Universitat Leipzig Philologische Fakultat
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Universitat Leipzig Philologische Fakultat - Institut für Romanistik Kreolisch und Franzosisch aufLa Réunion unter Einbeziehung von Textausschnitten aus ,,Le petit prince" und ,,Loti prins" Wissenschaftlich Arbeit zur 1. Staatsprüfung für das Lehramt auf Gymnasium vorgelegt von: Kristin Adler am: 17.04.2008 Studiengang: Lehramt Deutsch/Franzosisch Matrikelnummer: 9090982 Adresse: Kristin Adler AmAnger2a 04828 Altenbach E-mail: [email protected] betreut von: Prof. Dr. Sabine Bastian Dr. Roland Kühnel Inhaltsverzeichnis Liste der verwendeten Abkürzungen I 1 1 2 3 Einleitung Theoretische Grundlagen und Erklarungsansatze 2.1 Definition ,,Kreolisch/Kreolsprachen" 2.2 Die Geschichte der Besiedlung Réunions 2.3 Wer oder was ist verantwortlich für die Entstehung der Kreolsprachen? 2.4 Erklarungsansatze zur Genese von Kreolsprachen Sprachen und Sprache auf La Réunion 3.1 Die gegenwartige sprachliche Situation aufLa Réunion 3.2 Der Wortschatz des Réunionesischen 3.2.l Aus dem Franzosischen übemommene Worter ohne Veranderung 3.2.2 Aus dem Franzosischen übemommene, in der Form veranderte Worter 3.2.3 Aus dem Franzosischen übemommene, in syntaktischer Funktion veranderte Worter 3.2.4 Aus dem Franzosischen übemommene, in der Bedeutung veranderte Worter 3.2.5 Archaismen und Dialektismen 3.2.6 Neologismen 3.2.7 Der Wortschatz nicht-franzosischen Ursprungs 3.2.8 "Le vocabulaire des Isles" 3.3 Morphosyntax des Réunionesischen 3.3.1 Das Nominalsyntagma 3.3.1.l Réunionesische Substantive 3.3.1.2 Réunionesische Determinanten (Artikel, Possessivbegleiter) und Substituenten (Possessivpronomina, Personalpronomina) 3.3.1.3 Réunionesische Adjektive 3.3.2 Das Adverbialsyntagma 3.3.2.1 Nominale Adverbialsyntagmen 3.3.2.2 Adverbiale Nebensatze 3.3.2.3 Adverbien und Pronominaladverbien 3.3.3 Das Verbalsyntagma 3.3.3.1 Die Konjugationsklassen I Form der Verben 3.3.3.2 Die Markierung der Person 3.3.3.3 Tempus, Modus und Aspekt des Kreolischen 3.3.3.4 Die Negation 3.3.3.5 Der Imperativ 3.3.3.6 Die Kopula ,,être" 3.4 Schlussfolgerungen 2 2 5 7 11 15 15 19 20 21 22 23 23 24 26 28 28 29 29 31 34 34 35 35 36 37 37 39 39 44 45 45 46 4 Ausschnitte aus "Le petit prince" und "Lo ti prins" 4.1 Strukturanalyse 4.2 Vergleich der Strukturanalysen 4.2.1 Das Substantiv und seine Begleiter 4.2.2 Determinanten und Substituenten 4.2.3 Adjektive 4.2.4 Verben 4.2.5 Die Organisation der Relativsatze und der Verneinung 4.3 Ergebnis der Strukturanalyse 48 50 56 57 57 60 61 65 66 5 Schlussbemerkungen 69 Quellenverzeichnis 70 Eidesstattliche Erkliirung 75 Liste der verwendeten Abkürzungen = NS = vs = T-A-Partikel = pron. pers. = pron. réflex. = pron. indéf. = déterm. poss. = déterm. démonst. = élément négat. = prépo = article déf. = article indéf. = verbe aux. = verbe part. passé = proposition circonst. = N = G = K = T = KrRéu Kreolsprache auf La Réunion Nominalsyntagma Verbalsyntagma Tempus-Aspekt-Partikel pronom personnel pronom réflexif pronom indéfini déterminant possessif déterminant démonstratif élément de négation préposition article défini article indéfini verbe auxiliaire verbe au participe passé proposition circonstancielle Numerus Genus Kas us Tempus p = Person GV = Genus Verbi A = Aspekt M = Markierung(en) 1 1 Einleitung lm Zeitalter der omniprasenten Globalisierung werden auch immer wieder die ,,Überlebenschancen" relativ ,,kleiner" Sprachen diskutiert. Die Standardisierung fast aller Lebensbereiche wirkt sich unvermeidlich auch im Sprachgebrauch aus. Beredtes Beispiel ist der Vormarsch des Englischen ais Weltsprache und die zunehmende Durchsetzung von selbst historisch gefestigten Sprachen mit Anglizismen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob solch kleine und isolierte Sprachen wie die Kreolsprachen eine Chance haben, auch in Zukunft weiter zu existieren bzw. ob man sie überhaupt als eigenstandige Sprachen betrachten kaon. Um diese Fragen zu beantworten, greift diese Arbeit die Entstehungshintergründe der Frankokreolsprachen und ihre allgemeinen lexikalisch, syntaktisch und morphologisch grammatischen Merkmale auf. Der Schwerpunkt liegt dabei in einer konkreten sprachlich historischen Betrachtung und morphologischsyntaktischen Analyse des Kreolischen auf La Réunion unter Hinzuziehung von Textausschnitten aus ,,Le petit prince" und ,,Lo ti prins". Bei den Untersuchungen sind kreolische Phonetik und Phonologie im Vergleich zu der des Franzosischen ausgeklammert, die aufgrund des Umfangs einer separaten Betrachtung bedürften. Allein der Wegfall des ,,h aspiré" würde eine ausführliche Studie rechtfertigen. Die Ausführungen stützen sich vor allem auf die Arbeiten von Annegret Bollée ,,Zur Entstehung der franzosischen Kreolendialekte im Indischen Ozean. Kreolisierung ohne Pidginisierung", Anett Heil ,,Grammatische Reduktion in Frankokreolsprachen und Plansprachen", Peter Stein ,,Kreolisch und Franzosisch", Robert Chaudenson ,,Le lexique du parler créole de la Réunion", Norbert Boretzky ,,Kreolsprachen, Substrate und Sprachwandel" und Gillette StaudacherValliamée ,,Phonologie du créole réunionnais: unité et diversité". 1 2 Theoretische Grundlagen und Erklarungsansatze 2.1 Definition ,,Kreolisch/Kreolsprache" Die Bezeichnung ,,Kreolsprache" ist zunachst irreführend, da sie eine Vielzahl von kreolischen Sprachen mit eigener Geschichte zusammenfasst, die linguistisch gesehen, wie bereits oben genannt, in bestimmten Gruppen (z.B. Frankokreolsprachen oder amerikanische Kreolsprachen) Âhnlichkeiten aufweisen. Bei Gegenüberstellung dieser Gruppen sind jedoch die Unterschiede so groB, dass man sie nicht als eine Sprachfamilie, ,,eine Kreolsprache" bezeichnen kann. ,,Créole", das sowohl als Substantiv als auch ais Adjektiv verwendet werden kann, stammt wohl vom spanischen ,,criollo" oder portugiesischen ,,crioulo" ab, die aus dem lateinischen Verb ,,creare" (,,erzeugen, emahren, aufziehen, erziehen") entstanden sind. Ursprünglich bezeichnete es die in Südamerika geborenen WeiBen - also Portugiesen und Spanier - und Tiere gegenüber den in Europa Geborenen und in die Kolonien erst spater Eingewanderten. Der alteste Beleg stammt aus dem Jahre 1567 und charakterisiert die in Peru geborenen Spanier: ...porque los Espanoles que tiennen de corner en ellas, los mâs de ellos, son biejos y muchos se an muerto y an sucedido sus hijos en sus rrepartimientos y an dexado muchos hijos por manera que est tierrea esta llena de criollos que son estos que acâ an nacido, y como nunca an conocido al rrey ni esperan conocello ... (Lavallé 1980, zitiert von: Stein 1984: 5) Einige Jahre spater, im Jahre 1590, taucht der Begriff in der mehrbandigen ,,Historia natural y moral de la Indias" von José de Acosta auf. Dort heiBt es: ,, ... algunos criollos (como allà llaman a los nacidos de espanoles en Indias)" (Acosta 1590, zitiert von: Stein 1984: 5). Ais Sprachbezeichnung wurde das Wort zum ersten Mal 1688 für das kreolisierte Portugiesisch im Senegal benutzt, also für eine Sprache, die in einer KoIonie entstanden war: ,,ces gens la [les Sénégalais], outre la langue du pays, parlent encore un certain jargon qui n'a que tres peu de ressemblance a la langue portugaise, et qu'on nomme langue créole, comme dans la mer Mediterranée la langue franque" (de la Courbe 1685, zitiert von: Bollée 1977: 14) 2 Damais war das Wort in Europa in dieser Bedeutung noch allgemein unbekannt. Die Bedeutung von ,,créole" weitete sich schnell aus und wurde bald für die in den Kolonien geborenen Negersklaven im Gegensatz zu den aus Afrika neu importierten ,,bozales" verwendet. Dies belegt der Text ,,La Florida del Inca" von Garcilaso de la Vega el Inca aus dem Jahre 1605: Los negros llaman criollos a los hijos de espanol y espanola y a los hijos de negro y negra que nacen en Indias, por dar a entender que son nacidos alla y no de los que van de aca de Espana. Y este vocablo criollo han introducido los espanoles ya en su lenguaje para significar Io mismo que los negros. (Garcilaso de la Vega el Inca 1605, zitiert von: Stein 1984: 6) Spater wurde die Bezeichnung auf alles in den Kolonien Geborene und Einheimische gegenüber dem aus Europa und Afrika Eingeführten übertragen: auf Pflanzen, Tiere, Werkzeuge, Kleidung, Gewohnheiten und die neu entstandenen Sprachen. In den franzosischsprachigen Gebieten entwickelte sich ,,créole" ais Ethnonym unterschiedlich: wahrend es auf den Antillen seine ursprüngliche Bedeutung bewahrt hat, namlich ais Bezeichnung für ,,auf der Insel geborener WeiBer europaischer Abstammung" (Stein 1984: 6), benennt ,,kreolisch" auf La Réunion jeden dort Geborenen europaischer oder afrikanischer Abstammung auBer Indem und Chinesen. Auf Mauritius und den Seychellen erhalt es durch die Verwendung für dunkelhautige Mischlinge und schwarze Nachfahren der ehemaligen Sklaven eine pejorative Konnotation. In einem Brief von Friedrich Martin aus dem Jahre 1736 folgte ein weiterer Beleg von ,,créole" ais neu entstandener Sprache: ,,Br. Cars(tens) war fleissig wolt das neije testament ins carriolse bringen: es ist aber sehr schwer: den sie besteht in all zu vieler Sprachen" (Stein 1982, zitiert von Stein 1984: 6). Die nachsten franzosischsprachigen Belege fanden sich aufMauritius 1773 Un jeune Négrillon Mozambique, nommé Favori, âgé de 13 ans, appartant au Sr. Pierre Maheas [ ... ]. Comme ce jeune noir s'est probablement égaré & qu'il n'entend pas la langue créole, il n'aura pu dire le nom de son maître ni retrouver sa maison. (Annonces, affiches et avis divers pourles colonies des isles de France et de Bourbon 1773, zitiert von: Stein 1984: 7) und Haïti 1785: 3 Quoi qu'il en soit, le langage créole a prévalu. Non seulement il est celui des gens de couleur, mais même des blancs domiciliés dans la colonie [St. Domingue], qui le parlent plus volontiers que le français, soit par habitude, soit qu'il leur plaît davantage. (GirodChantrans 1785, zitiert von: Stein 1984: 7). Hymes' Definition A creole is defined as an ordinary language that is derived from a pidgin and that through one or another set of circumstances bas become the first language of a community, bas been adapted to the full range of functions of community life, and has become notably richer in lexicon and structure than the pidgin from which it arose. In most circumstances in which creoles are found they are considered socially inferior, even though sometimes thougt superior in expressiveness. (Hymes 1971, zitiert von: Stein 1984: 7) ist, obwohl sie schon die Unterscheidung zwischen Kreolsprache und Pidgin und die Umstiinde erwahnt, die zur Herausbildung einer Kreolsprache gefilhrt haben kônnten, noch zu rein linguistisch und wird demnach von der neuesten Forschung ais unzureichend angesehen. Angemessener scheint die soziolinguistische Begriffsbestimmung nach Annegret Bollée: ais Kreolisch bezeichnet man eine Sprache, die in einem geographisch und/oder kulturell isoliertem Gebiet, in einer multilingualen Gesellschaft mit sozialem Gefiille - wie der Plantagengesellschaft in den Kolonien - durch unvollkommenes Erlernen, Fehlinterpretation und Vereinfachung der Sprache der sozial héiheren Schicht durch die sozial niedrigere Schicht entstanden ist. (Bollée 1977: 15). Nicht immer war die Trennung der beiden Begriffe ,,Kreolsprache" und ,,Pidgin" einfach, doch spatestens seit Hall (,,A creole arises, when a pidgin becomes the native language of a speech community" (Hall 1966, zitiert von: Boretzky 1983: 5)) verwendet man den Begriff ,,Pidgin" für ,,die Idiome, die neben den jeweiligen Muttersprachen allenfalls ais Zweitsprachen fungieren, wahrend die zur Muttersprachen gewordenen Pidgins definitionsgema.B ais Kreolsprachen bezeichnet werden." (vgl. Hall 1966, in: Boretzky 1983: 5). Laut dieser Erklarung müsste man wohl annehmen, dass es vor der Kreolsprache auch immer erst ein Pidgin gegeben haben muss. Das Réunionesische wiederspricht jedoch dieser life-cycle-Theorie nach Hall (vgl. Hall 1962, in: Boretzky 1983: 18), da es sich, wie im nachfolgenden Abschnitt gezeigt wird, bei den ersten Siedlem auf La Réunion vorwiegend um solche franzôsischer Abstammung handelte und man also vom Franzôsischen ais damais vorherrschende Umgangssprache ausgehen kann. Erst die Kinder (v.a. aus Mischehen) ab 4 der zweiten Generation lemten wohl ais Muttersprache und verwendeten ais einziges Kommunikationsmittel eine pidginisierte Mundart, die dann aber per definitionem nicht Pidgin, sondem Kreolsprache genannt werden kann und muss. Dies belegen auch die Ergebnisse der ersten Volkszahlung von 1686, die die insgesamt 269 Einwohner wie folgt einteilte: Français et Françaises[ ... ] IO familles 53 personnes Français et Portugaises des Indes 12 familles 66 personnes Français et Négresses de Madagascar 14 familles 78 personnes Nègres et Négresses de Madagascar 8 familles avec Jeurs enfants[ ... ] 16 Noirs de Madagascar 12 Noirs Indiens (vgl. Chaudenson 1974a, in: Bollée 1977: 125f.) Weil hier also mit über der Halfte der Familien und mit mindestens 92 potentiellen ,,native speakers" ,,ein Kreol unmittelbar am Beginn der Entwicklung" (vgl. Bollée 1977: 126, und zitiert in: Boretzky 1983: 18) stand, wird in der vorliegenden Arbeit immer vom Réunionesischen ais Kreolsprache die Rede sein. 2.2 Die Geschichte der Besiedlung Réunions "Entre 1507 et 1512, des navigateurs portugais qui explorent la Route des Indes, sont les premiers Européens à découvrir la Réunion" (Comité de la Culture, Région Réunion 1986, zitiert in: Staudacher-Valliamée 1992: 5). Auf den Karten von Alberto Cantino (1502) und Yorge Reinel (1520) erscheint die Insel zum ersten Mal unter dem Namen ,,Diva Morgabin/Dina Margabin" (Westinsel). Der portugiesische Seefahrer Diego Dias gibt ihr den Namen ,,Santa Apolonia", ais er dort am 9. Februar 1507, dem Namenstag der heiligen Apollonia, anlegt. Ab 1520 wird die Insel nach dem Namen des portugieseschen Seefahrers Pedro de Mascarenhas zusammen mit ihren Nachbam Mauritius und Rodrigues zum Archipel der Maskarenen gezahlt (vgl. Capestan, A- 5 Iain: Nomade Aventure <http://www.nomade- aventure.com/destinations/destination.asp?r=H&codePays=REU&codeCircuit=125> [12.04.2008]}. Zwischen 1646 und 1654 <lient die Insel, nun unter dem Namen ,,Mascarin" bekannt, ais Verbannungsort für Meuterer. Eine dauerhafte Besiedlung setzt erst im Jahre 1663 ein: "En 1663, deux Français et dix serviteurs malgaches dont 3 femmes s'installent dans la région de Saint-Paul. Ce sont les premiers marrons" (Bertile 1976, zitiert in: Staudacher-Valliamée 1992: 6). 1672 kommen mit 15 Kriegsgefangenen aus San-Thomé die ersten Inder auf die Insel, die inzwischen nach dem Geschlechtsnamen des franzosischen Konigshauses "Bourbon" benannt wurde. "En 1679, treize Indiennes de Goa, colonie portugaise en Inde, épousent des habitants dont elles ont eu 96 enfants contribuant ainsi activement au peuplement de Bourbon qui à l'époque ne comptait que quelques centaines d'habitants" (Comité de la Culture, Région Réunion 1986, zitiert in: Staudacher-Valliamée 1992: 6). Die in dieser ersten Phase der Besiedlung vorzufindenden Sprachen auf der Insel sind also ein lndo-Portugiesisch, Madagassisch und Franzosisch. Die relativ hohe Anzahl von Indem und ,,Malgaches" spiegelt sich schon zu diesem Zeitpunkt in der Zahl der Frauen wider, von denen nur 8 von insgesamt 37 franzosischer Abstammung sind (vgl. Scherer 1985, in: Staudacher-Valliamée 1992: 6). Bemerkenswert ist die Fruchtbarkeit auf der Insel: "[ ... ] 1OO colons donnèrent-ils naissance à 538 enfants. La seconde générations ne devait d'ailleurs qu'amplifier cette tendance" (Scherer 1985, zitiert in: StaudacherValliamée 1992: 6). lm Zuge der franzosischen Kolonisierung kommen weitere Siedler auf die Insel, die Sklaven aus Madagaskar, Ostafrika und Indien zur Arbeit auf den Plantagenwirtschaften (Bourbon-Vanille, Zuckerrohr, Kaffee) mitbringen. Bertrand François Mahé de La Bourdonnais, Gouverneur der Insel von 1735 bis 1745, ist maBgeblich für die Weiterentwicklung der Île Bourbon. Am 19. Marz 1793 wird die Insel im Zuge der Franzosischen Revolution auf La Réunion getauft. lhr Name ist verknüpft mit der Vereinigung von Revoluti- 6 onaren aus Marseille mit der Nationalgarde in Paris am 1O. August 1792 und deren nachfolgenden nachfolgendem Sturm auf die Tuilerien. In den nachsten Jahren wechselt der Name der Insel von "La Réunion" auf "Bonaparte", dann wieder auf "Bourbon" und 1848 wieder und endgültig auf "La Réunion". Nach Abschaffung der Sklaverei im selben Jahr fürdert man die Einwanderung freier Vertragsarbeiter. Die demographische Situation sieht nun wie folgt aus: Die ,,Malgaches" stellen noch immer einen groBen Teil der Bevôlkerung. Afrikaner erreichen die Insel "de la côte orientale de l'Afrique, de Zanzibar et de la côte Mozambique. Les Indiens gujarati arrivent de Bombay, de Surat et de Broach. Les Chinois: Hakkas sont de natifs de Shinnen et de Mo Yen ou Cantonnais de Nam Hoy et Soun Tac. Les Français viennent surtout de la Bretagne, de la Normandie et de l'ile de France" (Barat 1987, zitiert in: StaudacherValliamée 1992: 6f.). Rekrutierte aus Südindien kommen aus "Madras, Pondichéry, Karikal, Yanaon. Ils couvrent tout le pays tamoul de la côte du Coromandel, débordent légèrement sur le Kérala (côte Malabar), sur l'état du Mysore et sur l 'Andra Pradesh" (Lacpatia 1982, zitiert in: Staudacher-Valliamée 1992: 7). 1946 wird La Réunion nach mehreren wirtschaftlichen Krisen zu einem franzôsisches Überseedépartement (département <l'outre-mer) und 1982 auch zu einer franzôsischen Überseeregion (région <l'outre-mer) erklart. 2.3 Wer oder was ist verantwortlich für die Entstehung der Kreolsprachen? Zu der Frage, ob die Kreolsprachen eher durch rezeptive oder produktive Kreolisierung oder durch ein ganz anderes Phanomen entstanden sind, gibt es verschiedene Antworten und Erklarungsversuche. Die Theorie der produktiven Kreolisierung besagt, die WeiBen hatten ihre eigene Sprache bewusst verandert, um die Kommunikation mit den Sklaven zu vereinfachen. Diese Theorie einer "langage volontairement corrompu pour faciliter sa compréhension" (Chevillard 1649, zitiert in: Stein 1984: 90) wird aber seit Schuchardt kaum mehr vertreten. 7 Alles Radebrechen einer Sprache geht von deren Erbbesitzern aus, ganz lihnlich wie die Kindersprache auf der Ammensprache beruht. Oder wenn ich ein Bild gebrauchen darf, nicht die Fremden brechen sich aus einem schônen festgefügten Gebaude einzelne Stücke heraus um sich damit dürftige Hütten zu bauen, sondern die Eigentümer selbst reichen sie ihnen zu solchem Zwecke. (Schuchardt 1909, zitiert in: Bollée 1977: 48) Alleyne widerspricht sogar vehement dieser Aussage: Le français qui se parlait dans la situation de contact entre français et africain était donc un français qui n'avait rien perdu de sa morphologie. Il n'est pas question d'un français volontairement réduit ou simplifié ou corrompu par les sujets parlant français. (Alleyne 1976, zitiert in: Stein 1984: 93) Die entgegengesetze Theorie einer rezeptiven Kreolisierung basiert auf der Annahme, dass die afrikanischen Sklaven die Kreolsprache(n) geschaffen hatten, indem sie die Sprache ihrer Herren nur unvollstandig Ubemahmen. Dabei konzentrierten sie sich auf das für die Kommunikation Wichtige und verzichteten auf jeden sprachlichen ,,Luxus". Laut Goodman haben aber beide Kreolisierungserscheinungen zusammengewirkt. So erfolgte die Reduzierung der Basissprache sowohl durch Europaer selbst als auch durch die Lemer der Zweitsprache. Aus diesem Grund müsse man sich bei jeder strukturellen Veriinderung die Frage stellen, oh diese Abweichung der produktiven oder rezeptiven Kreolisierung geschuldet sei (vgl. Goodman 1964, in: Bollée 1977: 49). Eine Mischform aus den beiden genannten Hypothesen ist, je nachdem zu welchem Zeitpunkt man die Beobachtung ansetzen würde, die ,,baby-talk"Theorie. So behauptet Bouton 1640 zum ersten Mal mit "nous nous accomodons à leur facon [des esclaves noirs] de parler qui est ordinairement par l'infinitif' (Bouton 1640, zitiert in: Stein 1984: 93), dass der Muttersprachler die Fehler der Sklaven bewusst übemehmen würde, um ihnen bei der Kommunikation zu helfen. Auch Heine vertritt die Ansicht, dass die WeiBen auf die unvollstandigen Sprachkenntnisse der Sklaven mit Nachahmung derer "incomplete speech" reagierten bzw. mit dem "Rückgriff auf Sprechgewohnheiten, die bei der Beziehung Erwachsener-Kleinkind vorhanden sind" (Heine 1973: 24). Derselben Meinung sind auch Hall und Bloomfield: Speakers of a lower language may make so little progress in learning the dominant speech, that the masters, in communication with them resort to 'baby-talk'. This 'babytalk' is the masters' imitation of the subjects' incorrect speech. There is reason to be- 8 lieve that it is by no means an exact imitation, and that some of its features are based not upon the subjects' mistakes but upon grammatical relations that exist within the upper language itself. The subjects, in turn, deprived of the correct model, can do no better now than to aquire the simplified 'baby-talk' version of the upper language. [... ](Hall 1966, zitiert in: Bollée 1977: 48f.) [... ]The basis is the foreigner's desperate attempt at English. Tuen cornes the English-speaker's contemptuous imitation ofthis, which he tries in the hope ofmaking himself understood. [ ... ] The third layer of alternation is due to the foreigner's imperfect reproduction of the English-speaker's simplified talk, and wiU differ according to the phonetic and grammatical habit of the foreigner's language. (Bloomfield 1933, zitiert in: Stein 1984: 93) Nach der Übemahme der falschen Sprechweise durch die WeiBen kopierten die Sklaven diese Fehler wiederum in der Meinung, es handele sich um die korrekte Sprache. Wie zu sehen ist, sind sich aile Autoren darüber einig, dass die Ursache für die Entstehung der Kreolsprachen der nicht gelungene Versuch ist, eine fremde Sprache richtig zu sprechen, allerdings unterscheiden sie sich hinsichtlich der Sprecher, die entweder ihre eigene Muttersprache oder die dominante Fremdsprache vereinfachten. Eine dritte Theorie befasst sich weniger mit den Sprechergruppen als vielmehr mit den Umstiinden und Lebensbedingungen der Sklaven und ihrer Herren in der Plantagengesellschaft, die letztendlich zur Entstehung der Kreolsprache(n) geführt haben sollen. So verlangte laut Baissac "la nécessité impérieuse qui s'imposait aux maitres et aux esclaves de se créer, au plus tot et coute que coute, un instrument d'échange quel qu'il fut." (Baissac 1880, zitiert in: Stein 1984: 94). Coelho erwahnt "leis psychologicas ou physiologicas por toda a parte as mesmas" (Coelho 1880, zitiert in: Stein 19984: 94) und Gâldi spricht von "certaines lois ,panchroniques' de la psychologie humaine" (Gâldi 1949, zitiert in: Stein 1984: 94). Diesen Gedanken des ungesteuerten Zweitsprachenerwerbs durch eine in der Sprache des Menschen angelegte GesetzmaBigkeit greift auch Bickerton auf und verbindet die Entstehung der Kreolsprachen mit dem kindlichen Spracherwerb und der Entstehung menschlicher Sprache überhaupt. Seine Behauptung, dass jeder Mensch aufgrund eines angeborenen Bioprogramms fahig sei, eine neue, oft der Kreolsprachen strukturell ahnliche Sprache zu erlemen, zeigt sich in folgendem Zitat: 9 If the present model is in essence correct, and if a creole-like language was the end product of a long period of biological evolution, then the overall capacity to produce languages of this type (itself a composite of neural capacities that preexisted any kind of language and neural capacities that were added as language evolved) must at that point (and for the rest of the life of the species, it should go without saying) have formed a part of the genetic inheritance of every inidvidual member of the species. lt would then unfold [. .. ] as part of the normal growth development of every child - inmost cases, being quickly overlaid by the local cultural language, but in a few, emerging in something not too different from its original form. lt would merely require triggering by some form oflinguistic activity from others - [ ... ] (Bickerton 1981, zitiert in: Stein 1984: 94) Er nimmt an, dass der Übergang von einem Pidgin zu einer Kreolsprache schlagartig geschehe, und zwar durch das Auftreten sprachlicher Veriinderungen, die weder in der Basissprache noch im Pidgin vorhanden sind. Die Entstehung dieser neuartigen Erscheinungen führt Bickerton darauf zurück, dass ,,the child bas recourse to things which are somehow already in its knowledge" (Bickerton 1979, zitiert in: Boretzky 1983: 10). Coelho spricht von einem ahnlichen Phanomen, namlich der angeborenen Fahigkeit zur Sprachvereinfachung "instintivamente" (Coelho 1880, zitiert in: Bollée 1977: 49), laut Todd dem "built-in simplification mechanism" (Todd 1974, zitiert in: Bollée 1977: 49), welcher sich wie folgt auBert: "people of different linguistic backgrounds adjust their language behaviour in similar ways, suggests that the behaviour is rule-governed and may be the result of linguistic universals." (Todd 1974: 42). Somit waren also die Strukturen der Kreolsprachen mit den frühesten Strukturen menschlicher Sprache zu vergleichen, und es würde immer dann zur Erlernung einer konkreten Kreolsprache kommen, wenn dem lernenden Kind keine "local cultural language" in angemessener Weise zur Verfügung steht. Ob dies in der Geschichte und bei den Kreolsprachen der Fall war, wird in einem spateren Kapitel gezeigt. Die Diskussion um Brickertons Theorie schlagt vor allem in den letzten Jahren hohe Wellen. So wird gerade das Thema Spracherwerb immer haufiger in Zusammenhang mit anatomischen und neurolinguistischen Prozessen gebracht. Noch heute ist das Gebiet des kommunikativen Kompetenzerwerbs in biologischer Hinsicht zu wenig erforscht; die bisherigen Ergebnisse sind jedoch eine mogliche Erklarung für die Entstehung und strukturelle Âhnlichkeit der Kreolsprachen. 10 2.4 Erklirungsansiitze zur Genese von Kreolsprachen lm letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nahm das wissenschaftliche Interesse für Kreolsprachen erheblich zu. J.J. Thomas lieferte die erste Grammatik im Jahre 1869, zwischen 1880 und 1891 folgten weitere wichtige Arbeiten von Baissac, Coelho, Adam und Schuchardt. Einig ist man sich ohne Frage, dass Kreolsprachen trotz unterschiedlicher Basissprachen eine Reihe struktureller Gemeinsamkeiten haben. Die Ursachen dafür konnten bis jetzt nicht eindeutig geklart werden, es gibt lediglich verschiedene Erklarungsansatze. Die monogenetische Theorie, die aufgrund ihrer Unzulanglichkeit nur noch selten vertreten wird, geht davon aus, dass sich die Kreolsprachen aus einem portugiesischen Proto-Kreol der Westküste Afrikas entwickelten. Eine extreme, von Whinnom bevorzugte Erklarung lautet, dass die Lingua Franca des westlichen Mittelmeeres von den Portugiesen umgebildet und danach in der Welt verbreitet worden sei: Certain pidgins and creoles are relexifications of an advanced Portuguese pidgin; others may be relexifications of a more primitive Portuguese pidgin which originated as a relexification of Sabir, or, possibly, directly, of Sabir itself. In my view, indeed, the weight ofprobability is heavily against the independent origin of a Portuguese creole, as much as against the independent origin of othe Europeanbased pidgins and creoles. (Whinnom 1965, zitiert in: Bollée 1977: 97). Die spanischen, franzosischen, englischen und hollandischen Kolonisten stieBen daraufhin in den jeweiligen Kolonien auf ein portugiesisches Pidgin, welches sie so lange veranderten, bis kaum noch portugiesische Elemente zu finden waren. Ais Beweis für diese Hypothese nennen ihre Vertreter die vielen Âhnlichkeiten innerhalb unterschiedlicher Kreolsprachen und die portugiesischen ,,Reststücke", die in fast jeder vorhanden sind (vgl. Boretzky 1983: 23 f. und Heil 1999: 13f.). Goodman geht ebenfalls von portugiesischen Wurzeln aus, bezieht sich aber auf ein portugiesisches "pré-créole", aus dem aile Frankokreolsprachen entstanden seien. Dieses soll von portugiesischen Seefahrern ais Kontaktsprache an der Westküste Afrikas benutzt worden sein und bereits afrikanische Züge in sich getragen haben. Mit Beginn des Sklavenhandels gelangten nun die Sklaven an die afrikanische Westküste und eigneten sich dort das portugiesische 11 Pidgin an, brachten es in die Kolonien, vollzogen eine lexikalische Erweiterung unter Einbeziehung der europaischen Sprache ihrer Herren und relexifizierten es (vgl. Goodman 1964, in: Heil 1999: 14). Todd übt jedoch Kritik an dieser Relexifizierungstheorie und fragt sich, warum eine Bevôlkerungsgruppe ihren eigenen Grundwortschatz gegen einen anderen austauschen sollte (vgl. Todd 1974: 37f.). Auch Chaudenson schlieBt diese Theorie filr <las Kreolische auf La Réunion aus, da die afrikanischen Sklaven zu spat auf die Insel kamen, um einen Einfluss auf die Herausbildung des Bourbonnais gehabt zu haben (vgl. Chaudenson 1974a, in: Hèil 1999: 14). Die polygenetische Theorie, auch Mischsprachenhypothese genannt, bezeichnet die Kreolsprachen ais jeweilige Fortsetzer des Portugiesischen, Spanischen, Franzôsischen, Englischen oder Hollandischen, d.h. sie entwickelten sich unabhangig voneinander dort, wo sie heute noch gesprochen werden. Meillet formulierte hierzu eindeutig: Notamment quand une langue est adoptée par une population qui perd son idiome indigène, le changement peut se précipiter; la prononciation peut alors changer d'un coup; la grammaire peut etre simplifier à l'extrème, comme il est arrivé dans les parlers créoles. Ici encore, certains linguistes seront tentés de parler de langues mixtes; mais le matériel de la langue appartient à un idiome défini; le créole de la Réunion ou de la Martinique est du français imparfait, mais c'est du français; car c'est à l'imitation seule du français de leurs maitres que les nègres l'ont constitué. La plus grande partie de la conjugaison a été sacrifiée; mais ce qui en subsiste, l'infinitif, est français, et l'on n'y trouve pas le moindre élément africain. Il y a eu perte brusque d'une très grande partie d'un système grammatical au moment où une population de langue très différente et placée dans une situation sociale inférieure a appris une langue nouvelle. Les changements portent sur l'ensemble de chaque système, et l'on peut relier le système ancien au nouveau par un ensemble de formules de transformation. D'ailleurs, au début du moins, il subsiste toujours dans le système nouveau une portion du système ancien, et le peu que le créole a de grammaire est de la grammaire française. (Meillet 1921: 85) Man kônnte es wie Voegelin auch kürzer formulieren: ,,When many people speaking language A, corne in contact with many people speaking language B, they will, under the appropriate cultural conditions, mix A and B to create C, which is called a [... ] [creole] language." (Voegelin 1964, zitiert in: Heine 1973: 24). Andere Vertreter wie Sylvain und Taylor schlieBen bei . der Entstehung der Kreolsprachen die Beeinflussung durch Substratsprachen nicht aus und bringen es wie folgt auf den Punkt: "Nous sommes en présence d'un français coulé dans le moule de la syntaxe africaine ou, comme on classe généralement les 12 langues d'après leur parenté syntaxique, d'une langue ewe à vocabulaire français" (Sylvain 1936, zitiert in: Stein 1984: 98) und [ ... ] various new languages [...]and several fonns of French Creole [ ... ]are peculiar in combining rather similar grammatical structures of a non-Indo-European and seemingly West African type with vocabularies that are preponderantly of English, Portuguese or Spanish, Dutch and French ancestries respectively. (Taylor 1961, zitiert in: Bollée 1977: 13) Had Meillet or another been able to substantiate the statements made in the above citation, the controversy would have been at an end; for nobody can deny that the basic vocabularies of these creoles are today preponderantly French. But grammatical concordances have never, so far. as I know, been demonstrated adequately in the case of any creole and its European parent. (Taylor 1963, zitiert in: Bollée 1977: 14) Auch Adam und Schuchardt sind der Meinung, dass die Kreolsprachen aus einer Kombination des Lexikons der Superstratsprache und den morphosyntaktischen Strukturen der Substratsprache bestehen und somit als Mischsprachen verstanden werden müssen (vgl. Schuchardt 1909, in: Heil 1999: 15). Hall geht mit seinen Überlegungen, spater ,,common-core Theorie" genannt, einen Schritt weiter und definiert die Kreolsprachen als ,,Schnittmenge der beiden Grammatiksysteme [der Basis- und Substratsprache]" (vgl. Mühlhausler 1986, in: Heil 1999: 18), d.h. ais eine Zusammensetzung der morphosyntaktischen Strukturen, die in beiden Sprachen vorhanden sind. Goodman versucht in seinen Arbeiten, beide Theorien zusammen zu bringen und kommt zu dem Ergebnis, dass ein Protokreolisch oder Pidgin, in dem bereits vor seiner dialektalen Ausbreitung in Ost und West die wesentlichen Veranderungen gegenüber dem Franzosischen verankert waren, der Ursprung der franzosischen Kreolsprachen sei: Alle "Creole French dialects" Amerikas und im Indischen Ozean haben einen gemeinsamen Ursprung, gehen auf gemeinsames "pre-Creol" zurllck. "lt is my belief that only a common origin can explain the extensive specific sirnilarities between ail the Creole dialects." (Goodman 1964, zitiert in: Bollée 1977: 16). ,,Dieses gemeinsame "pre-Creol" kann nur in Westafrika entstanden sein, und es enthielt ,,'almost certainly [ ... ] a number of features of the slaves' native languages' - gemeint sind westafrikanische Sprachen." (Goodman 1964, zitiert in Bollée 1977: 16). 13 Ali diese Erklarungsversuche liefem jedoch keine allgemeingültige Begründung für die Genese der Frankokreolsprachen. So genügt kein Modell allein, um die sprachlichen Phanomene des Kreolisierungsprozesses ausreichend aufzuklaren. Jede Theorie deckt zwar einen gewissen Bereich an strukturellen Besonderheiten ab, lasst aber andere wiederum offen. Da es unmôglich ist, den Kreolisierungsprozess zu wiederholen, kann man im Grunde nur davon ausgehen, dass ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren verantwortlich war und immer Fragen zu dieser Problematik unbeantwortet bleiben werden. Bei der Entstehung von Kreolsprachen handelt es sich vielmehr aufgrund einer Reihe von historischen und soziokulturellen Faktoren um einen ungesteuerten Zweitspracherwerb, bei dem sowohl die Sprecher der europaischen Basissprachen ihre Sprache vereinfacht haben, um die Kommunikation mit den Sklav~n zu erleichtern, ais auch die schwarze Bevôlkerung aufgrund mangelnder Lemmôglichkeiten das sozial hôher angesehene Idiom verilndert hat. Vereinfachungs- und universale Tendenzen kamen bei fehlendem Input zum Tragen, die sich im weiteren Verlaufin den Sprachen etabliert haben. Auch der Substrateinfluss afrikanischer Sprachen hat sicherlich seine Spuren in den Kreolsprachen hinterlassen und in dem Moment, wo eine eindeutige Zuordnung zu der Basissprache oder einer Kontaktsprache unmôglich erscheint, kann das common-core Modell ais Erkl!lrung hinzugezogen werden. (Heil 1999: 19). 14 3 Sprachen und Sprache auf La Réunion Dieses Kapitel soll zum einen Aufschluss über die konkrete sprachliche Situation auf La Réunion geben: in die Ausführungen einbezogen werden die verschiedenen Sprachen, die sich durch die Sprechervielfalt und das Kontinuum Franzosisch-Kreolisch ergeben. Zum anderen werden auf abstrakt- linguistischer Ebene Verallgemeinerungen und Vergleiche beider Sprachen (Franzosisch und Kreolisch) vorgenommen. Damit wird versucht zu zeigen, dass das Kreolische ais eigenstiindige Sprache betrachtet werden muss. 3.1 Die gegenwartige sprachliche Situation aufLa Réunion Die Insel La Réunion bewohnen ca. 500.000 Einwohner, etwa 37% davon sind Nachkommen afrikanischer und madagassischer Sklaven, auch ,,Cafres" und ,,Malgaches" genannt, etwa 30% WeiBe europaischer Abstammung, ungefâhr 29% lnder und ca. 4% Nachfahren chinesischer Einwanderer. Aufgrund der starken Rassenmischung ist es allerdings schwierig, jemanden einer speziellen ethnischen Gruppe zuzuordnen. Sprachlich gesehen bewirkt dieser ,,melting pot" eine diglossische Lage, die sich wie folgt auBert: Das Franzosische als Landessprache wird von den WeiBen europaischer Abstammung und den ,,Métropolitains" bzw. ,,Z'orail", meist Ârzte, Beamte, Juristen, Lehrer oder Kaufleute, die nur eine begrenzte Zeit auf der Insel verbringen, als Muttersprache gesprochen. Sie verfügen oft schnell über passive Kreolkenntnisse, ihre Kinder wachsen im Umgang mit den Eltem Franzosisch und mit ihren Freunden Kreolisch zweisprachig auf. Die weiBe Bourgeoisie, d.h. Abkommen der franzosischen GroBgrundbesitzer, auch als ,,Gros Blancs" bezeichnet, lebt in einer Diglossiesituation und verwendet beide Sprachen nebeneinander. Einige Eltem verbieten ihren Kindem auch das Kreolische mit seinem geringen Prestige. Die ,,Petit Blancs", Abkommen verarmter franzosischer kolonialer Siedler, die ca. 20% der Bevôlkerung ausmachen und zur einkommensschwachsten Gruppe zahlen, sprechen Kreolisch ais Muttersprache und einen franzosischen Dialekt ais Zweitsprache. Wegen der uneindeutigen Abgrenzung beider Sprachen na- 15 hem sie sich mit ihrer Kreolvarietiit viel mehr <lem Franzosischen an ais die reinen Kreolsprecher. Die ,,Malabars", die indische BevOlkerung der Tamilen, besiedelten die lnsel ab <lem 18. Jahrhundert und sprechen Kreolisch ais Muttersprache, sprachliche indische Wurzeln sind aber kaum mehr auszumachen. Sie haben nur passive franzosische Sprachkenntnisse, da ihr landliches Leben nur wenig Kontakt zur weiBen BevOlkerung ermoglicht. Die ,,Malgaches" und ,,Cafres" leben fast durchgehend diglossisch, aber auch hier schranken Verbote wie bei den ,,Gros Blancs" die Verwendung des Kreolischen ein (vgl. Chaudenson 1974a, in: Heil 1999: 23). Die Chinesen (,,yabs") und indischen Muslime (,,Zarabes") sind die einzigen, die ihre eigene Sprache bewahrt haben und sie ais Muttersprache aktiv sprechen: die Chinesen den kantonesischen Dialekt und die ,,Zarabes" Gujerati. Beide Gruppen lemen dazu noch Kreolisch im tiiglichen sozialen Umfeld und Franzosisch in der Schule. Allerdings ist absehbar, dass die Muslime bald nur noch in einer bilingualen Situation leben werden, da sie ihre Kinder nicht mehr lndisch lehren (vgl. Chaudenson 1974a, in: .Heil 1999: 23 und Heil 1999: 22ff.). Das Franzosische ais hohere positionelle Varietiit und mit <lem groBeren Prestigewert ist wie auch im ,,Mutterland" Frankreich streng normiert und besitzt eine weiter ausgebaute grammatische Komplexitiit ais <las Kreolische, welches die sozial niedrigere Variante darstellt. Chaudenson formuliert die Unterschiede folgendermaBen: (le français) est la langue officielle et par conséquent, celle dont on use dans toutes les situations fonnelles (administration, enseignement, religion, infonnation). Le créole est en revanche langue de la communication quotidienne pour une grande partie de la population. Les exceptions à cette règle sont assez rares et ont presque toujours un caractère folklorique : publications de chroniques ou de petits contes en créole dans la presse locale, radiodiffusion ou représentation télévisée de chansons ou de courtes pièces de theatre dans cette même langue (Chaudenson 1979, zitiert in: Heil 1999: 23f.) Für ibn ist mit Blick auf die reale Sprachsituation auf La Réunion der Begriff ,,Diglossie" in seiner klassischen Definition nach Ferguson, d.h. Trennung der beiden Sprachen nach den Kriterien privat/offentlich, formell/informell (vgl. Ferguson 1959, in: Ferguson 1971: 21) nicht geeignet, da keine strenge funktionale Unterscheidung einer hohen und niedrigen Sprachvarietiit besteht. So 16 stellt sich für ihn die Lage komplexer und von vielen sozialen Umstiinden abhangig dar (vgl. Chaudenson 1974b, in: Heil 1999:24). Valdman ist der Meinung, die hohere soziale Schicht verwende das Franzosische haufiger ais die niedrigere, wobei der Unterscheid bei Kindem am geringsten sei. Sowohl privat ais auch offentlich im Haus ohne weitere Zuhürer findet das Kreolische haufiger Verwendung ais auBerhalb. Je emster jedoch die Kommunikation formell und informell wird, desto ofter spricht man Franzosisch, was wiederum die niedrigere soziale Stellung des Kreolischen in Ôffentlichkeit und Familie verdeutlicht. Secteur familial - Types de situations Fonctions Classe Famille Sociale au complet à hors Famille la maison Bavardage de Parents la entre eux Enfants entre eux maison 40 15 85 65 35 75 25 75 25 25 75 83 17 75 25 1 30 70 5 95 50 50 60 40 II 42 58 20 80 78 22 65 35 20 65 79 21 90 10 1 60 II Conversation importante % 1 Plaisanterie Différent Reproche 1 80 II 95 1 50 50 II 35 5 50 50 100 0 90 10 17 83 58 42 75 25 45 55 25 75 89 11 80 20 1 40 60 10 90 53 47 58 42 II 60 40 32 68 78 22 68 32 90 42 58 55 45 79 78 22 63 37 jFr. Cr. ' Ordre 1 20 80 II 45 55 Langue Cr. jFr. ' 10 Cr. 1Fr. Cr. 1Fr. (Valdman 1978: 327) So hielt das Kreolisch auch erst 1930 Einzug in die Lokalpresse und ab den 70er Jahren in regionale Radio- und Femsehsendungen. Carayol und Chaudenson beziehen in diese Überlegungen einen weiteren Punkt ein: das Kontinuum Franzosisch - Kreolisch auf La Réunion, d.h. der Übergang der europaischen Standardsprache (Akrolekt) zum reinen Kreolisch (Basilekt). Ihrer Ansicht nach beeinflussen sich beide Sprachen gegenseitig, ihr Zwischenraum ist ausgefüllt von Varianten des Mesolekts und jeder Sprecher 17 verfügt über einen gewissen Teil des Kontinuums, aber keiner über das ganze (vgl. Carayol/Chaudenson 1978, in: Heil 1999: 24). Es wird somit zwar eine Annaherung der beiden Sprachen erreicht, die Zuordnung der einzelnen mesolektalen Abweichungen entweder zum Basilekt oder zum Akrolekt kann laut Bickerton aber nur bedingt realisiert werden, denn "one characteristic of the mesolect seems to be that it contains, not merely forms from the polar lects, but forms which in function, if not always in phonetic shape, are peculiar to itself' (Bickerton 1973, zitiert in: Stein 1984: 107). Lefebre spricht gegen den Mesolekt im Sinne Bickertons. So ist für sie trotz der verschiedenen Varianten die Zuordnung zu einer der beiden Sprachen immer eindeutig moglich und der Übergang vom ,,français pur/correct" zum ,,créole plat" ersichtlich (vgl. Lefebre 1974, in: Stein 1984: 107). Valkhoff geht davon aus, dass das Kreolisch auf der Insel nicht homogen ist und unterscheidet zwei Varietaten: das ,,parler urbain" und das ,,parler populaire", wobei ersteres starker franzosisiert ist (vgl. Vintila-Radulescu 1979, in: Heil 1999: 24). Chaudenson trifft eine andere Aufgliederung in ,,( 1) le créole des Bas, parlé par )es réunionnais d'origine africaine, malgacheet indienne ; (2) le créole des Hauts, pratiqué par les Blancs des Hauts ; (3) le créole urbain, fortement francisé." (vgl. Chaudenson 1974a, in: Valdman 1978: 34). Da viele Bewohner Analphabeten sind und die Mehrzahl der Schiller die offizielle Landes- und Unterrichtssprache nicht beherrscht, sind schlechte Schulabschlüsse, frühzeitige Schulabbrüche und der Ausschluss aus allen Teilen des offentlichen und z.T. privaten Lebens, wo Franzosisch zur Verstandigung Voraussetzung ist, keine Seltenheit. Nur wenigen gelingt der Schritt aus dem sprachlich bedingten sozialen Ghetto. Neben dem Versuch, die negativen Vorurteile abzubauen und somit einen sozialen Aufstieg zu ermoglichen, wird die Forderung nach Anerkennung des Kreolischen ais offizielle Landessprache immer lauter. Dies batte die Angleichung des Prestigewerts und die Verwendung beider Sprachen in allen Kommunikationssituationen zur Folge. Laut Chaudenson braucht es dafür aber "la sélection du code linguistique, la standardisation (ou codification, l'enrichissement (ou élaboration), et l'illustration" (Chaudenson 1979, zitiert 18 in: Heil 1999: 25), also die Einführung neuer Lexeme und syntaktischer Wendungen, dazu kommen administrative, juristische, literarische und Fachtexte für den Übergang des Kreolischen ais momentan noch hauptsachlich gesprochene Sprache zum Schriftlichen (vgl. Stein 1984: 117). Ais Vorteil erweist sich hierfür die Sonderstellung des réunionesischen Kreolischen, da es vie le morphologische franzosische Formen bewahrt oder in einer spateren Dekreolisierungsphase wieder eingeführt hat. Dies kann zum Beispiel am Wortschatz des Kreolischen dargelegt werden. 3.2 Der Wortschatz des Réunionesiscben Der Wortschatz ist wohl der Bereich, in dem die dominierende Rolle der europaischen Basissprache für die Entstehung und Entwicklung der Kreolsprachen am deutlichsten zum Vorschein kommt. In den letzten Jahren sind zu der ersten groBeren systematischen Darstellungen des Wortschatzes und seiner Etymologie von Chaudenson ,,Le lexique du parler créole de la Réunion" aus dem Jahre 1974 eine Vielzahl neuer Worterbücher dazugekommen, z.B. das ,,Dictionnaire étymologique des créoles français de l'Océan Indien" von Annegret Bollée, das ,,Dictionnaire créole Réunionnais / Français" von Daniel Baggioni, das ,,Dictionnaire Kréol rénioné - Français" von Alain Armand, ,,Le grand lexique créole de l'ile de La Réunion" von Armand Gunet u.a.. Chaudenson untersuchte 2211 Worter des réunionesischen Kreolischen auf ihre Herkunft und Etymologie hin und kam zu folgendem Ergebnis: origine non-française: apport malgache 95 4,3% apport indo-potugais 72 3,2% apport africain 5 0,3% "Vocabulaire des Isles" 67 origine française: archaismes néologismes denson 1974a, zitiert in: Stein 1984: 33) .1 19 3,0% 698 31,6% 1274 57,6% (Chau- Allerdings kann man davon ausgehen, dass die Zahl der Lexeme franzosischen Ursprungs noch um einiges hoher ist, da Worter ohne bzw. nur mit lautlicher Abweichung unbeachtet gelassen wurden. . Der auf das Franzosisch zurückgehende Wortschatz ist auf der Insel allgemein bekannt und lasst die Kreolsprache dem Franzosischen ahnlich erscheinen. Es sind zum einen Worter, die in Form, syntaktischer Funktion und Bedeutung unveriindert aus <lem Franzosischen übemommen wurden, zum anderen Wfüter, die eine Umgestaltung erfahren haben. Dazu gehoren ebenfalls Neubildungen mit übemommenem, franzosischem Sprachmaterial und nach franzosischem Vorbild, die aber selbst im Franzosischen nicht existent sind, und Worter, die im Franzosischen nicht mehr gebrauchlich sind (Archaismen) oder nur in Dialekten vorkommen bzw. vorgekommen sind (Dialektalismen). 3.2.1 Aus dem Franzosischen übernommene Worter obne Verinderung Der Vorgang des Entlehnens von Wortem gehort zum normalen Leben einer Sprache. Oft funktioniert dabei die weiter entwickelte, prestigehohere ais ,,Lieferant" und ist damit Vorbild fiir die andere. lm Falle der Kreolischen auf La Réunion ist vor allem das Franzosische die ,,Gebersprache". Die aus <lem Franzosischen übemommenen Begriffe mit keinen oder nur lautlichen Unterschieden sind in zwei Gruppen fassbar: 1. die in den Frankokreolsprachen fest integrierten Worter, Erbwortschatz genannt, und 2. die spateren Entlehnungen Diese Einteilung kann man vor allem durch die lautliche Gestalt oder Bedeutung der Wôrter erschlieBen. Zum Erbwortschatz gehfüen Worter aller Wortarten und aus verschiedenen semantischen Bereichen. Ihre Bedeutung und ihr franzosische Pendant lassen sich durch lautes Lesen leicht erschlieBen. Die modemen Entlehnungen sind vor allem daran erkennbar, dass sie bei der Behandlung von neuen Themen auftauchen, die noch nicht über ausreichenden Wortschatz verfiigen. Sie gehfüen oft noch nicht zum festen Vokabular der 20 jeweiligen Frankokreolsprache, ermoglichen aber dessen Ausbau und Erweiterung und damit die Anpassung an die jeweiligen Bedürfnisse (vgl. Stein 1984: 35ff.). 3.2.2 Aus dem Franzosischen übernommene, in der Form veranderte Worter Die Formveranderung der Worter des Réunionesischen im Vergleich zu denen des Franzosischen ist an mehreren Phanomenen erkennbar: an der Agglutination des franzosischen Artikels, dem Ausfall der Anlautsilbe (Apharese) oder der Auslautsilbe (Apokope) und dem Verlust der Nominalflexion, auf den weiter unten genauer eingegangen wird. Die Erscheinung der Agglutination auBert sich in der Verschmelzung von bestimmtem Artikel oder Teilungsartikel und <lem dazugehorigen Substantiv. Sie werden also gewissermaBen zu integrierten, aber funktions- und bedeutungslosen Elementen vieler Nomen. Das Auftreten der Agglutination richtet sich scheinbar nach der Haufigkeit der im Franzosischen verwendeten Verbindung von Artikel und Substantiv. Der unbestimmte Artikel besteht im Réunionesischen weiterhin, aber auch die Agglutination wird nicht konsequent in allen Fallen vollstandig vollzogen. Gründe dafür konnten die starkere Bewahrung oder die Wiedereinführung des bestimmten und Teilungsartikels im Zuge der Dekreolisierung sein. Beispiele für agglutinierte Artikel aus den kreolischen Textausschnitten von "Lo ti prins" waren "laviyon" für "l'avion", "lasab" für "la sable", "loséan" für "l'océan" und "<lolo" für "de l'eau", für nicht agglutinierte "Io zié" für "les yeux" und "Io kèr" für "le cœur". Vom Phanomen der wegfallenden Anlautsilbe sind vor allem vokalisch anlautende Verben betroffen, im Textbeispiel ware <las ,,Mazine" (vom franzosischen ,,imaginer"), sie tritt aber auch bei anderen Wortarten (Bsp.: ,,èk" von ,,avec") und bei konsonatischem Anlaut auf (Bsp.: ,,ti" von ,,petit"). Eine Verkürzung der Worter bewirkt ebenso die Apokope, d.h. der Wegfall der auslautenden Silbe, wie es beispielsweise in ,,ansanm" von ,,ensemble", ,,tonm" von ,,tomber" und ,,tir ,, von ,,tirer" der Fall ist. Bei den Verben bewirkt dies die 21 Bildung der Kurzform, die für die Kenntlichmachung des Prasens und vor nachfolgendem Objekt genutzt wird (siehe Kapitel 3.3.3.l). 3.2.3 Aus dem Franzôsischen übernommene, in syntaktischer Funktion veriinderte Worter lm Franzosischen sind bekanntermaBen die Worter durch ihre Zugehorigkeit zu einer bestimmten Wortart in ihrer syntaktischen Funktion beschrankt. Substantive, Adjektive und Verben erhalten zudem durch bestimmte Endungen eine Genus- und Numerus- bzw. Person-, Tempus und Modusmarkierung. An eine Ânderung der Endung ist meist auch eine Ânderung der Wortart gebunden. Die Worter der Kreolsprache zeichnen sich hingegen wie folgt aus: ,,Eine Morphologie mit der Festlegung der genauen Bedeutung und Satzfunktion durch bestimmte Endungen gibt es nicht." (vgl. Stein 1993, in: Heil 1999: 203), d.h. sie besitzt meist nur eine unveranderliche Form. Die wenigen Worter, die eine Markierung durch pra- oder postponierte Partikel erhalten hat, sind entweder kreolische Neubildungen oder semantisch nicht eindeutig. Durch den Wegfall der Endungen werden die Grenzen zwischen den einzelnen Wortarten jedoch durchlassig, d.h. jedes Wort kann je nach Funktion im Satz zu verschiedenen Wortarten gehfüen, ohne dass bestimmte Morpheme darauf hinweisen müssten. Wahrend nun einige Worter durch dieses Phanomen ihre eigentliche syntaktische Funktion und Wortartzugehorigkeit komplett verandert haben, behielt die Mehrzahl aber die neue Form neben der alten. Ais Beispiele waren für das Kreolische auf La Réunion die Verbalisierung von franzosischen Substantiven, Adjektiven und Adverbien (Bsp. aus Text "dobout" für ,,se mettre debout") und die Substantivierung von Verben und Adjektiven zu nennen, die teilweise auch im Franzosischen existieren. Hinzu kommen Prapositionen, Adverbien und grammatische Partikel, die eine andere syntaktische Funktion erhalten konnen (vgl. Stein 1984: 39ff.). 22 3.2.4 Aus dem Franzôsischen übernommene, in der Bedeutung veranderte Wôrter Wie das Franzosische und andere Standardsprachen kennen auch die Kreolsprachen das alltiigliche Phanomen. der Bedeutungsanderung eines Begriffes. Dieser kann mit dem Wechsel der syntaktischen Funktion, der sich durch die Unveranderlichkeit vieler Wortarten relativ leicht gestaltet, oder durch die Bedeutungserweiterung oder -verengung eines Wortes erreicht werden. In dem in Kapitel 4 betrachteten réunionesischen Text wurden einige franzosische Verben durch andere, bedeutungsintensivere Synonyme ersetzt. So steht ,,koz" eigentlich für das franzosische Verb ,,causer", erhalt aber in diesem Text die Bedeutung von ,,parler", wobei jedoch nicht ersichtlich ist, ob dieses im Réunionesischen synonymisch neben [kose] existiert oder schon geschwunden ist. Auch Substantive konnen ihre Bedeutung verandem: so wird in den Kreolsprachen des Indischen Ozeans der Bedeutungsbereich von zum Beispiel ,,zafer" (von franzosisch ,,les affaires") auf ,,chose, objet, bagage" erweitert und passt daher semantisch in den Aussschnitt des ,,Lo ti prins". Dasselbe passiert mit ,,domoun", welches seine ursprüngliche Bedeutung ,,Welt" nicht beibehalten konnte, sondern in allen Frankokreolsprachen ,,personne, individu, quelqu'un" konnotiert. Ais Beispiele für Adjektive, deren Semantik sich andert, konnte man die Farbadjektive [bla] und [nwar/nwa/nwè] (franzosisch. ,,blanc" und ,,noir") anführen, die in Anlehnung an die soziale und ethnische Situation Konnotationen angenommen haben. Ihre Verwendung ais bloBe Farbadjektive in Bezug auf Menschen ist somit stark zurüchgegangen, vielmehr wird nun auf [kler/klè] und [bre] (franzosisch ,,clair" und ,,brun") zurückgegriffen. 3.2.S Archaismen und Dialektismen Archaismen sind Worter, die Wortbedeutungen oder syntaktische Konstruktionen einer alteren Stufe des Franz., die sich in den FKS, nicht aber im Franz. selbst erhalten haben. Dialek:tismen sind Worter, Wortbedeutungen oder syntaktische Konstruktionen, die in franz. Dialekten existieren, aber nicht (mehr) in der Standardsprache. (Stein 1984: 45). 23 Die Zuordnung eines bestimmten Begriffes zu einem dieser Bezeichnungen fâllt aber haufig schwer, da die meisten Worter und_Kontruktionen beiden Gruppen zuzurechnen sind. Viele der vorausgehenden kreolischen Lexeme kann man zur Abteilung der Bedeutungsdialektismen/-archaismen zahlen, da ihre kreolische Semantik schon in franzosischen Dialekten und/oder alteren Sprachstufen exisitiert(e), allerdings im heutigen Standardfranzosisch keine Entsprechung mehr kennt. Ein ausgewahltes Beispiel wllre das frankokreolische Substantiv [(le)kor, kè>] . welches mit seiner Bedeutung ,,corps" auch in Reflexivkonstruktionen verwendet werden kann (Bsp.: KrRéu "fatig le kor'' für franzosisch ,,se fatiguer"). Diese Konstruktion hat ihre Wurzeln im Altfranzosischen oder Lateinischen und wurde bis zum 16./17. Jahrhundert verwendet. Verdrangungstendenzen durch Formen wie [mo-mem], [ou-mem], [li-mem], [zot-mem] u.a. sindjedoch nicht aufzuhalten. 3.2.6 Neologismen Die Moglichkeit, aus vorhandenem Wortschatz durch Komposition, Prafigierung, Suffigierung und Reduplikation neue Worter abzuleiten, kann man wohl für jede Sprache annehmen. Allerdings geschieht dieser Vorgang in der Frankokreolsprachen eher selten, weil ein Wortklassenwechsel ja auch sofort ohne Formanderung vieler Worter vorgenommen werden kann. Da sich die Bildung kreolischer Neologismen nicht grundlegend von der franzosischer unterscheidet, kann man sie nur am Fehlen einer Entsprechung im Franzosischen oder in den franzosischen Dialekten oder an ihrer Existenz in meist nur einer Kreolsprache erkennen. Zugleich erschwert es die Formengleichheit mit dem Franzosischen, eine kreolische Neubildung von Dialektismen und/oder Archaismen abzugrenzen. Für das Réunionesische nimmt Chaudenson folgende Suffigierungsvarianten an (vgl. Chaudenson 1974a, in: Stein 1974: 47): [-az] (=frz. "- age"): Bsp.: [rodaz] = frz. ''le fait d'aller chercher" von [rode] = frz. "chercher" 24 [-mu] (=frz "- ment"): Bsp.: [bezmu] = frz. "toute situation ou action dans laquelle l'intéressé subit une épreuve dèsagréable" von [beze] = frz. "tromper, baiser" -0: Bsp.: [bez] = Synonym zu [bezmu] von [beze] [-er] (=frz "-eur"): Bsp.: [bezer] = frz. ''trompeur, voleur" von [beze] (-ez] (=frz. "-euse"): Die Prafigierungsmoglichkeiten der Frankokreolsprachen sind mit [de-], [re-] und [ur-] noch begrenzter ais die der Suffigierung. Beispiele für das Réunionesische sind (vgl. Chaudenson 1974a, in: Stein 1984: 47): [depuye] = frz. "enlever la paille (les feuilles sèches) de la canne à sucre" aus [de]+ [puy]+ [e] [debruse] (= frz. "couper et enlever les branches, débrancher") aus [de] + [brus] + [e]wird aufgrund seiner Bedeuntungsanderung ais kreolischer Neologismus betrachtet. [refose] = frz. "creuser à nouveau une fosse" aus den Phonemen [re] + [fose] (= frz. "creuser une fosse". Der Vorgang der Komposition im Kreolischen wird haufig dann vorgenommen, wenn im Franzosischen mit der Sache auch das Wort für die in den (ehemaligen) Kolonien einheimischen Tiere, Pflanzen, Dinge, Einrichtungen und Gewohnheiten im Franzosischen fehlt(e). Er stellt damit das wohl produktivste Mittel zur Bildung neuer Worter im Kreolischen und zur Wortschatzerweiterung dar. Formen der Zusammensetzung waren die Verschmelzung von Adjektiv und Substantiv (Bsp. aus réunionesischen Text siehe unten: "granmatin" aus ,,grand"+ ,,matin", welches an die Stelle von ,,matin" tritt), von Verb und Adjektiv oder Substantiv (Bsp.: [fe-kler] von frz. "fait clair" = "clarté, lumière", [fe-so] von frz. "fait chaud" = "chaleur", [four-ne] von frz. "fourre (le) nez" = "indiscret, curieux"), von Substantiv, Praposition und Substantiv (Bsp.: [zerb u fyev] = frz. "herbe à fièvre", [kaz u dir] = frz. "maison de pierre et béton", [pye d bwu] = frz. "pied de bois" = "arbre", [sou d sin] = .frz. "choux de Chine", [bwu d kabri] = frz. "bois de cabri" = "arbre", [bwa de kouler] = "bois de couleur" = "arbre"), wobei hier die franzosischen Prapositionen "à", "en" und "de" eingesetzt werden, die sonst in den Frankokreolsprachen nicht existent sind. lhr 25 Vorkommen in diesen lexikalischen Einheiten hebt also ihre feste Bindung und ihren Wortcharakter hervor. Beispiele, die eine Verbindung von zwei Substantiven, die einen Artikel zwischen sich einschlieBen, eingehen, waren [nô la kaz] = frz. "nom d'affection qu'on donne à la case" oder [zwazo la mer] = frz. "oiseau de la mer". Eine Vereinigung von Substantiv und Substantiv findet man in den Zusammensetzungen [bal maryaz] = frz. "bal donné à l'occasion d'un mariage", [bros koko] = frz. "brosse à paquet faite d'une demi-enveloppe de noix de coco", [kan moris] = frz. "canne de sucre de l'île Maurice" und [kok batay] = frz. "coq de combat". Ein weiterer moglicher Vorgang zur Bedeutungsmodifikation ist die Reduplikation, die Wiederholung von Morphemen, die dem Einfluss der Sklavensprachen geschuldet ist und vor allem bei Verben, Adjektiven und Adverbien vorgenommen wurde. Beispiele: ,,maf-maf'' (aus dem Text siehe Kapitel 4), [belbel] = frz. "gros, très grand", [bouzbouze] = frz. "bouger légerement", [toutouse] = frz. "tousser sans cesse, tripoter", [rouzrouz] = frz. "rougeatre" und [kozkoze] = frz. "bavarder" (vgl. Chaudenson 1974a, in: Stein 1984: 46ff.). 3.2.7 Der Wortschatz nicht-franzôsischen Ursprungs Aufgrund der überblickbaren Beeinflussung nehmen wir für das Kreolische auf La Réunion eine im Vergleich zum Franzosischen geringe Zahl von Afrikanismen und Wortem aus madegassischen, indischen und chinesischen Sprachen an. Portugiesische, spanische oder englische Worter sind hierbei von geringerem Interesse für das Kreolische auf La Réunion, konnten aber vor allem im Falle englischer Entlehnungen ohne Probleme von der Standardsprache übernommen werden, die gegenwartig unter starkem englischen Einfluss steht (Bsp.: ,,le parking", ,,le shampoing" etc.). Aus afrikanischen Sprachen, die die Sklaven in ihre neue Heimat brachten, zahlte Chaudenson nur fünf sichere Begriffe im Réunionesischen (siehe oben). Diese gehôren wie aile Afrikanismen der Frankokreolsprachen nicht zum Grundwortschatz und sind nur dort bewahrt worden, wo das Franzosische über 26 keine entsprechende Bezeichnung verfügt bzw. in Bereichen, die nur den Sklaven zuganglich waren. Worter aus madegassischen Sprache finden sich nur in den Frankokreolsprachen des Indischen Ozeans, da aufgrund ihrer Nahe zu Madagaskar frühzeitig viele madegassische Sklaven auf die benachbarten Inseln gebracht wurden. Einige der übemommenen Begriffe gehoren sogar zum allgemeinen Wortschatz und lauten im Réunionesischen wie folgt (vgl. Chaudenson 1974a, in: Stein 1984: 51): [mat] = frz. "mou, blet", [malang] = frz. "puant, sale", [mavouz] = frz. "malade, fatigué", [tamanltamad] = frz. "stéril". Zur Bennenung bestimmter Werkzeuge wurden folgende Ausdrücke beibehalten: [fügok] = frz. "petit outil à manche courte avec lequel on 'gratte'le sol", [fügoure] = frz. "moulin à canne à sucre; vin de canne à sucre", [firag/frag] = frz. "croc, harpon" und [tat] = frz. "panier de vacoa tressé". Der Einfluss indischer Sprachen auf den réunionesischen Wortschatz hat seinen Beginn Mitte der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts, ais nach Abschaffung der Sklaverei ab ca. 1835 indische Vertragsarbeiter, sogenannte ,,travailleurs engagés", zuerst nach Mauritius, dann nach Réunion geholt wurden. Trotz Vertragsablaufs nach fünf Jahren blieben die meisten von ihnen und konnten im Unterschied zu den Sklaven ihre indischen Sprache lange bewahren, was sich vor allem im kulinarischen Bereich zeigt (Bsp.: [masala] = frz. "poudre de cari") (vgl. Stein 1984: 52). Nach den Indem IieBen sich die Chinesen ais zweite asiatische Gruppe auf fast allen indo-ozeanischen Inseln nieder, wurden und sind bis heute noch im Handel tatig. Ihr Einfluss auf den Wortschatz der Frankokreolsprachen hielt sich aber aufgrund ihrer relativ geringen Anzahl und ihres spaten Kommens begrenzt und fand nur einen Nieder8chlag in kulinarischen Gebieten (vgl. Stein 1984: 49ff.). 27 3.2.8 "Le vocabulaire des Isles" Hinzu kommt ,,le vocabulaire des Isles", ein nur sehr kleiner, aber historisch und kulturgeschichtlich bedeutender Teil des kreolischen Wortschatzes, der aus dem Spanischen, Portugiesischen, Karibischen oder Indianersprachen entlehnt wurde und in den Kolonien eine neue Bedeutung bekam. Beispiele für das Réunionesische waren laut Chaudenson: [(a)bitasyô] = frz. "habitation", bedeutet aber im Kreolischen "exploitation agricole, champ cultivé" und hat somit gegenüber dem Franzosischen eine speziellere, sich auf mehrere Gebiete ausgebreitete Semantik angenommen. [(z)abita] = frz. "habitant", wird zur Bezeichnung eines "cultivateurs" oder "paysans" verwendet, der auf der [(a)bitasyô] lebt und arbeitet. [marô] vom spanischen "cimarr6n" (wild, ungebandig) abgeleitet, benennt im Frankokreolischen "un esclave fugitiv", "un animal domestique devenu sauvages" oder ein Objekt bzw. eine Person "clandestin, frauduleux, illégal" (Bsp.: [taksi marô] = ein Taxi, ohne Lizenz, [(di)rom marô] = schwarz gebrannter Rum). Zu <lem ,,vocabulaire des Isles" gehoren auch [kreol] und [(la)kaz, (la)kay] (vgl. Chaudenson 1974a, in: Stein 1984: 49). 3.3 Morphosyntax des Réunionesischen Wahrend die Lautstruktur und der Wortschatz des Frankokreolischen ohne Probleme auf <las Franzosische zurückzuführen ist, sind die Abweichungen und Unterschiede in Morphologie und Syntax gegenüber <lem Franzosischen betrachtlicher, was moglicherweise ais Grundlage für die Eigenstandigkeit des Kreolischen ais Sprache gesehen werden kann . . lm Gegensatz zur Satzzusammensetzung (aus mindestens Subjekt und Pradikat, erweiterbar durch Objekte, und Umstandsbestimmungen), <lem Bestand an syntaktischen Funktionen, Kombinations- und Ausdrucksmoglichkeiten, <lem Formenbestand und ,,Sprachmaterial" des Kreolischen, die (weitgehend) <lem Franzosischen entsprechen, liegen die Unterschiede gegenüber <lem Franzosischen vor allem in der Art und Weise, verschiedene Funktionen auszudrücken, Satz- und Satzteile zu organisieren und in Sichtweise und Gewichtung der ver- 28 schiedenen grammatischen Ausdrucksmôglichkeiten. Zu den wichtigsten strukturellen Veranderungen zahlen der Verlust der Nominal- und Verbalflexion, dessen Ersatz der Endungen durch pradeterminierende Tempus- und Aspektmorpheme, der teilweise Wegfall des bestimmten Artikels und des grammatischen Geschlechts der Ausgangssprache, der Ersatz der unbetonten Personalpronomen und die unterschiedliche Stellung des Vemeinungspartikels ,,pas" (vgl. Stein 1984: 54f.). 3.3.1 Das Nominalsyntagma Wie im Franzôsischen kaon das Nominalsyntagma des Kreolischen die Funktion des Subjekts oder direkten und indirekten Objekts übemehmen. Es besteht aus einem Subjekt, das durch Determinanten und/oder durch adjektivische oder nominale Attribute erweitert werden kaon. Das Nominalsyntagma wird im Franzôsischen in Genus und Numerus durch Form des Artikels, des Nomens oder des adjektivischen Attributs festgelegt. Neben der formalen Markierung der indirekten Objekte durch Position im Satz und der Praposition ,,à", kônnen Objekte mit ,,de" an bestimmte Verben angeschlossen werden. lm Réunionesischen ist der Artikel ais Funktions- und Bedeutungstrager teilweise weggefallen, zudem erfolgt durch den Verlust der Endungen von Substantiv und Adjektiv auch keine Genus- und Numerusmarkierung mehr, was môglicherweise auf eine Orientierung am gesprochenen Franzôsisch zurückgehen kaon. Die Praposition ,,à" wird im Réunionesischen an Objekte angefügt, ist zudem in lexikalischen Wendungen enthalten, aber auch teilweise durch ,,pou" ersetzt worden (vgl. Stein 1984: 57ff.). 3.3.1.1 Réunionesische Substantive Die Form der Substantive im Kreolischen ist wie schon gesagt unveranderlich, was bereits seit dem 16. Jahrhundert in der franzôsischen Umgangssprache und in den Mundarten der Fall war/ist. Durch Agglutination des bestimmten oder partitiven Artikels oder Artikelauslautes werden im Kreolischen eine Konso- 29 nantenànlautung und viele Liaisonformen .erzeugt. Die Verschmelzung von Artikel und Substantiv ist wohl ais Folge deren Verwendung im code parlé der franzosischen Umgangssprache zu verstehen, wo diese Kombinationseinheit ais nahezu untrennbar erscheint. Auch die Genusmarkierung im Kreolischen existiert nicht mehr, wenn jedoch eine Unterscheidung zwischen Maskulinum und Femininum dringend notwendig ist, werden formale Markierungen zur Hilfe herangezogen. AuBerdem wurden auch unterschiedliche Lexeme aus der Basissprache zur Kennzeichnung des natürlichen Geschlechts übemommen (Bsp. [momôn] < frz. la mère, [papa] < frz. le père) und ,,femel" und ,,mal" zur Hervorhebung des tierischen Ge- schlechts herangezogen. Wo es keine andersgeschlechtliche Entsprechung gibt, wurde die jeweilige Form aus dem Franzosischen übertragen (Bsp.: KrRéu [nom ki và] < frz.marchand, [mafà] < frz. marchande). Ebenso gibt es im Kreolischen auch keine Numeruskennzeichnung mehr, wo der Kontext die Unterscheidung nicht eindeutig macht, wird das Pluralzeichen [bàn] (ausfrz. ,,la bande") eingesetzt, da die Pluralmarkierungen [le], [lez], [z-] durch die Agglutination nicht mehr verwendbar sind. Ursprünglich wurde [bàn] zur Bezeichnung einer Gruppe oder Arbeitskolonne verwendet, was Chaudenson mit folgendem Satz aus 1722 zeigt: "A l'égard des Nègres des Fourneaux et des Nègresses du Moulin, je les divisai en 6 bandes" (Chaudenson 1974a, zitiert in: Bollée 1977: 42) und geht moglicherweise auf die Ausdrücke "bande des crétins, bande d'idiots" des français populaire zurück. Chaudenson meint: Le créole parait donc avoir utilisé de facon systématique pour la formation de pluriels (collectifs) un tour du francais populaire; ce changement a sans doute été rendu nécessaire. par les confusion que pouvait entrainer la disparition de marques du nombre (Chaudenson 1974a, zitiert in: Bollée 1977: 42). Der Kasus der Substantive ist im Kreolischen von La Réunion an folgenden Einzelheiten erkennbar: bereits wie im Franzosischen, wo formai keine Unterscheidung zwischen Subjekt und direktem Objekt moglich ist, ergibt sich im Kreolischen die Funktion aus Stellung im Satz und Kontext. Teilweise werden auch "pou" oder die Voranstellung von "a~" zur Kennzeichnung der Objekte eingesetzt (vgl. Heil 1999: 78). Laut Schuchardt ist letztere Form wohl Resultat 30 der portugiesischen Kreolsprachen Westafrikas oder Weiterführung der franzosischen Dativform mit ,,à" (vgl. Schuchardt 1882, in: Heil 1999: 78). Chaudenson bevorzugt die These der Orientierung am Franzosischen, auch die Theorie der Verbindung mit madagassischen Personalpronomina, die in Objektstellung ebenso ein priipositioniertes ,,a" besitzen, kommt für ihn in Frage (vgl. Chaudenson 1974a, in: Bollée 1977: 53ff.). • · 3.3.1.2 Réunionesiscbe Determinanten (Artikel, Possessivbegleiter) und Substituenten (Possessivpronomina, Personalpronomina) lm Gegensatz zum Franzosischen stehen Artikel im Kreolischen nur dann, wenn der Kontext sie fordert, wobei das Réunionesische dahingehend eine Sonderstellung einnimmt, da es stlirker ais die anderen Kreolsprachen den be. stimmten und partitiven Artikel bewahrt oder ihn wahrend der Dekreolisierung wieder etabliert hat. Folgende vier Artikel konnen wir demnach für das Réunionesische annehmen: das bestimmte [le] für Maskulinum Singular, dessen Aussprache Richtung [l~] oder [Io] geht, [la] für Femininum Singular, [le] für Maskulinum Plural und der unbestimmte Artikel [é]. Ais weitere Pluralform existiert das schon erwahnte [ban]. Oft gibt es auch die Moglichkeit eines Nullartikels, vor allem bei Verallgemeinerungen und wenn der Artikel ais Objekt im Satz fungiert. Der Partitiv, im Franzosischen nur in Objektstellung, und der Artikel nach Prapositionen entfüllt (Bsp.: dolo, dann dézèr, dann trou babouk). Ein weiterer Unterschied ist die Verwendung von Possessivpronomen im Singular in Verbindung mit Korperteilen (Bsp.: mon dé pié, mon tèt, mon do) im Gegensatz zum Franzosischen, wobei die Regel nicht beachtet wird, den bestimmten Artikel Singular und Plural bei reflexiven Verben und Korperteilen in Objektstellung zu verwenden. Diese Ânderung wird dadurch ermoglicht, dass bei nicht normiertem Zweitsprachenerwerb die Wahl zwischen Possessivpronomen oder bestimmten Artikel schwer füllt und der Plural aus Kontextgründen nicht notwendigerweise gesetzt werden muss. 31 Die Personalpronomen des Kreolischen fungieren ebenso wie ihre franzosischen Entsprechungen ·ais Substituenten des Subjekts und des direkten und indirekten Objekts. Wahrend jedoch das Franzosische eine Unterscheidung zwischen betonten und unbetonten Personalpronomen trifft, fâllt die Differenzierung im Kreolischen der Reduzierung zum Opfer. Die betonten franzosischen Personalpronomen ,je, tu, il/elle, nous, vous, ils/elles" werden im Kreolischen in der Regel durch die betonten Formen ,,moi, toi, lui/elle, nous, vous, eux/elles" ersetzt, die im Réunionesischen die Lautschrift [mwÉ] (oder [m] vor Vokalanlaut), [twe]/[u]/[v] (nach Vokal) oder [t] (vor Vokalanlaut), [ii] (und nur bei einigen Autoren auch [El]), [nu] (oder [n] vor Vokalanlaut), [zot], und [zot] haben. Stein ordnet der 2. Person Singular [u] die Hoflichkeitsform zu. Ebenso wie den unbetonten Personalpronomen in Subjektstellung ergeht es den kreolische Personalpronomen in Objektstellung: me, te, lui, nous, vous, leur und le, la, les werden durch eine Zusammensetzung mit ,,autres" und den betonten Versionen ausgewechselt. Der vorausgehende Partikel [a-] lasst allerdings somit beim Rétmionesischen als einzige Kreolsprache eine formale Differenzierung der Subjekt- und Objektpronomen zu, die wie folgt lauten: amwe/mwe, au/u/atwe/twe, ali/li, anu/nu, azot/zot, azot/zot, wobei das Prafix ,,-a" am Pronomen nur nach Prapositionen entfâllt. Den ersten Versuch einer Erklarung für diese Erscheinung lieferte Schuchardt 1882, indem er die entsprechenden Formen der portugiesischen Kreolsprachen in Westafrika oder die franzosischen Dativfonnen mit ,,à" ais Vorlaufer annahm. Chaudenson lehnte jedoch die afrikanische Begründung ab: L'influence des parlers créoles de l'Afrique Occidentale, ne nous semble pas pouvour être retenue à la lumière de l'histoire du peuplement des Mascareignes. De toute façon, les apports de 'cafres de Guinée' ayant été plus importants à l'ile de France qu'à Bourbon, comme le soulignent avec amertume les habitants de cette dernière île au XVIII" siècle, s'il s'agissait d'un trait emprunté aux parlers de cette zone, c'est en mauricien qu'on devrait le retrouver. Or, nous n'avons jamais pu l'y relever, pas plus dans le parler actuel que dans les documents anciens. Ce type de pronom n'existe qu'à la Réunion et nous pensons qu'il a dû se constituer dans la seconde moitié du XVIII" siècle [der erste 'Beleg stammt aus dem Jahre 1799), à moins de supposer qu'il ait existé en bourbonnais, pour ne pas subsister, par la suite, qu'en réunionnnais. (Chaudenson l 974a, zitiert in: Bollée 1977: 53). 32 Ebenso scheidet für ihn ein dialektaler Ursprung aus, da es zum einen keine Entsprechung in den Gebieten gab, wo sich die Kolonisten môglicherweise authielten, und auch nur 4 von 88 Familienvater, die zwischen 1665 und 1715 auf Bourbon gezahlt worden, aus dem okzitanischen Sprachraum stammten, wo prapositionaler Akkusativ verwendet wurde. (vgl. Chaudenson 1974a, in: Bollée 1977: 53). Zu Schuchardts Dativ-Theorie entgegnete Chaudenson: Il est abusif d'assimiler l'élément [a-] initial de ces pronoms, à la préposition française ,,à", [a] n'apparaît jamais devant un nom qui remplit la même fonction: [mi èm zili] ,J'aime Julie"; [mi èm ali] ,Je l'aime", [a] n'est donc pas, à la différence de la préposition française, un indicateur de fonction, mais partie intégrante du pronom. (Chaudenson 1974a, zitiert in: Bollée 1977: 54). Auffâllig ist auch die Nachstellung der Objektpronomen nach dem finiten Verb und nicht wie im Franzosischen davor. Als Vorbild galten hierfür wahrscheinlich die Imperative, die haufig von den Kolonialherren gegenüber ihren Sklaven gebraucht wurden. Die unveranderlichen Possessivbegleiter im Réunionesischen sehen wie folgt aus: [mo] (seltener [ma]), [ut] oder [tô], [sô], [nut] oder [not], [zot] und [zot]. Hinsichtlich der Possessivpronomen ist das Kreolische auf La Réunion die einzige Kreolsprache, die die Fomien für die 1. bis 3. Person Singular und die 1. bis 2. Person Plural aus dem Franzôsischen übemommen hat, wie z.B. [la myèn, la tyèn, la syèn, la not, la vot]. Neben dieser Variante birgt das Kreolische noch eine zweite Môglichkeit, possessivische Konstruktionen zu bilden: aus [sa d] und demjeweiligen Personalpronomen. Tabellarischer Überblick der réunionesischen Determinanten und Substituenten Subjekt Objekt Possessivbegleiter mwè,m- amwè,mwè mo twe, t-/ou a twe, twe/ou, a ou to/out li a li SÔ nou, n- a nou, nou nout, not zot a zot, zot zot 33 1 • !zot I I a zot, .zot zot (vgl. Bollée 1977: 45 und Stein 1984: 66) 3.3.1.3 Réunionesische Adjektive Attributive Adjektive des Réunionesischen weisen gegenüber denen des Franzosischen die Besonderheit der Unveranderlichkeit auf, wobei meist die maskuline franzosische Form übernommen wurde. Adjektive, die im Sprachgebrauch oft mit dem weiblichen Geschlecht in Verbindung gestellt werden, behalten ihre weibliche Variante. Kreolische Adjektive konnen wie im Franzosischen vor oder hinter dem Nomen stehen. So befinden sich Farb- und Formadjektive und solche, die eine gelegentliche Qualitiit ausdrücken, nach dem Substantiv. Adjektive der Dimension und dauerhaften Qualitiit werden vor das Nomen positioniert. Ebenso wie im Franzosischen kann ein Stellungswechsel der Adjektive einen semantischen Unterschied bewirken. Auch die Steigerung und der Vergleich funktionieren aquivalent der Basissprache mit [osi], [mwt] und [pli], ebenfalls existieren Formen wie ,,pli meyer, pli mye, pli pir, pli boukou" ..Der Superlativ verwendet [le pli] oder [le mwÉ]. Unüblich gege9über dem Franzôsischen ist die Môglichkeit der Adjektivverdopplung zur Verstiirkung, zum Beispiel [bjt bjt fo:r] = frz. extrèmement fort, allerdings konnen ebenso Adverbien zur Hervorhebung genutzt werden, wie zum Beispiel bei [li le É pe kujô] = frz. "il est un peu idi- ot" (vgl. Heil 1999: 91 und Stein 1984: 64f.). 3.3.2 Das Adverbialsyntagma Adverbialsyntagmen drücken Ort, Zeit, Art und Weise, Grund, Ziel und Bedingung eines Ereignisses aus. Sie konnen aus Nominalsyntagmen (meist mit vorangestellter Praposition), mit Konjunktion eingeleiteten adverbialen Nebensatzen, aus Adverbien oder Pronominaladverbien gebildet werden. Der Unter- 34 schied zum Franzôsischen liegt hinsichtlich der kreolischen Adverbialsyntagmen weniger in der Bildungsweise ais im Formenbestand. 3.3.2.1 Nominale Adverbialsyntagmen Wenn Nominalsyntagmen die Funktion eines Adverbialsyntagmas übemehmen, geht ihnen im Franzôsischen meist eine Praposition voraus, die die Aufgabe und Bedeutung des Adverbialsyntagmas definiert. Es gibt allerdings auch prapositionslose Konstruktionen, zum Beispiel Zeitangaben. Dann stimmt die Form des Adverbialsyntagmas mit der des Nominalsyntagmas überein. Dies ist haufig in der Frankokreolsprachen der Fall, aus diesem Grund übersteigt die Zahl der Adverbialsyntagmen ohne prapositionale Einleitung im Kreolischen die des Franzosischen. Dort, wo die Praposition erhalten blieb - was oft nur dann der Fall ist, wenn der Zusammenhang nicht eindeutig erkennbar ist - kommt es haufig zu einer Erweiterung ihres Bedeutungs- und Anwendungsbereiches, wie man es in dem réunionesischen Beispiel für ,,ek" sehen kann: [li mem fors ek mwè] =frz. "il est aussi fort que moi" und [mo fin gaj morde ek syè] =frz. "j'ai été mordu par un chien". Ebenfalls kann man in den Kreolsprachen die Besonderheit der Prapositionsneubildung und der Übemahme der Prapositionsfunktion durch bereits existierende Wôrter anführen. So kônnte beispielsweise [aba] für franzôsisch ,,en bas (de)", [lor/10/lao] für ,,sous", ,,en-dessous (de)"; [kot/kote] oder [(la)kay/(la)kaz] für ,,chez" genutzt werden. 3.3.2.2 Adverbiale Nebensiitze Wie im Franzôsischen haben die adverbialen Nebensatze in Form von Adverbialsyntagmen die Funktion der Umstandsbestimmung und werden durch Konjunktionen eingeleitet, die zwar aus dem Franzôsischen entnommen sein aber eine Bedeutungsanderung erfahren haben kônnen. 35 kreolisches Wort frz. Entsprechung Bedeutung à l'heure (que) quand, lorsque [kamen] quand même bien que, quoique [akoz] à cause parce que [afüs] à force parce que, pmsque [magré] malgré bien que [Ier] J . (.~ : Augenscheinlich wird hierbei das Phanomen, dass zweiteilige franzosische Konjunktionen das "que" ais zweiten Bestandsteil im Kreolischen verloren haben. Ais Grund für diese Erscheinung konnte man die Na.be des Kreolischen zum gesprochenen Franzosisch annehmen. Abgesehen von den Ausnahmen [parski, pi ski] erfolgt ein weiterer Ersatz und Wegfall bei "depuis que, après que, pendant que, avant que" durch [dipi, apre, pada, ava] (vgl. Stein 1984: 71f.). 3.3.2.3 Adverbien und Pronominaladverbien Auch bei den kreolischen Adverbien und Pronominaladverbien gibt es gegenüber dem Franzosischen Wegfall- und Ersatzerscheinungen. Bei den Neologismen erfolgte die Bildung aus Agglutination von Praposition und Adverb, Adjektiv oder Substantiv, wie folgende Beispiele verdeutlichen: [laba] = frz. là-bas; [aba] = frz. en bas; [lada] = frz. là dedans; [leswar, aswar] = frz. le soir, à soir; [tou le zour] = frz. tous les jours; [kekfwa, kitfwa] = frz. quelques fois). Neben den Pronominaladverbien "y" und "en" ist auch die Form der Adverbbildung aus Adjektiven durch das Suffix "-ment" geschwunden. Die wenigen Lexeme auf "-ment" wie [dousma] =frz. lentement oder [erezma, vrema, ser- tenma, asirema] sind lexikalisiert und konnen laut Stein nicht ais Ableitungen der franzosischen Adjektive betrachtet werden (vgl. Stein 1984: 71). Gleichartig zum Franzosischen erfolgt die Stellung der Adverbien entweder am Satzanfang oder -ende. 36 3.3.3 Das Verbalsyntagma 3.3.3.1 Die Konjugationsklassen / Form der Verben lm Vergleich zum Franzosischen, welches die Markierung von Person, Tempus, Modus, Aspek:t, Fragen oder Vemeinung beim Verb in ail seinen MogIichkeiten ausführt, geschieht dies in den Frankokreolsprachen in mancher Hinsicht beschriinkter und auf andere Art und Weise. So prasentieren uns die Kreolsprachen in der Regel nur eine, im Réunionesischen auch mehrere, unveranderliche Verbform(en), die dann zwar mit Tempus- und Aspektmorphemen kombiniert werden kann, allerdings durch ihre Invariabilitat andere Wortarten darstellen kann bzw. anderen Wortarten den Weg ebnet, die Funk:tion eines Verbes zu übemehmen. Einer verbalen Verwendung von Substantiven, Adjektiven und Adverbien steht in den Kreolsprachen demnach nichts im Wege. Die als Verb leichter zu erkennenden und vom Franzosischen abgeleiteten Varianten konnen in den Frankokreolsprachen in mehrere Gruppen unterteilt werden: auf -e oder - i auslautende Verben, Nachfolger der franzosischen Verben auf -oir und - re und andere aus dem Franzosischen importierte unregelmaBige Formen. Die auf -e endenden Verben stellen die Nachfolger der franzosischen Verben auf -er und einige Überlaufer aus anderen Konjugationsklassen dar und reprasentieren damit die grôBte Zahl. Basis dieser kreolischen Formen sind der Infinitiv, das Partizip oder die zweite Person Plural des Prasens, die phonetisch übereinstimmen und sich nur in der franzôsischen Schreibweise differenzieren. Beispiele sind: [maje/maze] = frz. manger, [pase] = frz. passer, [mare/mawe] = frz. amarrer, [(di)made] = frz. demander, [mache/marse] = frz. marcher, [chate/sate] = frz. chanter, [kite] = frz. quitter. Zu Überlaufem zahlen: [tade] = frz. entendre, [rade] = frz. rendre, [vade] = frz. vendre, [mete] = frz. mettre, [bate] = frz. battre, [kone/kone] = frz. connaitre, [pouve] = frz. pouvoir. [(ou)le/vle] = frz. vouloir. Diese Verben sind oft nur in einigen Frankokre- olsprachen bekannt, gehôren einer anderen Klasse an oder sind ganzlich ungelaufig. Zu den Besonderheiten der Verben der Frankokreolsprachen im Indischen Ozean zahlt, dass sie neben den sogenannten Langformen mit -e auch 37 Kurzformen ohne e-Auslaut benutzen. Das Réunionesische bedient sich dieser Versionen aus Tempus- und syntaktischen Gründen folgendermaBen: die Kurzform zeigt das Prasens an (Bsp.: [mi sat] = frz. je chante) und ersetzt zudem die Langform vor einem nachfolgendem Objekt bei jeder/m beliebigen Zeitform/Hilfsverb (Bsp.: [mi sat e pti sega] sat e pti sega] = frz. je chante un petit séga, [mwe la = frz. j'ai chanté un petit séga, [mwe le pa kapab sat sega] = frz. je ne peux pas chanter le séga). Steht das Verb am Satzende oder folgt nach ihm ein Einschnitt, so verwendet man die Langform (Bsp.: [alô sate] = frz. "al- = frz. j'ai chanté, [mwe le pa kapab sâte] = frz. je ne peux pas chanter, [li le sori] = frz. "il est sorti"). lons chanter"' [mwe la sate] Das Vorhandensein der vollen neben der verkürzten Form deutet moglicherweise auf den fortwahrenden Einfluss des Franzosischen auf das Réunionesische. Die kleine Gruppe der Verben auf [i] stammen von den franzosischen Verben auf - ir und auch hier existieren im Kreolischen auf La Réunion eine Lang- und Kurzform. Beispiele waren [vin(i)] = frz. venir, [tin(i)] = frz. tenir, = frz. courrir, [dôm(i)/dorm(i)] = frz. dormir, [pat(i)/part(i)] = frz. partir, [sôt(i)/sort(i)] = frz. sortir, [fin(i)] = frz. finir. [kour(i)/kouw(i)] Die zahlenmaBig schon kleine und recht unregelmaBige Abteilung der franzosischen Verben auf --0ir und - re sind im Kreolischen entweder in die auf --e endende Gruppe übergegangen oder haben unabhangig von Prasens-, Infinitivund Partizipialfunktion nur eine einzige F orm ohne auslautendes - r (Bsp.: [mi = frz. je mets, [repô/repôn/wepôn] = frz. répondre, [kôpra/kôpwan] = frz. comprendre, [pra/pwa] = frz. prendre, [jwen/zwed] = frz. (re)joindre, [desan] = frz. descendre, [tan/tan] = frz. en-/attendre, [rad] = frz. rendre, [bat] = frz. mEt] battre, [konèt/konè] = frz. connaitre, [parèt/pawèt] = frz. paraitre). Zur letzten Gruppe gehoren aus dem Franzosischen abgeleitete kreolische Verben mit unvorhersehbaren, teilweise auch mehreren Formen, wie zum Beispiel [asize/asiz] von frz. "assis", dem Partizip von "asseoir", [mô/mor] aus frz. "mort" (Partizip von "mourir", auch mouri, [fo/fok/fodre] von den franzosischen "falloir"-Verbformen "(il) faut, faut que, faudrait", [divet] von frz. "(il) dev(r)ait" (Verbform von "devoir"), [save/sav/sa] aus "(vous) savez" oder an'deren Formen von "savoir", [ena/ena/ana] bedeutet "il y en a", "il y a" und 38 "avoir", [gay/gè] = frz. gagne(r), [bay/ba] = frz. baille(r), [al/ay/ale] = frz. alle(r) (vgl. Stein 1984: 72ff.). 3.3.3.2 Die Markierung der Person Aufgrund der schon mehrfach erwahnten Invariabilitiit der frankokreolischen Verbformen muss das nominale oder pronominale Subjekt die Markierung der Person übernehmen. Damit folgen die Kreolsprachen der Entwicklung vom Lateinischen zum Franzosischen dergestalt, dass die lateinischen personentypischen Verbendungen nun zu einer nur noch teilweisen Markierung der Person und damit zu einem obligatorischen Einsatz von Subjektspronomen übergegangen sind. In bestimmten Fallen konnen diese jedoch fehlen, wenn zum Beispiel stattdessen ein nominales Subjekt verwendet oder das Subjekt des vorausgehenden Verbalsyntagmas fortgesetzt wird. lm Gegensatz zum Franzosischen kennen die Kreolsprachen keine Inversion, dagegen eine an die franzosische Umgangssprache angelehnte Form der Wiederaufnahme des Subjektes. lm Réunionesischen kann diese in allen sechs Personen durch ,,i" realisiert werden, wenn dem Verb keine Vergangenheitspartikel (auBer ,,te") vorausgehen. Dieses ais Verbalpartikel bezeichnete ,,i" kennzeichnet das Prasens bzw. die unbestimmte Vergangenheit und verbindet sich mit den Subjektspronomen [mwt]/[m], [twe]/[u]/[v]/[t], [li], [nu]/[n], [zot], und [zot] zu [mi], [ti], [vi], [li], [ni], [zot i] und [zot i]. = frz. "moi, je danse", [ni dâs] = frz. "nous, nous dansons", [zot i dâs] = frz. "vous, vous dansez", [le boug i mâz] = frz. "le type, il mange", [li Bsp.: [mi dâs] te i mâze] = frz. "lui, il mangeait", [zot te i plat zariko] = frz. "eux, ils plantai- ent des haricots" und [ni dâsra pa] = frz. "nous, nous ne danserons pas". 3.3.3.3 Tempos, Modus und Aspekt des Kreolischen Die Frankokreolsprachen haben durch die Unveranderlichkeit der Verben viele morphologische Markierungsmoglichkeiten des Franzosischen verloren bzw. mussten andere Varianten ais Ersatz zum Ausdruck von Tempus, Modus und Aspekt finden. Dies ist ihnen mithilfe von Partikeln gelungen, die der Verb39 form vorangestellt werden, bei eindeutigem Kontext oder zum Ausdruck eines prasentischen Geschehens jedoch nicht zwingend gesetzt werden müssen. Man erkennt sie ais Ableitungen franzosischer Verbalperiphrasen, welche in den Kreolsprachen eine neue Bedeutung und Funktion erhalten haben. Die Verbindung zum franzosischen Verbalsystem bleibt aber durch die Übernahme der drei Zeitstufen (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) bestehen. Weitere Prazisierungen und Verfeinerungen zur Kennzeichnung des progressiven oder kontinuativen Aspekts, zum Ausdruck des Konditionals und die Kombination mehrerer Partikel sind ebenfalls moglich. Zusatzlich konnen Temporaladverbien wie Uumë/zame] oder [toujou/touzour] in nuancierender Funktion dem Satz beigefügt werden. Die verschiedenen Moglichkeiten, Vergangenes, Gegenwartiges und Zukunftiges realisiert man im Réunionesischen auf folgende Art und Weise: Das Imparfait zur Bezeichnung eines vergangenen, .aber nicht prazisiert markierten Geschehens und des Irrealis der Gegenwart verwer:idet vor Adjektiven den Vergangenheitspartikel [(le)te], welcher auf die seit dem 15. Jahrhundert gut belegte franzosische Verbalphrase "être à+ Infinitiv" bzw. ,,était" mit agglutiniertem ,,l" des Pronomens der 3. Person Singular zurückzuführen ist. Bsp.: [mwë (le)te malad] = frz. ''j'étais malade". Vor verbalem Pradikat muss dem [(le)te] noch ein [i] folgen. Bsp.: [mwÉ te i prâ la pud] = frz. ''je prenais de la poudre", [mwë (le)te ~ mâz lavyan] = frz. "je mangeais de viande". Come bezeichnet dieses Element ais ,,mysterious" und gibt ais Entstehungsmoglichkeit die franzosische Form ''je suis qui ... " an (vgl. Come 1974/75, in: Bollée 1977: 78). "Mentionnons également la conservation en créole de la construction ancienne du type je suis gui ... ,remplacée en francais moderne par le type c'est moi qui ... " (Vintilâ-Râdulescü 1971, zitiert in: Bollée 1977: 80). [ki], welches verbunden zu ,,[téki] [té ki] apparait surtout dans les formes écrites du créole et témoigne d'un effort de normalisation dans le cadre du système francais ('était qui') du tour [té i] de la langue parlée" (Chaudenson 1974a, zitiert in: Bollée 1977: 80), tendiert aufgrund der seltenen Verschriftlichung dazu, verkürzt zu werden und nur noch ais [i] in Erscheinung 40 zu treten. Dies würde auch die Form des Présent mit [i] (siehe unten) erklaren. Belege filr die Übemahme dieser Verbalpériphrase ins Réunionesische sind "Moin la parti maron parcequ' Alexis l'homme de jardin l'étais qui fait à moin trop l'amour" (Chaudenson 1974a, zitiert in: Bollée 1977: 80) um 1715 und "[nu lete ki das bye]" (Come 1974/75, zitiert in: Bollée 1977: 80). Die bestimmte Vergangenheit (passé composé) unterstreicht die Abgeschlossenheit des Ereignisses und wird mit dem Partikel [fin(i)], von "finir" (Bsp.: [mwt fin travaj] = frz. "j'ai travaillé") oder [la], von "il a" ausgedrückt, welches wohl als Verbalpartikel des zugrunde liegenden franzosischen Hilfsverbs angesehen werden kann. Das Plus-que-parfait zur ,,Kennzeichnung der Vorzeitigkeit eines Sachverhaltes in Relation zu einem in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt" (BuBmann 2002: 522) und dem lrrealis der Vergangenheit wird auf La Réunion aus der Kombination der Partikel der unbestimmten Vergangenheit [te (i)] und denen der bestimmten Vergangenheit [fin(i)] gebildet: [te (i) fin(i)]. Bsp.: [mwt te (i) fin pra la pud] = frz. "j'avais pris de la poudre". Ein in der Vergangenheit ablaufendes Geschehen formuliert man mithilfe der Aspektpartikel [atrt] von frz. "être train de faire qch" oder [apre], dessen Etymologie man mit der franzosischen, laut Grevisse veralteten und seit dem 17. Jahrhundert familiaren Form "être après à faire qch" erklart, und welches von Vaugelas ais '~bas" bezeichnet wird: "Aprés: Ce mot devant vn infinitif pour dénoter vne action présente et continüe, est François, mais bas, il n'en faut jamais vser dans le beau stile." (Vaugelas 1647, zitiert in: Gougenheim 1929: 57). Ais umgangssprachlicher Ausdruck wurde es also mit in die Kolonien getragen, erhielt dort eine Stilerhohung, ganz im Gegensatz zu [po], einem Allomorph zu [apre], "en usage dans 'le créole le plus sommaire' [gr6 kréôl], tandis que [apré], plus proche du francais, [ ... ] témoigne d'un niveau linguistique plus élevé" (Chaudenson 1974a, in: Bollée 1977: 82f.). Diesen drei Elementen geht zum Ausdruck des "aspect accompli" der Partikel [te] der unbestimmten Vergangenheit voraus. Es sind aber auch Verbindungen mit [lete] = frz. "j'étais" erdenklich. lm Franzosischen wird es haufig mit dem 41 lmperfekt von ,,être en train de" übersetzt. Bsp.: [mwÉ te apre do:rme] = frz. j'étais en train de dormir, [mwt lete po mâze] = frz. "j'étais en train de manger". Auch die durch das passé récent angezeigte, gerade abgeschlossene Handlung wird durch Elemente aus franzosischen Verbalperiphrasen markiert: mit [sort] = frz. "sorti(r) de faire qch.", welches nach Zeugnissen Gougenheims im gesprochenen Franzosisch des 17. Jahrhunderts noch sehr gelaufig war (vgl. Gougenheim 1929: 128f.), und [vye (d)/vjÉ (d)] = frz. "il vient de faire qch.". Bsp.: [mi vjt d grat mat] = frz. "je viens de sarcler mon mais". Sie stellen daher, genauso wie [fin(i)] weniger Aspektmorpheme, sondem vielmehr Hilfsverben dar (vgl. Bollée 1977: 70). Gegenwartige Handlungen verdeutlicht man im Réunionesischen mit dem schon erwahnten Element [i], wobei das Personalpronomen elidiert wird. Bsp.: [mi(= mwe i) mâz] = frz. "je mange" (von "je suis qui mange"), [mi sat] = frz. ''je chante". Den Ausdruck des progressiven Aspekts, d.h. einer im Jetzt und Hier gerade ablaufenden Handlung, erhalt man ebenso wie in der Vergangenheit durch Einsatz der Partikel [apre], [atrÉ] oder [po] vor dem Verb, aber unter Auslassung des Partikels [te]. Bsp.: [mwÉ apre garte] = frz. ''je suis en train de sarcler". Zukünftiges kann man im Kreolischen aufLa Réunion durch die Partikel [pur] von frz. "être pour+ Infinitiv" bzw. "être sur le point de" oder die Formen [-a], [sava], [sa(a)], [sa:] oder [(a)va] des franzosischen Verbes "aller" wiedergeben, Bsp.: [nu sa dàse] = frz. "nous irons danser". Die kreolische Futurbildung aus dem Morphem [(v)a] ist leicht nachzuvollziehen, da die Verbalperiphrase "aller + Infintiv" schon ab dem 12. Jahrhundert genutzt wird und in der gesprochenen Sprache gegenüber dem Futur simple immer noch klar dominiert. [sava] und seine Kontraktionen [sa] und [saa] gelten ais Ableitungen von "s'en aller+ Infinitiv", das vom 15. bis 17. Jahrhundert - funktionell und semantisch identisch mit "aller + Infinitiv" - gebraucht wurde, allmahlich jedoch aus der 42 Standardsprache verschwand, sich aber weiterhin im Regionalfranzosich der Kolonien hait; Die Begründung der Entstehung von [ava] gestaltet si ch schon schwieriger: Goodman hait es für eine "intensificatory combination of the two forms ~ and va" (Goodman 1964, zitiert in: Bollée 1977: 87), die moglicherweise zur Akzentuierung vor Verben mit anlautendem a- steht. Sylvain macht auf afrikanischer Parallelen aufmerksam: "' Ava, va, a' est l'indice du futur chez les Ewé et correspond à une racine bantoue 0 bia = venir, dont dérive l'indice du futur d'une grande quantité de langues africaines" (Sylvain 1936, zitiert in: Bollée 1977: 88). [pur], qui "'s'agit d'un tour devenu archaïque en français général', mais qui est 'encore vivant dans les provinces'" (Vintilâ-Radulescü 1971, zitiert in: Bollée 1977: 89), hat sich altemativ zu [(s)(a)va] nur in den Kreolsprachen des Indischen Ozeans durchgesetzt. Vaugelas meint: "Il est certain que cette faconde parler est tres-Françoise mais basse" (Vaugelas 1647, zitiert in: Gougenheim 1929: 117). Ein in Zukunft abgeschlossenes Ereignis wird mithilfe des futur antérieur aus den Partikeln [lora (fini)] oder [nora (fini)] = frz. "il aura" oder "il n'aura pas" gebildet. Bsp.: [ka mwÉ nora fini fe:r sa] = frz. "quand j'aurai fait cela". Das conditionnel présent ais ,,Prateritum des Futurs" (BuBmann 2002: 363) charakterisiert einen Sachverhalt bedingt und konstruiert sich im Réunionesischen aus einer Kombination der Formen der unbestimmten Vergangenheit [te i] und des Futurs [sa] zu [te i sa] oder aus [(le)te] + [pu:r]. Bsp.: [mwÉ te sa:r rod ali si mwÉ te i kone usa i le] = frz. ''j'irais le chercher si je savais où il est". Die Form des conditionnel passé zum Ausdruck einer nicht realisierbaren Handlung in der Vergangenheit setzt sich aus den Partikeln [lore (te fini)] / [nore (te fini)] oder nur aus [te fini] zusammen. Bsp.: [zot lore (te fini) tje azot si zot te i n:st àsàm] = frz. "ils se seraient entretués s'ils étaient restés ensemble". tabellarischer Überblick: 43 ·Passé récent vye d, vyen I sort Plus-que-parfait (Vorvergangenheit) te fin(i) / te i fin Imparfait (unbest. Vergangenheit) (le)te (i) Vergangenheit + progress. Aspekt (le)te apre I (le) te àtre (d) Passé composé (best. Vergangenheit) fin(i) /la Présent (Gegenwart) 1 Gegenwart + progress. Aspekt (le) apre / (le) àtre (d) Futur prochain a, (a)va /sa, sava /(le) pur/pou ' Futur antérieur lora (fini)/ nora (fini) Conditionnel présent te i sa / (le)te pur/pou Conditionnel passé [lore (te fini)]/ [nore (te fini)] ' [te fini] 3.3.3.4 Die Negation Der Wegfall des gebrauchlichen Negationspartikels "ne" in den Kreolsprachen ist ein weiteres Zeugnis für deren Entwicklung aus dem code parlé, der sich in der Umgangssprache meist nur dem "pas" bedient. Das Réunionesische nimmt bezüglich der Vemeinung eine Sonderposition unter allen Frankokreolsprachen ein, da die Stellung des [pa] beim Verb je nach Tempus- oder Aspektzeichen variieren, insgesamt drei Positionen einnehmen kaon und somit eine starke Parallelitat zum Franzôsischen aufweist. So folgt [pa] dem Verb, wenn diesem ein [i] vorausgeht (Bsp.: [mi màz papimà] = frz. "je ne mange pas de piment", [li va pa dir arye] = frz. "il ne dira rien", [mwe lapa war li] = frz. "je ne l'ai pas vu", [le ti bef lete i port pa au] = frz. "le petit bœuf ne te portait pas") oder die lmperativform benutzt wird (Bsp.: [buz pa] = frz. "ne bouge pas"). Ais Element vor dem Verb steht es nach den Futurpartikeln [a], [sa], [sa:r], [sava] und den von "avoir" abstammenden Morphemen [la], [lore/-a], [nore]. Bsp.: [nu lapa ublje] = frz. "nous n'avons pas oublié", [nou va/sava/sa pa vole] = frz. "nous ne volerons pas", [twe lapa wa ali] = frz. "tu ne l'as pas vu", [le 44 muni va pa vol è ti zafer kom sa] = frz. "personne ne volera une petite chose comme ça". Bei [apre], [atrro], [pu:r] ist [pa] immer zwischen der Kopula [lete] oder [le] und der Partikel zu finden. Bsp.: [mw lete pa apre do:rmi:r] = frz. ''je n'étais pas en train de dormir" (vgl. Stein 1984: 82f. und Heil 1999: 106). 3.3.3.5 Der lmperativ Die Befehlsform der 2. Person Singular und Plural wird im Kreolischen wie auch im Franzosischen ohne Partikel, Personalpronomen oder personales Subjekt gebildet. Aufgrund der Unveranderlichkeit der Verben kann also die reine Verbform die Funktion des Imperativs Ubemehmen. Bsp.: KrRéu [aspcr] = frz. "attends!". Zum Ausdruck des lmperativs der 4. Person werden in sowohl in den franzosischen Kreolsprachen des Indischen Ozeans ais auch in denen Amerikas die Formen [ànu] und [anô] verwendet, die wahrschienlich aus der Verschmelzung von "allons" und "à nous de ... " entstanden sind. 3.3.3.6 Die Kopula ,,être" Wahrend in den meisten Kreolsprachen ,,être" und ,,avoir'' als Hilsverb zur Bildung von Vergangenheitstempora durch andere Formen ersetzt wurden, bewahrte das Réunionesische diese Kopula (dies gilt allerdings nicht fiir das Passiv, welches auch im Réunionesischen soweit wie moglich vermieden wird). So existieren Formen wie [le] fiir Prasens (= frz. "il est"), [lete]/[te] im Imperfekt (= frz. "il était''), [sra] im Futur(= frz. "il sera") und [sre]/[lorete] im Konditional (= frz. il serait/il aurait été). Bsp.: [mw€ le fajfaj] = frz. "je suis fatigué", [mw€ lete fje:r] = frz. "j'étais content", [mi sra] = frz. "je serai", [sa i sre gaja:r] = frz. "caserait bien", [mw€ lore te bj€ kôtâ si u lave g€j ut lekzam€] = frz. "j'aurais été heureux si tu avais réussi ton examen". Zur Erklarung des Erhalts des Formenreichtums konnte man die dauerhafte Prasenz des zahlenmaBig hohen, zweisprachigen, weiBen Bevolkerungsanteils heranziehen, der die Kopula auf La Réunion moglicherweise nicht so durchgreifend vereinfachte, starker etablierte ais in anderen (ehemaligen) Kolonien 45 und auch behielt. Auch für Chaudenson ,,L'importance du peuplement blanc, le maintien de formes régionales du français ont favorisé, à la Réunion, la survivance de tours proches du français" (Chaudenson 1974a, zitiert in: Bollée 1977: 61 ). Zudem stehen für ihn die Funktionen von ,,être" als Ergebnis einer Dekreolisierungsphase auBer Frage: "Les temoignages anciens prouvent qu'on ne peut supposer en réunionnais, une réintroduction analogique récente du verbe" (Chaudenson 1974a, in: Bollée 1977: 61). Die Verwendung der ,,être"-Formen als Hilfsverb (ebenso ,,avoir"), als Reste fr~nzosischer Verbalperiphrasen (z.B. in [le/(le)te apre, le/(le)te pou, le/(le) te atrè d] und als Kopula ist somit auc,h langerfristig gesichert. 3.4 Schlussfolgerungen Zusammenfassend kann man sagen, dass alle hier aufgeführten Morpheme und Hilfsverben auf franzosische Auxiliare und Verbalperiphrasen autbauen. In der Diskussion um diese Umstrukturierung des Verbalsystems der Kreolsprachen auBerte sich Gougenheim wie folgt: Le système verbal régulier du français comprend deux catégories de temps: 1° Les temps hérités du latin; 2° Les temps formés à époque romane à l'aide des auxiliaires~ ~ et habere. Ces deux catégories se sont fondues pour constituer un ensemble assez complexe et d'un maniement délicat. Cependant, malgré l'abondance des formes, en particulier pour le passé, il est en réalité assez pauvre. Envisageant avant tout le point de vue du temps, il ne laisse que peu de place à la notion d'aspect. [... ]La langue a essayé de remédier à ces imperfections au moyen des périphrases verbales. Ces périphrases ne constituent pas un système bien défini, avec des correspondances régulières; à peine pourrait-on citer comme telle le parallélisme de aller + infinitif et de venir de + infinitif. Elles se sont formées au hasard, semble-t-il, avec des éléments disparates, à des dates différentes et avec des succès inégaux. (Gougenheim 1929: 378) Der affektive Charakter, d.h. die allmahliche Abnutzung der Verbalperiphrasen, und deren damalige Ablehnung durch die Grammtiker des 17. und 18.Jahrhunderts würden moglicherweise erklaren, warum einige der oben aufgeführten Periphrasen im Standartfranzosisch nicht mehr gebrauchlich und/oder durch andere ersetzt worden sind, aber im Kreolischen weiterleben: Cette valeur affective d'un grand nombre de périphrases verbales est liée, pour une bonne part, à leur origine populaire. L'époque même où nous les voyons prendre leur essor nour fournit une indication précieuse. Beaucoup apparaissent précisément entre le XIV" et le XVI e siècle, au milieu du désordre politique et social, en même temps que tqnt de mots nouveaux "frappés au coin populaire" [ ... ]. Cette coïncidence n'est cer- 46 tainement pas fortuite: il y a alors comme un jaillissement de langue populaire expressif et coloré. Ce caractère populaire est confirmé par les parlers créoles qui, dépourvus de toute norme grammaticale, ont exagéré certaines tendances expressives de la langue. (Gougenheim 1929: 378) il faut reconnaitre que les périphrases verbales ont été en butte à l'hostilité des grammairiens du XVIr et du XVIIr' siécle qui ont réussi à en écarter plusieurs de la langue littéraires. [ ... ] ils [se. les grammairiens] écartent tout ce qui n'a pas de correspondant exact dans les paradigmes de la grammaire latine. (Gougenheim 1929: 379) Neben Gougenheim betont auch Chaudenson die Kontinuitiit zwischen dem "français populaire de l'époque de l'expansion coloniale française" (VintilaRâdulescü 1971, zitiert in: Bollée 1977: 71) und dem Kreolischen und die Wichtigkeit der "facteurs internes dans la formation des idiomes créoles" (Vintilâ-Râdulescü 1971, zitiert in: Bollée 1977: 71) . . . .hors de France, dans les conditions socio-culturelles et linguistiques particulières qui ont vu naitre ces créoles, ces tours [se. les périphrases verbales] sans doute très courants dans la langue des colons ont donné naissance à un systéme nouveau, radicalement différent du système francais quoique manifestent issu de lui. (Chaudenson 1973, zitiert in: Bollée 1977: 72) Goodman hebt seinerseits die Âhnlichkeit der morphosyntaktischen Mittel des kreolischen Verbens in allen Frankokreolsprachen und damit deren Verbundenheit hervor: "The identical use of these forms throughout Creole and their almost inditical phonological development argue strongly for the close historical connection of ail the dialects" (Goodman 1964, zitiert in: Bollée 1977: 75). The development of such a system of articles with so many similarities of detail in ail the Creole dialects is a strong argument for their close historical unity and for the presence ofmuch of the same non-French influence throughout. (Goodman 1964, zitiert in: Bollée 1977: 92) 47 4 Ausschnitte ans "Le petit prince" und "Lo ti prins" 1 Franzôsischer Originaltext aus ,,Le petit prince" von Antoine de SaintExupéry: "Ah! Petit prince, j'ai compris, peu à peu, ainsi ta petite vie mélancolique. Tu n'avais eu longtemps pour distraction que la douceur des couchers de soleil. J'ai appris ce détail nouveau, le quatrième jour au matin, quand tu m'as dit: J'aime bien les couchers de soleil." (Saint-Exupéry 1981: 24) Kreolische Übersetzung von André Payet: "Oté! Mon ti prins, ti pé ti pé, moin la konpri out vi in pé maf-maf. ln gran koup dé tan, riyink kousé d-solèy la adousi out kèr. Moin la konèt ti détay-la, granmatin lo katrièm zour, lèr ou la di amoin konmsa: Solèy kousan i ral amoin." (Pfander, Pfeiffer, Schütz, Wagner (2002): Der kleine Prinz in 100 Sprachen <http://www3.germanistik.uni-halle.de/prinz/sprachen/032.htm> [06.04.2008]) Franzôsischer Originaltext: "J'ai ainsi vecu seul, sans personne avec qui parler véritablement, jusqu'à une panne dans le désert du Sahara, il y a six ans. Quelque chose s'était cassé dans mon moteur. Et' comme je n'avais avec moi ni méchanicien, ni passagers, je me préparai à essayer de réussir, tout seul, une réparation difficile. [ ... ] J'avais à peine de l'eau à boire pour huit jours. Le premier soir je me suis donc endormi sur le sable à mille milles de toute terre habitée. J'étais bien plus isolé qu'un naufrage sur un rideau au milieu de l'océan. Alors vous imaginez ma surprise, au levé du jour, quand une drole de petite voix m'a réveillé. Elle disait: - S'il vous plaît ... dessine-moi un mouton! - Hein! - Dessine-moi un mouton ... 1 Der kreolische Originaltext (Saint-Exupéry, Antoine de: Lo Ti Prins (Arlette, Nourly / Payet, André): Saint-Gilles les Hauts: Editions du Point de Vue, 1999) war !eider nicht emâltlich. 48 J'ai sauté sur mes pieds comme si j'avais été frappé par la foudre. J'ai bien frotté mes yeux. J'ai bien regardé. Et j'ai vu un petit bonhomme tout à fait extraordinaire qui me considérait gravement." (Saint-Exupéry 1981: 13) Kreolische Übersetzung: "Moin la viv konmsa montousèl, san persone pou koz ansanm, épila in zour, néna siz-an, moin la tonm an pane laviyon dann dézèr, laba dann Saara. In zafèr lavé kasé dan mon motèr. Konm navé poin pèrsone èk moin, kansreti in mékanisyin, minm pain voyazèr, moin la tas moyin fé montousèl in réparasyon malizé. Touzis si moin navé asé dolo pou ténir uit zour. Lo promié soir, moin la ginga somey dan lasab la-minm, artiré dann trou babouk, pain kaz domoun! [ ... ] Mazine azot, moin té tonm plis tousél in nofrazé an plin milié loséan. Kalkil azot koman mon kér la bal dann mon do, lèr grammatin, samn promié réyon solèy, un ti voila zir amoin dann mon somèy, la di amoin konmsa: - Siouplé ... <lésine in mouton pou moin! ' -Kosa! - Désine in mouton pou moin ... Moin sèd dobout si mon dé pié konmsi loraz lavé tonm si mon tèt. Moin la byin tir malol dan mon dé kanér Io zié. Aprèla, moin la byin rogardé. Moin la vi ti bononm fantézi té i toiz amoin." (Pâtel, R. Michael: Der kleine Prinz in den Sprache dieser Welt <http://www.fotodesignerin.de/prinz/creol-reuniontextprobe.html> [06.04.2008]) Franzosischer Originaltext: "Voici mon secret. Il est très simple: on ne voit bien qu'avec le coeur. l'essentiel est invisible pour les yeux." (Saint-Exupéry 1981: 59) Kreolische Übersetzung: "Alala mon sékré. Lé sinp konm bonzour: riyink èk Io kèr i gingn bien voir klèr. Sat lé pli inportan i gingn pa voir li èl Io zié." (Hemmeke, Ralf: Le Petit Prince - The Little Prince linz.ac.at/people/hemmecke/index.html> [06.04.2008]) 49 <http://www.risc.uni- 4.1 Strukturanalyse In diesem Abschnitt wird vorbereitend für Kapitel 4.2 eineWortart- und Satzgliedbestimmung anhand der oben angeführten Satze aus den dieser Arbeit zugrundeliegenden Sprachen vorgenommen. Auf eine lexikalische Analyse, die sich mit den aus dem Franzosischen übernommenen, in der Bedeutung oder Form veriinderten, oder den aus anderen nicht-franzosischen Sprachen entlehnten Worter beschaftigen würde, wird hier an dieser Stelle verzichtet, da bereits unter Abschnitt 3.2 bis 3.3 Beispiele aus dem Text angeführt worden sind und viele gekürzte F ormen durch Orientierung an der franzosischen Aussprache erschlieBbar waren .. Petit j' prince, . peu VS prédicat NS sujet pron. pers. verbe aux. verbe part pas ta petite vie mélancolique. 1 1 peu, proposition circonstancielle de temps nom ainsi à 1 1 NS apposition adjectif compris, a1 adverbe préposition adverbe NS objet direct adverbe déterm. poss. adjectif Mon ti prins, adjectif nom ti pé ti pé, 1 proposition circonstancielle de temps NS apposition déterm. poss adjectif la konpri nom adverbe adjectif vi out mom 1 NS sujet adjectif in adverbe pron. pers maf-maf. pé 1 VS prédicat T-A-Partikel verbe Tu NS objet direct déterm poss. nom avais eu n' NS sujet pron pers + attribut adjectif Gradpartikel longtemps VS prédicat élément négat. verbe aux. verbe part. adverbe distraction pour que NS objet prépositionnel élément de conjonction négation nom pas. la de douceur 1 des 1 couchers NS objet direct + + article défini nom article indéfini In gran koup nom dé soleil. attribut préposition nom tan, riyink proposition circonstancielle de temps préposition adjectif nom article partitif kousé NS apposition NS sujet nom élémnégat d-solèy Nullartikel+nom prépo+nom (+élem négat?) la adousi VS prédicat T-A-Partikel J' out kèr. NS objet direct verbe ai déterm poss. nom ·appris ce •détail 50 1nouveau,1 le 1 quatrième NS sujet NS objet direct VS prédicat pron. pers. verbe aux. verbe part. pas détem. démonst jour au matin, 1 quand préposition m' NS sujet nom aime bien NS sujet verbe pron. pers. Mo in la article défini NS sujet konèt 1 T-A-Partikel nom VS prédicat soleil. attribut préposition nom granmatin 1 NS objet direct 1 katrièm Io proposition circonstancielle de temps Nullartikel+adjectif I nom+ verbe dit: verbe aux. verbe part.passé de 1 + détay-la, ti VS prédicat pron. pers. NS objet indirect 1 NS objet direct adverbe as pron objet indirect couchers les 1 VS prédicat article défini+adjectif 1 proposition circonstancielle de temps conjonction pron. pers. J' adjectif tu 1 circonstancielle de temps nom proposition nom adverbe article défini adjectif numéral suffixe contraste zour, lèr ou 1 nom la conjonction pron. pers. i rai adjectif T-A-Partikel verbe prépo+pron.pers NS sujet .1 vecu seul, VS prédicat pron. pers. adverbe prépo+pron.pers ainsi ai nom objet indirect T-A-Partikel verbe J' Solèy NS sujet NS objet indirect amoin. 1 VS prédicat attribut konmsa: VS prédicat NS sujet kousan amoin di 1 proposition circonstancielle de temps verbe aux. adverbe verbe part. pas sans personne 1 avec attribut proposition circonstantielle de manière prédicatif préposition pronom indéfini préposition adjectif qui parler véri- à jusqu' panne une dans tablemen attribut prédicatif pronom rélatif verbe le adverbe préposition du désert préposition nom Moin article partitif la NS sujet VIV T-A-Partikel verbe six préposition ans. 1 1 proposition circonstancielle de temps préposition nom konmsa montousèl, nom numérale san 1persone pou proposition circonstancielle VS prédicat pron. pers. nom article indéfini il y a Sahara, sition circonstancielle de lieu article défini propo- proposition circonstancielle de temps t, Ver- pron.pers.+adver gleichspar- be+adverbe prépo pron. indéf. préposition tikel koz 1 ansanm, de manière zour, in proposition circonstancielle de temps verbe adverbe mom la NS sujet épila préposition tonm VS prédicat article indéfini an NS objet direct 51 nom pane néna 1 siz- an, proposition circonstancielle d temps préposition numerale nom laviyon dann dézèr, proposition circon lieu pron. pers. T-A-partikel laba dann verbe nom article déf+nom préposition prépo Nullartikel+nom Saara. proposition circonstancielle de lieu adverbe préposition Quelque Nullartikel+nom s' chose était NS sujet nom lavé NS sujet T~ A-Partikel nom Et kasé nom motèr. proposition circonstancielle de lieu préposition déterm. poss verbe je comme déterm. poss mon dan VS prédicat article indéfini moteur. proposition cinconstancielle de lieu préposition pron réflex. verbe aux. verbe part. pas. zafèr mon dans VS prédicat pronom indéfini In cassé n' avais nom avec 1 mm Ill proposition circonstancielle de cause NS objet prépositionnel VS prédicat NS sujet conjonction conjonction pronom personnel élément negat verbe méchanicien, 1 ni 1 passagers, réussir de nom pron pers tout seul pronom réflex une de maniére I adverbes verbe Konm poin navé à 1 essayer VS prédicat 1 préposition verbe verbe difficile. réparation proposition circonstancielle préposition pron. pers. élément négat préparai NS sujet élément de négation nom me Je objet direct préposition NS objet direct article indéfini pèrsone nom moin, èk adjectif kansreti in proposition circonstancielle de cause conjonction élément négat+verbe adverbe élément négation préposition mékanisyin, 1 minm pa pron. pers. adverbe voyazèr, in moin la NS sujet nom adverbe moyin 1 fé 1 élément négat article indéfini in montousèl nom pron. pers. article indéf tas VS prédicat T-A-Partikel nom réparasyon malizé. NS objet direct adjectif verbe pronpers+adverbe+adverbe J' avais NS sujet VS prédicat pron. pers. verbe boire pour article indéfini nom peine de à adjectif l' eau 1 à NS objet direct article partitif article défini adverbe huit nom préposition pou ténir jours. proposition circonstancielle de temps verbe Touzis préposition 2 numérale nom navé dolo Sl mom NS sujet VS prédicat NS objet direct conjonction pron pers élém néga+verbe adverbe art part+nom 2 asé 1 proposition circonstanpréposition verbe Dieses Wort ist in der Literatur (Bollée 2007b) unauffindbar. Es handelt sich wahrscheinlich um einen lmperativ irn Sinne von ,,s'imaginer'', da die nachfolgende Konjuntion ,,si" mit ,,que" übersetzt werden kann. 52 uit zour. 1 cielle de but numérale nom Le 1premier soir proposition circonstancielle de temps article défini adjectif sur suis me NS sujet sable pronom réflexif verbe aux. adverbe à mille milles 1 proposition circonstancielle de lieu préposition terre proposition circonstancielle de lieu nom article défini endormi donc VS prédicat pron. pers. nom le je préposition numérale nom verbe part. pas. de toute 1 proposition circonstanpréposition déterm indéf j habitée. cielle de lieu nom adjectif Lo sotr, promié 1 proposition circonstancielle de temps article défini numérale lasab la-minm, moin NS sujet nom VS prédicat dann trou somey dan NS objet direct proposi- verbe nom prépo j babouk pa m verbe part. pas proposition circonstancielle de lieu article défini+nom kaz ginga pronpers T-A-Partikel artiré tion circonstancielle de lieu la prépo Nullartikel+nom nom élément négat article indéf domoun. nom art part+défini+nom J' étais bien NS sujet pronperso sur plus isolé VS prédicat Mazine un rideau article indéfini azot, milieu NS sujet prépo+pron pers pron. pers. nofrazé an pl in direct de l' nom océan. proposition circonstancielle de lieu préposition mom objet indirect nom té article partitif article défini tonm VS prédicat T-A-Partikel milié verbe plis tousèl nom in proposition circonst. NSobjet de manière I adverbe article défini loséan. proposition circonsrtancielle de lieu préposition Alors vous conjonction pron perso NS sujet jour, naufrage proposition circonst. de manière au nom verbe nom un verbe aux. adverbe élément de comparaison verbe part. pas élément de article indéfini proposition circonstancielle de lieu préposition qu' quand adverbe nom article déf + nom imaginez ma VS prédicat verbe une suprise, NS objet direct determin. poss drole nom de au ! levé du proposition circonstancielle de temps préposition nom petite 1 voix article partitif m' proposition circonstancielle de temps nom NS sujet préposition a réveillé. article indéfini nom Elle disait: préposition 53 adjectif nom pronom réflex. VS prédicat verbe aux. verbe part. pas. Kalkil azot NS sujet VS prédicat pron pers verbe koman mon VS prédicat verbe ' kèr NS sujet prépo+pron pers mon conjonction déterm. poss. do, gram- lèr bal la nom dann VS prédicat proposition T-A-Partikel verbe préposition promié réyon samn solèy, matin, circonstancielle de lieu determin. possessif un proposition circonstancielle de temps nom conjonction adverbe voi la nom T-A-Partikel ti NS sujet article indéfini la . stancielle de lieu nom di verbe il pron .pers. s·lOUpl'e ... j amoin dé sine Vergleichs- plaît... dessine VS prédicat m dann mon proposition circon- konmsa: partikel pron. objet indirect nom prépo+pron. pers. prépo determin poss prépo+pron pers vous nom objet indirect verbe objet indir. NS sujet conjonction zir amom VS prédicat T-A-Partikel S' adjectif VS prédicat adjectif somèy, préposition -moi VS prédicat verbe NS objet direct verbe mouton mouton! un pron pers pou article indéfini nom moin! VS prédicat NS objet direct verbe article indéfini Hein! ... préposition nom - interjection ' Kosa! ... ' interjection J' ai NS sujet VS prédicat pron pers verbe aux. j' pron pers sauté sur mes pieds comme proposition circonstancielle de 1ieu verbe part pas avais été préposition determ. poss frappé par SI proposition nom la conjonction conjonction foudre. circonstancielle de manière pronom personnel verbe aux. verbe aux. Mo in sèd NS sujet vs prédicat pron. pers. verbe verbe part. pas. dobout Sl préposition article défini mon dé nom pié konmsi proposition circonstancielle de lieu adverbe préposition determ. poss. numérale nom Vergleichspartikel loraz lavé tonm VS prédicat T-A-Partikel 3 T-A-Partikel si mon tèt. proposition circonstancielle de lieu verbe préposition determinant poss. nom Verbindung von conjonction, pronom personnel, pronom objet indirect et verbe 54 J' ai bien frotté yeux. mes 1 NS sujet VS prédicat pronom perso verbe aux. Mo in NS objet direct verbe part. pas. adverbe byin la NS sujet tir T-A-Partikel kanér4 adverbe lo mon 1 dé NS obj direct proposition circonstancielle de lieu nom préposition determin poss numérale/art indéf verbe zié. article défini J' nom dan malol VS prédicat pronom perso determin possessif nom bien ai NS sujet regardé. VS prédicat pronom perso verbe aux. Aprèla, mom adverbe+suffi xe d contraste à verbe part. pas. byin la NS sujet T-A-Partikel adverbe a1 vu j' verbe aux. verbe part pas. tout bonhomme article indéfini adjectif qui extraordinaire petit 1 NS objet direct VS prédicat pron pers 1 verbe un NS sujet fait rogardé. VS prédicat pron perso Et conjonction adverbe me nom adverbe gravement. 1 considérait phrase rélative adjectif Mo in la pron rélatif pron. pers. ti VI bononm NS sujet VS prédicat pron perso Aspektpartikel verbe Nullartikel+adjectif nom toiz verbe adverbe fantézi té i phrase rélative NS objet direct T-A-Partikel adjectif amoin. 1 verbe préposition+pron pers. Voici Prasentativum Alala Prasentativum On mon determin possessif mon nom déterm. poss. nom 1 voit NS sujet pron perso Riyink est NS sujet VS prédicat pron pers verbe lo adjectif konm bonzour 1 proposition circonst de manière pron perso+vert> conjonction adjectif bien qu' élément de négation verbe adverbe élément de négation 1 1 attribut du sujet 1 sujet+prédicat+attribut du sujet VS prédicat èk simple. très adverbe sinp Lé 1 sékré. NS objet direct ne Il secret. 1 NS objet direct i kèr nom le avec camr. 1 proposition circonstancielle de manière préposition article défini gingn bien nom VOIT 1 4 dieses Wort ist in der Literatur (Bollée 2007a) unauffindbar. Daher ist auch nicht feststellbar, ob das vorangehende ,,dé" das Numeral ,,deux" oder den article indéfini ,,des" darstellt. 55 NS sujet VS prédicat+prédicatif proposition circonstancielle de manière préposition article défini T-A-Partikel nom verbe adverbe verbe klèr. adjectif L' essentiel NS sujet article défini Sat est 1 invisible pour verbe lé pli les préposition adjectif 1 inportan article défini l 1 pa Io T-A-Partikel verbe élément de négation préposition article défini verbe zié. 1 proposition circonstancielle de manière pron. pers. voir 1 VS prédicat conjonction article défini élément de comparaison nom èl nom gingn NS sujet li yeux. 1 NS objet prépositionnel VS prédicat+attribut du sujet nom 1 ' nom 4.2 Vergleich der Strukturanalysen Bezugnehmend auf die vorangegangene Strukturanalyse des Franzosischen und Kreolischen auf La Réunion wird in folgendem Abschnitt versucht, die grammatischen Merkmale und Strukturen beider Sprachen gegenüberzustellen und ihre jeweiligen Detail- und Gesamtmarkierungen zu erfassen Wahrend wir beim Franzôsischen von der Analyse des ,,code graphique" ausgehen müssen, welcher weitaus mehr grammatische Kennzeichnungen besitzt, entstand das Réunionesische aus dem ,,code phonique" der franzôsischen Sprache des 17. Jahrhunderts, beinhaltet dadurch zahlreiche Reduzierungen und Vereinfachungstedenzen und .eine abgeschlossene Entwicklung zur Pradetermination. Wahrend an dieser Stelle auf den Vergleich der Organisation von Syntagmen verzichtet werden muss und auch auf unveranderliche Lexeme, wie Zahlwôrter, Adverbien, Konjunktionen, Interjektionen und Prapositionen nicht genauer eingegangen werden kann, auBem sich die oben erwahnten Eigenschaften der beiden Sprachen wie folgt in den verschiedenen flektierbaren Wortarten: 56 4.2.1 Das Substantiv und seine Begleiter Die Substantive im Franzosischen werden fast allesamt von einem Possessiv-, Demonstrativ- oder Indefinitbegleiter, einem bestimmten oder unbestimmten Artikel, einem Adjektiv, einer Priiposition und/oder einem Numeral begleitet, die neben dem Plural-,,s" einiger Substantive die Markierung von Genus, Numerus und gegebenenfalls Kasus übemehmen. Prinzipiell erkennt man bei keinem der Substantive das Geschlecht, nur die Begleiter geben Aufschluss darüber. Falle ohne Genushinweise durch die ,,Umgebung", wobei Genusmarkierungen nach dem Wortausgang des Substantivs (z.B. auf ,,-tion", ,,-ien" oder ,,iel") unberücksichtigt bleiben, sind ,,pour distraction", ,,ni méchanicien, ni passagers", ,,de soleil", ,,l'essentiel" und die Nomen im Plural ,,il y a six ans", ,,pour huit jours", ,,des couchers", ,,mes yeux" und ,,mes pieds", zusatzlich geben letztere aber durch das Plural-,,s" alleine Informationen zu ihrem Numerus. 1 Einziges Substantiv ohne Numerus, Genus- und Kasuskennzeichen ist ,,voix". Da die Nomen des Réunionesischen unveranderlich sind, erfahren sie auch keine Genus-, Numerus- und Kasusmarkierung. Auch die Possessivbegleiter und Adjektive geben wegen ihrer Unveriinderlichkeit keine weiteren Aufschlüsse darüber. Nur mithilfe der bestimmten Artikel - der unbestimmte existiert ja auch nur in einer Form - ist es bei einigen Wortem moglich, das Genus zu bestimmen (z.B. Masculinum bei ,,Io katrièm zour", ,,Io promiè soir", ,,Io kèr", ,,lé pli inportan", Feminimum durch den agglutinierten Artikel bei ,,lasab"). Die Verbindung ,,Io zié" stellt ein Sonderfall dar, da das ,,Io" ihn ais maskulinen Ausdruck im Singular kennzeichnet, gleichzeitig ist aber ,,zié" ein Nomen im Plural. Die Haufigkeit der Verwendung von ,,Io" in den Exzerpten des ,,Lo ti prins" spricht scheinbar filr die allmahliche Verallgemeinerung dieses Artikels auf alle Genera. 4.2.2 Determinanten und Substituenten In den Ausschnitten der franzosischen Originalfassung ,,Le petit prince" sind fast alle Varianten des Artikels vorhanden: 57 1. der bestimmte Artikel maskulin, Singular ("le quatrième jour", "le désert"), feminin, Singular ("la douceur") Singular vor Vokal und h-muet ("L'essentiel") und Plural ("les couchers"), 2. der unbestimmte Artikel maskulin, Singular ("un naufrage", "un rideau") feminin, Singular ("une panne", "une réparation") 3. der Partitivartikel maskulin, Singular ("du jour'') und vor Vokal oder h-muet ("de l'eau", "de l'océan") Es fehlen der unbestimmte Artikel bzw. der Partitivartikel im Plural ,,des" und der Partitivartikel feminin ,,de la". Alle Artikel im Singular (auBer vor Vokal und h-muet) enthalten zwei Markierungen (Genus und Numerus), die im Plural und vor Vokal und h-muet ,,nur" die Angabe des Numerus. ' lm kreolischen Text ,,Loti prins" sind zu finden: 1. der bestimmte Artikel ("Io katrièm zour", "loséan", "Io zié", "Io kèr" "lasab", "lé pli inportan"), wobei es sich bei den letzten beiden Beispielen um die agglutinierte weibliche Form [la] und die Pluralform [le] handelt, wie es schon weiter oben erwahnt wurde, also eine Genus- und Numeruskennzeichnung stattfindet. 2 der unbestimmten Artikel in" ("in gran koup" "in zour" "in zafèr" "in . " ' ' ' mékanisyin, [ ... ] in voyazèr", "in réparasyon", "in kaz"), aber auch einmal ,,un" ("un ti voi"). Hier kann man feststellen, dass bis auf die Abweichung ,,un", die moglicherweise der Orientierung am Franzosischen geschuldet ist, ,,in" sowohl bei maskulinen, ais auch bei femininen Substantiven im Singular verwendet wird. 3. der Partitivartikel ("dé tan", "d-solèy", "dolo", "domoun"), der entweder agglutiniert wird oder phonetisch verandert übemommen wurde, und 4. der Nullartikel, der vor allem nach Prapositionen ("dann dézèr", "dann trou babouk") und bei einem Objekt ("ti bononm fantézi") realisiert wird. Die Possessivbegleiter im franzosischen Text beschriinken sich auf die Formen ,,ta" (."ta petite vie") ' " ma" ("ma surprise") ' " mon" ("mon moteur" ' "mon secret"), ,,mes" ("mes pieds", "mes yeux"), was sicherlich auf die personale Er- 58 zahlweise zurückzuführen ist, passen sich aber in Person, Numerus und Genus ihrem entsprechendem Substantiv bzw. Besitzer an und liefem also zumindest im Falle von ,,ma" und ,,ta" drei Detailmarkierungen; beim Possessivdeterminanten im Plural und maskulin Singular ,,mon" sind es lediglich zwei (Person und Numerus). In unserem kreolischen Beispieltext ist das Vorkommen von Possessivbegleitem noch begrenzter, hier finden wir nur ,,mon" ("mon ti prins", "mon motèr", "mon kèr", "mon do", "mon somèy", "mon dé pié", "mon tèt", "mon sékré", usw.) und ,,out" ("out vie"), die derselben Personen wie im Franzosischen entsprechen, allerdings auch nur mit jeweils dieser einen Form für die unterschiedlichen Genera und Numera genutzt werden. Possessivpronomen, die wie oben erwahnt vom Kreolischen gebildet oder an das Franzosische orientiert gebraucht werden konnen, kommen in dem Text nicht vor. Der einzige franzosische Demonstrativbegleiter des Textes ,,ce" (,,ce détail nouveau") wird im Kreolischen gestrichen und durch ein dem Substantiv folgendes Adverb erganzt (,,détay-la"), das in der Standardsprache auch nur nach einem Demonstrativadjektiv stehen kann (Bsp.: ,,ce détail-là"). Indefinitbegleiter/-pronomen Das einzige franzosische Indefinitpronomen des Textes "Quelque chose" beeinhaltet lediglich eine Information zum Numerus. lm Kreolischen taucht diese Wortart gar nicht auf, sondem wird mit dem Substantiv ,,in zatèr" ("une chose") übersetzt. Der Indefinitbegleiter "toute" in ''toute terre habitée" vereint Markierungen des Genus und Numerus. Der kreolische Text bedient sich fiir diesen Ausdruck der Umschreibung "pain kaz domoun". Die im franzosischen Text vorkommenden Personalpronomen in Subjektstellung ,Je", ,,tu", ,,il" und ,,on" und zeigen dessen Kasus, Person und Numerus an. ,,elle" und ,,vous" lassen lediglich auf Person und Numerus schlieBen, da sie in Subjekt- und Objektstellung (Kasus) die gleiche Form besitzen. Genuseindeutigkeit besteht nur bei ,,il" und ,,elle". Die Personalpronomen in Objektstellung ,,moi" und ,,me" (,,tu m'as dit", ,,m'a réveillé", ,,me considerait") lie- 59 fem die gleichen Informationen wie ,je", ,,tu", ,,il" und ,,on". Das Objektpronomen ,,vous" (,,S'il vous plaît") lasst aufgrund seiner formalen Übereinstimmung mit dem Personalpronomen ,,vous" in Subjektstellung nur Rückschlüsse aufNumerus und Person zu. Die kreolischen Personalpronomen in Subjektstellung ,,moin", ,,ou" und die agglutinierte Form "lé" aus ,,il" und ,,est" sind aufgrund der Darstellungen unter Abschnitt 3.3.1.2 leicht identifizierbar. Ihre Markierungen führen uns zu den jeweiligen Unterkategorien von Person und Numerus, die darunterliegenden Ebenen der Klasse ,,Genus" sind jedoch nicht genau zuzuordnen. Ebenso besitzen sie dieselben Kasusmarkierungen wie die entsprechenden Pronomen in Objektstellung (z.B. ,,èk moin" mit Praposition vor dem Pronomen). Die weiteren Personalpronomen in Objektstellung (,,amoin", ,,azot") sind von den betonten nur durch ihre Stellung und der Verknüpfung mit dem vorangehenden Partikel ,,a-" zu unterscheiden. Sie zeigen durch ihre Markierungen Person, Kasus und Numerus an - letzteres aber nur bei ,,amoin", da ,,azot sowohl zweite als auch dritte Person Plural sein kann - jedoch nicht Genus. Das kreolische Pronomen ,,ou" in Objektstellung aus ,,Siouplé" besitzt aufgrund der Positionierung vor dem finiten Verb keinen Partikel, daher kann ihm auch keine eindeutige Kasuskennzeichnung zugesprochen werden. 4.2.3 Adjektive Der franzosische Text liefert uns folgende Adjektive: "petit (prince)", "(ta) petite (vie) mélancolique", "(ce détail) nouveau", "(le) quatrième (jour)", "(une réparation) difficile", "(Le) premier (soir)", "(toute terre) habitée", "petite (voix)" und "(un) petit (bonhomme tout à fait) extraordinaire". Adjektive auf- ,,e" wie ,,mélancolique", ,,quatrième", ,,difficile", ,,extraordinaire", ,,invisible" und ,,simple" zeigen lediglich eine grammatische Kategorie, namlich den Numerus, an, wohingegen Adjektive, die durch Anfügen eines ,,e"s die weibliche Form erhalten (z.B. ,,petit(e)", ,,premier(e)", ,,habité(e)") Aufschluss über Numerus und Genus geben. ·Dieselbe Funktion übt auch ,,nouveau" aus, welches ausschlieBlich bei maskulinen Adjektiven im Singular stehen kann. 60 Die réunionesischen Adjektive "(Mon) ti (prins)", "(out vi in pé) maf-maf'', "(In) gran (koup dé tan)", "(Io) katrièm (zour)", "(Solèy) kousan", "(in réparasyon) malizé", "(Lo) promié (soir)", "promié (réyon solèy)", "(un) ti (voi)", "ti (bononm) fantézi" sind allesamt unveranderlich und unmarkerit und orientieren sich an der franzosischen maskulinen Variante des Singulars. Auffâllig ist jedoch, dass genauso wie die franzosischen Adjektive, einige kreolische, wie z.B. die Entsprechung von ,,petit" und ,,grand" sowie die Zahladjektive ,,quatrième" und ,,premier" vor dem Nomen stehen, wahrend solche, die eine vorilbergehende Qualitat ausdrücken (wie z.B. ,,maf-maf'', ,,kousan", ,,malizé" und ,,fantézi") nachstehen. Erwahnenswert ware noch die superlativische Form ,,lé pli inportan", die sich an den franzosischen Superlativ ,,le/la/les plus ... " anlehnt. 4.2.4 Verben Folgende Verbformen kommen in der franzosischen Erzahlung vor: "G')ai compris", "(Tu n')avais eu", "(J')ai appris", "(tu m')as dit", "(J')aime", "(J')ai (ainsi) vecu", "(Quelque chose) s'était cassé", "Ge n')avais", "Ge) me préparai à essayer de réussir", "(J')avais", "Ge me) suis (donc) endormi", "(J')étais (bien plus) isolé", "(vous) imaginez", "(voix) m'a réveillé", "(Elle) disait", "(S'il vous) plaît", "dessine(-moi un mouton)", "(J')ai sauté", "G')avais été frappé", "(J')ai (bien) frotté", "(J')ai (bien) regardé", "G')ai vu, "(qui me) considérait", "(Il) est (très) simple", "(on ne) voit" und "(l'essentiel) est invisible". Bei allen dieses Verbformen ist das Tempus klar erkennbar: so handelt es sich entweder um Passé composé, Présent, Passé simple (,Je me préparai à ... ) oder Imparfait (Bsp. ,,elle disait") oder Plus-que-parfait (,,avais eu", ,,s'était cassé). Die Modi werden nur teilweise eindeutig dargestellt: man findet vielfach den Indikativ, aber auch den Imperativ ("dessine(-moi)"), der sich jedoch formai nicht vom Indikativ unterscheidet. Bei "aime" beispieISweise ist eine Festlegung bezüglich Indikativ oder Konjunktiv ebenso schwierig. Durchsichtiger ware eine Orientierung an Heils Aussage: Ausgegangen wird von der Modusopposition Indikativ - Konjunktiv, wenn keine Konjunktiv- oder andere Modusmarkierung explizit vorhanden ist, handelt es sich um ein Verb im Indikativ mit der indirekten Modusmarkierung [... ]. {Heil 1999: 112) 61 Bei der Angabe zur Person sieht es ebenso uneindeutig aus: hier sind die Markierungen hinsichtlich ihrer Person bei allen Verben, die jeweils nur eine Form für eine Person besitzen, unmiBverstiindlich. Bei "avais eu", "aime", "étais bien plus isolé" und "avais été frappé" kônnten aber auch noch andere als die jeweilige Person in Frage kommen. Allerdings ist der Numerus bei allen Verben unverkennbar (ausschlieBlich Singular, bis auf einmal Plural bei "vous imaginez"). Bezüglich des Genus Verbi sind alle Erscheinungen auBer "G')avais été frappé" Aktiv, geben also ausreichend Information, um die Verformen einordnen zu kônnen. Aspektmarkierungen tragen sowohl die Zeitformen des Passé composés, des Passé simples und des Plus-que-parfaits, welche als perfektiv markierte Tempora einen retrospektiven Blick im Vergleich zur aktuellen Sprechsituation setzen, als auch das Imparfait als imperfektiv gekennzeichnete Tempora, das Bezug zur momentanen zeitlichen Position des Sprechers nimmt, indem es einen andauemden Sachverhalt ohne zeitliche Begrenzung in der Vergangenheit thematisiert. Das Tempus des Prasens kann imperfektiven (,j'aime"), performativen (,,imaginez") oder futuralen (,,plaît") Aspekt anzeigen. Den kreolischen Abschnitten kann man folgende Verben entnehmen: "la konpri", "la adousi", "la konèt", "la di", "i ral", "la viv", "la tonm", "lavé kasé", "navé", "la (~ moyin) fé", "navé", "la ginga", "Mazine", ''té tonm", "Kalkil" "la bal" "la zir" "la di" "<lésine" "sèd (dobout)" "loraz lavé tonm" ' ' ' ' ' ' ' "la (byin) tir (malol)", "la (byin) rogardé", "la vi", "té i toiz", "Lé", "i gingn (bien) voir (klèr)" und "i gingn (pa) voir''. Die Betrachtung der Vollverben an sich gibt allerdings noch keine Auskunft über deren Zeitform, erst im Zusammenhang mit den Tempus-Aspekt-Partikeln wird klar: Alle Zusammensetzungen mit ,,la" und dem nachfolgenden Vollverb stellen die Zeitform des Passé composés dar, allerdings ist bei einigen Vollverbvarianten unklar, ob es sich um die Form des Partizips, des Infinitivs oder der zweiten Person Plural des Prasens handelt (Bsp.: "la (byin) rogardé"), môglicherweise weist jedoch Schreibung mit ,,é" auf die Adaption des franzôsischen Partizips hin. Andere sind wiederum eindeutig identifizierbar (Bsp.: ,,konpri" ais Partizip). 62 Die Verbindungen mit ,,i" und Verb verweisen auf das Tempus des Prasens (Bsp.: "i ral", "i gingn (bien) voir (klèr)" und "i gingn (pa) voir"), ebenso wie "Lé", bei dem môglicherweise aus phonetischen Gründen auf das ,,i" verzichtet wurde. Die Verben "navé", "la (tas)" und "sèd (dobout)" (letzteres siehe unten) sind Sonderfülle: bei ihnen sind keine Rückschlüsse auf Person, Numerus, Tempus, Modus, Aspekt und Genus Verbi moglich. Sie konnten in ihrer phonetischen Gestalt sowohl Présent (,,n'avez", ,,(il) a (la tâche)") - dazu fehlt ihnen aber der Tempus-Aspekt-Partikel ,,i" - ais auch eine Vergangenheitsform (Bsp.: ,,n'avait/-s" oder ,,la" ais Partikel des Passé composés an sich) darstellen. "lavé kasé" und "(loraz) lavé torun" stellen weitere Sonderformen dar: Letzteres zeigt durch "loraz" zwar das Conditionnel passé an, das danach folgende "lavé" ist aber in Abschnitt 3.3.3.3 zum Thema des Tempus, Modus und Aspekts im Kreolischen nicht erwahnt worden. Da jedoch nach dem Partikel ,,loraz" im Réunionesischen ein Vergangenheitspartikel stehen muss, bietet sich unter Umstiinden ,,la" (zur Markierung des Passé composés) an, der dann phonetisch der dritten Person Plural (,,avez") oder der zur jeweilgen Person passenden Form des Imparfaits (,,avais" oder ,,avait") angeglichen wird und dem dann das Vollverb folgt. Aus aspektuellen Gesichtspunkten ware die Variante der Zusammensetzung aus Vergangenheitspartikel (in phonetischer Form des franzosischen Imparfaits) und Vollverb zum Plus-que-parfait wahrscheinlich. Das kreolische Verb "sèd (dobout)" kônnte moglicherweise phonetisch an der zweiten Person Plural des Priisens (siehe Abschnitt 3.3.3.1) des franzosischen Verbs ,,être", also ,,êtes" unter Hinzuziehen des Pronomens ,,se" orientiert sein. Da es von keinen Tempus- und Aspektpartikeln begleitet wird, ist eine Zuordnung zu einer Zeitform nicht môglich. Unter Berücksichtigung des Kontextes kann man jedoch davon ausgehen, dass es um den Ausdruck einer vergangenen Geschehens gehen müsste. Die übrigen Formen rteben denen im (hypothetisch angenommenen) Imperativ sind "té i toiz" und "té [i] tonm", welche (trotz Auslassung des ,,i"s bei letzterem, obwohl nachfolgend ein verbales Priidikat steht), dem Imparfait zugeschrieben werden kônnen. Die Imperative "Mazine", ,,Kalkil" und "<lésine" geben keinen Hinweis auf Tempus und Modus, sondern sind nur durch den 63 Kontext erschlieBbar, werden aber im Text so gestaltet wie oben unter 3.3.3.5 angekündigt: ohne Personalpronomen, personales Subjekt oder Partikel, sondem einzig und allein mit der reinen Verbform. Wie bei allen anderen Verben ist es auch hier ohne Betrachtung der Subjekte, Personalpronomen und/oder des Kontextes nicht moglich, Person und Numerus zweifelsfrei zu bestimmen. Da <las Réunionesische keine Passivkonstruktionen verwendet, kann keine Abgrenzung vom Aktiv vorgenommen und keine eindeutige Entscheidung bezüglich der Genera Verbi getroffen werden. Auch Heil meint: Auch wenn die Kreolsprachen andere Wege gefunden haben das Passiv auszudrücken, wird die Genus Verbi-Opposition Aktiv - Passiv [ ... ] ais nicht mehr vorhanden angesehen, so daB nur explizit Genus Verbi markierte Formen [ ... ] gekennzeichnet werden (... ]. (Heil 1999: 120). Genauso verhalt es sich bei der Modusmarkierung: ,,Die Modusopposition lndikativ - Konjunktiv ist in den Frankokreolsprachen durch den Ausfall des Konjunktivs nicht mehr vorhanden, daher werden nur explizit modusmarkierte Formen [ ... ] gekennzeichnet [ ... ]." (Heil 1999: 120) Sobotta auBert in ihrem Aufsatz ,,Franzosisch und Kreolisch in Guadeloupe", dass der Ausdruck des sprachlichen Zeitkonzeptes ,,Aspekt" im Kreolischen durch die Fülle an Partikeln haufiger seine Realisierung findet ais im Franzosischen (vgl. Sobotta 2006: 101). Genau wie im Falle der Tempora ist es nicht moglich, durch alleinige Betrachtung des Vollverbs auf den Aspekt zu schlieBen. Unter Berücksichtigung der durchgehenden Verwendung des kreolischen Partikels ,,la" beim Passé composé in den Exerpten des ,,Lo ti prins" ist jedoch bei ail diesen Satzen vom retrospektiven, perfektiven Aspekt auszugehen. Die lmparfaitformen ,,''té i toiz" und "té [i] tonm" prasentieren sich mithilfe ihrer Partikel ais imperfektiv markierte Tempora. Beim Présent ist zwischen imperfektiven Aspekt (,j'aime"), performativem Aspekt (,,Maziné") .und futuralem Aspekt (,,(Siou)plé") zu unterscheiden. 64 4.2.5 Die Organisation der Relativsatze und der Verneinung Neben den tlektierbaren Wortarten soli hier wegen der auffàlligen Umgestaltung des Réunionesischen noch auf Relativsatze und Vemeinung eingegangen werden. Die franzosischen Relativsatze ,,avec qui parler véritablement" und ,,qui me considerait" mit ihren Relativpronomen ,,qui" werden im Kreolischen mithilfe einer Infinitivkonstruktion umformuliert (,,san persone pou koz ansanm"), wobei das Verb durch die fehlende infinite Endung nicht ais solches erkannt werden kann. Bei ,,ti bononm fantézi té i toiz amoin" wird der Relativsatz um sein Relativpronomen ,,erleichtert". Die franzosischen Vemeinungsvarianten ,,ne ... que" (Bsp.: ,,Tu n'avais eu longtemps[ ... ] que la douceur", ,,on ne voit bien qu'avec le coeur") und ,,ne ... ni ... ni" (Bsp.: ,Je n'avais avec moi ni méchanicien, ni passagers") bestehen entsprechend der schriftlichen Standardsprache aus jeweils zwei Vemeinungselementen. Das Kreolische mit den negierten Satzen ,,riyink kousé d-solèy la adousi out kèr", ,,Sat lé pli inportan i gingn pa voir li èl Io zié", ,,riyink èk Io kèr i gingn bien voir klèr'', ,,Konm navé poin pèrsone" und ,,sansreti in mékanisyin, minm pa in voyazèr" und ,,pa in kaz domoun" weist folgende Eigentümlichkeiten auf: Die ersten drei Satze bedienen sich der Vemeinungspartikels ,,rien" und ,,pas", ohne jedoch einen zweiten hinzuzuziehen. Zu erortem ware jedoch, ob das Phonem [k] bei ,,riyink" moglicherweise Reste des Vemeinungspartikels ,,que" darstellt, sodass die bereits oben erwahnte Tendenz des Wegfalls des Negationspartikels ,,ne" oder seiner Entsprechungen hier also nur teilweise ihre Verwirklichung findet. Der nachste Beispielsatz ,,Konm navé poin pèrsone" bietet viel Stoff fiir Diskussionen: Fraglich ist, ob ,,(Konm) navé" wirklich eine Zusammensetzung aus ,,ne" und ,,avez/avais/avait" ist und demnach der Negationspartikel ,,ne" entgegen der Behauptungen von Stein und Heil (siehe Abschnitt 3.3.3.4) auftritt oder ob es sich um eine Verkürzung des réunionesischen Personalpronomens ,,moin"/[mwe] handelt, dessen Phonem [m] der Konjunktion und [n] dem Tempuspartikel ,,avé" angeschlossen wurden. Eine weitere Besonderheit stel- 65 len die direkt aufeinanderfolgenden zwei Vemeinungspartikeln ,,poin" und ,,pèrsone" im Anschluss dar, wobei ,,poin" wohl eine lntensivierung der Aussage bewirken soli, wahrend ,,personé'' ais ,,eigentliches" Vemeinungselement zum hypothetisch angenommenen ,,ne" fungiert. lm Franzosischen lasst sich ,,ne personne" nicht durch einen Negationspartikel im Sinne von ,,(gar) nicht" verstarken. Ungewiss ist auch, oh es sich bei ,,moin navé asé dolo pou ténir uit zour" um einen bejahten (Übersetzung: ,J'avais assez d'eau pour tenir huit jours") oder um einen vemeinten Aussagesatz (Übersetzung: ,je n'avais pas/plus assez d'eau pour tenir huit jours") handelt. lm ersten Fall würde sich die Frage stellen, ob ,,navé" lediglich eine hervorgehobene Liaison des Phonems [n] von ,,moin" mit ,,avé" anzeigt, oder ob, ausgehend von der zweiten Variante, ,,avé" hier wirklich vemeint ware und aus welchem Grund dann statt ,,ne" die Negationselemente ,,pas" oder ,,plus" weggelassen wurden. Die Teilsatze ,,sansreti in mékanisyin, minm pa in voyazèr" und ,,pa in kaz domoun" mit ihren Vemeinungspartikeln ,,sansreti", ,,minm pa" und ,,pa" sind wie im Franzosischen gestaltet: Sie umgeben kein Verb, stehen allein ohne ein zweites Negationselement und dienen der Hervorhebung und lntensivierung. 4.3 Ergebnis der Strukturanalyse Die Strukturanalyse wurde an relativ kurzen Textauszügen vorgenommen. Zudem handelt es sich hier um die spezielle Textgattung von ,,klassischer" Literatur mit stilistischen und lexikalischen Eigenheiten. Aus diesen Gründen waren die insbesondere für die Alltagssprache typischen Entlehnungen aus nicht-franzosischen Sprachen nur in einem Fall (,,maf-maf') nachweisbar. Die in den Abschnitten 3.2 bis 3.4 benannten übrigen lexikalischen, morphologischen und syntaktischen Besonderheiten kamen jedoch deutlich zum Vorschein: Es traten aus <lem Franzosischen übemommene, in Form, Bedeutung oder syntaktischer Funktion veranderte Worter auf. Nicht nur formai (z.B. durch Apokope oder Apharese), sondem auch morphologisch-syntaktisch ist die bereits erwahnte Reduzierung erkennbar. Analog zu den Forschungsergeb- 66 nissen von Anett Heil (vgl. Heil 1999: 109ff.) konnte neben der Reduzierung der Vemeinung, dem Wegfall des Relativpronomen und den Nullartikeln auch eine Verminderung der Markierung der morphologischen Kategorien nachgewiesen werden (siehe Tabelle unten). Die Aussagekraft der réunionesische Substantive und Adjektive über die verschiedenen grammatischen Klassen belaufen sich auf Null, nur die sie begleitenden Possessivdeterminanten bzw. Artikel geben zu 100% bzw. 75% Aufschluss über Numerus. lm Gegensatz dazu sind die franzôsischen Substantive bzw. Adjektive zu (fast) 100% numerusmarkiert und über 50% der zuletzt Genannten auch genusmarkiert. Wahrend über drei Viertel der franzôsischen Artikel zwei Markierungen enthalten - der Rest ,,nur'' eine - müssen über 60% der réunionesischen Artikel mit einer Kennzeichnung ,,auskommen"; 25% werden nicht einmal gesetzt. Mehr ais 92% der franzosischen Personalpronomen geben Informationen zu mindestens drei kategorialen Merkmalen, wohingegen lediglich ca. 20% der Determinanten des KrRéu dazu in der Lage sind. Alle Possessivdeterminanten des KrRéu besitzen eine Markierung, wahrend alle franzosischen mindestens zwei anzeigen. Die franzôsischen Verben teilen ca. 30% zu ca. 70% fünf bzw. sechs Markierungen unter sich auf, dem gegenüber stehen die réunion.esischen Verben, von denen etwa ein Drittel überhaupt nicht und etwa zwei Drittel in zwei Kategorien gekennzeichnet sind. Ais markante Beispiele aus den untersuchten réunionesischen Exerpten sind die Wortgruppen "moin sèd dobout si mon dé pié" und ,,moin la vi ti bononm fantézi" zu nennen, die eine Bündelung vieler Besonderheiten aufweisen: keine Markierung von Genus, Numerus und Kasus beim Personalpronomen, keine Kennzeichnung von Person, Numerus, Tempus, Modus, Aspekt, Genus Verbi beim ersten Verb (beim zweiten fehlen Person, Numerus, Modus, Genus Verbi), keine Aussagen über Genus, Kasus, Numerus beim Possessivbegleiter sowie die Reduktion der Informationen über Genus, Kasus und Numerus beim Substantiv und Adjektiv auf Null. Die Verwendung des Nullartikels erhoht nachmals die Anzahl der Reduzieningen. 67 Anzahl der Markierungen (M) pro Wortart (in %)5 Substantive Adjektive Artikel Personal- Possessiv- + pronomen Demonstra- Verben° tivbegleiter Frz ' 2M=71,43% 5M = 28% OM = 2,27% IM = 46,15% IM=23,81% 2M = 7,690/o IM=97,28% (N) (N) 2M = 53,85% 2M=76,19% 3M = 84,62% 3M=28,57% 6M = 72% (N,P) (N) (N, .G) (K,N, P) (N,G) (P, N) (aile aufier P) (P,N,G) 4M = 7,690/o (K,N,P,G) Kr- OM= 100% OM = 100% Réu 1 OM=25% 2M = 79,17% IM= 100% (Nullartikel) (N,P) IM=60,71% 3M=20,83% (N,P,K) (N) r • 1 • ' (P) OM = 27,58% IM = 3,45% (A) 2M = 65,52% 2M = 14,290/o (T,A) (N,G) 3M = 3,45% 1 (A, T, M) Eine Teilkompensierung dieser Reduzierungen erreicht das Réunionesische beispielsweise durch die Tempus-Aspekt-Partikel, die in dem untersuchten Text gehauft auftraten. Die Einbindung in den Kontext ermoglicht selbst dem Nicht-Muttersprachler trotz aller Reduzierungen ein adaquates Textverstiindnis und ist ein Hinweis darauf, dass das KrRéu in der Vergangenheit und bis heute hauptsachlich an konkrete Kommunikationssituationen gebunden war. Die Zukunft muss zeigen, inwieweit bei abstrakteren Kommunikationssituationen dieses hohe MaB an Reduzierungen aufrechterhalten werden kaon. 5 errechnet aus der Anzahl der Wôrter der jeweiligen Wortarten und der Anzahl ihrer Markierungen (Genus, Numerus, Kasus, Person, Tempus, Modus, Genus Verbi, Aspekt) 6 Bei der Untersuchung der Markierungen beziehe ich mich ausschlie61ich aufinifinite Verben und schlie6e die ftanzôsischen Hilfsverben und kreolischen Tempus-Aspekt-Morpheme mit in die Betrachtungen ein, da sie die Hauptaussage bezüglich Person, Numerus, Tempus usw. treffen. 68 5 Schlussbemerkungen lm Ergebnis der vorgelegten Untersuchung. ist festzustellen, dass die Sprachverwandtschaft des Réunionesischen mit <lem Franzosischen nach wie vor deutlich erkennbar ist. Die Einflüsse aus anderen Basissprachen sind marginal und auf bestimmte Bereiche begrenzt. Das Réunionesische ist jedoch gegenüber <lem Franzosischen auffâllig reduziert. Diese Reduzierung bezieht sich auf aile sprachlichen Bereiche: Syntax, Morphologie, Lexik und die hier nicht untersuchte Phonetik. Besonders augenscheinlich ist dabei die Reduzierung der kategorialen Merkmale im Bereich der Morphosyntax. Dennoch ist <las Sprachsystem des Réunionischen kein reduziertes Teilsystem des Franzosischen, sondern hat einhergehend mit den Reduzierungen morphologische, phonetische, lexikalische und syntaktische Spezifika entwickelt. Diese berechtigen dazu, <las Réunionesische ais eingestiindige Sprache zu betrachten. Es wird anders ais die Pidginsprachen nicht nur in spezifischen Sprechsitu·' ationen verwendet. Vielmehr stellt es ein vollstiindiges System dar, mit <lem aile Lebensbereiche sprachlich abgedeckt werden konnten. Damit <las Réunionesische ais relativ junge Sprache auch in Zukunft dazu in der Lage ist, müsste es weiter standardisiert, ais Schul- und Universitiitsfach etabliert und in groBerem MaBe in neuen Funktionsbereichen (Radio, Presse, Musik) eingesetzt werden. Voraussetzung dafilr ist u.a. die Erstellung einer einheitlichen Grammatik und Orthographie. Die damit verbundene ,,Aufwertung" des Réunionesischen würde seine soziale Akzeptanz fürdern. Gleichzeitig konnte es nachhaltig identitiitsstiftend wirken und über den Status eines Symbols der ,,créolité" hinauswachsen. Dann ware auch der Fortbestand dieser relativ ,,kleinen" Sprache gesichert. 69 Quellenverzeichnis Acosta, José de (1590): Historia natural y moral de las lndias. Sevilla. Alleyne, Mervyn C. (1976): "Langues créoles - dialectes néo-romans ou dialectes négro-africains?", in: Actes du 13e Congrès International de Linguistique et de Philologie Romanes. Vol. 1: 1081-1089. 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