige Residenzen ohne Stockwerkeigentum) sowie die Landal-Feriendörfer oder das Rocksresort in Laax GR (mit Stockwerkeigentum). 85 Z.B. tägliche Reinigung und Aufräumen der Wohnung, Betrieb betriebsinterner Sportanlagen, etc. 86 Darunter ist auch die Nutzung (unabhängig davon ob entgeltlich oder unentgeltlich) durch Familienmitglieder, Freunde und Bekannte des Eigentümers zu verstehen: EB (Fn. 10) 11. 87 EB (Fn. 10) 11. 88 EB (Fn. 10) 11. 89 EB (Fn. 10) 11. 90 EB (Fn. 10) 12. 91 EB (Fn. 10) 13. 92 In Scuol GR beispielsweise 220 bis 250 Tage: Ivo Willimann / Giovanni Danielli, Grundlagen und Empfehlungen für eine bessere Auslastung von bestehenden Zweitwohnungen. Entwurfsfassung für die Region Goms, Luzern 2011, 12 (eine definitive Fassung scheint es nicht zu geben). 84 Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung merwohnungen.93 M.a.W. darf ein Umbau, der im Rahmen einer Umnutzung einer Erst- in eine Zweitwohnung gemäss Art. 3 ZwVO erfolgt, grundsätzlich nicht dazu führen, dass nebst der zulässigen neuen Zweitwohnung eine zusätzliche Zweitwohnung entsteht, es sei denn, die Voraussetzungen von Art. 4 lit. b ZwVO seien erfüllt. D. Zulässigkeit von Erweiterung und Ersatz bestehender Zweitwohnungen Eine Zweitwohnung zu ersetzen, d.h. auf der selben Parzelle die bestehende(n) Zweitwohnung(en) abzureissen und neu aufzubauen, bleibt m.E. zulässig, sofern die Bruttogeschossfläche der ersetzten Zweitwohnung durch den Ersatzbau nicht vergrössert wird, und zwar unabhängig davon, ob die Zweitwohnung vor dem 11. März 2012 bestanden hat bzw. rechtskräftig bewilligt war oder nicht. Unter der Annahme, Art. 3 Abs. 1 ZwVO sei durchsetzbar (und nicht verfassungswidrig wie hier vertreten wird), ist der Ersatz einer Erstwohnung durch EB (Fn. 10) Art. 4 Bst. a, 10. Art. 39 Abs. 2 und 3 RPV. 95 Mit dieser Begründung wird zumindest im Erläuternden Bericht argumentiert: EB (Fn. 10) 14. 96 EB (Fn. 10) 14. 97 Die Änderung der RPV erfolgt durch Art. 7 ZwVO. 98 Art. 39 Abs. 5 RPV. 99 Art. 6 Abs. 1 ZwVO. Obwohl in Art. 6 Abs. 1 ZwVO nicht erwähnt, ist m.E. auch in einer Baubewilligung für eine qualifiziert touristisch bewirtschafteten Wohnung gemäss Art. 3 Abs. 3 ZwVO die Nutzungspflicht festzulegen. 100 Art. 6 Abs. 2 ZwVO. 101 Dieter Zobl, Grundbuchrecht, Zürich 1999, N 338; Henri Deschenaux SPR V/3, 713. 102 EB (Fn. 10) 15. eine Zweitwohnung m.E. ebenfalls zulässig, allerdings nur in Bezug auf am 11. März 2012 vorbestandene Wohnungen und nur im Rahmen der vorbestandenen, anrechenbaren Bruttogeschossfläche und unter Vorbehalt bestehender Nutzungseinschränkungen. Der Ersatz einer nach dem 11. März 2012 rechtskräftig bewilligten oder erstellten Erstwohnung durch eine Zweitwohnung ist aber auf jeden Fall unzulässig. Die bauliche Erweiterung von am 11. März 2012 als Zweitwohnungen benutzten Wohnungen über die damals bestehende anrechenbare Brutto geschossfläche hinaus, ist m.E. mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 ZwVO nicht zulässig. Unzulässig wäre es auch, eine am 11. März 2012 als Erstwohnung benutzte Wohnung über die vorbestandene anrechenbare Bruttogeschossfläche hinaus zu erweitern und diese erweiterte Wohnung dann gestützt auf Art. 3 Abs.1 ZwVO in eine Zweitwohnung umzuwandeln. Eine am 11. März 2012 vorbestandene, nach diesem Datum aber baulich erweiterte Erstwohnung kann somit nur noch in eine Zweitwohnung umgenutzt werden, sofern vorgängig ein Rückbau auf die am 11. März 2012 vorbestandene, anrechenbare Bruttogeschossfläche erfolgt. 93 94 VI. Sonderregelung für Zweitwohnungen in landschaftsprägenden Bauten (Art. 5 und 7 ZwVO) Für Rustici und Maiensässbauten ausserhalb der Bauzonen erlaubte die Raumplanungsverordnung bisher ausnahmsweise eine Umnutzung unter strengen Voraussetzungen.94 Mit der Ermöglichung solcher Umnutzungen, und damit dem Erhalt solcher Bauten, soll der Charakter besonderer, schützenswerter Kulturlandschaften ermöglicht werden. Angesichts der SJZ 109 (2013) Nr. 5 97 Stossrichtung der Initiative, die landschaftliche Schönheit zu erhalten, ist es konsequent, solche Umnutzungen unter den strengen Voraussetzungen der RPV auch weiterhin zuzulassen.95 Wie der Erläuternde Bericht richtigerweise festhält, macht eine solche Ausnahme jedoch nur Sinn, wenn mit der Bewilligung diese landschaftliche Bereicherung auch langfristig erhalten bleibt.96 Dies soll damit erreicht werden, dass Bewilligungen nach Art. 39 Abs. 2 RPV künftig nur noch unter der auflösenden Bedingung erteilt werden können, dass die Schutzwürdigkeit gegeben ist.97 Die Kantone werden im Weiteren verpflichtet,98 mit einer kantonalen Behörde dafür zu sorgen, dass bei Wegfall der Schutzwürdigkeit der Baute die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes verfügt und vollzogen wird. VII.Anmerkung im Grundbuch und Eröffnung (Art. 6 ZwVO) Seit dem 1. Januar 2013 müssen Baubewilligungsbehörden in Zweitwohnungsgemeinden in der Baubewilligung festlegen, ob es sich bei der bewilligten Wohnung um eine «Erstwohnung» nach Art. 4 lit. a ZwVO oder um eine «qualifiziert touristisch bewirtschaftete Wohnung» gemäss Art. 4 lit. b ZwVO handelt.99 Diese Nutzungs beschränkung ist basierend auf der in der Bewilligung enthaltenen Anweisung der Baubewilligungsbehörde auf dem Grundbuchblatt des betroffenen Grundstücks anzumerken.100 Der Anmerkung kommt aber keine kon s titutive Wirkung zu. Die Nutzungsbeschränkung gilt unabhängig von der Anmerkung101 und ergibt sich bereits aus Art. 75b Abs. 1 BV und seit dem 1. Januar 2013 auch aus Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV.102 98 SJZ 109 (2013) Nr. 5 A. Anmerkung bei gemischtgenutzten Bauten Betrifft eine Baubewilligung ein Gebäude, in dem sowohl Erstwohnungen wie auch qualifiziert touristisch bewirtschaftete Wohnungen erstellt werden sollen,103 so ist in der Bewilligung für jede Wohnung die Nutzung individuell festzulegen, und die Anmerkung muss sich auf jede einzelne Wohnung beziehen. B. Anmerkungen bei Umbauten? Auch wenn durch den Umbau einer Wohnung oder eines Hauses eine neue Wohnung geschaffen wird, hat die Baubewilligungsbehörde in der Bewilligung eines solchen Umbaus das Grundbuchamt zur Anmerkung gemäss Art. 6 Abs. 2 ZwVO anzuweisen. C. Unvollständigkeit der Regelung Fraglich ist, wie mit Wohnungen umzugehen ist, für deren Erstellung zwischen dem 11. März und 31. Dezember 2012 eine Baubewilligung erteilt wurde. Bei der Erteilung solcher Baubewilligungen galt die Regelung von Art. 6 ZwVO noch nicht, weshalb die Grundbuchämter i.d.R. wohl auch nicht zur Anmerkung angewiesen wurden. Da sich die Nutzungsbeschränkung wie erwähnt bereits aus Art. 75b Abs. 1 BV ergibt, können Wohnungen in Zweitwohnungsgemeinden, deren Bau zwischen dem 11. März und 31. Dezember 2012 bewilligt wurde, nur als Erstwohnungen genutzt werden. Da ein Eigentümer, der in dieser Periode eine Baubewilligung erhalten hat, nicht schlechter zu stellen ist wie wenn er diese erst ab 1. Januar 2013 erhalten hätte, muss es ihm in Analogie zu Art. 4 lit. b Ziff. 1 möglich sein, nachzuweisen, dass die in dieser Periode bewilligten Wohnungen qualifiziert touristisch bewirtschaftet Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung sind. Unzulässig ist es aber, Wohnungen, die in dieser Periode erstellt wurden, als (nicht qualifiziert touristisch bewirtschaftete) Zweitwohnungen zu nutzen und diese Nutzungsart anmerken zu lassen. D.Eröffnung Baubewilligungsbehörden, die Baubewilligungen für qualifiziert touristisch bewirtschaftete Zweitwohnungen (gestützt auf Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 lit. b ZwVO) oder gestützt auf die Sonderregelung von Art. 8 Abs. 1 ZwVO erteilen, müssen diese dem ARE eröffnen.104 keit dieser Bestimmung darf mit Fug gezweifelt werden. Um von der Regelung von Art. 8 Abs. 1 ZwVO zu profitieren, müsse ein Sondernutzungsplan am 11. März 2012 nicht bereits rechtskräftig gewesen sein. Es genüge, dass die Genehmigung vor dem 11. März 2012 erteilt worden war.108 Damit wollte man wohl insbesondere auf das Grossüberbauungsprojekt Aminona in Mollens/VS, Rücksicht nehmen. Der Quartierplan «AminonaOst» war zum Zeitpunkt der Annahme der Initiative zwar bereits genehmigt, jedoch noch Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens.109 B. Nichtigkeit von Baubewilligungen ab 1. Januar 2013 (Abs. 2) VIII. Übergangsrecht (Art. 8 ZwVO) A. Baubewilligungen basierend auf projektbezogenem Sondernutzungsplan (Abs. 1) Art. 8 Abs. 1 ZwVO enthält eine Sonderregelung für Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die gestützt auf einen projektbezogenen Sondernutzungsplan erteilt werden. Danach sind Baubewilligungen für Zweitwohnungen nach bisherigem Recht möglich, wenn der Sondernutzungsplan vor dem 11. März 2012 genehmigt wurde105 und darin die wesentlichen Elemente der Baubewilligung betreffend Lage, Stellung, Grösse und Gestaltung der Bauten und Anlagen sowie deren Nutzungsart und Nutzungsmass geregelt sind.106 Mit dieser Übergangsbestimmung wurde wohl beabsichtigt, den Weiterbau von bereits im Grundsatz genehmigten Grossprojekten in Mollens/VS (Aminona) und Andermatt zu ermöglichen. Sie wird daher auch oft als «Lex Andermatt» bezeichnet.107 Begründet wird diese Ausnahmeregelung letztlich mit dem Vertrauensschutz107. An der Verfassungsmässig- Art. 8 Abs. 2 ZwVO wiederholt die bereits in der Übergangsbestimmung in der Verfassung festgehaltene Re gelung110, wonach zwischen dem 1. Januar 2013 und dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen keine Baubewilligungen für Zweitwohnungen erteilt werden können. Vorbehalten bleibt die Erteilung von Baubewilligungen nach Art. 3 Abs. 3 und 4 lit. b sowie nach Art. 8 Abs. 1 ZwVO.111 Z.B. eine Bewilligung nach Art. 4 lit. b Ziff. 2 ZwVO 104 Art. 6 Abs. 3 ZwVO. 105 Art. 8 Abs. 1 lit. a ZwVO. Entscheidend soll sein, dass die Genehmigung vor Annahme der Initiative erteilt wurde: EB (Fn. 10) 17. 106 Art. 8 Abs. 1 lit. b ZwVO. 107 Vgl. dazu im einzelnen EB (Fn. 10) 16 f. 108 EB (Fn. 10) Art. 8 Abs. 1, 17. 109 Die Beschwerde wurde erst am 3. Juli 2012 vom Bundesgericht letztinstanzlich abgewiesen (BGer, 1C_393/2011). 110 Vgl. Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV. 111 Art. 8 Abs. 2 ZwVO. 103 Dettwiler, Die Zweitwohnungsverordnung IX.Schlussbemerkung Art. 75b BV mag mit seiner 20%-Regelung starr wirken und teilweise Vgl. z.B. den im Lichte von Abs. 1 unnötigen Abs. 2 von Art. 3 ZwVO oder die in Art. 6 ZwVO fehlende Regelung betreffend Klassifizierung von seit Annahme der Initiative erstellten Wohnungen als Erst- oder Zweitwohnung, so Letztere überhaupt zulässig sind, was hier verneint wird. 113 Art. 190 BV. 112 auch unerwünschte Auswirkungen haben. Wenn mit Annahme der Initiative das Pendel in die eine Richtung ausschlug, so schlägt es mit der Verordnung in die andere Richtung aus. Auf Druck betroffener Kreise und Regionen wurden mit der Verordnung zahlreiche Ausnahmen von der klaren Regelung von Art. 75b BV geschaffen, was sie in einigen zentralen Punkten verfassungswidrig macht. Die unter grossem Zeitdruck entstandene Ver- SJZ 109 (2013) Nr. 5 99 ordnung weist auch diverse Un gereimtheiten auf.112 Es ist daher wünschenswert, dass ein Ausführungsgesetz möglichst rasch Klarheit schaffen wird. Dieses wird auch allfällige, teilweise durchaus wünschenswerte Ausnahmen von der strikten 20%-Regelung vorsehen können.113