12 Gott und die Ethik Moderne Entwicklungen Zitate

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12 Gott und die Ethik Moderne Entwicklungen Zitate
Prof. Dr. Matthias Perkams
VL Gott und die Welt. Ihr Verhältnis in der lateinischen Philosophie
FSU Jena: Institute für Altertumswissenschaften und für Philosophie
Sommersemester 2015
12 Zwischen Abschaffung und Personalisierung
Gottes: Philosophische Theologie und Ethik
vom Spätmittelalter bis zu Lévinas
- Gliederung -
A. Einleitung
B. „Si – per impossibile – deus non esset“. Der nicht theologische
Rationalismus in der Ethik
C. Die Partialisierung Gottes: Die Erklärung des Bösen nach Friedrich
Wilhelm Joseph Schelling
1. Geistige Stellung
2. Leben und Werk
3. Die Freiheitsschrift
D. Gott ist tot: Die ethische Zeitdiagnose Friedrich Nietzsches
E. Der Anspruch Gottes an das Individuum: Die jüdische Philosophie des
Emmanuel Lévinas
1. Das Projekt: Gott denken jenseits der Alternative von Philosophie und
Religion
2. Verwandlung von Subjektivität und Begründung der Ethik
F. Fazit
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Sommersemester 2015
1. Der Ockham-Gegner Gregor von Rimini (ca. 1300-1358) betont, dass
moralische Regeln selbst gelten würden, wenn es Gott nicht gäbe: „Wenn
gefragt werden sollte, warum ich eher uneingeschränkt von ,gegen die rechte
Vernunft‘ spreche, als eingeschränkt von ,gegen die göttliche Vernunft‘, so
antworte ich: Damit nicht der Eindruck entsteht, dass die Sünde
schlechterdings gegen die göttliche Vernunft und in Bezug auf dasselbe nicht
gegen jede rechte Vernunft verstoße [...]; denn wenn – gesetzt den
unmöglichen Fall – es die göttliche Vernunft oder Gott selbst nicht gäbe oder
jene Vernunft irren würde, würde immer noch sündigen, wer gegen die
engelhafte oder menschliche oder eine andere rechte Vernunft (wenn es sie
gäbe) handelt. Und wenn es ganz und gar keine rechte Vernunft gäbe, würde
immer noch sündigen, wer gegen das handelt, was irgendeine rechte Vernunft
– wenn es sie gäbe – als zu tun diktierte“.
(Kommentar zum 2. Buch der Sentenzen des Petrus Lombardus d. 34-37, Art.
2; Übs. Mandrella, S. 97-99; geringfügig angepasst)
Si quaeratur, cur potius dico absolute ,contra rectam rationem‘ quam contracte
,contra rationem divinam‘, respondeo: ne putetur peccatum esse praecise
contra rationem divinam et non contra quamlibet rectam rationem de eodem;
[...] nam si per impossibile ratio divina sive deus ipse non esset aut ratio illa
esset errans, adhuc, si quis ageret contra rectam rationem angelicam vel
humanam aut aliam aliquam, si qua esset, peccaret. Et si nulla penitus esset
ratio recta, adhuc, si quis ageret contra illud quod agendum esse dictaret ratio
aliqua recta, si aliqua esset, peccaret.
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2. Hugo Grotius (1583-1645), einer der Begründer des neuzeitlichen
Völkerrechts, erklärt dessen Gültigkeit für den Fall, dass es Gott nicht geben
würde: „Und das nun, was wir schon gesagt haben, hätte selbst dann seinen
Platz, wenn wir annehmem würden – was ohne schwersten Frevel nicht
angenommen werden kann –, dass es Gott nicht gäbe oder dass die
menschlichen Angelegenheiten ihn nicht kümmerten“.
(Das Recht des Kriegs und des Friedens/De iure belli ac pacis, Prolegomena, §
11)
Et haec quidem, quae iam diximus, locum aliquem haberent, etiamsi daremus,
quod sine summo scelere dari nequit, non esse Deum aut non curari ab eo
negotia humana.
3. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854) fasst die Ausgangspunkte
seiner philosophischen Arbeit zusammen: „Der spinozische Grundbegriff,
durch das Prinzip des Idealismus vergeistigt [...], erhielt [...] eine lebendige
Basis, woraus Naturphilosophie erwuchs, die [...] in Bezug auf das Ganze der
Philosophie aber jederzeit nur als der eine Teil derselben [...] betrachtet wurde.
[...] In [...] der Freiheit[,] wurde behauptet, finde sich der letzte potenzierende
Akt, wodurch sich die ganze Natur in Empfindung, in Intelligenz, endlich in
Willen verkläre“.
(Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit
und die damit zusammenhängenden Gegenstände [1809]; Originalausgabe S.
419)
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4. Schelling plädiert für ein Ernstnehmen der Frage nach dem Bösen: „Dieses
ist der Punkt der tiefsten Schwierigkeit in der ganzen Lehre von der Freiheit
[...]: entweder wird ein wirkliches Böses zugegeben, so ist es unvermeidlich,
das Böse in die unendliche Substanz oder den Urwillen selbst mitzusetzen,
wodurch der Begriff eines allervollkommensten Wesens gänzlich zerstört wird;
oder es muss auf irgendeine Weise die Realität des Bösen geleugnet werden,
womit aber zugleich der reale Begriff der Freiheit verschwindet“.
(Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit
und die damit zusammenhängenden Gegenstände [1809]; Originalausgabe S.
422f.)
5. Schelling trennt Gott von seinem Grunde: „Es ist uns [...] zur Erklärung des
Bösen nichts gegeben außer den beiden Prinzipien in Gott. Gott als Geist [...]
ist die reinste Liebe; in der Liebe aber kann nie ein Willen zum Bösen sein
[...]. Aber Gott selbst, damit er sein kann, bedarf eines Grundes, nur dass dieser
nicht außer ihm, sondern in ihm selbst ist [...] Der Wille der Liebe und der
Wille des Grundes sind zwei verschiedene Willen, deren jeder für sich ist [...]
Wollte nun die Liebe den Willen des Grundes zerbrechen: so würde sie gegen
sich selbst streiten, mit sich selbst uneins sein, und wäre nicht mehr die Liebe.
[...] Daher der Wille des Grundes gleich in der ersten Schöpfung den
Eigenwillen der Kreatur mit erregt, damit, wenn nun der Geist als der Wille
der Liebe aufgehe, dieser ein Widerstrebendes finde, darin er sich
verwirklichen könne“.
(Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit
und die damit zusammenhängenden Gegenstände [1809]; Originalausgabe S.
453-455)
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6. Friedrich Nietzsche (1844-1900) bedenkt die Folgen der neuen Zeit für die
Philosophen: „Das größte neuere Ereignis – dass „Gott tot ist“, dass der
Glaube an den christlichen Gott unglaubwürdig geworden ist – beginnt bereits
seine ersten Schatten über Europa zu werfen. Für die wenigen wenigstens,
deren Augen [...] fein genug für dies Schauspiel ist, scheint eben irgendeine
Sonne untergegangen, irgend ein altes tiefes Vertrauen in Zweifel umgedreht.
[...] Wir Philosophen und „freien Geister“ fühlen uns bei der Nachricht, dass
der „alte Gott tot“ ist, wie von einer neuen Morgenröte angestrahlt [...] –
endlich erscheint uns der Horizont wieder frei, gesetzt selbst, dass er nicht hell
ist [...], jedes Wagnis des Erkennenden ist wieder erlaubt“.
(Die fröhliche Wissenschaft [1882], § 343)
7. Nietzsche lehrt den Übermenschen: „Und Zarathustra sprach also zu dem
Volke:
Ich lehre euch den Übermenschen. Der Mensch ist etwas, das überwunden
werden soll. Was habt ihr getan, um ihn zu überwinden?
Alle Wesen bisher schufen etwas über sich hinaus: und ihr wollt die Ebbe
dieser großen Flut sein und lieber noch zum Tiere zurückgehn, als den
Menschen überwinden?
Was ist der Affe für den Menschen? Ein Gelächter oder eine schmerzliche
Scham. Und ebendas soll der Mensch für den Übermenschen sein: ein
Gelächter oder eine schmerzliche Scham“.
(Also sprach Zarathustra [1883]. Vorrede § 3)
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8. a) Emmanuel Lévinas (1906-1995) über das Ziel seines Denkens 1: „3. [...]
Wenn das Begreifen des biblischen Gottes – die Theologie – nicht das Niveau
des philosophischen Denkens erreicht, liegt das [...] daran, dass sie Gott, wenn
sie ihn thematisiert, in den Lauf des Seienden einführt, obwohl der Gott der
Bibel in unglaublicher Weise [...] das Jenseits des Seienden, die Transzendenz
bezeichnet. Und es ist kein Zufall, dass die Geschichte der abendländischen
Philosophie eine Zerstörung der Transzendenz war. Die rationale Theologie,
grundsätzlich ontologisch, bemüht sich, der Transzendenz im Bereich des
Seienden Recht zu verschaffen, indem sie sie durch Adverbien der Höhe
ausdrückt, die auf das Wort Sein angewandt werden: Gott soll herausragend
oder ausgezeichnet existieren“. [...]
(Dieu et la philosophie/Gott und die Philosophie, in: De Dieu qui vient à
l’idée/Von Gott, der ins Denken einfällt, Paris 21986, S. 95-97)
3o Si l’intellection du Dieu biblique – la théologie – ne l’atteint pas le niveau
de la pensée philosophique, c’[...]est [...] parce que, en thématisant Dieu, elle
l’amène dans la course de l’être, alors que le Dieu de la Bible signifie de façon
invraisemblable [...] l’au-delà de l’être, la transcendance. Et ce n’est par hasard
que l’histoire de la philosophie occidentale a été une destruction de la
transcendance. La théologie rationelle, foncièrement ontologique, s’efforce à
faire droit dans le domaine de l’être à la transcendance en l’exprimant par des
adverbes de hauteur appliqués au verbe être: Dieu existerait éminemment ou
par excellence. [...]
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8. b) Lévinas über das Ziel seines Denkens 2: „4. Man kann sicherlich auch
behaupten, dass der Gott der Bibel keinen Sinn hat, d.h. nicht im eigentlichen
Sinn denkbar ist. Das wäre die andere Alternative: ,Der Begriff Gott ist kein
problematischer Begriff, er ist überhaupt kein Begriff‘ [...], womit [man] eine
stolze Tradition des philosophischen Rationalismus fortsetzt, der sich weigert,
die Transzendenz des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs unter die Begriffe
aufzunehmen, ohne die es es kein Denken geben kann. [...]
Sich zu fragen, wie wir es hier zu tun versuchen, ob Gott nicht in einem
vernünftigen Diskurs ausgedrückt werden kann, der weder Ontologie noch
Glaube ist, das impliziert, den formalen Gegensatz infrage zu stellen, den
Jehuda Halevi formulierte und Pascal wiederaufnahm, zwischen dem Gott
Abrahams, Isaaks und Jakobs, auf den sich der Glaube ohne Philosophie
beruft, einerseits und dem Gott der Philosophen andererseits; es heißt infrage
zu stellen, ob dieser Gegensatz eine Kontradiktion darstellt“.
4 o On peut, certes, aussi prétendre que le Dieu de la Bible n’a pas de sens,
c’est à dire n’est pas à proprement parler pensable. Ce serait l’autre terme de
l’alternative. [96] « Le concept de Dieu n’est pas un concept problématique, il
n’est pas du tout concept » [...], prolongeant une haute lignée du rationalisme
philosophique qui se refuse à accueillir la transcendance du Dieu d’Abraham,
d’Isaac et de Jacob parmi les concepts sans lesquels il n’y aurait pas de pensée.
[...]
Se demander, comme nous essayons de le faire ici, si Dieu ne peut être énoncé
dans un discours raisonnable qui ne serait ni ontologie, ni foi, c’est,
implicitement, douter de l’opposition formelle établie par Yehouda Halévi [97]
et reprise par Pascal, entre le Dieu d’Abraham, d’Isaac et de Jacob, invoqué
sans philosophie dans la foi, d’une part, et de dieu des philosophes d’autre part
; c’est douter que cette opposition constitue une alternative.
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9. Lévinas über das Unendliche im Denken: „10. In seiner Meditation über die
Idee Gottes hat Descartes den außerordentlichen Verlauf eines Denkens, das
bis zum Zerbrechen des ,Ich denke‘ geht, mit einer unvergleichlichen Strenge
nachgezeichnet. [...] Als Gedachtes (cogitatum) eines Denkens (cogitation),
das sie vom ersten Moment an enthält, überschreitet die Idee Gottes, als
Bezeichnung des Nicht-Inhaltes schlechthin [...], jegliche Erfassbarkeit. Ihre
,objektive Realität‘ des Gedachten lässt die ,formale Realität‘ des Denkens
zusammenstürzen. [...] 11. Die Aktualität des cogito unterbricht sich so im
Gewand der Idee des Unendlichen, durch das Unumfassbare, nicht gedachte,
sondern erlittene, das in einem zweiten Moment des Bewusstseins dasjenige
trägt, was in einem ersten Moment vorgab, es zu tragen: Nach der Gewissheit
des cogito [...] verkündet die dritte Meditation: „in gewisser Weise habe ich in
mir die Idee des Unendlichen früher als die des Endlichen, d.h. die Gottes
früher als die meiner selbst“.
(Dieu et la philosophie/Gott und die Philosophie, in: De Dieu qui vient à
l’idée/Von Gott, der ins Denken einfällt, Paris 21986, S. 104-106)
10o [104] Dans sa méditation sur l’idée de Dieu, Descartes a dessiné le
parcours extraordinaire d’une pensée allant jusqu’à la rupture du Je pense,
avec une rigueur inélagable. [...] [105] Cogitatum d’une cogitation qui, de
prime abord la contient, l’idée de Dieu, comme signifiant le non-contenu par
excellence [...], dépasse toute capacité ; sa « réalité objective » de cogitatum
fait éclater la « réalité formelle » de la cogitation. [...] 11o [106] L’actualité du
cogito s’interrompt ainsi en guise d’idée de l’Infini, par l’inenglobable, non
pensé mais subi, portant en un deuxième temps de la conscience ce qui en un
premier temps prétendait de porter : après la certitude du cogito [...] la
troisième meditation annonce que « j’ai en quelque façon premièrement en moi
la notion de l’infini que du fini, c’est à dire de Dieu que de moi même ».
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10. a) Lévinas über das Unendliche als Fundament der Liebe 1: „12. Man darf
die Idee des Unendlichen oder das Unendliche im Denken nicht als eine
Negation des Endlichen durch das Unendliche im Sinne seiner Abstraktion
oder seiner logischen Form verstehen; im Gegenteil ist die Idee des
Unendlichen oder Unendliche im Denken die eigentümliche und irreduzible
Gestalt der Negation des Endlichen. [...] Die Differenz des Unendlichen und
des Endlichen ist eine Non-Indifferenz des Unendlichen anstelle des Endlichen
und das Geheimnis der Subjektivität. [...]
Die Idee des Unendlichen versteht sich nicht als die Liebe, die auf der Spitze
des Pfeils, der trifft, erwacht, sondern wo das durch das Trauma betäubte
Subjekt sich direkt in seiner Immanenz des Seelenzustandes wiederfindet. [...]“
(Dieu et la philosophie/Gott und die Philosophie, in: De Dieu qui vient à
l’idée/Von Gott, der ins Denken einfällt, Paris 21986, S. 108-119)
12o [108] Ce n’est pas dans la négation du fini par l’infini, entendue dans son
abstraction et dans son formalisme logique qu’il faut interpréter l’idée de
l’Infini ou l’Infini dans la pensée ; c’est au contraire, l’idée de l’Infini ou
l’Infini dans la pensée, qui est la figure propre et irréductible de la négation du
fini. [...] La différence de l’Infini et du fini, c’est une non-indifférence de
l’Infini à l’endroit et le secret de la subjectivité. [...]
[109] L’idée de l’Infini ne s’assume même pas comme l’amour qui s’éveille
sur la pointe de la flèche qui frappe, mais où le sujet abasourdi par le
traumatisme se retrouve aussitot dans son immanence de l’état d’âme. 14o
[112] L’amour n’est possible que par l’idée de l’Infini – par l’Infini mis en
moi, par le « plus » qui dévaste et réveille le « moins » détournant de la
téléologie, détruisant l’heure et le bonheur de la fin. [...]
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10. b) Lévinas über das Unendliche als Fundament der Liebe 2: „14. Die Liebe
ist nicht anders möglich als durch die Idee des Unendlichen – durch das
Unendliche, das in mich gesetzt ist, durch das ,mehr‘, welches das ,weniger‘
zerstört und aufweckt, es von der Teleologie abwendet, die Stunde und das
Glück des Ziels zerstört. [...] Damit das Desinteresse im Begehren des
Unendlichen möglich wird, [...] muss das Begehrenswerte oder Gott im
Begehren abgetrennt bleiben; als Begehrenswertes – nah, aber verschieden –
Heilig. [...] Die Transzendenz ist ethisch, und die Subjektivität, die letztlich
nicht das ,Ich denke‘ ist [...], die nicht die Einheit der ,transzendentalen
Apperzeption‘ ist, ist, in Gestalt der Verantwortung für den anderen,
Unterwerfung gegenüber dem anderen. [...]
15. Die biologische menschliche Brüderlichkeit [...] ist kein hinreichender
Grund dafür, dass ich für ein getrenntes Seiendes verantwortlich bin. [...] Die
Verantwortlichkeit für den anderen kommt von jenseits meiner Freiheit. [...]
16. ,Jeder von uns ist schuldig vor allen für alle und für alles, und ich mehr als
die anderen‘, sagt Dostojewski in den Brüdern Karamasow“.
[113] Pour que le désintéressement soit possible dans le Désir de l’Infini [...], il
faut que le Désirable ou Dieu reste séparé dans le désir ; comme désirable –
proche mais différent – Saint. [...] La transcendance est éthique et la
subjectivité qui n’est pas en fin de compte le « je pense » [...], qui n’est pas
l’unité de « l’apperception transcendentale » - est, en guise de responsabilité
pour Autrui, sujétion à autrui. [...]
15o [117] La fraternité biologique humaine [...] n’est pas une raison suffisante
pour que je sois responsable d’un être séparé. [...] La responsabilité pour
l’autre vient d’en-deçà de ma liberté. [...] 16o [119] « Chacun de nous est
coupable devant tous pour tous et pour tout, et moi plus que les autres », dit
Dostoïevski dans Les Frères Karamazov.