Alkohol in der Europäischen Region
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Alkohol in der Europäischen Region
Alkohol in der Europäischen Region – Konsum, Gesundheitsschäden und die politische Dimension von Nina Rehn, in Zusammenarbeit mit Robin Room und Griffith Edwards Weltgesundheitsorganisation Regionalbüro für Europa 2001 GESUNDHEIT21 EUROPÄISCHES ZIEL 12 – VERRINGERUNG DER DURCH ALKOHOL, DROGEN UND TABAK VERURSACHTEN SCHÄDEN* Bis zum Jahr 2015 sollten in allen Mitgliedstaaten die auf den Konsum von suchterzeugenden Substanzen wie Tabak, Alkohol und psychotropen Substanzen zurückzuführenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen signifikant reduziert werden. *Vom WHO-Regionalkomitee für Europa auf seiner achtundvierzigsten Tagung in Kopenhagen im September 1998 verabschiedet. Abstract Dieses Papier ist für diejenigen politischen Entscheidungsträger, Forscher sowie Bürgerinnen und Bürger gedacht, die sich über den Konsum von Alkohol, über Schäden durch Alkohol und über die politischen Einstellungen und Herangehensweisen in Bezug auf Alkohol in der Europäischen Union informieren möchten. Es enthält darüber hinaus einige neue Erkenntnisse betreffs der Epidemiologie des Alkoholkonsums und -missbrauchs und nutzt die vorhandenen Erkenntnisse, um die Wirksamkeit der Einstellungen und Herangehensweisen zum Thema Alkohol unter verschiedenen Aspekten zu hinterfragen. Ziel des Papiers ist, den Leserinnen und Lesern einen Überblick über die Zielfelder einer Alkoholpolitik zu geben und einige Ergebnisse der vergangenen fünf Jahre zusammenzufassen. Schlüsselwörter ALCOHOL DRINKING ALCOHOLISM – adverse effects – epidemiology HEALTH POLICY EUROPE Dieses Papier erscheint nicht als formelle Veröffentlichung. Es darf nur mit Genehmigung des Regionalbüros für Europa der Weltgesundheitsorganisation besprochen, in Kurzfassung gebracht oder zitiert werden. Beiträge, die mit Namensunterschrift erscheinen, geben ausschließlich die Meinung des Autors wieder. Inhalt Seite Kapitel 1 Einleitung ..........................................................................................1 Kapitel 2 Alkoholkonsum in der Europäischen Region – Tendenzen und Muster....................................................................5 Derzeitiger Alkoholkonsum ......................................................... 5 Trends beim Alkoholkonsum ....................................................... 8 Bevorzugte Getränke .................................................................. 11 Trinkgewohnheiten..................................................................... 13 Kapitel 3 Alkoholbedingte Schäden in Europa ..............................................21 Soziale, psychologische und physische Schäden........................ 21 Alkoholbedingte Mortalität ........................................................ 27 Kapitel 4 Neue Erkenntnisse zur Alkohol-Epidemiologie.............................37 Alkoholkonsum und die Entwicklung der Mortalität in der ehemaligen Sowjetunion........................................................... 37 Lehren aus den Ereignissen ........................................................ 39 Alkoholkonsum und Mortalität in Westeuropa .......................... 41 Die Erfahrung und ihre Lehren................................................... 43 Einige Schlussfolgerungen ......................................................... 44 Kapitel 5 Alkoholpolitik in Europea...............................................................47 Einleitung ................................................................................... 47 Information und Aufklärung....................................................... 48 Öffentlichkeit, Privatsphäre und Arbeitswelt ............................. 50 Trunkenheit am Steuer................................................................ 53 Verfügbarkeit von Alkoholprodukten ........................................ 56 Verkaufsförderung und Werbung............................................... 63 Behandlung................................................................................. 67 Verantwortung der Getränkeindustrie ........................................ 68 Gesellschaftliche Maßnahmen.................................................... 70 Nichtstaatliche Organisationen................................................... 71 Entwicklung von Rahmenkonzepten .......................................... 73 Alkohol und die Europäische Kommission ................................ 75 Veränderungen in der Alkoholpolitik......................................... 78 Kapitel 6 Alkoholpolitik: Positive Auswirkungen auf die Gesundheit sichern........................................................................85 Es braucht eine informierte und unterstützende Öffentlichkeit............................................................................ 85 Die gesamte Alkohol konsumierende Bevölkerung sollte das Ziel der Public-Health-Anstrengungen sein ............. 86 Besteuerung von Alkohol ........................................................... 87 Verfügbarkeit von Alkohol......................................................... 88 Alkohol am Steuer...................................................................... 88 Werbebeschränkungen................................................................ 89 Behandlung................................................................................. 89 Aufklärung an Schulen und in der Öffentlichkeit....................... 90 Gemeindenahe Aktionsprogramme ............................................ 91 Alkoholpolitik und koronare Herzerkrankungen........................ 91 Schlussfolgerungen..................................................................... 92 Kapitel 7 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ..................................95 Alkoholkonsum in der Europäischen Region ............................. 95 Alkoholbedingte Schäden in Europa .......................................... 96 Neue Erkenntnisse in der Alkohol-Epidemiologie ..................... 97 Alkohol-Rahmenkonzepte in Europa ......................................... 98 Alkoholpolitik: Positive Auswirkungen für die Gesundheit sichern..................................................................................... 103 Allgemeine Schlussausführungen.................................................104 Anhang 1: Mitgliedstaaten in der Europäischen Region der WHO ........... 111 Anhang 2: Europäische Charta Alkohol..................................................... 113 Anhang 3: Erhebungsdaten: Prozentsatz exzessiver, problematischer oder Risikotrinker als Teil der Gesamtbevölkerung............... 117 . Kapitel 1 Einleitung GESUNDHEIT21 ist das aktuelle Rahmenkonzept „Gesundheit für alle“ für die Europäische Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das Rahmenkonzept, das 1998 verabschiedet wurde, hat die Verwirklichung der Vision einer „Gesundheit für alle“ zum Ziel. Für die ersten beiden Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts werden übergeordnete Prioritäten sowie 21 Ziele formuliert, die die Voraussetzungen dafür schaffen werden, dass die Menschen das höchstmögliche Ausmaß an Gesundheit über ihre gesamte Lebensspanne erreichen. Die WHO definiert Gesundheit als ,,Zustand völligen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechen“. Darüber hinaus wird Gesundheit als fundamentales Menschenrecht und als weltweites soziales Ziel betrachtet. Mehrere der in dem Rahmenkonzept formulierten Ziele behandeln das komplexe Thema der Förderung gesunder Lebensweisen. Ein erheblicher Teil des Lebensweisenkonzepts betrifft den Konsum psychoaktiver Substanzen. Davon ausgehend befasst sich eines der Ziele des Rahmenkonzepts GESUNDHEIT21 mit Fragen zum Themenbereich „Tabak, Alkohol und Drogen“. GESUNDHEIT21 EUROPÄISCHES ZIEL 12 – VERRINGERUNG DER DURCH ALKOHOL, DROGEN UND TABAK VERURSACHTEN SCHÄDEN* Bis zum Jahr 2015 sollten in allen Mitgliedstaaten die auf den Konsum von suchterzeugenden Substanzen wie Tabak, Alkohol und psychotropen Substanzen zurückzuführenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen signifikant reduziert werden. Der vorliegende Bericht konzentriert sich auf das Thema „Alkohol“. Allerdings kann und darf das Thema „Alkoholkonsum von Einzelnen und in einem Gemeinwesen“ nicht von anderen Lebensstilfaktoren, zum Beispiel der Verwendung psychoaktiver Substanzen, Rauchen, Ernährung und körperliche Bewegung, getrennt werden. 2 Alkohol in der Europäischen Region Gesundheitsschäden durch Alkohol, und das schließt Unfälle ein, sind ein wichtiges Problem in Europa. Schätzungsweise neun Prozent aller Ausgaben für Krankheit in der Region gehen auf den Konsum alkoholischer Getränke zurück. Alkohol steigert das Risiko für Leberzirrhose, bestimmte Krebsarten, erhöhten Blutdruck, Schlaganfall und angeborene Missbildungen. Ebenso steigt das Risiko für Probleme in der Familie, am Arbeitsplatz und im gesellschaftlichen Kontext, etwa in Form von Alkoholabhängigkeit, Unfällen (einschließlich Feuer), tätlichen Angriffen, kriminellem Verhalten, unbeabsichtigter Verletzung, Gewalt, Tötungsdelikten und Suizid, Unfällen zu Lande und auf dem Wasser, manchmal auch mit gravierenden Umweltschäden. Zwischen 40 und 60 Prozent aller Todesfälle durch vorsätzliche oder unbeabsichtigte Verletzungen lassen sich dem Alkoholkonsum zuschreiben. Schäden durch Alkohol sind besonders häufig im östlichen Teil der Europäischen Region. Ein erheblicher Anteil des Anstiegs von Herz-KreislaufErkrankungen und verminderter Lebenserwartung geht auf Alkohol zurück. Über 90 Prozent der Länder in der Region weisen einen jährlichen Pro-KopfVerbrauch von mehr als zwei Litern reinen Alkohols auf (auf der Basis der vorhandenen Erkenntnisse gilt dies als unterster Schwellenwert für ein höheres Sterblichkeitsrisiko in der Bevölkerung) (1). Die gesamtgesellschaftlichen Kosten durch Alkohol betragen zwischen einem und drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (2). Die Europäische Region der WHO (mit rund 870 Millionen Menschen in 51 Ländern) stellt in vielerlei Hinsicht ein heterogenes Gebiet dar. Dies gilt auch beim Thema „Alkohol“. Die Entwicklung des Alkoholkonsums, die Trinkgewohnheiten, das Ausmaß alkoholbedingter Schäden, der Einfluss der Alkohol-Industrie und das Spektrum der politischen Reaktionen war schon immer und ist auch heute unterschiedlich in Europa. Erkenntnisse aus Ländern der Europäischen Region belegen jedoch, dass sich beträchtliche gesundheitliche und gesellschaftliche Vorteile erzielen lassen, wenn man in Bezug auf Alkohol etwas unternimmt. Eines der wichtigen Werkzeuge in diesem Zusammenhang ist der „Europäische Aktionsplan Alkohol 2000– 2005“ (European Alcohol Action Plan – EAAP), den das WHORegionalkomitee für Europa 1999 auf seiner 49. Tagung verabschiedet hat. Er schreibt den ursprünglichen Plan von 1992 fort. Mit dem EAAP ist zum ersten Mal der Versuch unternommen worden, einen regionsweiten Rahmen für eine Alkoholpolitik vorzugeben – einen Katalog von Leitprinzipien, zu denen sich die Mitgliedstaaten verpflichtet haben. Die Mehrheit der Länder in der Region ist der Ansicht, dass der ursprüngliche Plan in gewissem Ausmaß erfolgreich umgesetzt worden ist. Sie sind des Weiteren der Ansicht, dass der Plan eine wichtige und notwendige Rolle dabei spielt, das Bewusstsein über das Thema „Alkohol“ zu stärken. Im EAAP und in der „Europäischen Charta Alkohol“, die 1995 verabschiedet wurde, sind die wichtigsten politischen Strategien in Sachen öffentliche Gesundheit und Alkohol umrissen. Die Charta stellt fünf ethische Grundsätze und zehn Strategien vor, an die sich alle Mitgliedstaaten bei der Entwicklung einer umfassenden Einleitung 3 Alkoholpolitik und umfassender Programme betreffend Alkohol halten sollten (siehe Anhang 2). Dieses Papier, das in gewisser Weise das frühere Dokument Alkohol in Europe – a health perspektive (3) aufgreift und fortschreibt, gibt einen Überblick über die Zielfelder einer Alkoholpolitik. Es fasst außerdem einige der Entwicklungen in Bezug auf Alkohol zusammen, die sich seit der WHOKonferenz zum Thema ,,Gesundheit, Gesellschaft und Alkohol“ (1995 in Paris) ergeben haben. Das Papier bringt ferner verschiedene Aspekte des Themas „Alkohol in Europa“ zusammen. Es ist von Bedeutung für politische Entscheidungsträger, Forscher und die interessierte Öffentlichkeit. Die Teilnehmer der Pariser Konferenz kamen zu dem Schluss, dass sich beträchtliche gesundheitliche und wirtschaftliche Vorteile für die Europäische Region erzielen lassen, wenn die zehn Gesundheitsförderungsstrategien, je nach dem kulturellen, sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeld der Mitgliedstaaten, umgesetzt werden. Das vorliegende Papier wird begleitet von einem ergänzenden und detaillierteren Bericht mit einem Abriss der Alkohol-Situation in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Region. Beide Dokumente sind von besonderer Bedeutung für die Europäische ministerielle Konferenz der WHO zum Thema ,,Jugend und Alkohol“, die im Februar 2001 in Stockholm stattfindet. In jedem der folgenden Kapitel wird ein anderer Aspekt des Themenkomplexes Alkohol behandelt. • Kapitel 2, über den Alkoholkonsum, beinhaltet Informationen über die derzeitigen Trinkmengen einschließlich des unbelegten und des belegten Konsums (soweit verfügbar) sowie über die Entwicklung des Konsums seit den späten 80er Jahren. Es enthält ferner einige Angaben zu bevorzugten Getränken sowie Ergebnisse von Bevölkerungssurveys bezüglich der vorherrschenden Trinkgewohnheiten. • Kapitel 3, über alkoholbedingte Schäden, beleuchtet die gesellschaftlichen Schäden durch Alkoholkonsum und die häufigsten alkoholbedingten Ursachen für Sterblichkeit – chronische Lebererkrankungen und Leberzirrhose, äußere Ursachen für Verletzungen und Vergiftungen sowie Verkehrsunfälle. • Kapitel 4 stellt einige neue Erkenntnisse zur Epidemiologie des Alkoholkonsums sowie unser verändertes Verständnis von den Auswirkungen des Alkohols auf die Gesundheit vor. Außerdem werden die neue Sichtweise bezüglich der Auswirkungen des Alkohols auf der Bevölkerungsebene und die Bedeutung von Trinkgewohnheiten beleuchtet. 4 Alkohol in der Europäischen Region • Kapitel 5, über Maßnahmen einer Alkoholpolitik in Europa, ist eine Zusammenfassung der derzeitigen Situation in der Europäischen Region. Sie zeigt, welche grundsätzlichen strategischen Maßnahmen gegen Alkohol bevorzugt werden. Die vorgestellten Informationen basieren weitgehend auf Daten, die die nationalen EAAP-Partner in Beantwortung eines Fragebogens übermittelt haben. Das Kapitel beschreibt darüber hinaus einige der Veränderungen und Entwicklungen in der Alkoholpolitik, die über die vergangenen fünf Jahre in der Region eingetreten sind. • Kapitel 6, über Alkoholpolitik und deren Auswirkungen auf die Gesundheit, stellt die Wirksamkeit verschiedener Aspekte einer Alkoholpolitik auf der Basis der vorhandenen Erkenntnisse zur Diskussion. Es widmet sich ferner der Frage, inwieweit durch geeignete politische Maßnahmen ein signifikanter gesundheitlicher und gesellschaftlicher Nutzen erzielt werden kann. • Kapitel 7 fasst die vorhergehenden Kapitel kurz zusammen und enthält einige grundlegende Schlussfolgerungen. Literatur 1. 2. 3. GESUNDHEIT21: Das Rahmenkonzept ,,Gesundheit für alle“ für die Europäische Region der WHO. Kopenhagen, WHO-Regionalbüro für Europa, 1999 (Europäische Schriftenreihe ,,Gesundheit für alle“, Nr. 6). KLINGEMANN, H. Alkohol und die sozialen Folgen – die vergessene Dimension. Kopenhagen, WHO-Regionalbüro für Europa, 2000 (Schlüsselpapier für die Europäische ministerielle Konferenz der WHO Jugend und Alkohol, Stockholm, 19.–21. Februar 2001). HARKIN, A.M. ET AL. Alcohol in Europe – a health perspective. Copenhagen, WHO Regional Office for Europe, 1995 (document EUR/ICP/ALDT94 03/CN01). Kapitel 2 Alkoholkonsum in der Europäischen Region – Tendenzen und Muster Derzeitiger Alkoholkonsum Das allgemeine Ausmaß des Alkoholkonsums und die Trinkgewohnheiten in der Bevölkerung bestimmen die Verbreitung von Alkoholproblemen. Daher ist eine aktuelle Übersicht über den Alkoholkonsum in der Bevölkerung angebracht. Das Ausmaß des Alkoholkonsums ist nicht statisch – es fluktuiert vielmehr, ebenso wie die Vorlieben für bestimmte Getränke. Veränderungen bei Faktoren wie der Marktkontrolle, der politischen Liberalisierung, der Produktion, der Kaufkraft, dem Grad der Verstädterung, den Wanderungsbewegungen, dem realen Preis, dem Marketing und dem Handel spiegeln sich im Alkoholverbrauch wider. In diesem Kapitel werden die aktuellen Zahlen für den Alkoholverbrauch einschließlich der unbelegten Konsummengen (soweit Daten dazu vorhanden sind) dargelegt, außerdem tendenzielle Veränderungen im Konsum, die bevorzugten Getränke und einige Aspekte der Trinkgewohnheiten in der Europäischen Region. Die Hauptinformationsquellen sind statistische Daten und Surveyergebnisse aus den Mitgliedstaaten, „World Drink Trends 1999“ (1) und der Datenbank „Gesundheit für alle“ des WHO-Regionalbüros für Europa mit Stand vom 18. Oktober 2000 (http://www.euphin.dk/hfa/phfa.asp). Um einen Eindruck vom Ausmaß des Alkoholkonsums in einem Land zu erhalten, sollte man den belegten (dokumentierten) ebenso wie den unbelegten (undokumentierten) Konsum einbeziehen. In vielen europäischen Ländern ist es jedoch nicht möglich, Schätzungen des unbelegten Konsums zu erhalten. Für die Länder, in denen Schätzungen existieren, sind die Zahlen im Folgenden angegeben. Das Problem ist eines der Zuverlässigkeit und der Vergleichbarkeit. Insgesamt betrachtet hat die Europäische Region den höchsten Alkoholkonsum auf der Welt. In fast allen Ländern der Region liegt der Verbrauch über der Untergrenze für eine Erhöhung des Sterblichkeitsrisikos in der Bevölkerung. Diese 6 Alkohol in der Europäischen Region Grenze ist mit zwei Litern reinen Alkohols pro Kopf und Jahr festgelegt worden (2). Die 38 Länder, für die es Daten zum Alkoholkonsum gibt, hatten 1998 einen durchschnittlichen Alkoholkonsum von 7,3 Liter pro Kopf der Bevölkerung. Die Menge des dokumentierten Alkoholkonsums liegt zwischen 0,9 Litern (Aserbeidschan und Israel) und 13,3 Litern pro Kopf (Luxemburg). Für 20 Länder der Europäischen Region ist der unbelegte Verbrauch geschätzt worden. Die Daten stammen aus den „Alcohol Profile“Fragebögen und dem „Global Status Report on Alcohol“. Die geschätzten Verbrauchsmengen sind aus Tabelle 1 ersichtlich, die sowohl den belegten als auch den unbelegten Alkoholkonsum in den späten 90er Jahren aufzeigt. Wenn man lediglich vom belegten Alkoholkonsum für 1998 ausgeht, lassen sich die Länder der Region in solche mit einem hohen Verbrauch (mehr als zehn Liter pro Kopf und Jahr), einem mittleren Verbrauch (über fünf Liter pro Kopf und Jahr) und einem niedrigen Verbrauch (weniger als fünf Liter pro Kopf und Jahr) einteilen. Zählt man den unbelegten Verbrauch hinzu, ändert sich das Bild jedoch beträchtlich: Die Zahl der Länder mit einem hohen Alkoholkonsum erhöht sich auf mindestens 17, die der Länder mit einem niedrigen Verbrauch reduziert sich auf vier. In Gruppen zusammengefasst (Länder mit Angaben für unbelegten Konsum kursiv), fallen die Länder in die folgenden drei Kategorien mit hohem, mittlerem und niedrigem Alkoholkonsum: • Hoher Konsum: Deutschland, Frankreich, Irland, Litauen, Luxemburg1, Portugal, Slowenien, Spanien und Tschechische Republik (neun Länder) sowie Dänemark, Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Griechenland, Lettland, Republik Moldau, Russische Föderation, Ukraine und Ungarn (insgesamt 17 Länder); • Mittlerer Konsum: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Italien, Lettland, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Russische Föderation, Schweiz, Slowakei, Ungarn, Vereinigtes Königreich und Weißrussland (18 Länder) sowie Estland, Island, Norwegen und Schweden (insgesamt 22 Länder); • Niedriger Konsum: Aserbeidschan, Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Estland, Island, Israel, Kirgisistan, Norwegen, Republik Moldau, Schweden, Türkei und Ukraine (11 Länder) sowie Aserbeidschan, Israel, Kirgisistan und Türkei (insgesamt 15 Länder). Das Ausmaß des unbelegten Konsums schwankt. Es ist besonders signifikant in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (14,5 Liter), in Estland (6,0 Liter, jeweils pro Kopf und Jahr), Lettland (14,0 Liter), Litauen (6,5 Liter), der Republik Moldau (7,0 Liter), der Russischen Föderation 1 Es wird allgemein akzeptiert, dass ein erheblicher Anteil des in Luxemburg umgesetzten Alkohols von ausländischen Besuchern gekauft wird. Alkoholkonsum in der Europäschen Region – Tendenzen und Muster 7 (7,5 Liter), der Ukraine (11,5 Liter) und Ungarn (10,0 Liter) – allesamt Länder aus dem östlichen Teil der Region. Tabelle 1: Belegter und unbelegter (wo vorhanden) Alkoholkonsum (in Litern pro Kopf und Jahr) in den späten 90er Jahren für einige Mitgliedstaaten der Europäischen Region der WHO Land Aserbeidschan Belgien Bulgarien Dänemark Deutschland Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien Estland Finnland Frankreich Griechenland Irland Island Israel Italien Kirgisistan Lettland Litauen Luxemburg Malta Niederlande Norwegen Österreich Polen Portugal Republik Moldau Rumänien Russische Föderation Schweden Schweiz Slowakei Slowenien Spanien Tschechische Republik Türkei Ukraine Ungarn Vereinigtes Königreich Weißrussland (Belarus) Belegter Verbrauch 1998a 0,9 (1997) 8,9 6,8 9,5 10,6 Geschätzter unbelegter Verbrauch +1,9 3,5 (1997) +14,5 2,4 7,1 10,8 9,1 10,8 4,3 0,9 (1997) 7,7 1,9 (1993) 7,1 12,0 (1993) 13,3 5,1 8,1 4,3 9,2 6,2 11,2 3,2 (1993) 9,5 7,9 4,9 9,2 8,3 11,7 (1997) 10,1 10,2 1,1 (1997) 1,2 (1997) 9,4 7,5 7,7 (1997) +6,0 +2,0 +0,9 +1,5 +0,89 +0,4 +14,2 +6,5 +1,42 +0,7 +1,5 +7,0 +7,5 +0,6 +0,5 +7,5 +11,5 +10,1 Quelle: World Drink Trends 1999 (1) und Datenbank ,,Gesundheit für alle”, WHO-Regionalbüro für Europa. a Von 1998 abweichende Jahre in Klammern. 8 Alkohol in der Europäischen Region Die Gruppe der Länder mit hohem Alkoholkonsum erstreckt sich geographisch über ein großes Gebiet, beginnend bei vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, und zwar sowohl im Norden Europas (Dänemark, Deutschland, Irland und Luxemburg) als auch im Süden (Frankreich, Griechenland, Portugal und Spanien), über die baltischen Länder (Lettland und Litauen), Länder Mittel- und Osteuropas (Slowenien, Tschechische Republik und Ungarn) bis hin zu den jetzt unabhängigen Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR (Republik Moldau, Russische Föderation und Ukraine). Einige andere Länder (Belgien, Rumänien und Slowakei) liegen dicht am Schwellenwert von zehn Litern pro Kopf und Jahr. Gäbe es dort Schätzungen für den unbelegten Konsum, könnten sie die Schwelle erreichen oder überschreiten. Ein allgemeines Bild vom Alkoholkonsum in den zwölf neuen unabhängigen Staaten (NUS) zeigt, dass diese grob in drei Gruppen unterteilt werden können, ohne exakte Mengen anzugeben. Die Länder mit einem – zum Teil aus religiösen Gründen – niedrigen Verbrauch sind Aserbeidschan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Die Länder mit einem mittleren Verbrauch sind Armenien und Georgien (dort wird Alkohol vornehmlich in Form von Wein konsumiert) sowie Kasachstan und Kirgisistan. Die Länder mit einem hohen Verbrauch sind die Republik Moldau, die Russische Föderation, die Ukraine und Weißrussland. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 27 der 38 Länder einen belegten Alkoholkonsum von mehr als fünf Litern pro Kopf und Jahr haben und neun Länder über zehn Liter pro Kopf und Jahr liegen. Addiert man die Zahlen für den unbelegten Verbrauch (soweit bekannt) hinzu, beträgt die Anzahl der Länder mit einem Konsum von mehr als zehn Litern Alkohol pro Kopf und Jahr 17. Vergleicht man dies mit der Situation vor fünf Jahren (n = 40), so ist der Anteil der Länder mit diesem hohen Verbrauch von 35 Prozent auf 45 Prozent gestiegen. Ein ähnlicher Anstieg, von 78 Prozent auf 89 Prozent, lässt sich für die Länder mit einem Verbrauch von mehr als fünf Litern pro Kopf und Jahr errechnen. Trends beim Alkoholkonsum Es könnte jedoch wichtiger und informativer sein, sich anstatt des absoluten Alkoholkonsums in einem bestimmten Jahr die Entwicklungstendenzen beim Alkoholkonsum anzuschauen. Da der Alkoholkonsum ständigen Schwankungen unterliegt, ist für diese Betrachtung ein Zeitraum von zehn Jahren herangezogen worden. Die Mengen des belegten Alkoholkonsums der Jahre 1988 und 1998 sind miteinander verglichen und die Länder danach in folgende drei Gruppen eingeteilt worden: Länder mit zunehmendem, abnehmendem oder stabilem Alkoholkonsum. Nur Veränderungen um zehn Prozent oder mehr wurden als Indikator für eine Zu- oder Abnahme herangezogen. Tabelle 2 zeigt den Alkoholkonsum für 32 Länder zwischen 1988 und 1998 Alkoholkonsum in der Europäschen Region – Tendenzen und Muster 9 sowie die Veränderungen (in Litern pro Kopf und Jahr) innerhalb dieses Zehn-Jahres-Zeitraums. Tabelle 2: Konsum reinen Alkohols in Litern pro Kopf und Jahr in der Europäischen Region zwischen 1988 und 1998 und absolute Veränderung in Litern Konsum 1988 Belgien Bulgarien Dänemark Deutschland Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien Estland Finnland Frankreich Griechenland Irland Island Italien Lettland Luxemburg Niederlande Norwegen Österreich Polen Portugal Rumänien Russische Föderation Schweden Schweiz Slowakei Slowenien Spanien Tschechische Republik Türkei Ukraine Ungarn Vereinigtes Königreich Weißrussland (Belarus) 10,0 9,1 9,7 10,6 Konsum 1998 (1997) 8,9 6,8 9,5 10,6 Veränderung in Litern pro Kopf und Jahr 1988–1998 –1,1 –2,3 –0,2 0,0 3,1 3,5 (1997) +0,4 6,1 7,3 12,6 8,3 6,9 4,1 9,4 4,9 12,0 8,3 4,2 10,1 7,1 9,9 7,9 4,4 5,5 11,0 9,5 10,9 11,1 8,1 0,4 3,2 10,4 7,6 4,6 2,4 7,1 10,8 9,1 10,8 4,3 7,7 7,1 13,3 8,1 4,3 9,2 6,2 11,2 9,5 7,9 4,9 9,2 8,3 11,7 (1997) 10,1 10,2 1,1 (1997) 1,2 (1997) 9,4 7,5 8,6 –3,7 –0,2 –1,8 +0,8 +3,9 +0,2 –1,7 +2,2 +1,3 –0,2 +0,1 –0,9 –0,9 +1,3 +1,6 +3,5 –0,6 –1,8 –1,2 +0,8 –1,0 +2,1 +0,7 –2,0 –1,0 –0,1 +4,0 Quelle: World Drink Trends 1999 (1) und Datenbank ,,Gesundheit für alle”, WHO-Regionalbüro für Europa. 10 Alkohol in der Europäischen Region Abnehmender Konsum Unter den Ländern mit einem Rückgang des belegten Konsums an Alkohol während der vergangenen zehn Jahre ragen Bulgarien, Estland, Italien, die Schweiz und die Ukraine heraus. Estland und die Ukraine haben jedoch einen hohen unbelegten Konsum, was die Abnahme des belegten Konsums aufheben könnte. Der Verbrauch ist in Belgien, Frankreich, Österreich, Polen, Schweden, der Slowakei, Spanien und Ungarn leicht zurückgegangen. Im Hinblick auf Ungarn wird die Abnahme eventuell durch einen beträchtlichen unbelegten Konsum aufgehoben. Außerdem weisen mehrere dieser Länder immer noch ein recht hohes Verbrauchsniveau auf. Beim Vergleich dieser Daten mit den Daten für den Zeitraum vor den 90er Jahren scheint der Konsumrückgang für einige Länder (Island, Niederlande, Norwegen und Portugal) abzuflachen, während sich der Konsum in anderen Ländern (Belgien, Bulgarien, Italien, Österreich, Polen und Schweden) erst in jüngerer Zeit rückläufig entwickelt hat. Zunehmender Konsum Zu den Ländern mit einer erheblichen Zunahme des belegten Alkoholkonsums gehören die Türkei (175%), die Russische Föderation (79%), Weißrussland (67%), Irland (56%), Lettland (45%) und die Tschechische Republik (26%). Geringere Zunahmen haben in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, in Griechenland, Luxemburg, Portugal und Rumänien stattgefunden. Litauen und die Republik Moldau haben vielleicht ebenfalls einen steigenden Alkoholkonsum, doch liegen uns keine Daten für 1998 vor. Da es für viele dieser Länder keine Informationen über den geschätzten unbelegten Konsum gibt, sollte man die Daten mit Vorsicht aufnehmen. Es gibt auch eine gewisse Anzahl von Ländern (hauptsächlich unter denen, die in jüngerer Zeit größere politische, soziale und wirtschaftliche Umwälzungen erlebt haben), in denen die belegten Trinkmengen auf eine rückläufige Entwicklung hindeuten, in denen sich jedoch, wenn man die Schätzwerte für den unbelegten Konsum und andere Hinweise (zum Beispiel Indikatoren für Schäden durch Alkohol) addiert, eine tendenzielle Zunahme andeutet. Viele dieser Länder zeigen von Mitte bis Ende der 80er Jahre (der Zeit der AntiAlkohol-Kampagne in der ehemaligen UdSSR) eine beeindruckende Abnahme der Trinkmengen, aber seitdem auch wieder einen beträchtlichen Anstieg. In den Ländern, die fünf Jahre zuvor einen zunehmenden Trend auswiesen (die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Griechenland, Luxemburg und die Tschechische Republik), nimmt der Verbrauch immer noch zu, das Spektrum ist jedoch breiter geworden. Alkoholkonsum in der Europäschen Region – Tendenzen und Muster 11 Konstanter Konsum Zu den Ländern mit relativ konstantem Alkoholkonsum im Zehn-JahresZeitraum von 1988 bis 1998 zählen Dänemark, Deutschland, Finnland, Island, die Niederlande, Norwegen, Slowenien und das Vereinigte Königreich. Von diesen Ländern hat mindestens Slowenien einen hohen undokumentierten Konsum. Von den Ländern, die früher einen konstanten Verbrauch zeigten, waren in Dänemark, Finnland und dem Vereinigten Königreich die Konsummengen längere Zeit unverändert als in den übrigen Ländern. Aufgrund des hohen undokumentierten Verbrauchs, besonders in Mittel- und Osteuropa sowie in den NUS-Ländern, und auf Grund der Tatsache, dass der Alkoholkonsum in einigen Ländern von einem Jahr zum anderen stark schwankt, lassen sich die verschiedenen Entwicklungstendenzen während des Betrachtungszeitraums nur schwer mit einiger Genauigkeit darstellen. Im Allgemeinen kann man, ausgehend von den belegten Trinkmengen, schließen, dass der Alkoholkonsum in acht Ländern recht stabil ist, in elf Ländern zunimmt und in 13 Ländern abnimmt. Vergleicht man diese Daten mit Zahlen aus den 80er Jahren bis Anfang der 90er Jahre, so scheint es, dass sich einige Länder von einem steigenden zu einem leicht rückläufigen Alkoholkonsum hin bewegt haben. Die Zahl der Länder mit einem konstanten Verbrauch ist bei acht geblieben, die der Länder mit einer Zunahme hat sich von 21 auf 11 verringert, und die der Länder mit einem Rückgang ist von 11 auf 13 gestiegen. Auf einer kleinräumigeren Ebene gibt es klar erkennbare Muster. Unter den nordischen Ländern stellt Schweden die einzige Ausnahme in einer Gruppe mit ansonsten konstantem Konsum dar – hier geht der Verbrauch zurück. In den baltischen Ländern Lettland und Litauen nimmt der Konsum zu, während sich in Estland eine Abnahme abzeichnet. Unter den 15 EU-Staaten ist Irland das einzige Land, in dem der Konsum beträchtlich zunimmt. In geringerem Ausmaß steigt er auch in Griechenland, Luxemburg und Portugal. In sechs der restlichen EU-Staaten nimmt der Verbrauch ab, in fünf Ländern ist er gleichbleibend. Betrachtet man die Länder Mittel- und Osteuropas, so lässt sich sagen, dass der Alkoholkonsum in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Rumänien und der Tschechischen Republik zunimmt. In den NUS-Ländern ist die Situation so, dass der Konsum in der Russischen Förderation und Weißrussland steigt. Bevorzugte Getränke Üblicherweise hat man die Länder nach dem dort bevorzugten alkoholischen Getränk gruppiert: Bier, Wein oder Spirituosen. Schaut man sich die 27 Länder in der Region an, für die Daten zum belegten Alkoholkonsum in der jeweiligen Getränke-Kategorie vorliegen, so liegt der jeweils durchschnittliche 12 Alkohol in der Europäischen Region Pro-Kopf-Verbrauch an Spirituosen bei 2,2 Litern, für Bier bei 71,6 Litern und für Wein bei 25,9 Litern. Zu den Ländern, in denen der Durchschnittskonsum für die Region bei dem jeweiligen bevorzugten Getränk übertroffen wird, gehören: • Bier: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Slowakei, Tschechische Republik und Vereinigtes Königreich. • Wein: Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Österreich, Portugal, Schweiz, Spanien und Ungarn. • Spirituosen: Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Lettland, Polen, Rumänien, Russische Föderation, Slowakei, Spanien und Ungarn. Einige Länder passen in mehr als eine Gruppe (Dänemark, Frankreich, Griechenland, Luxemburg, Österreich, Slowakei, Spanien und Ungarn), während in Island, Malta, Norwegen und Schweden der Konsum der verschiedenen Getränke so niedrig und so gleichmäßig verteilt ist, dass diese Länder keiner Gruppe klar zuzuordnen sind. In einem Großteil der Literatur zum Thema Konsumgewohnheiten ist vermerkt, dass es zwischen den verschiedenen Ländern einen größeren Grad an Uniformität bei den bevorzugten Getränken gibt und dass sich die Vorlieben in der gesamten Region allgemein angleichen. Die Annäherung zeigt hier einen Trend von einem vorherrschenden Getränk zu einem Konsumspektrum aus etwa 50 Prozent Bier, 35 Prozent Wein und 15 Prozent Spirituosen (1). Gegenwärtig gliedert sich der Gesamt-Alkoholkonsum in den 27 Ländern in etwa 47 Prozent Bier, 42 Prozent Wein und elf Prozent Spirituosen. Die Annäherung würde folglich bedeuten, dass die Länder hinsichtlich ihrer Vorlieben näher an den Durchschnittskonsum rücken und dass der Durchschnittskonsum an Spirituosen und Bier zunimmt, während er für Wein abnimmt. Von den 27 hier untersuchten Ländern zeigen 13 einen wachsenden Bierkonsum und ebenfalls 13 einen zunehmenden Weinkonsum, aber nur in sechs Ländern ist der Konsum an Spirituosen gestiegen. Die Veränderung im Zehn-Jahres-Durchschnitt deutet darauf hin, dass der Verbrauch an Spirituosen um 4,4 Prozent zurückgegangen ist, der Bierkonsum um 2,8 Prozent. Der Weinkonsum ist um 3,9 Prozent gestiegen. Zusammengenommen sind in diesen zehn Jahren also nur sehr geringe Veränderungen eingetreten, und das auch noch in der entgegengesetzten Richtung als erwartet. Schaut man sich die Daten und die Veränderungen bei den bevorzugten Getränken über den Zehn-Jahres-Zeitraum von 1988 bis 1998 für 15 Länder (fünf Bier-Länder, fünf Wein-Länder und fünf Spirituosen-Länder) genauer an, ergibt sich kein einheitliches Bild (siehe Tabelle 3). In drei Ländern (Lettland, Rumänien und Russische Föderation), die bereits einen hohen Konsum an Spirituosen haben, steigt dieser weiter an. Der Bierkonsum nimmt in sieben Ländern zu (Irland und Tschechische Republik, beide Alkoholkonsum in der Europäschen Region – Tendenzen und Muster 13 Bier-Länder; Italien und Portugal, beide Wein-Länder; und in Lettland, Polen und der Russischen Föderation, alles Spirituosen-Länder). Der Weinkonsum steigt in den drei Bier-Ländern Irland, Tschechische Republik und Vereinigtes Königreich. Eine vorsichtige und allgemeine Schlussfolgerung könnte sein, dass die Menschen in Spirituosen-Ländern mehr Spirituosen und/oder mehr Bier trinken. Viele Wein-Länder reduzieren den Gesamtkonsum; falls dort mehr getrunken wird, ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Bier. Außerdem wird in Bier-Ländern mehr Wein getrunken, in einigen Fällen ebenfalls mehr Bier. Tabelle 3: Prozentuale Veränderungen bei den bevorzugten Getränken in ausgewählten Ländern, 1988–1998 Land Belgien Bulgarien Deutschland Frankreich Irland Italien Lettland Polen Portugal Rumänien Russische Förderation Schweiz Spanien Tschechische Republik Vereinigtes Königreich Spirituosen –27,6 –14,3 –5,2 –2,8 +5,8 –50 +78,8 –26,0 –3,0 +140,0 +233,0 –26,6 –10,7 –51,8 –27,0 Bier –17,4 –50,7 –10,9 –1,5 +37,3 +14,9 +20,7 +33,1 +21,6 –31,3 +31,3 –13,1 –3,3 +22,8 –12,6 Wein +7,7 –5,1 –11,9 –21,8 +245 –18,3 –20,9 –23,3 –1,4 –10,0 –6,2 –13,4 –12,3 +30,0 +26,7 Quelle: World Drink Trends 1999 (1). Trinkgewohnheiten Während der Pro-Kopf-Verbrauch an Alkohol und die Trends beim Alkoholkonsum nützliche Indikatoren für die Alkohol-Situation in einem Land sind, können dieselben Indikatoren beträchtliche Unterschiede in den Trinkgewohnheiten und dem Ausmaß des Konsums alkoholischer Getränke verschleiern. Für eine umfassendere Betrachtung ist es nützlich, Faktoren wie die Verbreitung des Alkoholkonsums, Charakteristika der trinkenden Bevölkerung, Geschlechtsunterschiede und die Verteilung des Konsums hinsichtlich der Menge und der allgemeinen sozialen und kulturellen Einflüsse auf die Trinkgewohnheiten zu untersuchen. Für die vorliegende Untersuchung wird jedoch nur auf die Charakteristika der trinkenden Bevölkerung eingegangen. Die trinkende Bevölkerung wird unterteilt in: Abstinenzler, mäßige oder leichte Trinker 14 Alkohol in der Europäischen Region und schwere oder exzessive Trinker. Das ist von großer Bedeutung für alkoholbedingte Probleme in der gesamten Bevölkerung. Der überwiegende Teil der trinkenden Bevölkerung besteht aus mäßigen oder leichten Trinkern. Es gibt jedoch keine klare Unterscheidung zwischen mäßigen und schweren Trinkern, sondern eher eine allmähliche Verschiebung mit einem langen Kontinuum hin zu den schweren Trinkern. In diesem Zusammenhang betrachten wir die Abstinenzler und die Risiko- oder Problem-Trinker. Für eine kleine Anzahl von Ländern gibt es Schätzungen des Ausmaßes der Alkoholabhängigkeit in der allgemeinen Bevölkerung. Diese detaillierteren Informationen basieren hauptsächlich auf Daten aus Surveys. Für eine Reihe von Ländern in der Region liegen solche Daten nicht vor. Abstinenzler Für einige Länder der Europäischen Region zeigt Tabelle 4 den Anteil der Bevölkerung, der nie alkoholische Getränke zu sich nimmt. Bevor man irgendwelche Vergleiche anstellt oder sich die Zahlen der 22 Länder im Einzelnen anschaut, ist es wichtig festzuhalten, dass die Definition eines „Abstinenzlers“ manchmal in den verschiedenen Umfragen und in den einzelnen Ländern unterschiedlich ist. Am häufigsten bezeichnet der Begriff „Abstinenzler“ eine Person, die in den vorangegangenen zwölf Monaten keinen Alkohol getrunken hat. Es gibt aber auch andere Definitionen, zum Beispiel die des lebenslangen Abstinenzlers, der also nie Alkohol getrunken hat, oder die Definition, wie zum Beispiel in Italien, nach der ein Abstinenzler jemand ist, der in den vergangenen drei Monaten weniger als eine Einheit Alkohol zu sich genommen hat. Der Prozentsatz der Abstinenzler in der allgemeinen Bevölkerung reicht von fünf Prozent (Dänemark) bis 38 Prozent (Rumänien). Betrachtet man den Prozentsatz an Abstinenzlern in den verschiedenen Ländern (in aufsteigender Reihenfolge, wie dargestellt), werden einige allgemeine Trends deutlich. Die acht Länder mit dem niedrigsten Anteil an Abstinenzlern liegen in Nordeuropa (baltische oder nordische Staaten sowie Irland und Vereinigtes Königreich). Von diesen Ländern sagt man oft, dass sie eine „feuchte“ Trinkkultur haben: Der Konsum an Spirituosen ist relativ hoch, exzessives Trinken kommt recht häufig vor. Außerdem trinkt auch die Mehrheit der Frauen, vielleicht, weil sie berufstätig sind. Schweden hat einen höheren Anteil an Abstinenzlern als die anderen nordischen Länder. Dies könnte zumindest teilweise auf die in Schweden traditionell starke Abstinenzlerbewegung zurückgehen, die bis auf den heutigen Tag in gewissem Maß aktiv ist. Zu den Ländern mit einem höheren Anteil an Abstinenzlern gehören die südeuropäischen Länder, in denen hauptsächlich Wein getrunken wird. Bei ihnen spricht man von einer „trockenen“ Trinkkultur: Wein ist ein fester Bestandteil der Ernährung, aber Trinken bis zum Rausch gilt als sozial inakzeptabel. In Spanien und Portugal sind besonders Frauen abstinent (51 und 48,8 Prozent). Wo verfügbar, enthält Tabelle 4 geschlechtsspezifische Angaben. Rumänien, 1992 Spanien, 1997 Israel, 1994/95 Portugal, 1997 Österreich, 1993/94 Italien, 1997 Russische Föderation, 1996 Polen, 1998 Schweden, 1996 Schweiz, 1998 Niederlande, 1997 Ungarn Island, 1992 Frankreich, 1992 Frauen Irland, 1998 Norwegen, 1997 Finnland, 1996 Deutschland (West), 1997 Männer Deutschland (Ost), 1997 Estland 1998 Lettland, 1997 Vereinigtes Königreich, 1996 Dänemark, 1985 Prozent Tabelle 4: Umfragedaten zum Anteil der Abstinenzler in einigen europäischen Ländern (in aufsteigender Reihenfolge) an der Gesamtbevölkerung und (wo verfügbar) nach Geschlechtern Alle 16 Alkohol in der Europäischen Region Alkoholkonsum in der Europäschen Region – Tendenzen und Muster 17 Außerdem sind dort ältere Daten für einen Zeitachsenvergleich aufgeführt. In fünf Ländern (Island, Polen, Schweden, der Schweiz und Ungarn,) ist der Anteil der Abstinenzler gestiegen. In Schweden hat sich der Anteil innerhalb von etwa drei Jahren verdoppelt, von 9,5 Prozent (1993) auf 19 Prozent (1996). In Polen war der Anstieg ebenfalls ausgeprägt, (8 Prozent in fünf Jahren). In neun Ländern (Deutschland, Estland, Finnland, Irland, Lettland, den Niederlanden, Norwegen, Portugal und im Vereinigten Königreich ) ging die Veränderung in die andere Richtung – der Anteil der Abstinenzler ist gesunken. In Estland, den Niederlanden, Norwegen und Portugal war der Rückgang schwächer. In Deutschland, Finnland, Irland und im Vereinigten Königreich ist der Abstinenzler-Anteil im Betrachtungszeitraum um etwa 50 Prozent gesunken. In Deutschland fiel der Rückgang in West und Ost gleich stark aus. Lettland hat einen bemerkenswerten Rückgang zu verzeichnen, von 30,5 Prozent Abstinenzlern im Jahre 1993 auf 6,5 Prozent im Jahre 1997. Problemtrinker oder Risikotrinker Surveydaten zur Einschätzung des Anteils an Problem- oder Risikotrinkern an der Gesamtbevölkerung liegen für 28 Länder in Europa vor. Für einen Vergleich über Landesgrenzen oder Zeitspannen hinweg ist die Definition dessen, was man unter riskantem Trinkverhalten versteht, von elementarer Bedeutung. Allerdings konnten wir diese Information in fast der Hälfte der Länder nicht erhalten. Wir haben die konsumierten Alkoholmengen von den ursprünglichen Maßeinheiten (Zentiliter, Deziliter, Milliliter, Liter, Kubikzentimeter) in „Gramm Alkohol pro Woche“ umgerechnet. Einige der herausragenden Daten für drei unterschiedliche Wochen-Limits Alkoholkonsum sind nachstehend in den Tabellen 5–7 aufgeführt. Die vollständigen Daten einschließlich des Jahres der Erhebung und der Definitionen sind in Anhang 3 zu finden. Tabelle 5: Anteil der Bevölkerung mit einem Alkoholkonsum von über 150 Gramm pro Woche Land Deutschland Finnland Island Polen Schweiz Alle Männer Frauen Konsum (g) Männer/Frauen – 20,1 5,6 +140 – – 10,0 – 13,0 8,1 – 27,0 2,0 1,6 – 7,0 – – +150/115 +140 18 Alkohol in der Europäischen Region Tabelle 6: Anteil der Bevölkerung mit mehr als 21/14 Einheiten Alkohol pro Woche Land Männer Dänemark Irland Österreich Schweiz Ungarn Vereinigtes Königreich 14,0 27,0 41,0 2,1 14,1 28,0 Konsum (g) Männer/Frauen Frauen 10,0 21,0 8,5 3,0 0,8 14,0 252/168 210/140 210/210 252/168 210/140 168/112 Tabelle 7: Anteil der Bevölkerung mit einem Alkoholkonsum von über 350 Gramm pro Woche Land Alle Dänemark Deutschland Italien Luxemburg Niederlande 20,0 – 11,0 – – Österreich Schweiz Spanien Tschechische Republik Vereinigtes Königreich – – – – – Männer Frauen Konsum (g) Männer/Frauen – 6,9 – 3,0 9,0 – 1,0 – – 2,2 +420 +420 +385 +824 +540 28,8 3,3 4,3 15,8 6,0 4,3 0,5 0,1 1,3 2,0 +420 +560 +550 +550 +400/280 Es scheinen große Unterschiede zwischen der trinkenden Bevölkerung in den verschiedenen Ländern zu bestehen, ja selbst zwischen Ländern mit ungefähr demselben Niveau beim Alkoholkonsum. Bei den Männern, die mehr als 210 Gramm reinen Alkohols pro Woche zu sich nehmen, reicht das Spektrum von 14 Prozent in Ungarn bis 27 Prozent in Irland und 41 Prozent in Österreich. Der Anteil der Frauen, die pro Woche umgerechnet mehr als 140 Gramm reinen Alkohols trinken, reicht von 0,8 Prozent in Ungarn bis sechs Prozent in Deutschland, sieben Prozent in der Schweiz und 21 Prozent in Irland. Der Anteil der Männer, die mehr als 400 bis 420 Gramm Alkohol pro Woche trinken, liegt in Deutschland bei etwa sieben Prozent und im Vereinigten Königreich bei sechs Prozent, in Österreich jedoch bei 28 Prozent. Bei den Frauen ist die Situation ähnlich: ein Prozent in Deutschland, zwei Prozent im Vereinigten Königreich und vier Prozent in Österreich trinken umgerechnet mehr als 400 bis 420 Gramm Alkohol pro Woche. Unter Alkoholkonsum in der Europäschen Region – Tendenzen und Muster 19 den Männern, die über der Marge von 540 bis 560 Gramm liegen, reicht der Anteil von 16 Prozent in der Tschechischen Republik über neun Prozent in den Niederlanden und vier Prozent in Spanien bis drei Prozent in der Schweiz. Zusammenfassend betrachtet ragen drei Zahlen besonders heraus: die 21 Prozent der Frauen in Irland, die mehr als 140 Gramm Alkohol pro Woche zu sich nehmen, die 29 Prozent der Männer in Österreich, die über 420 Gramm liegen, und die 16 Prozent der Männer in der Tschechischen Republik, die auf mehr als 550 Gramm pro Woche kommen. Für 13 weitere Länder ließen sich die Daten der Erhebungen nicht in Gramm reinen Alkohols pro Woche umrechnen, oder es war keine Definition verfügbar. Die allgemeinen Schätzungen auf Basis der Erhebungen in diesen Ländern sind zwar nicht miteinander vergleichbar, doch deuten sie darauf hin, dass der Anteil der schweren oder exzessiven Trinker in der Russischen Föderation neun Prozent beträgt, in Weißrussland und Portugal zehn Prozent, in Bulgarien 14 Prozent und in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien 15 Prozent. Alkoholabhängigkeit Schätzungen zur Verbreitung der Alkoholabhängigkeit in der Bevölkerung stehen für die Mehrheit der Länder nicht zur Verfügung. Für 14 Länder sind allerdings Daten vorhanden und in Tabelle 8 dargestellt. Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die verschiedenen Schätzungen nach unterschiedlichen Methoden vorgenommen wurden, zum Beispiel mittels des American Psychiatric Association’s Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, dritte Ausgabe (DSM-III), des CAGE-Instruments oder der ICD-10, und dass die Stichproben vielleicht nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sind. Es scheint jedoch ein breites Spektrum für das Ausmaß der Alkoholabhängigkeit zu existieren – von 11,5 Prozent in Kroatien und Finnland bis 1,2 Prozent in den Niederlanden. Der Durchschnittswert für die 14 Länder liegt bei fünf Prozent. 20 Alkohol in der Europäischen Region Tabelle 8: Schätzung der Verbreitung von Alkoholabhängigkeit in der Allgemeinbevölkerung (in aufsteigender Reihenfolge) Anteil Alkoholabhängiger Land Bemerkungen Jahr Alle Niederlande 1997 1,2 Spanien 1997 2,0 Bulgarien 1992 2,0 frühe 90er Jahre 1998 2,0 1992 3,5 EJR Mazedonien Deutschland Frankreich Frauen 4,9 1,1 3,6 Italien 4,0 Schweiz Vereinigtes Königreich 1996 Österreich 1994 Portugal 1997 Estland Kroatien 3,0 Männer 1965–1985 Finnland 4,7 (Alter 16– 64 Jahre) 5,0 2,2 als Kriterium für Drogenabhängigkeit 8,0 2,0 7,6 14,7 0,5 8,0 13,0 1,4 11,5 15,0 8,0 11,5 (Alter 20– 60 Jahre) 17,0 6,0 Literaturverzeichnis 1. 2. World drink trends 1999. Henley on Thames, NTC Publications, 1999. EDWARDS, G. ET AL. Alcohol policy and the public good. Oxford, Oxford University Press, 1994. [Deutsche Übersetzung im Auftrag des Kuratoriums der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren: Alkoholkonsum und Gemeinwohl. Strategien zur Reduzierung des schädlichen Gebrauchs in der Bevölkerung.] Kapitel 3 Alkoholbedingte Schäden in Europa Die Europäische Region weist den höchsten Alkoholkonsum der Welt und die größte Häufigkeit alkoholbedingter Schäden auf. Alkoholkonsum ist somit ein ernstes gesundheitliches Problem in Europa. Auf ihn gehen nach Schätzungen etwa neun Prozent aller Krankheitsausgaben in der Region zurück. Alkoholkonsum erhöht das Risiko für viele medizinische Probleme wie Leberzirrhose, bestimmte Krebsarten, erhöhten Blutdruck, Schlaganfall und angeborene Missbildungen. Ebenso steigt die Wahrscheinlichkeit für Probleme in der Familie, am Arbeitsplatz und im sozialen Bereich, etwa durch Fehlzeiten, Unfälle, Verletzungen, Gewalttätigkeit, Tötungsdelikte und Selbstmord. Dieses Kapitel behandelt einige der sozialen Schäden durch Alkoholkonsum sowie die häufigsten Ursachen alkoholbedingter Mortalität, also durch chronische Lebererkrankungen und Leberzirrhose, externe Ursachen für Verletzungen und Vergiftungen sowie Verkehrsunfälle. Die wichtigsten Informationsquellen sind die „Gesundheit für alle“-Datenbank sowie Berichte und Papiere aus den Mitgliedstaaten. Soziale, psychologische und physische Schäden Der Ausdruck „alkoholbedingte Schäden“ benennt ein umfassendes Konzept, zu dem eine ganze Reihe körperlicher, geistiger und sozialer Folgeerscheinungen des Alkoholkonsums gehört. Der Begriff „alkoholbedingt“ (oder „alkoholbezogen“) hat eine begrenzte Aussagekraft, denn von einem bestimmten Alkoholkonsum an nimmt das Risiko von Folgeerscheinungen zu; das bedeutet jedoch nicht notwendigerweise einen Kausalzusammenhang. Die medizinischen und körperlichen Folgen des Alkoholkonsums werden in diesem Kontext nicht weiter behandelt. In Abbildung 1 und 2 sind einige der körperlichen Probleme aufgelistet. Darüber hinaus werden in Kapitel 4 einige Fragen rund um die Themen „Alkohol und Gesundheit“ auf Bevölkerungsebene behandelt, insbesondere die neuen Erkenntnisse in der Alkohol-Epidemiologie. 22 Alkohol in der Europäischen Region Verschiedene Gewohnheiten oder Muster des Alkoholkonsums führen zu verschiedenen Arten von Schäden: akuten und chronischen Schäden sowie der Alkoholabhängigkeit. Bei akuten Alkoholproblemen, unvernünftigem Konsum, Alkoholrausch oder exzessivem Alkoholgenuss können die Folgen Trunkenheit am Steuer, Alkoholvergiftung, Unfälle und Gewalttätigkeit sein (Abb. 1). Bei alkoholbedingter chronischer Mortalität und Morbidität kann der kumulative Alkoholkonsum mit der Zeit zu gesundheitlichen und finanziellen Problemen am Arbeitsplatz oder in der Familie führen (Abb. 2). Bei diagnostizierter Alkoholabhängigkeit ist langfristiger starker Alkoholkonsum eine wahrscheinliche Folge; dies ist mit psychischen Symptomen und Entzugserscheinungen verbunden. Abb. 1: Probleme durch Trunkenheit Soziale Probleme Psychische Probleme Physische Probleme Familienstreit Gewalt in der Familie Kindesvernachlässigung/ Kindesmisshandlung Unfälle im häuslichen Bereich Fehlzeiten Schlaflosigkeit Depression Hepatitis Gastritis Angstzustände Pankreatitis Gedächtnisschwund Versuchter Suizid Gicht Herzrhythmusstörungen Unfälle am Arbeitsplatz Ineffizientes Arbeiten Trunkenheit in der Öffentlichkeit Suizid Unfälle Verletzungen Fußballrowdytum Sachbeschädigung Diebstahl Einbruch Tätliche Angriffe Tötungsdelikte Trunkenheit am Steuer Fahrzeugdiebstahl Verkehrsunfälle Sexuell abartige Handlungen Ungewollte Schwangerschaft Quelle: Alcohol Concern (2). Schlaganfälle Nichteinnahme verschriebener Medikamente Impotenz Schädigung der Leibesfrucht Alkoholbedingte Schäden in Europa 23 Abb. 2: Probleme durch regelmäßigen hohen Alkoholkonsum Soziale Probleme Psychische Probleme Physische Probleme Familienprobleme Scheidung Obdachlosigkeit Probleme am Arbeitsplatz Arbeitslosigkeit Schlaflosigkeit Depression Angstzustände Versuchter Suizid Suizid Persönlichkeitsveränderungen Fettleber Hepatitis Zirrhose Leberkrebs Gastritis Finanzielle Probleme Pankreatitis Betrug Gedächtnisschwund Schulden Herumtreiberei Häufige Verurteilungen wegen Trunkenheit Delirium tremens Entzugsanfälle Mundhöhlen-, Kehlkopf-, Speiseröhrenkrebs Brustkrebs (?) Darmkrebs (?) Halluzinose Mangelernährung Demenz Spielsucht Missbrauch anderer Drogen Fettleibigkeit Diabetes Herzmuskelerkrankungen Erhöhter Blutdruck Schlaganfälle Hirnschäden Neuropathie Myopathie Sexuelle Dysfunktion Unfruchtbarkeit Schädigung der Leibesfrucht Toxizität für das blutbildende System Kreuzreaktionen mit anderen Drogen Quelle: Alcohol Concern (2). In Bezug auf Schäden im sozialen Bereich stützt die Forschung die These von einer Beziehung zwischen Alkoholkonsum und dem Risiko von Problemen in der Familie, am Arbeitsplatz und im sozialen Bereich sowie von Alkoholabhängigkeit/Alkoholismus, Alkohol-Psychose, (Verkehrs-)Unfällen, tätlichen Angriffen, kriminellem Verhalten, Verletzungen, Gewalttätigkeit und Suizid (1). Alkoholprobleme sind ein häufig anzutreffender Faktor bei der Zerrüttung von Ehen und Familien; Alkoholmissbrauch durch Eltern führt zu einem hohen Niveau an psychologischer Angst und Gesundheitsproblemen bei den Kindern. Eine andere Gruppe sozialer Auswirkungen ließe sich mit „Gewalttätigkeit gegen Personen“ etikettieren. Dazu gehören Suizid, Mord/Totschlag, Raub, Vergewaltigung und Gewalt in der Familie; in der letztgenannten Kategorie steht Alkohol in Verbindung mit vorsätzlicher Gewalttätigkeit sowohl gegen andere als auch gegen sich selbst. Alkohol spielt auch eine Rolle, wenn jemand, der berauscht ist, Opfer von Gewalt 24 Alkohol in der Europäischen Region wird. Alkoholmissbrauch führt oft zu einer Beeinträchtigung der sozialen Bindungen und des Familienzusammenhalts. Zugleich baut Alkoholmissbrauch die Selbstkontrolle ab und verursacht Depressionen, die wiederum die primäre Ursache von Suiziden sind, so dass die häufig beobachtete Verbindung zwischen Suizid und Alkohol eher eine Kette von Ereignissen charakterisiert als eine direkte Kausalbeziehung. Die Art und das Ausmaß der durch Alkohol verursachten Schäden sind schwer abzuschätzen. Trotz der recht großen Anzahl an Studien, die in den Ländern der Region vorgenommen worden sind, ist es schwierig, ein umfassendes Bild abzugeben. Die Gründe dafür liegen in den unterschiedlichen begrifflichen Definitionen, den unterschiedlichen Altersgruppierungen und den unterschiedlichen Forschungsmethoden. Die im Folgenden aufgeführten Erkenntnisse bezüglich der alkoholbedingten sozialen und körperlichen Schäden sind zwar keineswegs umfassend, doch geben sie einen Eindruck vom Ausmaß des Problems. Einige Angaben aus europäischen Ländern zu alkoholbedingten sozialen und körperlichen Schäden • Belgien: Etwa 20 Prozent aller Straftaten werden unter Alkoholeinfluss begangen. Für gewalttätige Verbrechen und Vandalismus (mutwillige Zerstörung) liegt diese Zahl bei 40 Prozent. Rund sechs Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Belgien könnten ein Alkoholproblem haben. Alkohol könnte bei 30 Prozent der Unfälle am Arbeitsplatz eine Rolle spielen. • Dänemark: Die alkoholbedingte Mortalität (durch Zirrhose, Pankreatitis, Alkoholismus, Alkoholvergiftung und Psychose) hat sich in Dänemark zwischen 1970 (15,2 pro 100 000 Einwohner) und 1994 (29,5 pro 100 000 Einwohner) fast verdoppelt, obwohl der Alkoholkonsum seit 1983 stagniert. In 25,1 Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle ist Alkohol im Spiel, ebenso in 16,3 Prozent der alkoholbedingten Morbidität durch Verkehrsunfälle. • Deutschland: In den Altersgruppen von 18 bis 69 Jahren weisen 9,3 Millionen Menschen (16 Prozent der Gesamtbevölkerung) einen riskanten Alkoholkonsum auf, 2,7 Millionen Menschen missbrauchen Alkohol. Zwischen 10 und 17 Prozent der Personen, die ärztliche Hilfe in irgendeiner Form nachsuchen, haben ein Alkoholproblem oder sind wegen ihrer Alkoholabhängigkeit behandlungsbedürftig. Die alkoholbedingte Mortalität wird auf 40 000 Personen pro Jahr geschätzt. • Estland: Die alkoholbedingte Mortalität durch Verletzungen und Vergiftungen ist dreimal höher als im europäischen Durchschnitt. Alkoholbedingte Schäden in Europa 25 Etwa 40 Prozent der Verkehrsunfälle, 50 Prozent der Fälle von Ertrinken, 60 bis 70 Prozent der Fälle von Gewaltverbrechen, des Rowdytums und der Fahrzeugdiebstähle sowie 80 Prozent der Gewaltverbrechen durch Jugendliche stehen mit Alkohol in Verbindung. Ein Drittel der Patienten mit psychischen Störungen fällt durch Alkoholmissbrauch auf. Die Zahl der Todesfälle durch akuten Alkoholexzess hat sich zwischen 1990 und 1993 auf 20 verdoppelt, die Anzahl der Todesfälle durch Alkoholvergiftung hat sich für beide Geschlechter verdoppelt. Jedes Jahr gehen rund 1500 Todesfälle auf Alkohol zurück. • Finnland: 44,5 Prozent aller Männer, die Suizid begingen, waren Alkoholiker. Bei den Frauen waren es 18,4 Prozent. 2500 Todesfälle waren dem Alkohol zuzuschreiben, das sind fünf Prozent aller Todesfälle. • Frankreich: Jedes Jahr gibt es tausend Fälle von Alkoholembryopathie. Zehn bis 20 Prozent der Unfälle am Arbeitsplatz und 40 Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle gehen auf Alkohol zurück (4000 Tote durch Trunkenheit am Steuer). 13 Prozent aller Krankenhaus-Patienten sind alkoholabhängig. 50 000 Todesfälle pro Jahr sind durch Alkoholkonsum verursacht, ebenso 130 000 Verletzungsfälle durch Trunkenheit am Steuer und 3000 Suizide. Neun Prozent der Gesamtmortalität ist alkoholbedingt, das entspricht 42 963 Sterbefällen im Jahr 1997 (verglichen mit 41 777 Sterbefällen durch Tabak und 547 Sterbefällen durch illegale Drogen). • Island: 71 Prozent der Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, berichteten, dass der Alkoholkonsum ihrer Männer die Hauptursache war. 22 Prozent der Frauen berichteten, dass sie selbst Alkohol zu sich genommen hatten, um mit der Gewalt fertig zu werden. Von allen Trinkern sagten 0,7 Prozent, dass ihr Trinken vom Arbeitgeber als Problem gesehen werde. • Niederlande: 1995 gingen 660 Todesfälle auf die Primärursache alkoholbedingter Schäden zurück; in 843 Fällen war Alkohol die Sekundärursache. In demselben Jahr gab es als Folge von Alkoholeinwirkung tausend Fälle von Krebs, 90 Unfälle im Haus und 265 Verkehrsunfälle. • Norwegen: Rund 80 Prozent der Gewaltverbrechen, 60 Prozent der Fälle von Vergewaltigung, Brandstiftung und Vandalismus sowie 40 Prozent der Fälle von Einbruch und Diebstahl werden von Menschen unter Alkoholeinfluss begangen. • Polen: Berauschte Gewalttäter begingen 79 Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt, 56 Prozent der Morde und 40 Prozent der Fälle von 26 Alkohol in der Europäischen Region Raub. 1997 gab es 1341 alkoholbedingte Suizide. 1996 waren 1446 tödliche Alkoholvergiftungen zu verzeichnen. • Russische Föderation: Menschen im Rauschzustand waren 1994 für 68,4 Prozent der Vergewaltigungen, 47,2 Prozent der Raubüberfälle und 62,2 Prozent aller gewalttätigen Angriffe verantwortlich. Nach Angaben des russischen Gesundheitsministeriums sind 40 Prozent der Männer und 17 Prozent der Frauen alkoholkrank. Weitere 20 Prozent trinken mitunter exzessiv. 1999 gab es pro 100 000 Einwohner 24,4 registrierte Alkoholiker im Teenager-Alter. 1995 hatte diese Zahl bei 17,4 pro 100 000 Einwohner gelegen. • Schweden: 87% der 1992 begangenen Selbstmordversuche wurden dem Alkohol zugeschrieben. 86% der Gewalttaten wurden unter Trunkenheit verübt. 1994 gab es 1155 alkoholbedingte Todesfälle (5000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr). • Schweiz: Über 5% der Todesfälle sind alkoholbedingt, das entsprach 1994 rund 3500 Personen. Etwa 8,5 Prozent der Lebensjahre insgesamt gehen durch Alkohol verloren. Etwa zwei von tausend Geburten pro Jahr sind alkoholgeschädigt (Alkoholembryopathie). Bei über zehn Prozent der Verkehrsunfälle mit Verletzungen und über 20 Prozent der Verkehrsunfälle mit Todesfolge ist Alkohol mit im Spiel. • Spanien: Ein Viertel der Fälle häuslicher Gewalt ist alkoholbedingt. 1995 waren 19 966 Todesfälle im Zusammenhang mit Alkohol zu verzeichnen, das entspricht sechs Prozent der Gesamtmortalität. 224 370 Lebensjahre gingen dadurch verloren. • Ungarn: Das Land hat eine der höchsten Suizidraten in Europa (1994: 55,5 Fälle je 100 000 Einwohner). Untersuchungen ergaben eine Fettleber bei 52 Prozent der Suizide gegenüber drei Prozent in der Gesamtbevölkerung. 12,9 Prozent der Unfälle stehen in einem Zusammenhang mit Alkohol. 77 Prozent der Verkehrsunfälle geschehen unter Alkoholeinfluss. 35,4 Prozent aller verurteilten Straftäter haben ihre Tat unter Alkoholeinfluss begangen. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Leberzirrhose zur vorherrschenden Todesursache in einigen Altersgruppen der Männer im erwerbsfähigen Alter entwickelt. Etwa 90 Prozent der Zunahme der Gesamtmortalität ist durch Todesfälle in Verbindung mit Alkoholkonsum (und Rauchen) bedingt. Die Inzidenz der Zirrhose bei Männern ist von 19 pro 100 000 Einwohner im Jahr 1970 auf 208,8 pro 100 000 Einwohner im Jahr 1994 gestiegen. Die alkoholbedingte Mortalität (Psychosen, Alkoholismus, Zirrhose, Vergiftung und alkoholbedingte Herzmuskelerkrankung zusammengenommen) ist zwischen 1980 und 1994 von 18,2 auf 87,9 gestiegen. Alkoholbedingte Schäden in Europa • 27 Vereinigtes Königreich: Berechnungen zufolge sind 25 Prozent aller Festgenommenen betrunken. 50 Prozent aller Gewaltverbrechen, 65 Prozent der Selbstmordversuche und 75 Prozent der tätlichen Angriffe werden von Menschen unter Alkoholeinfluss begangen. Es besteht außerdem eine enge Verbindung zwischen häuslicher Gewalt, Kindesmisshandlung und Alkohol. Die alkoholbedingte Mortalität in England und Wales liegt bei etwa 33 000 Todesfällen pro Jahr. Eine Einschätzung der durch Alkohol verursachten volkswirtschaftlichen Kosten ist schwierig. Verschiedentlich sind Versuche in dieser Richtung unternommen worden, hauptsächlich in den USA, Australien und Europa. Das Problem liegt darin, genaue Daten zu den realen Kosten zusammenzutragen und dabei die „weicheren“ Kostenfaktoren wie Unglücksgefühle, Schmerzen, Familienzerrüttung, Leid und allgemein schlechte Gesundheit auszuschließen. Diese können zwar auch erheblich sein, doch lassen sie sich nicht genau quantifizieren, so dass sie nicht in die Kostenschätzungen einfließen. Die gesellschaftlichen Kosten durch Alkohol können direkter oder indirekter Art sein. Am häufigsten werden in die Kostenberechnungen Produktionsausfälle (durch Fehlzeiten, Krankheit, Unfälle und geringere Leistungsfähigkeit), die Kosten durch Unfälle (besonders Verkehrsunfälle), Ausgaben für die Gesundheitsversorgung, Behandlungskosten, Aufwendungen der Sozialversicherung (für Behinderungen, Frühverrentung, Invalidität) und Kosten für das Gemeinwesen (durch Verbrechen, Strafverfolgung, Justizvollzug) einbezogen. Schaut man sich an, welchen volkswirtschaftlichen Netto-Effekt – auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene – Alkohol hat, so muss man die Kosten den Einkünften in Form von Steuern, Arbeitsplätzen, Produktion und Ausfuhren gegenüberstellen. Alles in allem schätzt man, dass die gesamtgesellschaftlichen Kosten durch Alkohol zwischen ein und drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen (3). Alkoholbedingte Mortalität Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation gehen in den entwickelten Ländern zehn bis elf Prozent aller Krankheits- und Todesfälle auf Alkohol zurück. Exzessives Trinken und bestimmte Trinkgewohnheiten erhöhen das Risiko alkoholbedingter Mortalität und Morbidität. Das Risiko steigt mit zunehmendem Konsum. Daten aus vielen Ländern deuten darauf hin, dass verschiedene Arten von Unfällen und Verletzungen in erheblichem Ausmaß zur gesamten alkoholbedingten Morbidität und Mortalität beitragen und dass Unfälle insbesondere jüngere Erwachsene betreffen, was wiederum die Zahl der verlorenen Lebensjahre oder der verlorenen gesunden Lebensjahre 28 Alkohol in der Europäischen Region signifikant erhöht, besonders in dieser Altersgruppe. Für verschiedene Ursachen von Mortalität gibt es mehr epidemiologische Forschungsarbeiten als für Ursachen von Morbidität. Es sei aber daran erinnert, dass Alkohol auch viel Krankheit und Schmerzen verursacht, die nicht zum Tod führen. In dieser Arbeit werden jedoch nur einige Aspekte von Mortalität behandelt. Die für eine Überprüfung der alkoholbedingten Mortalität auf der Individualebene am häufigsten verwendeten Indikatoren sind: Leberzirrhose, AlkoholPsychose, Alkoholabhängigkeit, alkoholbedingte Verkehrsunfälle, Pankreatitis, äußere Verletzungen und Vergiftungen sowie Krebs des oberen Verdauungstraktes und der Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Der vorliegende Abschnitt konzentriert sich unter Zugrundelegung der „Gesundheit für alle“Datenbank (Tabelle 9) auf drei Indikatoren: chronische Lebererkrankungen und Leberzirrhose, externe Ursachen für Verletzungen und Vergiftung sowie Fahrzeugunfälle. Standardisierte Sterberaten für chronische Lebererkrankungen und Leberzirrhose Die Leberzirrhose ist der am häufigsten benutzte und dokumentierte Indikator für alkoholbedingte Schäden auf der Individualebene. Die Forschung zeigt, dass dies ein recht zuverlässiger Indikator ist, der für gewöhnlich parallel zum Ausmaß des Alkoholkonsums steigt oder fällt, wenn auch oft mit zeitlicher Verzögerung. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass der Anteil der durch Alkoholkonsum bedingten Fälle von Leberzirrhose von Land zu Land unterschiedlich sein kann. Die meisten Studien zeigen, dass ein Mensch, um Leberzirrhose zu entwickeln, über einen Zeitraum von zehn bis 20 Jahren täglich 160 bis 210 Gramm reinen Alkohols konsumieren muss. Bei anderen Lebererkrankungen, zum Beispiel Fettleber, ist die Grenze niedriger (4). 1997/98 lagen für 43 Länder Daten zur standardisierten Sterberate für chronische Lebererkrankungen und Leberzirrhose vor. Die Rate schwankt zwischen 3,12 Todesfällen pro 100 000 in Irland und 87,09 Todesfällen pro 100 000 in der Republik Moldau. Die zwölf Länder mit einer hohen Rate an Lebererkrankungen und Leberzirrhose (mehr als 25 Todesfälle je 100 000 Einwohner) sind Aserbeidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Kroatien, Republik Moldau, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tadschikistan, Turkmenistan, Ungarn und Usbekistan. Die Gruppe der Länder mit einer hohen Rate an Leberzirrhose besteht aus sieben NUS-Ländern und fünf Ländern Mittel- und Osteuropas. Die zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan haben eine hohe Mortalitätsrate durch VirusHepatitis bei Frauen und Kindern, aber diese ist folglich nicht alkoholbedingt. 21 Länder haben eine mittlere Rate an Lebererkrankungen und Leberzirrhose, nämlich zwischen 10 und 25 Personen pro 100 000 Einwohner, während zwölf Länder eine niedrige Rate haben. Tabelle 9: Veränderungen des belegten Gesamtalkoholkonsums und standardisierte Sterberaten für alle Altersstufen für die Todesursachen „äußere Verletzungen und Vergiftung“, „Fahrzeugunfälle“ und „chronische Lebererkrankungen und Leberzirrhose“ in der Europäischen Region im Zeitraum 1987/88 bis 1997/98 Gesamtkonsum Liter reinen Alkohols pro Kopf (%) Lebererkrankungen SDR per 100 000 (%) Externe Ursachen SDR per 100 000 (%) Verkehrsunfälle SDR per 100 000 (%) Albanien Armenien Aserbaidschan Belgien Bulgarien Dänemark Deutschland Ehem. jugoslawische Republik Mazedonien Estland Finnland Frankreich Georgien Griechenland Irland Island Israel Italien Kasachstan Kirgisistan Kroatien Lettland Litauen Luxemburg Malta Niederlande Norwegen Österreich Polen Portugal Republik Moldau Rumänien Russische Föderation Schweden Schweiz Slowakei Slowenien Spanien Tadschikistan Tschechische Republik Türkei Turkmenistan Ukraine Ungarn Usbekistan Vereinigtes Königreich Weißrussland EU-Durchschnitt Durchschnitt Europäische Region Anmerkung: Die Tabelle umfasst alle Länder, für die der WHO Daten vorlagen. In Bezug auf chronische Lebererkrankungen und Leberzirrhose liegen die ersten Daten für Estland von 1990 vor, für Tadschikistan von 1993, für Armenien, Aserbeidschan, die Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Kasachstan, Kirgisistan, Litauen, Turkmenistan, die Ukraine, Usbekistan und Weißrussland, von 1991. Die jüngsten verfügbaren EUDurchschnitte für SDRs sind von 1996. 30 Alkohol in der Europäischen Region Alkoholbedingte Schäden in Europa 31 32 Alkohol in der Europäischen Region Zur Längsschnittbetrachtung der Rate an chronischen Lebererkrankungen und Leberzirrhose wurden Daten der Jahre 1987/88 und 1997/98 miteinander verglichen. Nur Veränderungen um zehn Prozent und mehr wurden als Hinweis für eine Zu- oder Abnahme gewertet (n = 40). In fünf Ländern betrug die Zunahme mehr als 50 Prozent (Estland, Kirgisistan, Lettland, Litauen und Ungarn). Insgesamt zeigen 14 Länder eine Zunahme der Fälle von Leberzirrhose, neun weisen einen stabilen Trend auf, in 17 Ländern ging die Rate zurück. In der Gruppe der Länder mit einer Zunahme der Fälle an chronischen Lebererkrankungen und Leberzirrhose dominieren die NUS-Länder (sieben Länder), an zweiter Stelle folgen die Länder Mittel- und Osteuropas (sechs Länder) und ein westeuropäisches Land. Elf EU-Staaten zeigen eine rückläufige Rate für Leberzirrhose, in drei EU-Ländern ist die Lage stabil. Verglichen mit den in den 43 Ländern fünf Jahre zuvor beobachteten Trends hat sich die Zahl der Länder mit einer Zunahme von zehn auf 14 erhöht, während die Zahl der Länder mit einem abnehmenden Trend von 19 auf 17 zurückgegangen ist. Die Zahl der Länder mit einer gleichbleibenden Rate ist von 14 auf neun gesunken. Standardisierte Sterberaten für äußere Verletzungen und Vergiftungen Obwohl keine direkte ursächliche Verbindung zwischen dem Alkoholkonsum und daraus folgenden Verletzungen und Vergiftungen gezeigt wurde, ist in der Mehrzahl der Fälle Alkohol in starkem Maße beteiligt. 1997/98 standen für 31 Länder standardisierte Sterberaten für äußere Verletzungsursachen und Vergiftungen zur Verfügung. Das Spektrum reicht von 25,98 Fällen pro 100 000 Einwohner auf Malta bis 186 Fällen pro 100 000 Einwohner in der Russischen Föderation. Die Länder mit einer hohen Rate von über 100 Fällen pro 100 000 Einwohner sind Estland, Kasachstan, Kirgisistan, Lettland, Litauen, die Republik Moldau, die Russische Föderation, die Ukraine und Weißrussland – sie alle liegen im östlichen Teil der Region. Ein Vergleich der Daten von 1987/88 und 1997/98 für 29 Länder zeigt einen Anstieg der Verletzungen und Vergiftungen in elf Ländern, ein Absinken in 14 Ländern und eine gleichbleibende Rate in vier Ländern. Unter den Ländern mit einer Zunahme ragen Albanien2, Estland, Kasachstan, Lettland, Litauen, die Russische Föderation, die Ukraine und Weißrussland heraus – wiederum liegen alle Länder im östlichen Teil der Region. 2 Dies steht nicht mit Alkohol im Zusammenhang, sondern geht hauptsächlich auf den Konflikt auf dem Balkan zurück. Alkoholbedingte Schäden in Europa 33 Standardisierte Sterberaten für Verkehrsunfälle Alkohol ist einer der wichtigen Faktoren für Unfälle (darunter auch Verkehrsunfälle), obwohl andere Faktoren wie der Zustand des Straßennetzes und der Fahrzeuge ebenfalls eine erhebliche Rolle spielen. Standardisierte Sterberaten für Verkehrsunfälle liegen für 29 Länder vor. Die Mortalitätsraten bewegen sich zwischen 3,9 Todesfällen pro 100 000 Einwohner auf Malta bis 27,03 Todesfällen pro 100 000 Einwohner in Lettland. Die Länder mit einer hohen Rate (über 15 Todesfälle pro 100 000 Einwohner) sind Estland, Griechenland, Lettland, Litauen, Portugal, die Republik Moldau, die Russische Föderation, die Slowakei und Weißrussland. In drei Ländern ist die Rate im Steigen begriffen: Griechenland, die Slowakei und Weißrussland. In 22 Ländern geht sie zurück, in vielen davon sogar in beträchtlichem Ausmaß, und in vier Ländern ist sie gleichbleibend. Dieser Mortalitätsindikator scheint weniger mit dem Alkoholkonsum zusammenzuhängen als die beiden anderen. Daten für die Anzahl der Verkehrsunfälle, bei denen Alkohol als Einflussfaktor spezifisch erfasst wurde, liegen für den Zeitraum 1997/98 für 38 Länder vor. Die Rate reicht von 0,12 Fällen pro 100 000 Einwohner in Albanien bis 114,8 Fällen in Slowenien. In den zehn EU-Staaten, für die Daten zur Verfügung stehen, liegen die niedrigste Rate (4,3 Fälle pro 100 000 in Italien) und die höchste Rate (52 Fälle pro 100 000 in Luxemburg) um mehr als den Faktor zehn auseinander. Unter den Ländern mit den höchsten Raten sind Kroatien, Lettland, die Slowakei und Slowenien. Die Aussagekraft dieser Daten hängt jedoch stark von den amtlich festgesetzten Promillegrenzen und dem Ausmaß der Alkoholkontrollen bei den an einem Unfall beteiligten Fahrern und/oder Opfern ab. Alkoholkonsum und alkoholbedingte Schäden Der Zusammenhang zwischen dem Trend des Alkoholkonsums und den drei vorgenannten Mortalitätsindikatoren – unter Beachtung der Zehn-ProzentSchwelle – zeigt sich in einer regionalen Länderübersicht. Einige Länder haben ein sehr gleichmäßiges Muster im Zusammenhang zwischen den beiden Variablen. Frankreich, die Niederlande und Österreich zum Beispiel weisen bei allen drei Indikatoren einen gleichförmigen Rückgang aus, während Lettland und Weißrussland bei allen drei Indikatoren erheblich zulegen. Insgesamt sechs Länder (Estland, Lettland, Litauen, die Republik Moldau, die Russische Föderation und Weißrussland) stehen auf einem sehr hohen Niveau, und/oder sie zeigen einen stark zunehmenden Trend bei allen drei Mortalitätsindikatoren. 34 Alkohol in der Europäischen Region Westeuropa Unter den 15 EU-Ländern geht der Alkoholkonsum in Frankreich, in den Niederlanden und in Österreich zurück. Dies stimmt mit einer rückläufigen Entwicklung bei allen Mortalitätsindikatoren überein. Belgien, Italien, Schweden und Spanien scheinen ebenfalls eine Abnahme sowohl des Konsums als auch der Mortalität zu erleben. In Dänemark und Finnland sind sowohl der Alkoholkonsum als auch die Mortalität unverändert. Im Vereinigten Königreich ist der Konsum gleichbleibend, was durch eine Abnahme der Todesfälle durch äußere Ursachen und Verkehrsunfälle belegt wird; demgegenüber ist ein beträchtlicher Anstieg der Zahl der Fälle von Leberzirrhose erkennbar. Irland, Luxemburg und Portugal zeigen sämtlich eine Zunahme des Konsums, der sich aber noch nicht in den Mortalitätsindikatoren niederschlägt, da diese entweder zurückgehen oder unverändert bleiben. In Griechenland zeigt sich eine leichte Zunahme des Alkoholkonsums und der Zahl der Verkehrsunfälle, während die Zahl der Todesfälle durch Leberzirrhose und äußere Verletzungen sinkt. In einigen anderen westeuropäischen Ländern (Israel, Malta, Norwegen und der Schweiz) zeigt sich entweder ein Absinken oder eine Stabilisierung des Alkoholkonsums und der Mortalitätsindikatoren, mit der Ausnahme einer leichten Zunahme der Todesfälle durch äußere Verletzungen und Vergiftungen auf Malta. In der Türkei nimmt der Alkoholkonsum zu, aber er bewegt sich immer noch auf sehr niedrigem Niveau. Mittel- und Osteuropa Unter den baltischen Staaten zeigt Lettland einen beständigen Anstieg sowohl beim Alkoholkonsum als auch bei sämtlichen Mortalitätsindikatoren. In Litauen deutet die erhebliche Zunahme der Fälle von Leberzirrhose und äußeren Verletzungen auf einen steigenden Alkoholkonsum hin, obwohl keine Daten verfügbar sind. In Estland weist der dramatische Anstieg der Fälle von Leberzirrhose, Verletzungen und Vergiftungen darauf hin, dass die Abnahme des belegten Alkoholkonsums durch die Zunahme des unbelegten Konsums mehr als wettgemacht wird. In Ungarn gehen der Alkoholkonsum und die Todesfälle durch äußere Verletzungen und Unfälle leicht zurück, während die Fälle von Leberzirrhose erheblich zunehmen. Dieses Muster ist ähnlich in Polen, wo der Konsum sinkt, aber die Fälle von Leberzirrhose leicht zunehmen. Der Verbrauch in Bulgarien sinkt leicht, die Mortalitätsindikatoren sind stabil oder gehen ebenfalls zurück. In Slowenien ist der Konsum konstant, und alle Mortalitätsindikatoren entwickeln sich rückläufig. Die Slowakei zeigt beim Konsum sowie bei den Todesfällen durch äußere Ursachen und den Fällen von Leberzirrhose einen ungebrochenen oder leicht sinkenden Trend, aber eine erhebliche Zunahme bei den Verkehrsunfällen. In der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien steigt der Konsum mäßig, die Zahl der Fälle von Leberzirrhose sinkt. Eine beträchtliche Zunahme beim Alkoholkonsum und bei den Todesfällen durch Leberzirrhose Alkoholbedingte Schäden in Europa 35 wird aus Rumänien berichtet; der Indikator „Todesfälle durch äußere Verletzungen“ ist hingegen stabil geblieben. In Kroatien zeigen die Mortalitätsindikatoren eine sinkende Tendenz, was eventuell auf einen zurückgehenden Konsum hinweist. In der Tschechischen Republik nimmt der Verbrauch zu, während die Mortalitätsindikatoren unverändert sind oder zurückgehen. Die Neuen Unabhängigen Staaten (NUS) Die zentralasiatischen Republiken Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan zeigen sehr hohe Raten an chronischer Lebererkrankung und Leberzirrhose, doch gehen diese hauptsächlich nicht auf einen hohen Alkoholkonsum, sondern auf die Virushepatitis unter Frauen und Kindern zurück. Aserbeidschan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan haben, verglichen mit der Mehrzahl der Länder, einen niedrigen Alkoholkonsum. In Armenien zeigen alle Mortalitätsindikatoren eine sinkende Tendenz, was auf einen zurückgehenden Konsum hinweist. Der erhebliche Anstieg der Mortalität durch Leberzirrhose und äußere Ursachen in Kasachstan könnte darauf hindeuten, dass der Alkoholkonsum zunimmt. In Kirgisistan ist der Verbrauch stabil; erkennbar sind eine leichte Zunahme der Todesfälle durch äußere Ursachen und ein Rückgang der Verkehrsunfälle. In Weißrussland steigen sowohl Alkoholkonsum als auch Mortalität erheblich. In der Ukraine nehmen Todesfälle durch Leberzirrhose und äußere Ursachen stark zu, was darauf hindeutet, dass die Abnahme des belegten Alkoholkonsums offenbar durch die Zunahme des unbelegten Konsums mehr als wettgemacht wird. Die Republik Moldau zeigt einen beträchtlichen undokumentierten Alkoholkonsum, was durch das hohe Niveau aller Mortalitätsindikatoren belegt wird. Für die Russische Föderation liegen zwar keine Daten über die Zahl der Todesfälle durch Leberzirrhose vor, doch dürfte der Anstieg der Todesfälle durch äußere Ursachen ein Beweis für die beträchtliche Zunahme des Alkoholkonsums sein. Literaturverzeichnis 1. 2. 3. 4. EDWARDS, G. ET AL. Alcohol policy and the public good. Oxford, Oxford University Press, 1994. [Deutsche Übersetzung im Auftrag des Kuratoriums der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren: Alkoholkonsum und Gemeinwohl. Strategien zur Reduzierung des schädlichen Gebrauchs in der Bevölkerung.] Proposals for a national alcohol strategy for England. London, Alcohol Concern, 1999. KLINGEMANN, H. Alkohol und die sozialen Folgen – die vergessene Dimension. Kopenhagen, WHO-Regionalbüro für Europa, 2000 (Hauptvortrag für die Europäische ministerielle Konferenz der WHO über Jugend und Alkohol, Stockholm, 19.–21. Februar 2001). Alkohol, Tabak und illegale Drogen in der Schweiz, 1994–1996. Lausanne, SFA/ISPA, 1997. Kapitel 4 Neue Erkenntnisse zur AlkoholEpidemiologie Professor Robin Room Zentrum für Sozialforschung über Alkohol und Drogen Universität Stockholm, Stockholm (Schweden) In den vergangenen fünf Jahren hat sich unser Verständnis der Auswirkungen des Alkohols auf die Gesundheit erheblich gewandelt. Zwei der wichtigsten Veränderungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. ein neuer Fokus auf die gesundheitlichen Auswirkungen von Alkohol auf der Bevölkerungsebene und die Erkenntnis, dass Studien auf der Individualebene vielleicht nur ungenügende Hinweise auf die Auswirkungen auf der Bevölkerungsebene geben und 2. die neue Erkenntnis, dass die Trinkgewohnheiten ebenso wie die Höhe des Alkoholkonsums an sich einen wichtigen Aspekt in der Verbindung zwischen Alkohol und Gesundheit darstellen. Die wichtigsten Belege für diese beiden Denkansätze stammen aus Forschungsarbeiten in Europa, und zwar aus zwei bestimmten Hauptforschungswerken. Eines umfasst die sich noch entwickelnden Arbeiten auf dem Gebiet dessen, was oft als die „demographische Krise“ in Osteuropa beschrieben wird, insbesondere auf dem Gebiet der Entwicklungen, die sich seit 1984 in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion abgespielt haben und abspielen. Das andere ist eine neue Serie von Studien zur Rolle des Alkohols bei verschiedenen Todesursachen in den Ländern Westeuropas über die vergangenen 50 Jahre. Alkoholkonsum und die Entwicklung der Mortalität in der ehemaligen Sowjetunion Der dramatische Verlauf der Mortalitätsentwicklung in den NUS-Ländern ist ein besonders tragisches Beispiel. Ungefähr nach 1960 stagnierte oder stieg die Mortalität in der ehemaligen Sowjetunion und in anderen Teilen Osteuropas, 38 Alkohol in der Europäischen Region während sie sich in Westeuropa allmählich verbesserte. Dann, im Zeitraum zwischen 1985 und 1988, machte die Mortalitätskurve in der Russischen Föderation und anderen Teilen der ehemaligen Sowjetunion plötzlich einen scharfen Knick nach unten. Danach kehrte sich der Trend wieder um. Im Zeitraum zwischen 1990 und 1995 stieg die Mortalität dramatisch an, und zwar auf ein Niveau, wie wir es nie zuvor in Friedenszeiten in einer Industriegesellschaft gesehen haben. Seit 1995 scheint sich die Mortalitätsrate stabilisiert oder vielleicht sogar leicht verbessert zu haben, doch die Nettoverminderung der Lebenserwartung in der Russischen Föderation in den 90er Jahren bleibt immer noch erheblich. Die Wende zum Besseren in den 80er Jahren fällt in die Zeit der AntiAlkohol-Kampagne der Regierung Gorbatschow. Die Verschlechterung der Mortalität danach fällt mit der Auflösung der ehemaligen Sowjetunion und dem daraus resultierenden Verlust der staatlichen Kontrolle über den Alkoholmarkt zusammen. In der Zeit nach 1989 fanden aber – abgesehen davon, wie sich die Verfügbarkeit von Alkohol und die Trinkgewohnheiten entwikkelten – noch viele andere Veränderungen statt, und es ist wahrscheinlich, dass nur ein Teil der dramatischen Mortalitätskrise Anfang der 90er Jahre auf Alkohol zurückging. Will man die Rolle des Alkohols für die Gesundheit verstehen, sind die Ereignisse zwischen 1984 und 1988 von größter Bedeutung. Dies war die Zeit von Glasnost und Perestroika, und man kann sagen, dass sich damals in der ehemaligen Sowjetunion wieder Hoffnung ausbreitete. Es war aber keine Zeit tiefgreifender sozialer Veränderungen: Das politische und das wirtschaftliche System waren nach wie vor intakt, und beide funktionierten praktisch so, wie sie es zu Beginn des Jahrzehnts auch getan hatten. Die auffälligste Veränderung bei den Gesundheitsrisiken trat 1985 mit dem Beginn der Anti-Alkohol-Kampagne ein. Was sich damals in den Republiken der ehemaligen Sowjetunion zutrug, bietet ein ungewöhnlich aufschlussreiches Bild davon, wie sich die Volksgesundheit in einem Land entwickeln kann, wenn sich die verfügbare Alkoholmenge erheblich ändert. Der Wandel war geradezu dramatisch. Zwischen 1984 und 1987 fielen die altersstandardisierten Todesfälle bei Männern um zwölf und bei Frauen um sieben Prozent (1). Es war sogar ein recht spezifisches Muster auszumachen, wie sich die Todesursachen änderten. Die Todesfälle durch Krebs folgten dem allgemeinen Trend überhaupt nicht – im Gegenteil, sie stiegen sogar leicht an. Die Zahl der Todesfälle durch alkoholspezifische Ursachen änderte sich am stärksten: Unter Männern ging sie um 56 Prozent zurück (1). Todesfälle durch Unfälle und Gewalt nahmen in dieser Bevölkerungsgruppe um 36 Prozent ab, durch Lungenentzündung um 40 Prozent, durch andere Krankheiten der Atmungsorgane um 20 Prozent, durch ansteckende Krankheiten um 25 Prozent. Die Kreislauferkrankungen, auf die über die Hälfte der Todesfälle entfielen, sanken bei Männern ebenfalls um neun Prozent. Bei den Frauen verlief die Entwicklung ähnlich, wenn auch weniger dramatisch. Neue Erkenntnisse zur Alkohol-Epidemiologie 39 Erst in der zweiten Hälfte der 90er Jahre kamen diese Daten an die Öffentlichkeit. Obwohl es scheint, dass die Sterbestatistiken in den letzten Jahren der Sowjetunion recht sorgfältig geführt wurden (2), waren sie immer noch ein Staatsgeheimnis. Erst nach der katastrophalen Wende in der allgemeinen Mortalität Anfang der 90er Jahre bemühten sich Epidemiologen überall um ein Verständnis dessen, was sich hier abgespielt hatte. Die Tatsache, dass die Anti-Alkohol-Kampagne in der ehemaligen Sowjetunion sehr schnell sehr unpopulär wurde, lenkte ebenfalls die Aufmerksamkeit von diesem Thema ab. Viele Mitglieder der Intelligenzija tun sich immer noch schwer damit zu glauben, dass die Maßnahmen des Politbüros irgendwelche positiven Auswirkungen gehabt haben könnten. Darüber hinaus war offensichtlich, dass – als Reaktion auf die gravierenden Einschnitte durch die Anti-Alkohol-Kampagne – die Produktion und die Vermarktung von illegal hergestelltem Alkohol zunahmen. Da es keinen Zugang zu detaillierten Statistiken gab, konnte man leicht den Behauptungen Einiger Glauben schenken, denen zufolge der Gesamtalkoholkonsum während der Kampagne tatsächlich zunahm. Heute, mehr als ein Jahrzehnt später, wird deutlich, dass diese Annahme falsch war. Nemzows sorgfältige Schätzungen des tatsächlichen Alkoholkonsums (2) zeigen, dass der Gesamtverbrauch an Äthanol aus legalen und illegalen Quellen von 14,2 Liter pro Kopf im Jahre 1984 auf 10,7 Liter pro Kopf im Jahre 1987 zurückging – viel weniger als der Rückgang der offiziell dokumentierten Verkaufsmengen, aber immerhin noch ein Rückgang um rund 25 Prozent. Lehren aus den Ereignissen Die Ereignisse in der ehemaligen Sowjetunion in der zweiten Hälfte der 80er Jahre lassen also darauf schließen, dass eine einschneidende Verringerung des Alkoholangebots eindeutig positive Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung haben kann. Für jeden Liter Äthanol, um den der Pro-KopfVerbrauch in der Sowjetunion zurückging, sank die altersstandardisierte Mortalität um 2,7 Prozentpunkte. Dies ist eine bedeutsame und in der Tat verblüffende Zahl. Aus diesen Ereignissen wissen wir, dass, die entsprechenden Umstände vorausgesetzt, Alkohol per saldo weitaus größere Auswirkungen auf die Gesundheit einer Bevölkerung haben kann, als wir vorher gedacht haben. Es gibt aber noch andere Lehren, die wir aus dem Beispiel der Sowjetunion ziehen können. Die Abnahme der altersstandardisierten Mortalität um 2,7 Prozentpunkte liegt nämlich erheblich höher als die Schätzung auf der Basis der gesammelten Daten westeuropäischer Länder, die von einem Netto-Rückgang um 1,3 Prozentpunkte je eingespartem Liter Äthanol pro Kopf ausgeht (4, 5). Diese Diskrepanz veranschaulicht eine andere wichtige Erkenntnis aus den vergangenen 40 Alkohol in der Europäischen Region fünf Jahren, nämlich dass die Auswirkungen einer gegebenen Menge Alkohol auf Gesundheit und Krankheit von einer Gesellschaft zur anderen unterschiedlich sein können. Zu den Faktoren, die einen maßgeblichen Einfluss auf diese Beziehung haben können, gehören die vorherrschenden Trinkgewohnheiten in einer Gesellschaft. In der Russischen Föderation und in einer Anzahl anderer NUS-Länder besteht eine alte Tradition: die des wiederholten schweren und exzessiven Alkoholgenusses, besonders unter Männern. Dieses Muster im Trinkverhalten scheint eine große Rolle dabei zu spielen, dass ein Liter Äthanol etwa den doppelten Effekt auf die Mortalität in der Russischen Föderation hat wie in Westeuropa. Wir kommen gleich noch einmal auf andere Hinweise zurück, die ebenfalls die Bedeutung der charakteristischen Trinkgewohnheiten für die Gesundheit belegen, und zwar dann in Bezug auf Westeuropa. Die zweite wichtige Lehre, die wir aus dem Beispiel der ehemaligen Sowjetunion ziehen können, betrifft den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Herzerkrankungen. In den Jahren vor 1995 machte eine Nachricht aus der medizinischen Epidemiologie Schlagzeilen: der Gedanke, dass Alkohol vor Herzerkrankungen schützen kann. Entsprechende Ergebnisse aus mehreren prospektiven epidemiologischen Untersuchungen wurden ein wichtiges Argument für die erhöhte Verfügbarkeit von Alkohol. Die obengenannte These war zum Beispiel eine wichtige Rechtfertigung für die Anhebung der britischen Obergrenzen eines „vernünftigen Alkoholkonsums“, die zur selben Zeit verkündet wurden, als die Europäische Konferenz Gesundheit, Gesellschaft und Alkohol stattfand (Paris, 1995). Die Mehrzahl der epidemiologischen Untersuchungen auf der Individualebene zeigt nach wie vor dasselbe Ergebnis, obwohl es einige Ausnahmen gibt. Seitdem sind aber eine Reihe wichtiger Überlegungen hinzugekommen. 1. Der dem Alkohol zugeschriebene schützende Effekt gegen Herzerkrankungen kann offenbar größtenteils bereits durch sehr geringe Mengen erreicht werden, nämlich schon durch ein Getränk jeden zweiten Tag. 2. Jegliche Schutzwirkung ist nur für über 45-jährige Männer und für Frauen jenseits des Klimakteriums von Bedeutung. Für die meisten jüngeren Menschen sind Herzerkrankungen kein Problem von großer Bedeutung. 3. Wir wissen nach wie vor nicht, in welchem Maße sich die positiven Auswirkungen durch Alkohol mit anderen kardioprotektiven Verhaltensweisen überlappen und inwieweit sie durch diese ersetzt werden könnten. 4. Tatsache ist und bleibt, dass die prospektiven epidemiologischen Untersuchungen in einer relativ kleinen Gruppe von Gesellschaften stattfanden. Neue Erkenntnisse zur Alkohol-Epidemiologie 41 Im Extremfall kann Alkoholkonsum keinen schützenden Effekt haben, zum Beispiel in einer Kultur ohne wesentliche Mortalität durch Herzerkrankungen wie in einigen sich entwickelnden Gesellschaften. 5. Wie nachstehend noch näher erörtert wird, können die Auswirkungen gesteigerten Alkoholkonsums auf die Mortalität durch Herzerkrankungen auf der aggregierten Ebene oft ganz andere sein als auf der Individualebene. Die Erfahrungen in der ehemaligen Sowjetunion setzen die obige Auflistung um einen sechsten Punkt fort: Es kommt immer wieder auf die Trinkgewohnheiten an. Wie weiter oben festgestellt, gingen die Todesfälle durch Herzerkrankungen während der Anti-Alkohol-Kampagne in der ehemaligen Sowjetunion in den 80er Jahren zurück, bevor sie Anfang der 90er Jahre wieder dramatisch anstiegen. Die medizinepidemiologische Literatur war diesem Gedanken, dass Alkohol vorwiegend protektive Auswirkungen für das Herz hat, so sehr verhaftet, dass die Ergebnisse der Kampagne zuerst so interpretiert wurden, dass Alkohol bei der Verbesserung der Mortalität in den späten 80er Jahren und der Verschlechterung Anfang der 90er Jahre in der Sowjetunion schlichtweg keine Rolle spielen konnte. Es dauerte einige Zeit, bis man an dem Punkt anlangte, an dem klar war, dass Alkohol – in einem kulturellen Kontext wie in der ehemaligen Sowjetunion – dem erwachsenen Herzen eher schadet als nützt. Der genaue Mechanismus, der dafür sorgt, dass Herzerkrankungen durch wiederholten Alkoholrausch verursacht werden können, ist immer noch Gegenstand der Debatte (6, 7). Mittlerweile gelangt man jedoch immer mehr zu der übereinstimmenden Meinung, dass die Daten aus der ehemaligen Sowjetunion und aus anderen Ländern (8) zeigen, dass Alkohol, vor dem Hintergrund eines gemeinsamen kulturellen Musters wiederholten exzessiven Trinkens, für das Herz sehr negative Folgen haben kann. Alkoholkonsum und Mortalität in Westeuropa Was die Entwicklung der Mortalität betrifft, so gab es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Westeuropa nichts, was sich mit den dramatischen Veränderungen in Osteuropa in den beiden vergangenen Jahrzehnten vergleichen lässt. Im gesamten Westeuropa verringerten sich in dem Zeitraum die Mortalitätsraten in den Ländern immer mehr. Es gab erhebliche Abweichungen darin, wie sich der Alkoholkonsum in diesem oder jenem Land entwickelte. Doch im Großen und Ganzen war folgendes zu beobachten: In den traditionellen Wein-Kulturen im südlichen Europa ging der Alkoholkonsum zurück. Diese Entwicklung begann in den 50er Jahren in Frankreich und etwas später in den anderen Wein-Ländern. In den mittel- und nordeuropäischen Ländern hingegen stieg der Alkoholkonsum. Daraus ergab sich insgesamt betrachtet eine Annäherung der Verbrauchsmengen (9, 10). 42 Alkohol in der Europäischen Region Über einen Zeitraum von einem halben Jahrhundert haben sich neben dem Alkoholkonsum noch viele andere Faktoren auf die Entwicklung der Mortalität ausgewirkt. Eine Analyse der Gesamttrends erhellt daher nur wenig die spezifischen Auswirkungen von Alkohol. Stattdessen empfiehlt es sich eher, die Gesamttrends beiseite zu lassen und sich die Veränderungen von Jahr zu Jahr anzuschauen. Wenn zum Beispiel der Alkoholkonsum von einem Jahr zum anderen steigt, in welchem Maße steigt oder sinkt dann die Sterberate für eine spezifische Todesursache? Eine Betrachtung der Summe dieser Jahresveränderungen nach dem so genannten ARIMA-Längsschnittmodell (auto-regressive integrated moving average) ist eine der überzeugendsten Methoden, um den Zusammenhang zwischen einer möglichen Ursache und ihren potenziellen Auswirkungen zu untersuchen. In einem von der EU finanzierten Projekt hat vor kurzem eine Gruppe skandinavischer Wissenschaftler genau dies für die EU-Länder (mit Ausnahme von Griechenland und Luxemburg) plus Norwegen getan. Solche Untersuchungen haben Beziehungen in einer Gesamtpopulation zum Gegenstand. Noch vor kurzem ist erneut bekräftigt worden, dass solche Analysen auf der aggregierten Ebene nicht notwendigerweise dieselben Ergebnisse hervorbringen wie Untersuchungen auf Individualebene, wie sie zum Beispiel die prospektiven Studien in der medizinischen Epidemiologie darstellen. Mehr noch: Ergebnisse von Studien auf Individualebene bieten vielleicht wenig Anhaltspunkte dafür, was auf der Ebene einer Gesamtpopulation zu erwarten ist. Wenn zum Beispiel der Alkoholkonsum in einer Jförmigen Beziehung zur allgemeinen Mortalität auf Individualebene steht, was bedeutet das dann für die Frage, ob die Mortalität steigen oder fallen wird, wenn der durchschnittliche Alkoholkonsum in einer Bevölkerung steigt? Skog erwog diese Frage 1996 in einem Artikel (11). Nach seiner Meinung beeinflussen sich Menschen gegenseitig in ihrem Trinkverhalten, so dass sich ihre aggregierten Konsummengen gemeinsam nach oben oder unten bewegen. Daher impliziert die Form der J-Kurve, dass das Optimum im Alkoholkonsum einer Gesamtpopulation niedriger ist als das Optimum im Alkoholkonsum einer durchschnittlichen Person. In der Tat, so schloss Skog, war der derzeitige Pro-Kopf-Verbrauch in jedem westeuropäischen Land höher als das zu erwartende Optimum im Alkoholkonsum einer Gesamtpopulation. Eine Zunahme des Konsums in solchen Ländern sollte daher in einem Anstieg der allgemeinen Mortalität resultieren. Neue Erkenntnisse zur Alkohol-Epidemiologie 43 Die Erfahrung und ihre Lehren Skogs Hypothese wurde mittels einer der ARIMA-Analysen empirisch untersucht, wobei man die Beziehung zwischen den Veränderungen im Alkoholkonsum auf der einen und der Gesamtsterblichkeit der Männer auf der anderen Seite betrachtete (12). Norström (12) fand heraus, dass die Beziehung zwischen dem Alkoholkonsum und der erhöhten Mortalität fast immer positiv war, obwohl die Beziehung auf der Ebene einzelner Länder häufig nicht signifikant war. Wenn man die in den verschiedenen Ländern eingetretenen Ereignisse zusammennahm, gab es eine signifikant positive Beziehung zwischen Veränderungen im Alkoholkonsum und Veränderungen in der Gesamtmortalität für jedes Segment der erwachsenen männlichen Bevölkerung. Alles in allem stützten die Ergebnisse also Skogs Hypothese, dass in keinem der europäischen Länder ein Anstieg des Alkoholkonsums zu einem Absinken der Mortalität führen würde. Eine Reihe weiterer Untersuchungen überprüfte die Beziehung zwischen verändertem Alkoholkonsum und Veränderungen spezifischer Todesursachen. Hemström (13) betrachtete die Beziehung zwischen dem Alkoholkonsum und der Zahl der Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und fand keinen Beleg für die Annahme, dass ein erhöhter Alkoholkonsum einen kardioprotektiven Effekt auf der Bevölkerungsebene hätte. Es schien keinerlei typische Beziehung zwischen verändertem Alkoholkonsum und Veränderungen in der Zahl der Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu geben. Allerdings resultierte in den südlichen Wein-Ländern ein erhöhter Alkoholkonsum in einer etwas höheren Rate an Todesfällen durch HerzKreislauf-Erkrankungen bei Männern. Selbst bei einer spezifischen Betrachtung der Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen scheint es so zu sein, dass ein erhöhter Konsum in Gesellschaften mit Trinkgewohnheiten wie in Westeuropa keinen zusätzlichen Nutzen hat. Andere Untersuchungen hatten den Zusammenhang zwischen verändertem Alkoholkonsum und Veränderungen in der Zahl der Todesfälle durch Leberzirrhose (14), Unfälle (15), Tötungsdelikte (16) und Selbstmord (17) zum Gegenstand. Für Leberzirrhose, Unfälle und Tötungsdelikte war ein Anstieg des Alkoholkonsums ein Vorzeichen für einen Anstieg der jeweiligen Todesursache in allen drei Ländergruppen, also im Norden, in der Mitte und im Süden Westeuropas. Beim Suizid war dieser Zusammenhang im Allgemeinen nur für das nördliche Europa signifikant. Die Studienergebnisse für Leberzirrhose, Unfälle und Tötungsdelikte hatten jedoch eines gemeinsam: In jeder Untersuchung war der Zusammenhang im nördlichen Europa stärker als im südlichen Europa. Da der Alkoholkonsum in Südeuropa höher ist, sind die tatsächlichen Zahlen der dem Alkohol zuzuschreibenden Todesfälle in diesen drei Kategorien (Leberzirrhose, Unfälle und Tötungsdelikte) zwischen den nördlichen und den südlichen Regionen annähernd gleich. Schaute man sich jedoch an, welche Auswirkungen ein 44 Alkohol in der Europäischen Region zusätzlicher Liter reinen Alkohols pro Kopf hatte, so gab es deutliche Unterschiede: Die Ergebnisse von Rossow (16) deuten darauf hin, dass der ExtraLiter Alkohol pro Kopf in einer Zunahme der Tötungsdelikte um 12,4 Prozent in der nördlichen Gruppe (Finnland, Norwegen und Schweden) führen würde, in der südlichen Gruppe (Frankreich, Italien, Portugal und Spanien) jedoch nur um 5,5 Prozent (18). Die größere Auswirkung eines Extra-Liters Alkohol pro Kopf zeigte sich auch in den Ergebnissen zur allgemeinen Sterblichkeit (12). Die wahrscheinlichste Erklärung dieser verschiedenen Beziehungen ist wiederum in den unterschiedlichen Trinkgewohnheiten zu sehen. Trinken bis zum Vollrausch scheint ein traditioneller Bestandteil der Trinkgewohnheiten in den nördlichen Ländern zu sein. So scheinen letzten Endes die vorherrschenden Trinkgewohnheiten in einer Population darüber zu bestimmen, wie sich ein Liter Äthanol mehr oder weniger pro Kopf auf die Mortalität auswirkt. Einige Schlussfolgerungen Wir können die Lehren aus der neuen Alkohol-Epidemiologie wie folgt zusammenfassen: • Das Ausmaß des Alkoholkonsums ist für die Gesundheit einer Population insgesamt von Bedeutung. • Innerhalb des gegenwärtigen Spektrums des Pro-Kopf-Verbrauchs in Europa wird ein Anstieg des Alkoholkonsums einen Netto-Negativeffekt auf die Gesundheit einer Gesamtbevölkerung haben. Es ist unwahrscheinlich, dass ein solcher Anstieg einen Netto-Gewinn für die Mortalität durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen hätte. • Die vorherrschenden Trinkgewohnheiten in einer Population können einen großen Unterschied für das Ausmaß der alkoholbedingten Schäden bei einer Erhöhung des Alkoholkonsums machen. Trinkgewohnheiten, die das Ausmaß der gesundheitlichen Schäden zu erhöhen scheinen, sind das Trinken bis zum Vollrausch und das wiederholte exzessive Trinken. Wir haben uns in dieser Debatte auf die Ebene einer Gesamtpopulation konzentriert anstatt auf die der Einzelperson oder des Abstinenzlers. Aus der Sicht der öffentlichen Gesundheitsfürsorge kommt es in Bezug auf gesellschaftliche Strategien und Programme gerade auf diese Bevölkerungsebene an. Die allgemeinen Konsequenzen, die diese neuen Erkenntnisse für den politischen Umgang mit Alkohol haben, sind folgende: Neue Erkenntnisse zur Alkohol-Epidemiologie 45 1. In einem europäischen Kontext wird jede politische Straegie, die das allgemeine Ausmaß des Alkoholkonsums senkt, einen positiven Netto-Effekt für die Gesundheit haben. 2. Angesichts der Tatsache, dass die Auswirkungen einer bestimmten Menge Alkohol von einer Gesellschaft zur anderen unterschiedlich sind, gibt es aus der Sicht der öffentlichen Gesundheitsfürsorge gute Gründe für die unterschiedlichen Herangehensweisen in den einzelnen Ländern. Insbesondere sind strenge Grundsätze zur Kontrolle der Verfügbarkeit von Alkohol und der Trinkgewohnheiten dort angebracht, wo die Schäden in der Bevölkerung durch vermehrten Alkoholkonsum größer zu sein scheinen, so wie im nördlichen und im westlichen Europa. Literaturverzeichnis 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. LEON, D.A. ET AL. Huge variation in Russian Federation mortality rates 1984–94: artefact, alcohol, or what? Lancet, 350: 383–388 (1998). WASSERMAN, D. & VÄRNIK, A. 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Es basiert vor allem auf den Antworten der jeweiligen nationalen Ansprechpartner3 auf eine 1998/99 speziell konzipierte Umfrage des WHO-Regionalbüros für Europa. Andere Informationsquellen sind der Sachstandsbericht über den Europäischen Aktionsplan Alkohol (EAAP), der „Global Status Report on Alcohol“ des WHO-Hauptbüros sowie amtliche Unterlagen und veröffentlichte Berichte aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Region der WHO. Informationen aus 42 Ländern der Region liegen in unterschiedlichem Ausmaß vor. Für folgende Länder waren die Informationsgrundlagen zu spärlich, um die Angaben in dieses Papier aufzunehmen: Albanien, Andorra, Jugoslawien, Kirgisistan, Monaco, San Marino, Tadschikistan, die Türkei und Turkmenistan. Zuweilen werden in diesem Papier die verschiedenen Ländergruppierungen Westeuropa, Mittel- und Osteuropa und NUS-Länder herangezogen (siehe Anhang 1). Das Kapitel ist in zwölf Abschnitte unterteilt, von denen die ersten zehn die zehn Strategiefelder der Europäischen Charta Alkohol abdecken. Sie entsprechen den zehn grundsätzlichen Optionen für eine nationale Alkoholpolitik (siehe Anhang 2). Es folgen eine kurze Übersicht zum Thema „Europäische Kommission und Alkohol“ einschließlich der diesbezüglichen EURichtlinien sowie eine kurze Übersicht über einige der wichtigsten Änderungen in der Alkoholpolitik seit 1994/95. 3 Die jeweiligen Ansprechpartner für die länderspezifischen Aktionspläne Alkohol (Nationale EAAPs) werden von den betreffenden Gesundheitsministerien als Kontaktpersonen in Sachen Alkohol für das WHO-Regionalbüro für Europa benannt. Sie spielen in ihren Heimatländern eine tragende Rolle als Politstrategen und Berater. 48 Alkohol in der Europäischen Region Information und Aufklärung Die Anstrengungen eines Landes in Sachen Information und Aufklärung lassen sich entweder auf der Individualebene oder auf der Bevölkerungsebene betrachten. Auf der Individualebene gilt in erster Linie ein stützendes Umfeld als wichtig. Einige Maßnahmen, zum Beispiel kurzfristige Interventionen für Risikogruppen im Rahmen der primären Gesundheitsversorgung, haben beträchtliche positive Auswirkungen gehabt. Gut konzipierte, an den Fertigkeiten eines Individuums ansetzende Lernprogramme als Teil der Gesundheitserziehung an Schulen haben ebenfalls einige positive Ergebnisse in Hinsicht auf die persönliche Entwicklung gezeitigt. Unter Forschern besteht allgemein Übereinstimmung, dass Informationskampagnen in den Medien, für sich genommen, nur selten zu Veränderungen im Trinkverhalten führen. Die besten Resultate sind durch einen multisektoralen Ansatz erzielt worden, nämlich mit einer Kombination aus politischen Maßnahmen und Interventionen auf der persönlich wirksamen Ebene, zum Beispiel in Form von Besteuerung und Bildung. Kampagnen in den Massenmedien dienen hauptsächlich dem Zweck, das soziale Klima, in dem Alkoholkonsum stattfindet, zu beeinflussen und zu verändern sowie die Wahl gesunder Verhaltensweisen auf der individuellen Ebene zu fördern. Solche Kampagnen können wirksamer sein, wenn sie auf spezifische Themen abzielen, zum Beispiel Alkohol am Steuer. In der gesamten Region werden Anstrengungen unternommen, um die Bevölkerung in Sachen Alkohol zu informieren und aufzuklären. Je nach Zielgruppe, Zielen und Ressourcen bestehen große Unterschiede. Daher folgt hier eine Übersicht über die Entwicklung verschiedener Programme in der Region. Sie hat fünf Handlungsfelder zum Gegenstand: Kampagnen in den Massenmedien, Aufklärung an Schulen, Programme am Arbeitsplatz, Programme auf Gemeindeebene und Kampagnen gegen Alkohol am Steuer. Die häufigsten Handlungsansätze sind Kampagnen gegen Alkohol am Steuer (18 von 39 Ländern berichten von solchen bereits gut vorangeschrittenen Initiativen) und Schulprogramme, die in 16 Ländern auf einem hohen Stand sind. Die drei anderen Möglichkeiten für Alkohol-Aufklärung – Kampagnen in den Massenmedien (neun Länder), Programme auf Gemeindeebene (sieben Länder) und Programme am Arbeitsplatz (sieben Länder) – sind allgemein erst weniger weit entwickelt, und sie werden weniger häufig und nur in einigen Ländern genutzt. Die regionale Verteilung (siehe Abbildung 3) zeigt, dass es in etwa der Hälfte der NUS-Länder gute Kampagnen gegen Trunkenheit am Steuer gibt und dass etwa ein Fünftel von ihnen über gezielte Kampagnen in den Massenmedien berichtet. Dafür scheinen in diesem Teil der Region gut entwickelte Programme auf Gemeindeebene zu fehlen. Von den Ländern Mittel- und Osteuropas, die auf entsprechende Anfragen geantwortet haben, können fast 40 Prozent ausdifferenzierte Programme für die AlkoholAufklärung an Schulen vorweisen, während die anderen Gebiete in dieser Alkoholpolitik in Europa 49 Hinsicht unterentwickelt erscheinen. Und in den Massenmedien existiert anscheinend gar nichts an Kampagnen. In Westeuropa liegt der Fokus der Anstrengungen auf Kampagnen gegen Alkohol am Steuer und auf der Aufklärung an Schulen; gute Programme am Arbeitsplatz und auf Gemeindeebene existieren in knapp 30 Prozent der Länder. Abbildung 3: Regionale Verteilung gezielter Maßnahmen zur Information und Aufklärung über Alkohol MOE NUS Westeuropa Kampagnen gegen Trunkenheit am Steuer Alkohol-Aufklärung an Schulen Kampagnen in Massenmedien Programme am Arbeitsplatz gemeindenahe Programme Prozentsatz Beispiele für verschiedene Informations- und Aufklärungsmaßnahmen auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene in der Europäischen Region umfassen zum Beispiel „Mini-Interventionen“ in der primären Gesundheitsversorgung in Finnland, das norwegische Programm „Vent“ [„Warte“], das auf die Erzielung eines höheren Einstiegsalters beim Alkoholkonsum abzielt, Aufklärung in der primären Gesundheitsversorgung in Bulgarien und Schweden, die Kampagne „Alkohol – Alles im Griff?“ in Deutschland, die Kampagne „Samstag Abend“ für junge Menschen in Italien, die Kampagne „Auf meinen eigenen zwei Füßen“ für die Alkohol-Aufklärung an Schulen in Irland, die Kampagne „Vorsicht ...“ in der Schweiz, eine Kampagne „Schwangerschaft und Alkohol“ in Israel, „BOB, der nüchterne Autofahrer“, ein beliebtes und positives Rollenmodell in Belgien, Pflichttests für neue Autofahrer in der Ukraine mittels des WHO-Audit-Fragebogens und schließlich „Zweites ABC“, ein Programm in sieben Schritten für Schülerinnen und Schüler in Polen. 50 Alkohol in der Europäischen Region Öffentlichkeit, Privatsphäre und Arbeitswelt Eine Einschränkung des Alkoholkonsums in verschiedenen Settings verfolgt zwei Hauptziele: erstens, eine sichere Umgebung für öffentliche Freizeitund Sportereignisse herzustellen; zweitens, Unfälle und Produktionsausfälle am Arbeitsplatz zu minimieren oder zu verhüten. Die Kennzeichnung spezifischer Bereiche als „alkoholfrei“ lässt sich unter dem Aspekt der körperlichen Unversehrtheit und der sozialen Ordnung betrachten. Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet der Vorbeugung liegen derzeit nur vereinzelt vor, doch sie nehmen zu. Ein Forschungsansatz ist die Frage, ob behördliche Anordnungen auf kommunaler Ebene alkoholbedingte Schäden oder Störungen in der Öffentlichkeit vermeiden können (1). Zu den wichtigsten Faktoren der gesellschaftlichen Kosten des Alkoholkonsums gehören Unfälle und Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Die Entwicklung umfassender Gesundheitsprogramme am Arbeitsplatz, gleich, ob formeller oder informeller Art, einschließlich Programmen über Alkohol und andere Drogen, kann zu mehr Gesundheit und Produktivität bei den Arbeitnehmern führen. Österreichische Forschungsarbeiten zeigen, dass an 68 Prozent der Arbeitsplätze eine negative Einstellung zum Alkohol bestand (24 Prozent „neutral“, acht Prozent „positiv“) und dass dort weniger Alkohol getrunken wurde als an „alkoholfreundlichen“ Arbeitsplätzen (2). In der öffentlichen Sphäre hat die Bedrohung durch Aggressivität und Ärgernis erregendes Verhalten sowie durch körperliche oder mentale Schäden zu einer Reihe von Interventionen gegen Betrunkene in der Öffentlichkeit geführt. Im privaten Bereich lassen sich Familienprobleme durch ein positives Netz von Programmen zur Vorbeugung und Behandlung reduzieren. Solche Programme sorgen für eine sichere häusliche Umgebung, besonders für Kinder, die verletzlichsten Mitglieder unserer Gesellschaft. In den meisten Ländern existieren Beschränkungen des Alkoholkonsums für verschiedene Settings. Die einschlägigen Bestimmungen zielen entweder auf die Bevölkerung im Allgemeinen oder auf spezifische Zielgruppen. Die Einflussnahme auf den Alkoholkonsum in verschiedenen Settings reicht von völligem Verbot oder teilweisen Beschränkungen bis hin zu freiwilligen Vereinbarungen oder auch gar keinen Einschränkungen. Zu den hier betrachteten öffentlichen Settings gehören Gebäude der Gesundheitspflege, Bildungseinrichtungen, Regierungsgebäude, öffentliche Verkehrsmittel, Restaurants, Parkanlagen und Straßen, Sportveranstaltungen, Freizeitveranstaltungen (zum Beispiel Konzerte), ferner Arbeitsplätze sowie In- und Auslandsflüge. In der großen Mehrheit der Länder (33 von 39) gibt es bestimmte Formen von Beschränkungen des Alkoholkonsums am Arbeitsplatz (Tabelle 10). In knapp der Hälfte von ihnen ist Alkohol am Arbeitsplatz grundsätzlich verboten. Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, Regierungsgebäude und öffentliche Verkehrsmittel sind in vielen Ländern ebenfalls alkoholfreie Zonen. Die Bereiche mit den geringsten Beschränkungen sind der internationale Luftverkehr und Restaurants. Die regionale Verteilung der alkoholfreien Alkoholpolitik in Europa 51 Tabelle 10: Beschränkungen des Alkoholkonsums in verschiedenen Settings (basierend auf 39 Ländern) Setting Arbeitsplatz Bildungseinrichtungen Gesundheitseinrichtungen Regierungsgebäude Öffentl. Verkehrsmittel Sportveranstaltungen Freizeitveranstaltungen Inlandsflüge Parkanlagen, Straßen Auslandsflüge Restaurants Gesamtzahl der Länder mit Beschränkungen des Alkoholkonsums Anzahl der Länder mit totalem Verbot Prozentsatz der Länder mit totalem Verbot Westeuropa Mittelund Osteuropa NUS 33 32 16 24 6 29 50 42 44 29 31 21 15 52 33 27 26 22 21 18 15 12 8 12 16 9 3 8 5 2 – 14 18 45 100 13 60 – – 42 44 22 – 25 20 50 – 42 38 33 – 62 20 50 – Settings zeigt einige interessante Muster. In den westeuropäischen Ländern gilt viel häufiger ein totales Alkoholverbot unter freiem Himmel, zum Beispiel bei Freizeit- und Sportveranstaltungen sowie in Parkanlagen und auf der Straße. Demgegenüber ist Alkohol in den Ländern Mittel- und Osteuropas hauptsächlich dort verboten, wo es „offizieller“ zugeht, nämlich am Arbeitsplatz, in Gesundheitseinrichtungen und Regierungsgebäuden, aber ebenso in öffentlichen Verkehrsmitteln und im internationalen Luftverkehr. Die NUS-Länder verbieten Alkohol am häufigsten am Arbeitsplatz sowie auf In- und Auslandsflügen. Insgesamt gelten in den Ländern Mittel- und Osteuropas die meisten Beschränkungen für den Alkoholgenuss in verschiedenen Settings, während in den NUS-Ländern die wenigsten Beschränkungen in Kraft sind. Von allen Ländern, die entsprechende Anfragen beantwortet haben, hat Island die meisten Beschränkungen, nämlich ein totales Alkoholverbot in allen Settings außer in Restaurants und auf internationalen Flügen. Armenien und Dänemark sind die einzigen Länder, die keine Beschränkungen zu haben scheinen, während in Portugal nur eine freiwillige Vereinbarung über Alkoholverzicht am Arbeitsplatz gilt. Österreich hat ebenfalls keine allgemeinen Beschränkungen für den Alkoholkonsum in bestimmten Settings, mit zwei Ausnahmen: An Schulen darf kein Alkohol an Schulkinder abgegeben werden, und einige Unternehmen haben eigene Beschränkungen vorgesehen. In einigen Ländern beziehen sich die Beschränkungen nur auf bestimmte Arten von alkoholischen Getränken. So gilt zum Beispiel in Italien die Beschränkung bei Sport- und Freizeitveranstaltungen nur für Spirituosen. Viele Länder schränken den Alkoholkonsum in weiteren Settings ein. 52 Alkohol in der Europäischen Region Die Niederlande haben eine freiwillige Vereinbarung für die OffshoreIndustrie, für Schiffe, für den Transport zu Wasser und für Fußballstadien bei Spielen, die als „riskant“ gelten. In Litauen bestehen AlkoholBeschränkungen für die Umgebung von Schulen und Kirchen, in Turkmenistan für Kindergärten und Krankenhäuser. In der Russischen Föderation gelten Beschränkungen in der Umgebung von Bildungsinstitutionen und von Einrichtungen, an denen Kinder beaufsichtigt werden, sowie in Gebäuden der Gesundheitspflege. Obwohl in der Mehrheit der Länder (17 von 27) Bestimmungen bezüglich des Alkoholkonsums oder des Alkoholspiegels am Arbeitsplatz bestehen, unterscheiden sich die Beschränkungen auch hier. In manchen Fällen sind die Bestimmungen anscheinend sehr streng. In Lettland und in der Tschechischen Republik zum Beispiel kann der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis wegen Alkoholkonsums kündigen. Kroatien, Rumänien und die Slowakei haben strenge Bestimmungen, die jeglichen Alkoholkonsum bei der Arbeit verbieten. In anderen Ländern gelten Beschränkungen je nach der Art der Tätigkeit. In Georgien wird in einigen Berufen (Piloten, Fahrer öffentlicher Verkehrsmittel und Sicherheitsbeamte der Regierung) täglich getestet. In Belgien sind starke alkoholische Getränke (über sechs Prozent Volumen Alkoholgehalt) am Arbeitsplatz verboten. In Portugal darf der Alkoholgehalt im Blut am Arbeitsplatz nicht über 0,5 Promille liegen. Die regionale Verteilung der Bestimmungen betreffs Alkohol am Arbeitsplatz ist, wenn man Mittel- und Osteuropa mit Westeuropa vergleicht, mit 78 Prozent und 64 Prozent aller Länder in der jeweiligen Region, die Angaben gemacht haben, recht ähnlich. Der entsprechende Anteil in den NUSLändern beträgt 43 Prozent. Diejenigen Länder, in denen Bestimmungen über Alkohol am Arbeitsplatz existieren, haben auch entsprechende Programme vorgesehen. Ein paar andere Länder haben Programme gegen Alkohol am Arbeitsplatz entwickelt, obwohl der Alkoholkonsum dort nicht kontrolliert wird. In Art und Umfang unterscheiden sich die Programme erheblich. In Norwegen gibt es einen Ausschuss mit Vertretern von drei Seiten, der fest etabliert, hoch organisiert und institutionalisiert ist. In Deutschland haben über 2000 Unternehmen Programme gegen Alkohol am Arbeitsplatz. In der Schweiz sind es hauptsächlich die größeren Betriebe, die solche Programme organisiert haben. Die Ukraine hat an elf Standorten ein gemeinsames Projekt der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und des Drogenkontrollprogramms der Vereinten Nationen (UNDCP) umgesetzt. In Irland und Malta heißen solche Programme „Arbeitgeber-Hilfeprogramme“. In Irland ist aber nur eine kleine Anzahl davon in Kraft. In Island erhalten Beschäftigte, die am Arbeitsplatz als alkoholabhängig bekannt werden, die Möglichkeit, sich einer Behandlung zu unterziehen oder Treffen der Anonymen Alkoholiker zu besuchen. Anti-Alkohol-Programme am Arbeitsplatz sind am verbreitetsten in Westeuropa, wo es sie in allen Ländern gibt, die an der Erhebung Alkoholpolitik in Europa 53 teilgenommen haben. In Mittel- und Osteuropa hat die Hälfte der Länder solche Programme, in den NUS-Ländern weniger als ein Drittel. Die Mehrzahl der Länder bietet den Angehörigen von Alkoholikern ein gewisses Ausmaß an Unterstützung. 20 von 27 Ländern haben spezielle Programme für die Familienangehörigen, besonders für Kinder, deren Eltern ein Alkoholproblem haben. Familienprogramme existieren in allen westeuropäischen Ländern, in fast allen Ländern Mittel- und Osteuropas, aber nur in einem NUS-Land. Die Unterstützung findet hauptsächlich auf zwei Arten statt: Erstens geben Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Hilfe, besonders in Form der Alateen- und der Alanon-Programme, die auf dem Modell der Anonymen Alkoholiker basieren, ebenso andere Gruppierungen wie die Guttempler, das Blaue Kreuz und konfessionelle Organisationen. Zweitens existieren Hilfeangebote durch Behandlungszentren, in denen sich das alkoholabhängige Familienmitglied einer Behandlung unterzieht. Diese Art der Behandlung findet hauptsächlich auf gemeindenaher, nicht formeller Ebene statt. Die Mehrzahl der Länder (24 von 28) hat Bestimmungen für die Verwahrung von Personen, die in der Öffentlichkeit betrunken sind. Ausgeführt werden die Bestimmungen entweder von der Polizei oder von Einrichtungen des Gesundheitswesens. In 16 Ländern ist Trunkenheit ein Grund für zeitweiligen Polizeigewahrsam. Gewöhnlich dauert die Maßnahme zwischen acht und 24 Stunden. In einer Minderheit der Länder ist für Trunkenheit in der Öffentlichkeit eine Ordnungsstrafe vorgesehen (Belgien, Lettland und Polen). In der Russischen Föderation muss der oder die Aufgegriffene für die Arbeit der Behörden bezahlen, und zwar mindestens ein Monatsgehalt. In sieben Ländern (Bulgarien, Italien, Malta, Österreich, Portugal, der Slowakei und der Tschechischen Republik) müssen einige zusätzliche Bedingungen erfüllt werden, bevor eine betrunkene Person in Verwahrung genommen werden kann. Dazu zählen Gefährdung, schwerer Rausch, der eine sofortige Entgiftung notwendig macht, Beteiligung an kriminellen Handlungen, Erregung öffentlichen Ärgernisses und/oder aggressives Verhalten. In fast allen NUS-Ländern besteht die Möglichkeit, jemanden, der in der Öffentlichkeit betrunken angetroffen wird, in Verwahrung zu nehmen. Hingegen ist dies nur in der Hälfte der Länder Westeuropas sowie Mittelund Osteuropas der Fall. Trunkenheit am Steuer Gesetze gegen Trunkenheit am Steuer sind die häufigste Form der Alkoholpolitik in der Region. Ihr Ziel ist, die Zahl der Unfälle, Verletzungen und Toten als Folge von Alkohol im Straßenverkehr zu senken. Dieser Ansatz der Schadensminimierung gilt im Allgemeinen auch für den Boots- und Luftverkehr, in einigen Ländern sogar für das Rad fahren. Die gesetzlich 54 Alkohol in der Europäischen Region zulässige Promillegrenze in einem Land wird auf der Grundlage der Risikoeinstufung, der öffentlichen Sicherheit und dessen, was als öffentlich schicklich und akzeptabel gilt, festgesetzt. Der Europäische Aktionsplan Alkohol 2000–2005 empfiehlt die Festsetzung einer Grenze von 0,5 Promille oder weniger. Er empfiehlt auch den Pflichtbesuch von Aufklärungsprogrammen für Alkoholsünder. Die Wirksamkeit jeglicher Anti-AlkoholGesetze bestimmt sich durch die Wahrscheinlichkeit, mit der Verstöße entdeckt werden, und der Strenge der Strafe. Eine erfolgreiche Strategie gegen Alkohol am Steuer erfordert ein hohes Profil in der Öffentlichkeit sowie häufige Zufallskontrollen mit Atemtests und Blutproben. Sieben Länder (die Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Italien, Kroatien, Österreich, die Russische Föderation, Slowenien und Spanien) erkennen das erhöhte Risiko für junge Fahrer und für Berufsfahrer, für die sie eine niedrigere Promillegrenze festgesetzt haben. Die Promillegrenzen in den 43 Ländern lassen sich in vier Kategorien einteilen: sehr niedrig, niedrig, mittel und hoch. Eine Anzahl Länder, hauptsächlich im östlichen Teil der Region, erlauben keinen oder nur sehr wenig (null bis 0,1 Promille) Alkohol am Steuer. Dies sind Albanien, Armenien, Aserbeidschan, Estland, Kirgisistan, Rumänien, die Slowakei, die Tschechische Republik, die Ukraine, Ungarn und Usbekistan. Eine niedrige Promillegrenze (0,2 bis 0,3) gilt in Georgien, Polen, der Republik Moldau, Schweden und Turkmenistan. Die Mehrzahl der Länder (21) setzen die Grenze mit 0,4 bis 0,5 Promille fest. Sechs Länder (Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Schweiz und Vereinigtes Königreich) haben eine höhere Grenze, nämlich zwischen 0,7 und 0,8 Promille (siehe Abbildung 4). In der Russischen Föderation gilt ein Zustand der Trunkenheit als Obergrenze. Abbildung 4: Promillegrenzen im Straßenverkehr (basierend auf Daten aus 43 Ländern) Zufällige Verkehrskontrollen mit Atemtests werden in 35 von 41 Ländern durchgeführt, in der Hälfte davon häufig (Abbildung 5). Häufige Kontrollen Alkoholpolitik in Europa 55 gibt es auch in fast allen NUS-Ländern, die unangekündigte Atemtests durchführen, sowie in fast allen westeuropäischen Staaten. In den Ländern Mittel- und Osteuropas hingegen sind diese Kontrollen weniger häufig. In weniger als einem von zehn Ländern finden häufige Verkehrskontrollen mit Atemtests statt. Sechs Länder (Aserbeidschan, Georgien, Irland, Israel, die Schweiz und Vereinigtes Königreich) haben keine zufälligen Atemtests. In einigen anderen Ländern (Bulgarien, Irland, Italien, Lettland, Malta, Portugal und im Vereinigten Königreich) braucht die Polizei einen konkreten Verdacht, um einen Fahrer „pusten“ zu lassen. Nach einem Unfall oder bei positivem Atemtest werden in vielen Fällen zusätzliche Blut- oder Urinproben genommen. In Frankreich, Österreich und in der Tschechischen Republik wird die Weigerung zur Abgabe einer Probe als positives Ergebnis gewertet. Im Vereinigten Königreich kann die Weigerung mit sechs Monaten Gefängnis, einer Strafe von 5000 £ und Führerscheinentzug für mindestens zwölf Monate geahndet werden. Das allgemeine Niveau in der Anwendung der Gesetze gegen Alkohol am Steuer wird als sehr hoch oder hoch beurteilt. In Belgien, Bulgarien, Lettland, Malta, den Niederlanden, Polen, der Schweiz und Spanien gilt die Anwendung der Gesetze lediglich als relativ streng, in Dänemark, Griechenland und Italien als nicht so streng. Abbildung 5: Atemalkoholtests (basierend auf Daten von 41 Ländern) keine Alkotests selten häufig Praktisch alle Länder berichten, dass sie Geldstrafen als eine Form der Ahndung von Trunkenheit am Steuer benutzen. Die Höhe der Geldstrafen reicht von „sehr wenig“ bis zum Gegenwert von 150 Tagesgehältern. Der Entzug der Fahrerlaubnis ist eine weitere Strafe. Die Dauer des Entzugs hängt davon ab, um wie viel die Promillegrenze überschritten wurde. In den meisten Ländern zieht der erste Verstoß oder ein nur wenig über der Promillegrenze festgestellter Blutalkoholgehalt einen Führerscheinentzug zwischen einigen Wochen und drei Monaten nach sich. Es gibt jedoch Länder mit sehr harten Strafen. Kirgisistan zum Beispiel bestraft auch den ersten Verstoß mit einem Führerscheinentzug zwischen einem Jahr und zwei Jahren. In Estland und Lettland beträgt der Entzug bis zu zwei Jahren. In Israel ist die Strafe zwei Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe bis zu 6000 US-Dollar. In Georgien 56 Alkohol in der Europäischen Region beträgt der Entzug bis zu drei Jahren, und in Island kann der zweite Verstoß mit Führerscheinentzug von drei Jahren bis lebenslänglich geahndet werden. Bei einem erheblichen Überschreiten der Promillegrenze oder bei wiederholtem Verstoß sind in vielen Ländern per Gesetz Gefängnisstrafen vorgesehen. Zu den Ländern, die entsprechende Angaben machen, zählen Armenien, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Israel, Italien, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Schweden und die Schweiz. In einigen Ländern kann das Gericht entscheiden, ob es eine Gefängnisstrafe verhängt. Österreich und Schweden geben an, dass die Strafen sehr streng sind, wenn ein betrunkener Fahrer an einem Verkehrsunfall beteiligt ist oder jemanden verletzt bzw. tötet. Eine kleine Minderheit der Länder berichtet, dass gewohnheitsmäßige Verstöße gegen die Anti-Alkohol-Gesetze im Straßenverkehr oder ein erhebliches Überschreiten der Promillegrenze den Pflichtbesuch von Aufklärungsoder Behandlungsprogrammen nach sich zieht. Zu diesen Ländern gehören Belgien, Deutschland (Medizinisch-Psychologische Untersuchung), Irland (auf einen entsprechenden Gerichtsbeschluss hin), Kroatien, die Niederlande, Österreich (bei mehr als 1,2 Promille bzw. mehr als 1,0 Promille für Führerscheinneulinge in den ersten beiden Jahren), Portugal (per Gesetz, das Trunkenheit am Steuer nicht ausdrücklich erwähnt), die Russische Föderation (Unterricht auf der Verkehrspolizeiwache), die Schweiz, die Ukraine und das Vereinigte Königreich (freiwilliger, experimenteller Rehabilitationslehrgang wird vom Gesetzesübertreter bezahlt). Verfügbarkeit von Alkoholprodukten Es gibt Hinweise darauf, dass verschiedene Rahmenmaßnahmen, die den Zugang zu Alkohol beeinflussen und die Preisbildung für Alkohol durch Besteuerung lenken, die sozialen Probleme in gewissem Maße einschränken. Der Schlüssel zum Erfolg solcher Maßnahmen liegt jedoch darin, öffentliche Unterstützung für sie zu mobilisieren, sie breit anzuwenden und sie über einen fortgesetzten Zeitraum aufrechtzuerhalten. Studien zur Verfügbarkeit von Alkohol haben gewöhnlich gezeigt, dass der Alkoholkonsum und die alkoholbedingten Probleme abnehmen, wenn weniger Alkohol verfügbar ist und wenn er weniger leicht zu kaufen oder weniger zugänglich ist (3). Alkoholkonzessionen und Monopole In fast allen Ländern gibt es Gesetze zur Produktion und zum Verkauf alkoholischer Getränke. Der Grundgedanke hinter diesen einschlägigen Bestimmungen reicht von der Qualitätskontrolle der Produkte und Überlegungen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit bis zur Ausschaltung des privaten Profitinteresses und der Beachtung religiöser Prinzipien. All diese Gründe können hier konsequente Beschränkungen unterstützen (4). Alkoholpolitik in Europa 57 Viele Länder sind bestrebt, die Verfügbarkeit von Alkohol durch ein Staatsmonopol oder ein Konzessionssystem zu steuern. Die Kontrolle durch ein Monopol war schon immer kennzeichnend für die nordischen Länder (mit Ausnahme von Dänemark) und einige der Länder Mittel- und Osteuropas sowie der ehemaligen Sowjetunion. Politische Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit haben jedoch zu Veränderungen geführt, die den Markt liberalisiert und die Verfügbarkeit von Alkohol in einigen dieser Länder eröffnet haben. Etwa 17 von 40 Ländern besitzen ein Staatsmonopol in der einen oder anderen Form. Aserbeidschan, Kasachstan, die Russische Föderation und Weißrussland haben Staatsmonopole auf allen Gebieten (Import, Export, Produktion, Großhandel und Einzelhandel). In Ungarn erstreckt sich das Monopol auf Import, Export, Produktion und Großhandel; der Einzelhandel ist hingegen ausgenommen. Die Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Turkmenistan und Weißrussland haben Staatsmonopole für die gesamte Herstellung. In Deutschland, Litauen und der Türkei deckt das Staatsmonopol die Herstellung von Spirituosen ab. Norwegen und Schweden haben ein Staatsmonopol für den Einzelhandel, Bosnien und Herzegowina für den Groß- und Einzelhandel, Island für Import und Einzelhandel, Finnland für den Einzelhandel mit Spirituosen (und teilweise mit Wein und Bier). Die Ukraine hat ein Staatsmonopol für den Import, Export, die Produktion und den Verkauf von Äthylalkohol. Es erstreckt sich aber nicht auf alkoholische Getränke. Die meisten Länder in der Europäischen Region haben ein Lizenzsystem in Bezug auf: Alkoholimport, -export, -produktion, -großhandel und -einzelhandel. Von 45 Ländern verlangen 14 eine Lizenz für sämtliche Bereiche, 25 Länder für einen bzw. mehrere Bereiche. Nur sechs Länder (Dänemark, Griechenland, Israel, Slowenien, Spanien und Tschechische Republik) haben keine Alkohollizenzen vorgesehen. In fast allen Ländern müssen Einzelhandelsgeschäfte das Recht beantragen, Alkohol zu verkaufen und auszuschenken. Nur in Armenien, Österreich, der Slowakei, Slowenien, Spanien und der Tschechischen Republik haben alle Einzelhandelsgeschäfte das Recht auf den Verkauf und Ausschank von Alkohol. In Griechenland ist eine Konzession nur erforderlich für den Straßenverkauf, aber die Erlaubnis gilt nicht spezifisch für Alkohol, und sie wird ohne zeitliche Beschränkung erteilt. In einigen Ländern, zum Beispiel Italien, Portugal, der Republik Moldau und Rumänien, gibt es ein förmliches Verfahren, aber jeder, der eine Erlaubnis beantragt, bekommt sie, so dass das Verfahren fast bedeutungslos ist. Alle Kneipen und Lokale in Island und in Ungarn sowie Kneipen und Geschäfte in Kroatien erhalten eine Konzession. Allgemein betrachtet ist es normaler und einfacher für Kneipen und Lokale, eine AlkoholKonzession zu bekommen, als für Einrichtungen des Straßenverkaufs und für Geschäfte. In Norwegen, Portugal und Rumänien fordert der Staat keine Gebühr für die Ausstellung einer Alkohol-Konzession. In Bulgarien sind es 50 Euro. Das Spektrum reicht bis 1500 Euro in Estland. Die Höhe der Gebühr 58 Alkohol in der Europäischen Region hängt normalerweise von der Größe der Verkaufsstelle, dem Umsatz, der Miete und der zeitlichen Beschränkung der Konzession ab. Fünf von 27 Ländern nutzen die Möglichkeit einer Beschränkung der Zahl der Verkaufsstellen als Instrument ihrer Alkoholpolitik, und zwar Island, Italien (für Spirituosen), Luxemburg, Polen und Spanien. In den meisten Fällen sind es jedoch die Kommunen, die die Zahl der Verkaufsstellen begrenzen können, zum Beispiel in Belgien, Estland und Norwegen. Verkaufsbeschränkungen Abgesehen von Monopolen und Konzessionen gibt es viele Möglichkeiten, wie ein Land den Verkauf alkoholischer Getränke begrenzen kann. Die häufigsten Beschränkungen beziehen sich auf die Verkaufszeiten (Stunden, Tage) und Verkaufsorte, den Verkauf während bestimmter Ereignisse und die Dichte der Verkaufsstellen. Die meisten Studien, die sich mit Veränderungen der Verkaufszeiten oder -tage befassen, haben gezeigt, dass ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen einem Anstieg der Zahl der verkaufsoffenen Stunden oder Tage und einem Anstieg der alkoholbedingten Schäden besteht. Eine Einschränkung der Verkaufsstellen und deren geographischer Ansiedlung (zum Beispiel in der Nähe von Schulen, Kirchen oder Arbeitsplätzen) hat gezeigt, dass die Verteilungsdichte signifikante Auswirkungen auf den Verkauf von Alkohol hat (3). Wie Abbildung 6 zeigt, schränken 28 von 41 Ländern die Anzahl der Verkaufsstellen ein, 20 die Zahl der verkaufsoffenen Stunden, neun die Anzahl der verkaufsoffenen Tage. Die fünf Länder ohne Beschränkungen des Verkaufs sind Armenien, Griechenland, Israel, die Republik Moldau und Slowenien. Über die Begrenzung der Anzahl der Verkaufsstellen wird meistens auf kommunaler Ebene entschieden (zum Beispiel in den Niederlanden und Polen), so dass Ländervergleiche nicht möglich sind. Die Zahl der verkaufsoffenen Stunden kann je nach Wochentag unterschiedlich sein. Es kann auch sein, dass der Verkauf von Alkohol an bestimmten Orten während bestimmter Stunden verboten ist. In Deutschland und Frankreich zum Beispiel ist der Alkoholverkauf an Tankstellen zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr untersagt. Eine Einschränkung der verkaufsoffenen Wochentage ist eher eine Maßnahme in den nordischen Ländern, obgleich diese Art der Beschränkung auch in Estland und im Vereinigten Königreich existiert. Einige Beschränkungen beziehen sich nur auf bestimmte alkoholische Getränke, zum Beispiel auf Spirituosen in Italien und Kroatien. Die Verkaufsbeschränkungen in Kasachstan und der Russischen Föderation beziehen sich nur auf alkoholische Getränke mit mehr als zwölf Volumenprozent Alkohol (Ukraine: mehr als 8,5 Volumenprozent). 20 Länder schränken den Verkauf von Alkohol bei bestimmten Anlässen ein, etwa bei Kinderfesten, Sportveranstaltungen und Demonstrationen. In Italien Alkoholpolitik in Europa 59 gelten die Beschränkungen bei Veranstaltungen teilweise für Bier und generell für Spirituosen, während sie für Wein freiwillig sind. In Spanien ist Alkohol bei Sportveranstaltungen grundsätzlich verboten. In Belgien gilt dies nur für Spirituosen. Eine Minderheit der Länder (elf von 41) hat spezifische Bestimmungen, um die Dichte der Alkoholverkaufsstellen zu begrenzen: Island (ein bis fünf Verkaufsstellen pro Quadratkilometer), Frankreich (eine Verkaufsstelle pro 450 Einwohner oder, in größeren städtischen Gebieten, pro 3000 Einwohner), Finnland (Bier), Weißrussland (Wein und Spirituosen), Irland, Luxemburg, Malta, Polen (Wein und Spirituosen), Schweden, Spanien und Vereinigtes Königreich. Abbildung 6: Verkaufsbeschränkungen MOE NUS Westeuropa verkaufsoffene Stunden verkaufsoffene Tage Verkaufsstellen Dichte der Verkaufsstellen Verkauf bei bestimmten Anlässen Prozentsatz Bezüglich des Ortes und bestimmter Ereignisse sind die Verkaufsbeschränkungen in der Region gleichmäßig verteilt, während die verkaufsoffenen Stunden und die Dichte der Verkaufsstellen in Westeuropa stärkeren Reglementierungen unterliegen. Altersbeschränkungen Die Festsetzung eines Mindestalters für den Alkoholkonsum zielt auf den Ausschluss einer bestimmten, als besonders gefährdet geltenden Altersgruppe vom Zugang zu Alkohol ab. Das Mindestalter für den Kauf alkoholischer Getränke reicht in der Europäischen Region von 15 bis 21 Jahren. In einer Reihe von Ländern gibt es je nach Getränkeart unterschiedliche Mindestaltersregelungen. Insbesondere gilt für Spirituosen ein höheres Mindestalter. Es gibt auch Länder, in denen das Mindestalter für den Kauf von alkoholischen Getränken in einem Lokal oder im Straßenverkauf und für den Konsum von Alkohol verschieden ist. 60 Alkohol in der Europäischen Region Zum Zweck dieser Studie ist das Mindestalter für den Kauf von Alkohol (bzw. das jeweils niedrigere Alter, falls mehr als ein Mindestalter gilt) herangezogen worden. Von 41 Ländern haben drei – Armenien, BosnienHerzegowina und Slowenien – keine Altersgrenze für den Kauf von Alkohol. Griechenland beschränkt den Kauf von Spirituosen auf das Mindestalter von 18 Jahren, hat aber kein Mindestalter für den Kauf von Bier und Wein vorgesehen. In Dänemark ist das Mindestalter am niedrigsten (15 Jahre), während in elf Ländern ein Mindestalter von 16 Jahren gilt. Die Mehrzahl der Länder (23) nennt 18 Jahre als Mindestalter; in zwei Ländern (Island und Schweden) beträgt das Mindestalter 20 Jahre. In Österreich und der Schweiz schwankt das Alter je nach Bundesland oder Kanton. In der Gruppe der Länder mit dem Mindestalter 16 Jahre sind die westeuropäischen Staaten mit 72 Prozent am stärksten vertreten, während die Grenze von 18 Jahren hauptsächlich in Mittel- und Osteuropa, den NUS-Ländern und den nordischen Ländern gilt. In etwa 17 Ländern können Geldstrafen gegen Personen verhängt werden, die Alkohol an Minderjährige abgeben oder verkaufen. Ein Mindestalter vorzusehen ist wichtig. Die Durchsetzung der Bestimmungen ist jedoch für den Erfolg ausschlaggebend. Die Mehrzahl der Länder schätzt sich dabei selbst als streng ein. Nur acht Länder (Irland, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, die Russische Föderation die Tschechische Republik und die Ukraine) schätzen sich hier als lasch ein. Besteuerung von Alkohol In den meisten Ländern ist Alkohol für den Staat eine wichtige Einnahmequelle und daher ein festes Zielfeld für die Besteuerung. Nur selten jedoch sind die genauen Ziele einer verbrauchssteuernden Alkohol-Kontrolle in den Gesetzen, die eine solche Alkoholpolitik beinhalten, explizit benannt (4). Die Auswirkungen von Preisveränderungen auf den Alkoholkonsum sind in Australien, Europa, Neuseeland und den USA gründlich untersucht worden. Immer wieder lautete das Ergebnis, dass der Verbrauch sinkt, wenn der Alkoholpreis steigt, und der Verbrauch steigt, wenn der Preis sinkt (3). Besteuerung und Preisgestaltung können daher wirksame gesundheitspolitische Instrumente zur Reduzierung des Gesamtalkoholkonsums sein. Der reale Preis des Alkohols muss steigen (also nicht nur der nominelle Preis), wenn die Preisgestaltung als Strategie zur Eindämmung des Alkoholkonsums genutzt werden soll. Eine Preispolitik für Alkohol könnte auch wirksam sein, um die Verbraucher in Richtung auf bestimmte niederprozentige oder nichtalkoholische Getränkesorten zu lenken, um so das Auftreten riskanter oder hoher Blutalkoholpegel spürbar zu mindern. Es ist aus mehreren Gründen schwierig, die Alkohol-Besteuerung in einem Land mit der in einem anderen Land zu vergleichen. Die Besteuerungssysteme sind unterschiedlich, die Steuern werden unterschiedlich berechnet, und nicht alle Länder haben Informationen über die bei ihnen geltenden Steuersätze geliefert. Die meisten Länder besitzen jedoch ein duales Besteuerungssystem für Alkoholpolitik in Europa 61 alkoholische Getränke: Zum einen gibt es die Verkaufs- oder Mehrwertsteuer, zum anderen eine spezifische Alkoholsteuer. Etwa 36 der 40 Länder erheben Mehrwertsteuer auf alkoholische Getränke (in Deutschland und in Israel gilt ein anderes Steuersystem). Eine höhere Mehrwertsteuer auf Alkohol als auf andere Konsumprodukte oder Dienstleistungen gilt in Italien, Litauen, Österreich (hier kommt zur Mehrwertsteuer noch eine besondere Getränkesteuer von zehn Prozent hinzu), Rumänien und der Slowakei. Die Mehrwertsteuer reicht von 7,5 Prozent (in der Schweiz) bis 27 Prozent (in der Slowakei). Die meisten Länder erheben um die 20 Prozent Mehrwertsteuer. Die besondere Alkoholsteuer basiert in fast allen Ländern auf dem Volumengehalt an Alkohol in einem Getränk. Je stärker das Getränk, umso höher ist die Steuer. Dies ist jedoch in Italien, Kasachstan, der Republik Moldau und der Ukraine nicht der Fall. Einige Länder erheben keine Steuer auf bestimmte Getränke (Deutschland, Griechenland, Italien, Luxemburg, Österreich, Portugal und Spanien haben keine Steuer auf Wein, in Lettland wird Bier nicht besteuert). Zehn der Länder, in denen die Steuer als prozentualer Preisaufschlag berechnet wird, haben einen niedrigen Satz von unter zehn Prozent bei Bier. In den nordischen Ländern (mit Ausnahme von Dänemark) sowie in der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien beträgt die Steuer zwischen 55 und 70 Prozent. Bei Wein erheben zwölf Länder eine Steuer von weniger als 40 Prozent auf den Preis. Auch hier sind die Hochsteuerländer wieder im Norden (mit Ausnahme von Dänemark); Irland, Turkmenistan und das Vereinigte Königreich gehören ebenfalls dazu. Spirituosen sind ganz klar das am höchsten besteuerte Getränk. In Spanien, der Republik Moldau und Turkmenistan liegt der Steuersatz bei unter 30 Prozent und beträgt in zwölf anderen Ländern zwischen 30 und 60 Prozent. Einen hohen Steuersatz (über 60 Prozent) erheben die Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Litauen, die nordischen Länder (mit Ausnahme von Dänemark), die Ukraine, das Vereinigte Königreich und Weißrussland. Rumänien führt die Rangliste mit 118 Prozent Steuer auf Spirituosen an. Anscheinend gibt es keine spezifische Alkoholsteuer in Georgien und in Usbekistan. Die Steuereinnahmen durch Alkohol sind für viele Länder in der Region eine wichtige Geldquelle. Der Anteil an allen Staatseinkünften reicht von 0,7 Prozent in Spanien bis zehn Prozent in Estland (siehe Tabelle 11). Die Gesamthöhe der Einnahmen aus der Alkoholsteuer in einem Land hängt eher mit der Höhe der Besteuerung als mit der Höhe des Alkoholkonsums zusammen. Wegen Problemen mit der Kontrolle der Produktion, des Imports und des Verkaufs von Alkohol gehen in vielen Ländern erhebliche Steuereinnahmen verloren. Wenn eine Besteuerungspolitik jedoch in der Umsetzung wirkungslos bleibt, entsteht ein großer Schwarzmarkt für illegal hergestellte oder geschmuggelte Alkoholprodukte, die sich jeglicher Besteuerung entziehen. In der ehemaligen Sowjetunion z. B. machten die Verbrauchssteuern auf Alkohol in der Europäischen Region 62 alkoholische Getränke und der Gewinn des Staates aus der Alkohol- und Weinindustrie und dem Import mehr als 60 Jahre lang zwischen zwölf und 14 Prozent aller Staatseinnahmen aus, während auf die illegale Produktion von Alkohol rund 360 Millionen US-Dollar an entgangenen Steuern entfielen (5). Tabelle 11: Steuereinnahmen aus Alkohol als Prozentsatz aller Staatseinkünfte in ausgewählten europäischen Ländern Bereich Niedrig < 2% Mittel 2–5% Hoch > 5% a b Land Spanien Dänemark Deutschland Portugal Niederlande Slowenien Italien Norwegen Schweiz Luxemburg Schweden Litauen Österreich Slowakei Ungarn Finnland Polen Irland Estland Prozentsatz 0,70a 0,78a 0,94 1,00 1,10 1,10 0,53–2,20b 2,00 2,00 2,50 2,60 2,70 2,90 3,12 4,50 5,20 5,20 6,74 10,00 Jahr 1997 1997 1997 – 1996 1997 1997/98 1997 – 1985 1996 1998 1996 – – 1996 1999 1998 1995 ohne Mehrwertsteuer. je nach Berechnungsart. Nur sechs von 39 Ländern nutzen einen Teil der Steuern auf alkoholische Getränke zur direkten Finanzierung von Maßnahmen zur Steuerung des Alkoholkonsums. Dies sind die Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Frankreich, Litauen, Norwegen, Polen und die Schweiz. In Litauen fließen 1,3 Prozent der Alkoholsteuer direkt in die Präventionsarbeit und an die Polizei. In der Schweiz fließen zehn Prozent der Nettogewinne aus der Besteuerung von Spirituosen in Prävention und Behandlung. In Frankreich gibt es eine Sondersteuer von etwa zehn Francs pro Liter alkoholische Getränke mit mehr als 25 Prozent Alkohol, die für die Finanzierung von sozialen Programmen verwendet wird. Polen nutzt ein Prozent der gesamten Verbrauchssteuer auf Alkohol für die Umsetzung des nationalen Anti-AlkoholProgramms. Außerdem haben kommunale Behörden seit 1998 Zugriff auf Alkoholpolitik in Europa 63 die Einkünfte aus Konzessionen, die innerhalb ihre Gebietes vergeben werden. Das macht landesweit pro Jahr etwa 50 Millionen Euro aus. Von 27 Ländern berichten neun (Deutschland, Island, Kasachstan, Luxemburg, Malta, Norwegen, Polen, die Schweiz (für Spirituosen) und das Vereinigte Königreich, dass eine Verringerung des Alkoholkonsums erklärtes Ziel ihrer Politik in Sachen Alkoholbesteuerung ist. Um die Eintreibung der Steuern sicherzustellen und den Schmuggel zu bekämpfen, haben 20 von 39 Ländern Steuerbanderolen für alkoholische Getränke eingeführt. Dazu zählen Armenien, Frankreich, Georgien, Griechenland (für Spirituosen), Italien (für Spirituosen), Kasachstan, Kroatien, Lettland, Luxemburg (für Spirituosen), Polen (für Wein und Spirituosen), Portugal (für Spirituosen), die Republik Moldau, Rumänien, die Russische Föderation (nicht für Bier), die Schweiz (für Spirituosen), die Slowakei (für Spirituosen), Spanien (für Spirituosen), die Ukraine, Ungarn und Usbekistan. Von allen Ländern, die auf die Anfrage geantwortet haben, haben 78 Prozent der NUS-Länder, 46 Prozent der Länder in Mittel- und Osteuropa sowie 41 Prozent der westeuropäischen Länder Steuerbanderolen. Verkaufsförderung und Werbung Alkoholwerbung kann den Genuss alkoholischer Getränke als gesellschaftlich erwünscht erscheinen lassen, sie kann eine positive Einstellung zum Alkohol fördern, neue Schichten von Trinkern erschließen und den Konsum unter bestehenden Trinkern erhöhen. Alkoholwerbung unterstreicht die wünschenswerten Aspekte des Trinkens, verschweigt das Risiko des Alkoholkonsums für den Einzelnen und für die öffentliche Gesundheit und kann Präventionsziele konterkarieren (6). Die vorliegenden Forschungsergebnisse bestätigen, dass Alkoholwerbung insgesamt einen gewissen Beitrag zur Formung des Trinkverhaltens leistet (3). Im Rahmen einer umfassenden Alkoholpolitik sind Beschränkungen und Kontrollen der Alkoholwerbung wichtige und geeignete Maßnahmen, auch wenn die Wirkung der Werbung auf den Alkoholkonsum oder alkoholbedingte Schäden von begrenztem Umfang und eher langfristig sein mag. Die Alkoholwerbung unterliegt – wie aus Tabelle 13 zu ersehen ist – unterschiedlichen Beschränkungen, angefangen bei einem vollständigen Verbot über weniger explizite rechtliche Einschränkungen und freiwillige Vereinbarungen bis hin zu ganz und gar fehlenden Beschränkungen. Die hier betrachteten Medien sind Fernsehen, Radio, Printmedien und Plakatwände. Auf diesen Gebieten haben Griechenland, Rumänien und Ungarn keinerlei Werbebeschränkungen. Georgien schränkt nur die Werbung für Spirituosen im Fernsehen, im Radio und in den Printmedien ein. Kasachstan beschränkt die Alkohol in der Europäischen Region 64 Werbung im Fernsehen und auf Plakatwänden, in den anderen Medien hingegen nicht. Von 37 Ländern haben 29 Verbote oder Einschränkungen für Spirituosen im Fernsehen erlassen, 28 für Wein und 23 für Bier (siehe Tabelle 12). Tabelle 12: Einschränkungen für Alkoholwerbung in Fernsehen und Radio (n = 37) Art der Einschränkung Spirituosen Vollständiges Verbot Rechtliche Einschränkungen Freiwilliger Kodex Keine Einschränkung TV 15 14 8 3 Radio 13 14 7 6 Tafelwein TV 12 16 8 4 Radio 11 15 7 7 Bier TV 9 14 9 8 Radio 8 12 9 11 Ein vollständiges Werbeverbot für Printmedien besteht in sieben Ländern: Island, Norwegen (nicht für Bier), Polen, der Russischen Föderation, Slowenien, Usbekistan (nicht für Bier).und Weißrussland. Werbung auf Plakatwänden ist in sechs Ländern verboten: Estland (nur für Spirituosen), Finnland (nur für Spirituosen), Island, Norwegen, Polen und Slowenien. Freiwillige Selbstbeschränkung gibt es vor allem in Westeuropa, und zwar in Belgien, Dänemark, Deutschland, Irland, Israel, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Österreich, in der Tschechischen Republik und im Vereinigten Königreich. Die Gruppe der Länder mit hauptsächlich vollständigem Werbeverbot wird von den nordischen Ländern angeführt: Dänemark, Island, Norwegen und Schweden (hier im Fernsehen und im Radio). Ebenso gehören aber Polen, Slowenien, die Schweiz und Weißrussland (Fernsehen und Radio) sowie Usbekistan (vor allem für Wein und Spirituosen) dazu. Frankreich hat ein Werbeverbot für das Fernsehen und rechtliche Einschränkungen in anderen Medien. Kroatien, Lettland, die Slowakei und die Ukraine kontrollieren die Werbung für Alkohol ebenfalls streng, außer für Bier. Finnland verbietet die Werbung für Spirituosen und schränkt die Werbung für andere alkoholische Getränke ein. Aserbeidschan, Bulgarien, Estland, Italien und Republik Moldau haben rechtliche Beschränkungen in allen oder fast allen Medien. Die Russische Föderation verbietet Werbung in den Printmedien und schränkt sie, außer für Bier, im Fernsehen und im Radio ein. Die EU-Länder unterliegen den Bestimmungen der Richtlinie über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (EG-Fernsehrichtlinie 89/552/EWG). Einige Länder haben über diese Richtlinie hinaus weitergehende Beschränkungen. In Belgien dürfen keine Schwangeren im Zusammenhang mit Alkohol gezeigt werden. Portugal erlaubt keine Alkoholwerbung zwischen 7.00 Uhr und 21.30 Uhr. In Irland müssen die in der Werbung dargestellten Personen 25 Jahre oder älter sein. Im Vereinigten Königreich ist Alkoholwerbung zwischen 16.00 Uhr und 17.45 Uhr verboten, ebenso in Sendungen für Kinder Alkoholpolitik in Europa 65 und in religiösen Programmen. Außerhalb der EU bestehen staatliche Richtlinien für die Alkoholwerbung in folgenden Ländern: Armenien, Bulgarien, Georgien, Lettland, Malta, Russische Föderation, Schweiz, Ukraine, Ungarn und Usbekistan. In Lettland sind der Gebrauch staatlicher Symbole und das Zeigen von Menschen beim Alkoholgenuss untersagt. Die Werbung darf sich nicht an Minderjährige richten und keinen Alkoholkonsum am Steuer, im Sport oder in der Medizin thematisieren. In der Schweiz verbieten die Bestimmungen das Ansprechen der Zielgruppe Minderjährige. Werbung für Spirituosen darf sich nur auf das Produkt und dessen Eigenschaften erstrekken. In der Russischen Föderation ist es verboten, dem Alkohol ein Image von Erfolg und guter Gesundheit zu geben. Die Werbung darf auch Alkoholabstinenz nicht schlecht machen oder sich an Minderjährige richten. Auf Malta gilt letzteres ebenfalls. Außerdem darf Alkoholwerbung nicht mit Leistungssteigerung in Verbindung gebracht oder vor 20.30 Uhr im Fernsehen gezeigt werden. In Bulgarien sind die gezielte Ansprache Minderjähriger, das Herstellen eines Zusammenhangs mit dem Führen von Fahrzeugen oder das Schlechtmachen von Abstinenz oder Mäßigung verboten. In Ungarn ist Alkoholwerbung im Kinderfernsehen untersagt. Von 39 Ländern verhängen 17, hauptsächlich in Westeuropa, Geldstrafen für die Missachtung der Bestimmungen. In der Russischen Föderation sind die Strafen streng. Der zweite Verstoß innerhalb eines Jahres wird als Verbrechen eingestuft, das mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder Zwangsarbeit oder einer Geldbuße zwischen dem 50- und dem 100-Fachen des monatlichen Mindestlohns bestraft wird. In Frankreich sind die Strafen ebenfalls streng. Wer die Bestimmungen missachtet, muss vor Gericht. Von 39 Ländern verlangen nur fünf – Aserbeidschan, Frankreich, Lettland, Litauen und die Ukraine – gesundheitliche Warnhinweise in der Werbung. In Lettland muss ein solcher Hinweis zehn Prozent der Werbefläche bedecken, in Litauen sogar 20 Prozent. Dort darf die Werbung auch nur Schwarz-Weiß sein, und sie muss den Hinweis des Gesundheitsministeriums enthalten „Alkohol ist ein Risiko für die Gesundheit, die Familie, die Gesellschaft und das Einkommen“. Die Bestimmung gilt für jegliche Außenwerbung. In der Ukraine muss der Warnhinweis „Exzessiver Alkoholgenuss schadet Ihrer Gesundheit“ 5 Prozent der Anzeige bei Werbung in den Printmedien einnehmen. In Frankreich lautet die Botschaft: „Der Missbrauch von Alkohol ist gesundheitsschädlich. Konsumieren Sie in Maßen“. Von 27 Ländern haben nur neun (rechtsverbindliche oder freiwillige) Bestimmungen, die dem Sponsoring von Freizeit- oder Sportaktivitäten junger Menschen durch die Alkoholindustrie Grenzen setzen: Deutschland, Frankreich (alle Sport- und Kulturereignisse), Irland, Island, Italien, Kroatien (nicht für Bier), Norwegen, die Ukraine (wenn die Zielgruppe Minderjährige sind und wenn der Name oder das Image des alkoholischen Getränks benutzt werden) und Usbekistan. Alkohol in der Europäischen Region 66 Tabelle 13: Einschränkungen für Alkoholwerbung, Europäische Region der WHO, 1998-1999 Armenien Aserbaidschan Belgien Bulgarien Dänemark Deutschland Estland Finnland Frankreich Georgien Griechenland Irland Island Israel Italien Kasachstan Kroatien Lettland Litauen Luxemburg Malta Niederlande Norwegen Österreich Polen Portugal Republik Moldau Rumänien Russische Föd. Schweden Schweiz Slowakei Slowenien Spanien Tschechische Republik Ukraine Ungarn Usbekistan Vereinigtes Königreich Weißrussland R R R R V FK R V V R keine keine R R R V FK R V R R R FK R FK FK R R R R keine keine keine FK V FK R R R V R FK FK FK V R V R R FK V R FK V FK R keine keine R V R FK FK FK V R V R R R R – FK keine Plakatwände TV Radio Printmed. Bier Plakatwände TV Radio Printmed. Tafelwein Plakatwände Printmed. Radio TV Land Spirituosen R R FK R FK FK V V R R R R R V FK R R V keine keine R R R R V FK R R V keine R FK R FK FK R R R R R FK R FK FK R R R keine R R R V FK R R R R R R V FK R R R R FK R FK FK R R R R R FK R FK FK R R R keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine FK V FK V FK R R R R R FK FK FK V R V R R FK V FK V FK V keine FK FK V FK R keine keine FK V FK R R FK V R FK V FK R keine keine R R R R R FK FK FK V R V R R R R – FK keine keine keine keine keine keine keine keine R FK FK FK V R V R R R FK FK FK V R V R R – FK – FK keine keine FK R FK V FK V FK V keine FK R R R – FK keine keine FK V FK V FK V FK V keine keine R R keine keine R R R R – FK keine keine FK V FK V FK V FK V keine keine R R keine keine keine R R keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine R V V V V V FK R V V V V R FK V R R R R R V R V V V V R FK V R R R keine keine keine R V R FK R V FK V V FK V R FK R R keine V V FK V R FK V R FK R V V V V R FK V V R R V V R R keine keine R keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine keine V FK V FK V FK R FK V FK V FK V FK keine FK R FK R FK R FK R FK V V V FK V V V FK V V V FK a keine R V R FK keine keine keine keine FK V R FK FK V keine FK keine Für die französische Bevölkerung in Belgien gilt das Werbeverbot im Radio und im Fernsehen nur für alkoholische Getränke mit mehr als zehn Volumenprozent Alkohol. FK: Freiwilliger Kodex R: Restriktionen V: Verbot Alkoholpolitik in Europa 67 Behandlung Über die primäre Gesundheitsversorgung hinaus spielen bestimmte Leistungsanbieter immer dort eine wichtige Rolle, wo es darum geht, sich in die Lebensführung eines Risikotrinkers einzuschalten und sich seiner Probleme anzunehmen. Dazu gehören Unfall- und Nothilfedienste, Krankenhäuser, psychiatrische Dienste, besondere Behandlungseinrichtungen, freiwillige Organisationen und Selbsthilfegruppen. Umfangreiche Forschungsarbeiten belegen, dass sich viel erreichen lässt, wenn man dafür sorgt, dass die Gesundheitsversorgung einschließlich der Primärversorgung und der Krankenhäuser eine größere Rolle bei der Früherkennung und der Verhinderung alkoholbedingter Schäden spielt. Die Schlussfolgerung lautet, dass kurzzeitige Interventionen gegen exzessives Trinken oder in einem frühen Stadium erheblichen Nutzen bringen, besonders für Männer (3). Die Einrichtungen der primären Gesundheitsversorgung können ebenfalls eine wichtige Quelle der Unterstützung für Familien und Selbsthilfegruppen sein. Damit die Behandlungsmöglichkeiten einen substanziellen Teil der Bevölkerung erreichen, müssen sie leicht zugänglich sein; die Kosten, die Komplexität und die Akzeptanz müssen so sein, dass eine Verbreitung des Angebotes möglich ist. Die einschlägigen Dienste müssen auf akute ebenso wie auf langfristige Probleme reagieren. Eine intensive und kostspielige Behandlung zeitigt nicht unbedingt bessere Ergebnisse. Kostengünstige Alternativen können sehr gut bei der Früherkennung, der Sekundärprävention und der langfristigen Unterstützung von Problemfällen helfen (4). Stellvertretend für all diese Herangehensweisen stehen Interventionen durch die gesundheitlichen Primärversorger. Dies ist auch der einzige Teil der Behandlung, der in diesem Zusammenhang beleuchtet wird. Wo kurzfristige Interventionen in der allgemeinen Behandlung von Alkoholproblemen ihren Platz haben, geht aus Abbildung 8 hervor. Abbildung 8: Beziehung zwischen der Schwere von Alkoholproblemen und der Art der benötigten Intervention. Keine Geringe Mäßige Beträchtliche Starke ALKOHOLPROBLEME S Besondere Behandlung Kurze Intervention Primärprävention Quelle: Institute of Medicine (7). Abdruck mit Erlaubnis der National Academy Press, Washington, DC, USA. 68 Alkohol in der Europäischen Region In allen Ländern der Europäischen Region sind die Leistungsanbieter der primären Gesundheitsversorgung in der einen oder anderen Weise in die Arbeit mit eingebunden, auch wenn sie in der Primärprävention oder der Gesundheitsförderung nicht sehr stark involviert sind. Die Hälfte der Länder in der Region nutzt Interventionsmöglichkeiten in der primären Gesundheitsversorgung. Diese Interventionen basieren hauptsächlich auf dem AUDITModell der WHO für kurzzeitige Interventionen. Das Modell wird auch benutzt, um Problemtrinker dazu zu motivieren, sich einem Spezialisten anzuvertrauen. Bei der Behandlung gefährlichen oder schädlichen Alkoholkonsums sind die Einrichtungen der primären Gesundheitsversorgung einschließlich der Arztpraxen die am weitesten verbreiteten und damit zugänglichsten. 23 von 39 Ländern haben angegeben, dass die primäre Gesundheitsversorgung in ihrem Land einen einfachen oder sehr einfachen Zugang bietet. Der Zugang zu Telefon-Notdiensten ist in 13 Ländern gut, zu Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in 15 Ländern. Überweisungen zu einem Spezialisten oder Behandlungen am Arbeitsplatz sind in zehn Ländern leicht erhältlich, eine Betreuung durch Apotheken nur in sieben Ländern: Bosnien-Herzegowina, Italien, Österreich, Polen, Republik Moldau, Ungarn und Usbekistan. In elf von 39 Ländern gibt es in der primären Gesundheitsversorgung Leitfäden für die Beratung bei Alkoholproblemen (Georgien, Island, Israel, Italien, Luxemburg, Österreich, Republik Moldau, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn und Usbekistan). Ausbildungsgänge für Berater existieren in neun Ländern (Belgien, Deutschland, Finnland, Italien, Luxemburg, Österreich, Portugal, Republik Moldau und Schweden). Nur fünf Länder (Dänemark, Finnland, Island, Italien und Österreich) bieten finanzielle oder vertragliche Anreize für die Alkohol-Beratung in der Primärversorgung. Verantwortung der Getränkeindustrie Das Bewusstsein der Verbraucher für ihre Rechte und die Risiken durch Alkoholkonsum breitet sich in den Gesellschaften zunehmend aus. Da der Genuss alkoholischer Getränke mit einer Reihe gesundheitlicher und sozialer Risiken verbunden ist, lässt sich dieses wachsende Bewusstsein zur Vorbeugung alkoholbedingter Probleme nutzen, und zwar insbesondere dadurch, dass man die Getränkeindustrie in die Anstrengungen zur Vorbeugung gegen Alkoholprobleme mit einbezieht. Zu den Werkzeugen auf diesem Gebiet der vorbeugenden Arbeit gehören genaue Produktinformationen, Warnhinweise, Verantwortungsbewusstsein im Marketing und in der Abgabe von Alkohol sowie die Förderung von Trinkgewohnheiten, von denen man annimmt, dass sie weniger schädlich sind. Bei all diesen Aktivitäten ist der Beitrag, den die Getränkeindustrie leistet, von zentraler Bedeutung. Eine Anzahl von Studien hat gezeigt, dass Veränderungen in den Schank- und Verkaufsgepflogenheiten sowie eine entsprechende Ausbildung für das leitende Personal Alkoholpolitik in Europa 69 von Alkoholabgabestellen helfen können, die Menge des Alkohols, der an Betrunkene verkauft wird, zu reduzieren. Dadurch sinkt auch das Risiko, dass diese Menschen in Verkehrsunfälle oder andere alkoholbedingte Probleme verwickelt werden. Darüber hinaus kann die Zivilhaftung von Alkoholabgabestellen, sofern sie richtig gehandhabt wird, als Mittel zur Verhinderung von Alkoholproblemen dienlich sein (4). Die Hälfte der Länder in der Region ist der Überzeugung, dass die Getränkeindustrie und das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe ihre Rolle bei der Verhinderung von Alkoholproblemen nur unzureichend oder gar nicht wahrnehmen. In einer kleinen Anzahl von Ländern hat die Getränkeindustrie an der Vorbeugung von Alkoholkonsum durch Minderjährige, der Trunkenheit am Steuer und des Alkoholkonsums am Arbeitsplatz mitgewirkt. In einigen Ländern, darunter Irland und das Vereinigte Königreich, hat das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe außerdem einen Verhaltenskodex der freiwilligen Selbstbeschränkung in Sachen Alkoholwerbung und verpackung verabschiedet. Inwieweit dieser Kodex erfolgreich umgesetzt wurde, ist jedoch fraglich. In Schweden arbeiten Beamte des staatlichen Alkoholmonopols mit dem Ministerium für Gesundheit und Soziales zusammen. Sie finden gemeinsame Handlungsfelder und entwerfen gemeinsam Informationskampagnen. Zu den negativen Praktiken der Getränkeindustrie, die einige Länder aufgezeigt haben, gehören Marketingkampagnen mit jungen Menschen als Zielgruppe, Sponsoring von Sportveranstaltungen und heftige Kämpfe gegen eine Herabsetzung der Promillegrenze oder die Einführung von Verkehrskontrollen mit Atemtests. Die große Mehrzahl der Länder hat Bestimmungen, nach denen der Alkoholgehalt und/oder die Alkoholkonzentration auf allen alkoholischen Getränken anzugeben sind. Dies wird auch durch eine EU-Richtlinie gefordert. Länder ohne eine solche Bestimmung sind Aserbeidschan und die Tschechische Republik. Eine Anzahl von Ländern (20 von 40) hat feste Grenzen für den maximalen Alkoholgehalt von allen oder zumindest einigen alkoholischen Getränken. In einigen Ländern ist die Grenze so hoch (95 Prozent in Turkmenistan und in der Ukraine), dass die Bestimmung letzten Endes keine Bedeutung hat. Für Spirituosen liegt die Obergrenze normalerweise zwischen 40 und 60 Prozent, mit Ausnahme von Estland, Kroatien (Rum) und den Niederlanden, wo sie 70 bis 80 Prozent beträgt. In Bezug auf Wein reicht die Grenze von 3,5 Prozent bis zwölf Prozent. Österreich und die Schweiz haben nur Bestimmungen für den Mindestgehalt an Alkohol für die spezifischen Getränke. In der Russischen Föderation gilt ein Gebot, nach dem verschiedene Arten von Informationen (einschließlich Gegenanzeigen gegen den Genuss von Alkoholprodukten) erforderlich sind; in der Praxis wird dies jedoch nicht umgesetzt. Bestimmungen, nach denen zum Beispiel gesundheitliche Warnhinweise auf Behältnissen mit Alkoholprodukten oder an Verkaufsstellen 70 Alkohol in der Europäischen Region angebracht sein müssen, scheint es in keinem Land zu geben. Das Vereinigte Königreich hat jedoch Aufkleber mit der Angabe der Anzahl der AlkoholEinheiten auf Alkoholprodukten; Dänemark hat eine freiwillige Vereinbarung für eine entsprechende Etikettierung von Bier und Wein, sofern diese im Inland abgefüllt worden sind. Einige Länder bieten Ausbildungslehrgänge für Personal, das Alkohol ausschenkt: Irland (in der Entwicklung), Island, Luxemburg, Malta (teilweise), Norwegen, Polen und die Schweiz (in einigen Kantonen sogar vorgeschrieben). In Deutschland trägt jemand, der Alkohol ausschenkt, die Verantwortung, doch wird dies nur selten beachtet. Bulgarien und die Ukraine hatten bereits Gerichtsverfahren wegen Verstößen gegen die Produkthaftung in Fällen, in denen einzelne Konsumenten oder ihre Familien durch Alkohol zu Schaden kamen. Der Ausgang dieser Verfahren ist uns jedoch nicht bekannt. Mehrere Länder (16 von 27) kennen Strafen oder Sanktionen (etwa den Entzug einer Konzession) gegen Personen, die beim Alkoholausschank unverantwortlich handeln (zum Beispiel Abgabe von Alkohol an Minderjährige oder Betrunkene). Dazu gehören Belgien, Estland, Irland, Island, Italien, Kasachstan, Kroatien, Luxemburg, Malta, Österreich, Polen, Portugal, die Schweiz (einige Kantone), die Slowakei, Spanien und Usbekistan. Eine kleinere Anzahl Länder hat auch Bestimmungen zu alkoholischen Mischgetränken und Designer-Drinks (alkoholische Getränke auf der Grundlage von Spirituosen oder Wein, die mit süßen nicht-alkoholischen Getränken gemixt werden und bei jungen Menschen Anklang finden). Zu diesen Ländern zählen Armenien, Bulgarien, Estland, Irland (freiwilliger Kodex), Kasachstan, Kroatien, Norwegen (Verkauf nur in Monopolläden), Polen, die Russische Föderation, die Schweiz (einige Kantone), die Ukraine und das Vereinigte Königreich. Gesellschaftliche Maßnahmen Eine bestimmte Maßnahme, die es einer Gesellschaft ermöglicht, besser mit Alkoholproblemen umzugehen, ist die entsprechende Ausbildung von Fachleuten aus anderen Bereichen. Die Ziele, um die es hier geht, sind eine Schärfung des Bewusstseins und die Fähigkeit, Alkoholprobleme zu erkennen, bei solchen Problemen einzuschreiten und die Probleme zu lindern. Ausbildung und Bewusstseinsschaffung sind oft Teil von Aktionen oder Projekten auf der Ebene des Gemeinwesens. Besonders die öffentliche Wohlfahrt steht oft in vorderster Linie, wenn es darum geht, alkoholbedingte Probleme anzugehen. Sie kann eine wichtige Rolle spielen, um sowohl Einzelne als auch Familien zu erkennen, die ein hohes Risiko für exzessiven Alkoholgenuss haben, und diesen Menschen dann zu helfen. Der Schutz von Kindern, das Aufzeigen von Problemen und ein Vermittlungssystem, das Fami- Alkoholpolitik in Europa 71 lienmitglieder dazu ermutigt, eine Beratung oder Behandlung in Anspruch zu nehmen, sind wichtige Funktionen der öffentlichen Wohlfahrt. Die meisten Länder (19 von 27) haben Lehrgänge in Sachen Alkohol für Fachleute aus anderen Bereichen als Gesundheit. Lettland ist ein interessantes Beispiel: Hier gibt es entsprechende Ausbildungsmöglichkeiten für Mitglieder der Streitkräfte. Die öffentliche Wohlfahrt, so heißt es in vielen Ländern, beteiligt sich gar nicht oder nur wenig an alkoholbezogener Arbeit. In der Hälfte der Länder in der Europäischen Region gibt es Lehrgänge zum Thema „Alkohol“ im Rahmen der Ausbildung von Sozialarbeiter/innen oder in Form von separaten Programmen. In der Hälfte der Länder wird diese Ausbildung als ausreichend erachtet, während die andere Hälfte sie für zu begrenzt hält. Viele Länder meinen, sie brauchen Lehrgänge zu Fragen des Alkohols und des angemessenen Umgangs mit Alkohol innerhalb des Strafrechtssystems. In den meisten Ländern ist das Strafrechtssystem nämlich hauptsächlich damit befasst, Trunkenheit im Straßenverkehr einzuschränken und straffällig Gewordenen bzw. Strafgefangenen eine Behandlung oder die Teilnahme an Maßnahmen der Verkehrserziehung aufzuerlegen. Nur in einer Minderheit der Länder ist man der Meinung, das Strafrechtssystem tue genug oder leiste einen ausreichenden Beitrag, um Alkoholprobleme zu bekämpfen. Einige Länder haben Erziehungsprogramme, in denen den Teilnehmern die rechtlichen Folgen der Trunkenheit im Straßenverkehr nahe gebracht werden. In der Mehrzahl der Länder existieren gemeindenahe Initiativen und Programme im Gemeinwesen zur Vorbeugung alkoholbedingter Schäden und zur Förderung einer gesunden Lebensführung. In den meisten Fällen zielen die lokalen Aktivitäten darauf ab, junge Menschen über die Gefahren des Alkohols zu informieren und an bestimmten Orten oder zu bestimmten Ereignissen Alkohol zu verbieten. Andere Tätigkeitsfelder sind Kampagnen gegen Alkohol am Steuer und Programme der Polizei, die verhindern sollen, dass Minderjährige Zugang zu Alkohol bekommen. Nichtstaatliche Organisationen Nichtregierungsorganisationen (NGOs = Nongovernmental Organizations) können eine wichtige Rolle in der Gesellschaft und auf der lokalen Ebene spielen, indem sie alkoholbedingte Probleme verhindern, reduzieren oder behandeln. Die Flexibilität vieler NGOs kann Wege öffnen, über die Entscheidungen auf lokaler, nationaler und zwischenstaatlicher Ebene beeinflusst werden. NGOs agieren in einer Vielzahl von Bereichen: Sie richten Informations- und Behandlungszentren ein, initiieren Aufklärungsprogramme und Programme gegen Alkohol am Arbeitsplatz, beteiligen sich über Kampagnen sowie über die Medien am öffentlichen Diskurs über Alkohol, 72 Alkohol in der Europäischen Region zeigen Alternativen ohne Alkohol auf und bieten Unterstützung auf unterster Ebene (8). Insgesamt betrachtet haben die NGOs in den Ländern Europas ganz unterschiedliche historische, kulturelle und politische Wurzeln. Das macht es schwierig, einheitliche und gemeinsame Aktionspläne über eine Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen aufzustellen. NGOs mit einem Interesse am Thema „Alkohol“ lassen sich in drei Arten von Organisationen unterteilen: Abstinenzler-Bewegungen, Selbsthilfezusammenschlüsse und allgemein sozial und gesundheitlich tätige Organisationen. Die AbstinenzlerBewegungen hatten ihre Hochburgen in den nordischen Ländern mit Alkohol-Monopolen (Finnland, Island, Norwegen und Schweden). In den anderen Teilen Europas haben sie nie viel Rückhalt gehabt. Die verbleibenden Abstinenzler-Bewegungen sind heute vielfach dabei, ihren Hauptimpetus neu zu definieren und auf allgemeine Gesundheits- und Lebensstilfragen zu richten. Zu den verbreitetsten und anerkanntesten Selbsthilfezusammenschlüssen gehören die Anonymen Alkoholiker (AA). Sie stehen ebenfalls für eine Philosophie, eine gesellschaftliche Bewegung und eine Art Behandlung. In vielen Ländern üben die AA beträchtlichen Einfluss auf die Formulierung von Grundsatzprogrammen im Bereich Alkohol aus. In manchen Ländern ist ihre Ideologie sogar offiziell in die Grundsätze einer Behandlung von Alkoholproblemen eingegangen. In Europa existiert ein breites Netz von NGOs, die sich mit gesundheitlichen und sozialen Problemen befassen. Üblicherweise sind sie um die Interessen von Opfern eines bestimmten gesellschaftlichen oder gesundheitlichen Problems herum aufgebaut. Wenn man die Rolle von Freiwilligenorganisationen als Anbieter von Dienstleistungen und Behandlung für Problemtrinker betrachtet, dann erkennt man Unterschiede, die der historischen Arbeitsteilung zwischen Staat, Kommune, Kirche, kommerziellen Anbietern und Bürgerorganisationen entspringen (4). Ihrem Auftrag gemäß sollten NGOs aus allen möglichen Bereichen des Spektrums Interesse an Fragen der Alkoholpolitik haben. In den meisten Ländern existieren solche NGOs jedoch entweder nicht, oder sie sind nicht sehr aktiv (siehe Abbildung 9). In 16 von 38 Ländern sind die Anonymen Alkoholiker recht aktiv, die Verkehrswachten sind es in 14 von 38 Ländern. Danach kommen die traditionellen Abstinenzler-Bewegungen, die in acht Ländern (Finnland, Island, Lettland, Polen, Schweden, der Schweiz, der Slowakei und der Tschechischen Republik) recht aktiv und in fünf weiteren (Belgien, Deutschland, Estland, Österreich und der Ukraine) mäßig aktiv auftreten. Politische Gruppen im Bereich Alkohol sowie Krebsgesellschaften und Medizinervereinigungen sind in etwa sechs Ländern aktiv. Für die NGOs in den Bereichen Pflege, Arzneimittel, Bildung und Herz-KreislaufErkrankungen trifft dies nur in maximal vier Ländern zu. Beispiele sind „Alcohol Concern“ im Vereinigten Königreich, „MADD – Mothers Against Drink Driving“ (Mütter gegen Alkohol am Steuer) in Irland und dem Vereinigten Königreich und der Narkologie-Bund in der Republik Moldau. Alkoholpolitik in Europa 73 Abbildung 9: Anzahl der Länder, in denen NGOs aktiv mit alkoholpolitischen Fragen befasst sind (insgesamt 38). Anonyme Alkoholiker Verkehrssicherheitsverbände Abstinenzler-Bewegungen Ärzteverbände Interessenverbände ,,Alkoholpolitik“ Krebsgesellschaften Herzgesellschaften Pflegeverbände Vereinig. f. gesundheitl. Aufklärung Apothekerverbände Länder Im Grunde haben alle Länder irgendein nationales Projekt zur Förderung eines gesunden Lebensumfeldes, sei es zu Hause, in der Schule, im Krankenhaus oder am Arbeitsplatz. Diese Projekte bieten Möglichkeiten, die Bürger zu gesundem Verhalten zu motivieren, die gesellschaftliche Unterstützung zu verbessern und Einstellungen zu stärken, die sich günstig auf die Herausbildung moderaterer Trinkgewohnheiten auswirken. Diese Projekte stehen entweder für sich, oder sie sind in die Struktur eines WHO-Projekts integriert. Schaut man sich die aktive Beteiligung von WHO-Netzen an alkoholbezogenen Aktivitäten auf nationaler Ebene an, so sieht man, dass die Netze „Gesundheitsfördernde Schulen“ in 23 und „Gesunde Städte“ in 25 Ländern aktiv sind. Nationale Medizinervereinigungen sind in 14 Ländern aktiv, die vernetzten Interventionsprogramme für nichtübertragbare Krankheiten (CINDI) in 15. Andere WHO-Netze („Regionen für die Gesundheit“, „Gesundheitsfördernde Krankenhäuser“, nationale Krankenschwester- und Pflegevereinigungen sowie EuroPharm) haben erheblich weniger Profil. Je nachdem, um welche Organisation es sich handelt, melden nur zwei bis sieben Länder, dass diese in Sachen Alkohol deutlich involviert sind. Entwicklung von Rahmenkonzepten Geht man davon aus, dass ausgewogene Rahmenkonzepte für Alkohol einen klar erkennbaren Nutzen für die öffentliche Gesundheit haben, so ist eines der wichtigsten Handlungsfelder (wie im Europäischen Aktionsplan Alkohol dargelegt), die Entwicklung umfassender Rahmenkonzepte für Alkohol in den Mitgliedstaaten anzuschieben. Die WHO fordert alle Mitgliedstaaten auf, solche umfassenden Rahmenkonzepte für Alkohol zu erstellen und Programme umzusetzen, die, je nach der unterschiedlichen kulturellen, sozialen, Alkohol in der Europäischen Region 74 rechtlichen und wirtschaftlichen Situation im jeweiligen Land, den ethischen Prinzipien und Zielen der Europäischen Charta gegen Alkohol Rechnung tragen. In der Europäischen Region haben 13 von 39 Ländern (Deutschland, Estland, Finnland, Irland, Island, Israel, Italien, Lettland, die Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal und Schweden) das Thema „Alkohol“ in ihre nationale Planung aufgenommen und/oder einen nationalen Alkohol-Aktionsplan erstellt. Weitere 14 Länder (Armenien, Bulgarien, Kasachstan, Lettland, Malta, Österreich, die Republik Moldau, die Russische Föderation, die Schweiz, die Slowakei, Ungarn, Usbekistan, das Vereinigte Königreich und Weißrussland) sind dabei, solche Pläne zu entwickeln. Die regionalen Unterschiede sind aus Tabelle 14 ersichtlich. Von den NUS-Ländern hat noch keines einen Aktionsplan Alkohol, aber mehr als jedes zweite Land ist zur Zeit dabei, einen solchen aufzustellen. In Mittel- und Osteuropa entwickelt ebenfalls ein Drittel der Länder entsprechende Pläne. Dann gehörte die Hälfte der Länder zu der Gruppe mit einem Alkohol-Aktionsplan . In Westeuropa hat nur jedes fünfte Land keinen Aktionsplan entwickelt oder vorgesehen. Tabelle 14: Europäische Staaten mit Alkoholaktionsplänen Länder MOE NUS Westeuropa Nationaler Alkohol-Aktionsplan 2 – 10 entwickeln einen Nationalen AlkoholAktionsplan 4 6 4 kein Nationaler Alkohol-Aktionsplan 7 3 3 Etwa 25 Länder haben eine nationale Körperschaft oder Organisation, die die Umsetzung einer nationalen Alkoholpolitik koordiniert bzw. darüber berät. Weitere sieben Länder sind im Augenblick dabei, eine solche Organisation aufzustellen. Dazu gehören alle weiter oben erwähnten Länder, die bereits einen nationalen Alkohol-Aktionsplan haben, sowie Armenien, Bulgarien, Dänemark, Georgien, Luxemburg, Malta, Republik Moldau, die Russische Föderation, die Schweiz, Spanien, Ungarn, Usbekistan und Weißrussland. Dänemark, Georgien, Luxemburg, Spanien und die Ukraine sind Länder, die zwar über eine koordinierende Körperschaft, aber keinen AlkoholAktionsplan verfügen. Unterschiedliche öffentlich-rechtliche und sonstige Bereiche sind in diesen koordinierenden Körperschaften vertreten. Zu ersteren gehören hauptsächlich das Gesundheitsministerium und, in geringerem Maß, die Ministerien für Justiz, Soziales, Arbeit und Bildung, außerdem nationale Gesundheitsbehörden, Institute für Public Health und Kommunen. Zu den letzteren zählen vor allem Nichtregierungsorganisationen, zum Beispiel die Abstinenzler-Bewegungen. Alkoholpolitik in Europa 75 23 von 40 Ländern (Armenien, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Italien, Kroatien, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, die Republik Moldau, die Russische Föderation, Schweden, die Schweiz, Spanien, die Ukraine, Ungarn und Weißrussland) haben ihren Aktivitäten im Rahmen der nationalen Alkoholpolitik fest umrissene Ziele gegeben. Von diesen Ländern geben acht als Ziel eine Verringerung des Gesamtalkoholkonsums oder des Alkoholkonsums pro Kopf der Bevölkerung an. Die übrigen nennen hier eine Reduzierung der Alkoholprobleme oder andere, ganz spezielle Ziele. Italien will zum Beispiel die Prävalenz von Männern mit einem Alkoholkonsum von mehr als 40 Gramm pro Tag und von Frauen mit mehr als 20 Gramm pro Tag um mindestens 20 Prozent senken. Außerdem soll der Verbreitung des Trinkens zwischen den Mahlzeiten entgegengewirkt werden. Erhebungen zum Alkoholkonsum führen folgende Länder durch (jeweils in unterschiedlichen Intervallen und in verschiedenen Bevölkerungsgruppen): Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Irland, Israel, Italien, Kroatien (bis 1990 und wieder seit 1998), Litauen, Malta, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, die Schweiz, die Slowakei und Spanien. Regelmäßige Länderberichte zum Alkoholkonsum, zu alkoholbedingten Schäden oder zu Rahmenkonzepten zur Eindämmung des Alkohols werden veröffentlicht von: Armenien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Italien, Kasachstan, Litauen, Norwegen, Österreich, Schweden, der Schweiz, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Ungarn. Alkohol und die Europäische Kommission Seit der Ratifizierung des Maastrichter Vertrags im Jahr 1992 hat der PublicHealth-Bereich seine volle Anerkennung im Mandat der Europäischen Kommission erhalten, für das Artikel 152 des Amsterdamer Vertrags die Kommission jetzt mit Handlungskompetenz ausstattet. 1998 hat die Kommission einen Briefwechsel über die Entwicklung eines Rahmenkonzepts „Public Health“ in der Europäischen Union angenommen. Darin sind drei wichtige Handlungsfelder aufgezeigt: bessere Informationen über Gesundheit, Etablieren eines Verfahrens, das eine rasche Reaktion auf veränderte Umstände zulässt, und das Angehen von Faktoren, die für die Gesundheit entscheidende Bedeutung haben. Ein explizites Ziel des EU-Aktionsprogramms zur Gesundheitsförderung, -information, -erziehung und –ausbildung lautet, die Prüfung und Bewertung sowie den Austausch von Erfahrungen in Sachen Alkohol zu fördern und zugleich Maßnahmen zur Verhinderung von Alkoholmissbrauch sowie seiner gesundheitlichen und sozialen Folgen stärker zu unterstützen. In diesem Aktionsprogramm wird besonderer Bezug genommen auf Maßnahmen der Gesundheitserziehung am Arbeitsplatz und auf die Ausbildung von Gesundheitsfachleuten über Alkoholmissbrauch. Das andere Aktionsprogramm der Europäischen Union betrifft das 76 Alkohol in der Europäischen Region Gesundheits-Monitoring. Ziel der 1986 verabschiedeten Entschließung des Rates über Alkoholmissbrauch ist ein Abbau alkoholbedingter Probleme in den Mitgliedstaaten. Dies soll durch eine gemeinsame Initiative erreicht werden, die den wirtschaftlichen Gegebenheiten und den Anliegen der öffentlichen Gesundheit Rechnung trägt. Als einer der wichtigsten Risikofaktoren für die menschliche Gesundheit wird Alkohol ein Thema von größter Bedeutung bleiben, und zwar nicht nur für die einzelnen Mitgliedstaaten, sondern auch auf EU-Ebene. Da außerdem zur Zeit mit zwölf weiteren Ländern Verhandlungen über eine Mitgliedschaft in der EU stattfinden, wird die Bedeutung des Public-Health-Sektors (und damit auch die Betrachtung von Alkohol in der gesamten Europäischen Region) noch zunehmen. Die EU-Richtlinien, die bis dato verabschiedet worden sind, beziehen sich auf drei Aspekte einer Alkoholpolitik: Besteuerung, Werbung und der Transport von Alkohol zwischen den Mitgliedstaaten für den persönlichen Gebrauch. Die EU hat versucht, die Besteuerung von Alkohol unter ihren Mitgliedern zu harmonisieren. Bisher ist es ihr jedoch lediglich gelungen, einen Mindestverbrauchssteuersatz festzusetzen. Gemäß der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchssteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke gelten seit dem 1. Januar 1993 folgende Mindeststeuersätze: • für Wein (Tafelwein und Schaumwein): 0 ECU • für Bier: 0,748 ECU für einen Hektoliter je Grad Plato oder 1,87 ECU für einen Hektoliter je Alkohol-Grad des Fertigprodukts • für Zwischenerzeugnisse (Getränke mit einem Alkoholgehalt unter 22 Prozent, die nicht in die Gruppe der Weine oder Biere gehören): 45 ECU für einen Hektoliter und • für Spirituosen: 550 ECU für einen Hektoliter reinen Alkohols. Um die Bemühungen um eine Harmonisierung von Steuern und Abgaben weiter voranzutreiben, hat die EU die Grenzen für die Mengen an alkoholischen Getränken, die Reisende für den persönlichen Gebrauch zwischen den Mitgliedstaaten mitführen dürfen, sehr stark angehoben. Die Bestimmungen erlauben das Mitführen von 110 Litern Bier, 90 Litern Wein, 20 Litern Zwischenprodukten (Alkoholgehalt unter 22 Prozent) und zehn Litern Spirituosen. Einige Länder haben jedoch Vorbehalte gegen diese Richtlinie, da sie ein Risiko für die Sicherheit und die Gesundheit ihrer Bürger sehen. So sind zum Beispiel die Limits für Dänemark und Finnland viel niedriger. Hier sind es 15 Liter Bier, fünf Liter Wein, drei Liter Zwischenprodukte und ein Liter Spirituosen. Diese Ausnahmen bleiben bis Ende 2003 in Kraft. Die EU hat auch für die Fernsehwerbung für Alkohol Beschränkungen vorgesehen. Die Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 beschränkt Alkoholpolitik in Europa 77 den Inhalt von Alkoholwerbung im Fernsehen (die EG-Fernsehrichtlinie betrifft die Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit). Es heißt: Die Fernsehwerbung für alkoholische Getränke muss folgenden Kriterien entsprechen: Sie darf nicht speziell an Minderjährige gerichtet sein und insbesondere nicht Minderjährige beim Alkoholgenuss darstellen. Es darf keinerlei Verbindung zwischen einer Verbesserung der physischen Leistung und Alkoholgenuss oder dem Führen von Kraftfahrzeugen und Alkoholgenuss hergestellt werden. Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, Alkoholgenuss fördere sozialen oder sexuellen Erfolg. Sie darf nicht eine therapeutische, stimulierende, beruhigende oder konfliktlösende Wirkung von Alkohol suggerieren. Unmäßigkeit im Genuss alkoholischer Getränke darf nicht gefördert oder Enthaltsamkeit oder Mäßigung nicht negativ dargestellt werden. Die Höhe des Alkoholgehalts von Getränken darf nicht als positive Eigenschaft hervorgehoben werden. Die EU hat vor kurzem auch ein Programm mit vorrangigen Maßnahmen für Sicherheit im Straßenverkehr verabschiedet. Dazu zählt die Empfehlung zur Verabschiedung einer Grenze von 0,5 Promille oder weniger. Die Mitgliedstaaten sind ferner aufgerufen, die nötigen Hilfemaßnahmen zur Durchsetzung des Programms durchzuführen, nämlich Informationskampagnen, Verkehrskontrollen und die Verhängung von Strafen gegen betrunkene Verkehrsteilnehmer. Die EU bereitet darüber hinaus einen Vorschlag für ein neues Public-HealthAktionsprogramm für den Zeitraum 2001 bis 2006 vor, in dem Alkoholmissbrauch, zusammen mit Nikotin- und Drogenmissbrauch, als wichtige gesundheitliche Determinante anerkannt wird. Die EU will ferner ein europäisches Gesundheitsforum als beratendes Gremium etablieren. Die Kommission reagiert auf die zunehmende Internationalität der Jugendkultur, auf die Tatsache, dass Jugendliche durch Alkohol stärker gefährdet und häufiger in Unfälle und Gewalttaten verwickelt sind, und auf die Möglichkeit, dass ihre psychische und physische Entwicklung durch Alkohol beeinträchtigt werden kann, indem sie einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zum Alkoholkonsum durch Kinder und Heranwachsende erarbeitet. Es besteht auch eine deutliche Handlungsnotwendigkeit, um eine bessere und kontinuierliche Erhebung von Daten sicherzustellen und um den Austausch von Informationen über das jeweils beste Vorgehen in Sachen Alkohol zu erleichtern. Als Reaktion auf diese Notwendigkeit hat die EU verschiedene Maßnahmen und Forschungsvorhaben finanziert. Ein Beispiel ist die derzeit laufende Europäische Alkohol-Vergleichsstudie (ECAS = European Comparative Alcohol Study). Ihr Ziel ist, die jeweilige Alkoholpolitik in den EUMitgliedstaaten (sowie in Norwegen) zu untersuchen und die wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Dimensionen der Frage „Alkohol und Gesundheit“ zu erörtern. 78 Alkohol in der Europäischen Region Veränderungen in der Alkoholpolitik Will man untersuchen, welche Veränderungen in der Alkoholpolitik über die Jahre stattgefunden haben, muss man natürlich bedenken, dass die Zeitspanne zwischen 1994/95 und 1998/99 recht kurz ist. Dennoch haben sich (siehe Tabelle 15) gewisse Veränderungen abgespielt, und zwar in drei großen strategischen Bereichen: Gesetze gegen Fahren unter Alkohol (Promillegrenzen und Verkehrskontrollen mit Atemtests), Verfügbarkeit von Alkohol (Staatsmonopole für Alkohol, Ein- und Ausfuhrkonzessionen, Produktion oder Verkauf und Verkaufsbeschränkungen einschließlich Altersbeschränkungen) und schließlich Werbung für Alkohol (insbesondere Werbeverbote). Fast alle Länder (35 von 42) haben auf der einen oder anderen Stufe ihre Alkoholpolitik modifiziert. Daraus wird deutlich, dass sich Maßnahmen in der Alkoholpolitik recht häufig ändern und dass neue Bestimmungen eingeführt werden. Die zu beobachtenden Änderungen sind in beiden Richtungen eingetreten: Durch einige sind die Beschränkungen für Alkohol verschärft worden, durch andere ist genau das Gegenteil eingetreten. Die meisten Änderungen betreffen die Alkoholwerbung: 25 Länder haben Beschränkungen eingeführt oder einige abgeschafft, und zwar ungefähr im selben Maße. In 19 Ländern wurden die Verkaufsbeschränkungen geändert – in 13 Ländern sind sie verschärft, in 6 sind sie gelockert worden. Änderungen in der Konzessionsvergabe melden 15 Länder, wobei 10 Länder heute höhere Anforderungen stellen, 5 hingegen geringere. Die Promillegrenzen haben sich in 12 Ländern geändert; in 9 sind sie nach oben gegangen, in 3 Ländern nach unten. Änderungen bei den Alkoholtests gab es in 8 Ländern, wobei sieben Länder solche Tests eingeführt haben. Und schließlich hat sich der Umfang der Staatsmonopole für Alkohol in 7 Ländern geändert; ein Land hat ein neues Staatsmonopol eingeführt. Alles in allem betrachtet, sind von 85 zu beobachtenden Veränderungen in der Alkoholpolitik 53 (62%) in Richtung strikterer Bestimmungen und 32 (38%) in die andere Richtung gegangen. Die regionale Verteilung zeigt, dass im Beobachtungszeitraum fast alle Länder (17) in Westeuropa Veränderungen in ihrer Alkoholpolitik vorgenommen haben. Strengere Maßnahmen sind in 9 EU-Ländern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Österreich und Spanien) sowie in Israel und Malta eingeführt worden. Von den insgesamt 43 Veränderungen in dieser Gruppe gehen 32 (74%) in Richtung mehr Strenge, 11 in Richtung weniger Strenge. In Mittel- und Osteuropa haben 10 von 13 Ländern ihre Alkoholpolitik geändert. 4 von ihnen (Estland, Kroatien, Lettland und Polen) sind strenger geworden. Von den insgesamt 24 Veränderungen in der Region betreffen 12 die Einführung neuer Beschränkungen und die anderen 12 das Fortfallen von Beschränkungen. Unter den 9 NUS-Ländern haben sieben Veränderungen vorgenommen. 3 Länder (Aserbeidschan, die Republik Moldau und Weißrussland) haben eine strengere Alkoholpolitik in Europa 79 Tabelle 15: Veränderungen in den Gesetzen gegen Alkohol am Steuer, in der Verfügbarkeit von Alkohol und in der Alkoholwerbung im Zeitraum 1994/95 bis 1998/99 Alkohol am Steuer Land Armenien Aserbaidschan Belgien BosnienHerzegowina Bulgarien Dänemark Deutschland EJR Estland Finnland Frankreich Georgien Griechenland Irland Island Israel Italien Kasachstan Kroatien Lettland Litauen Luxemburg Malta Niederlande Norwegen Österreich Polen Portugal Republik Moldau Rumänien Russische Föderation Schweden Schweiz Slowakei Slowenien Spanien Tschech. Republik Ukraine Ungarn Usbekistan Vereinigtes Königreich Weißrussland Verfügbarkeit von Alkohol ‰ Grenze Tests Staatsmonopole Konzessionierung l l l u l l u l u l Werbung Verkaufsbeschränkungen u u l l l l u l Alkoholwerbung l l u u u l l l l l u u l l l l u u l l l l l l l l l u u l l u u u l l l l u u u u l l u l l Legende: 0 /00-Grenze: QLHGULJHUH0/00-Grenze; ♦ = höhere 0/00-Grenze Atemtests: HLQJHIKUW♦ = abgeschafft Staatsmonopole: HLQJHIKUW♦ = abgeschafft Konzessionierung: PHKU.RQ]HVVLRQLHUXQJ♦ = weniger Konzessionierung Verkaufsbeschränkungen: PHKU%HVFKUlQNXQJHQ♦ = weniger Beschränkungen Werbung: PHKU%HVFKUlQNXQJHQ♦= weniger Beschränkungen u l l u l u l l l u l u u u u l l l u l Anmerkung: Bei Ländern, die die Anfrage beantwortet, aber keine Änderungen angegeben haben, erscheint kein Symbol Alkohol in der Europäischen Region 80 Alkoholpolitik als früher. Was die Gesamtrichtung der Veränderungen betrifft, so ist die Situation in den NUS-Ländern dieselbe wie die in Mittelund Osteuropa: Die eine Hälfte der Veränderungen geht in Richtung mehr Strenge, die andere Hälfte in Richtung weniger Strenge. Gesetze gegen Fahren unter Alkohol Blutalkoholkonzentration In den vergangenen fünf Jahren haben mehrere Länder (Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Österreich und Spanien) ihre Promillegrenzen gesenkt. Die meisten von ihnen gehörten vorher zur Gruppe der Länder mit der hohen Grenze von 0,8 Promille, bevor sie sie auf 0,5 Promille gesenkt haben. Estland hat seine Grenze jedoch von 0,5 auf null Promille gesenkt. Malta hat erstmalig eine Promillegrenze eingeführt (0,8 0 /00). Drei Länder haben ihre Promillegrenze angehoben: Georgien von null auf 0,3 0/00, Bulgarien von 0,2 0/00 auf 0,5 0/00 und die Russische Föderation von 0,1 0/00 auf „einen Zustand der Trunkenheit“. Alles in allem stellt sich die Veränderung in der Verteilung der Promillegrenzen über die vergangenen fünf Jahre so dar, dass mehr Länder eine niedrigere Grenze haben (siehe Tabelle 16). Dieser Wandel ist vor allem in den EU-Ländern eingetreten. Tabelle 16: Veränderungen der zulässigen Blutalkoholkonzentration Promillegrenzen 1994 (n = 36) (in %) 1999 (n = 42) (in %) 0,0–0,1 0,2–0,3 0,4–0,5 0,7–0,8 14 14 42 31 26 10 50 14 Zufällige Atemtests 1994/95 gab es erst in 27 von 39 Ländern (69 Prozent) solche Kontrollen, verglichen mit 35 von 41 Ländern (85 Prozent) im Jahr 1999. Vor etwa fünf Jahren hatten zwölf Länder keine solchen Kontrollen, 1999 waren es nur noch sechs. Sieben Länder (Griechenland, Island, Italien, Malta, Österreich, die Republik Moldau und die Ukraine) haben unlängst AtemAlkoholkontrollen eingeführt, während Georgien sie abgeschafft hat. Die Häufigkeit, mit der zufällige Atemtests durchgeführt werden, hat ebenfalls leicht zugenommen. 1994 gab es in 35 Prozent der Länder häufige Kontrollen, 1999 waren es 44 Prozent. Alkoholpolitik in Europa 81 Verfügbarkeit von Alkohol Staatsmonopole Sechs Länder haben ihr Staatsmonopol im Zeitraum 1994 bis 1999 in unterschiedlichem Ausmaß abgebaut. Österreich und die Schweiz haben dies in bezug auf die Produktion von Spirituosen getan, Litauen bei der Produktion von Wein, Bulgarien für die gesamte Alkoholproduktion und Lettland für die Herstellung und Verteilung von Wein und Spirituosen. Norwegen hat sein Staatsmonopol für den Verkauf von Alkohol über den Einzelhandel beibehalten. Weißrussland ist das einzige Land, das ein umfassenderes Staatsmonopol eingeführt hat. Dieses deckt jetzt auch den Groß- und Einzelhandel sowie die Ein- und Ausfuhr alkoholischer Getränke ab. Lizenzierung In der Folge eines teilweisen Abbaus ihres Staatsmonopols haben vier Länder (Bulgarien, Litauen, Norwegen und Weißrussland) die Lizenzierung aller Einfuhren, Ausfuhren, der gesamten Herstellung und des Verkaufs von Alkohol eingeführt. Aserbeidschan hat ebenfalls mehr Bestimmungen eingeführt (Konzessionen auf Herstellung und Verkauf), ebenso Belgien (Einzelhandel mit Spirituosen), Deutschland (Einzelhandel), Polen (alle Bereiche) und Schweden (alle Bereiche). Fünf Länder haben ihre Lizenzbestimmungen ganz oder teilweise abgeschafft: Dänemark, Spanien und die Tschechische Republik hatten früher Konzessionen für die Herstellung und/oder den Verkauf von Alkohol, heute haben sie keinerlei solche Beschränkungen mehr. Die Slowakei hat die Lizenzierung im Verkauf aufgegeben und dafür beim Import eingeführt. In Portugal schließlich existiert keine Lizenzvergabe mehr für den Verkauf, dafür sind jetzt Einfuhren, Ausfuhren und Herstellung mit Lizenzen belegt. Verkaufsbeschränkungen Drei Länder (Dänemark, Italien und Weißrussland) hatten früher keine Altersbeschränkung für den Kauf von Alkohol, heute wird ein höheres Mindestalter vorgeschrieben. Zwei Länder (Bulgarien und die Ukraine) haben ihre Altersgrenzen herabgesetzt. Acht Länder haben neue Verkaufsbeschränkungen erlassen: Deutschland, Italien (Spirituosen) und Kroatien (Spirituosen) haben die Anzahl der verkaufsoffenen Stunden begrenzt. Dänemark, Lettland, Luxemburg und Spanien haben Beschränkungen bei den Verkaufsstellen eingeführt. Portugal hat in beiden Bereichen Einschränkungen vorgenommen. In Italien und Spanien sind einige Beschränkungen weggefallen, andere dafür hinzugekommen. Demgegenüber haben acht Länder in der einen oder anderen Form Verkaufsbeschränkungen abgeschafft: Die Russische Föderation, Slowenien, Spanien und die Ukraine haben die Anzahl der verkaufsoffenen Stunden erhöht, Island und Litauen haben die Anzahl der 82 Alkohol in der Europäischen Region verkaufsoffenen Tage erhöht. Bulgarien hat beides getan. Italien hat die Anzahl der verschiedenen Verkaufsstellen erweitert. Mehrere Länder hatten außer einem Mindestalter keine Beschränkung für den Verkauf von Alkohol. 1994/95 waren dies Armenien, Aserbeidschan, Deutschland, Georgien, Griechenland, Israel, Lettland, Österreich, Portugal, die Slowakei und Weißrussland. Vier Länder (Deutschland, Lettland, Portugal und Weißrussland) haben seitdem Beschränkungen beim Verkauf eingeführt. Für Aserbeidschan und Georgien standen keine Informationen zur Verfügung. 1999 haben immer noch sieben Länder (Armenien, Griechenland, Israel, Österreich, die Republik Moldau, die Slowakei und Slowenien) keine Beschränkungen für den Verkauf von Alkohol. Alkoholwerbung Im Fünf-Jahres-Zeitraum haben 13 Länder die Alkoholwerbung weiter eingeschränkt. Israel, Luxemburg und Malta haben freiwillige Selbstbeschränkungen eingeführt. Aserbeidschan und die Republik Moldau, die früher keine Beschränkungen hatten, haben jetzt allen Medien rechtswirksame Beschränkungen auferlegt. Belgien, Österreich und die Slowakei haben jetzt rechtswirksame Beschränkungen für die Alkoholwerbung, wo sie früher hauptsächlich freiwillige Selbstbeschränkungen hatten. Italien hat einige zusätzliche rechtswirksame Beschränkungen eingeführt. Lettland, Slowenien, Spanien und Weißrussland haben die Alkoholwerbung zum Teil völlig verboten. Elf Länder haben hingegen im Vergleich zu früher weniger oder weniger strenge Beschränkungen. Kroatien, die Russische Föderation und Schweden haben ihr völliges Werbeverbot teilweise aufgehoben. Rumänien hat die Beschränkungen für Fernseh- und Radiowerbung abgeschafft. Portugal hat die Bestimmungen für Alkohol auf Plakatwänden gelockert. Finnland hat sein Verbot für Spirituosen-Werbung in Printmedien aufgehoben. In der Ukraine ist jetzt Werbung für Bier im Fernsehen, im Radio und auf Plakatwänden erlaubt. Die Schweiz erlaubt Werbung für Wein und Bier auf Plakatwänden und Anzeigen für Spirituosen in Printmedien. In Litauen bestand ein vollständiges Werbeverbot für Spirituosen und Wein; heute ist dort nur noch die Werbung im Fernsehen und im Radio eingeschränkt. In Bulgarien war Alkohol im Fernsehen, im Radio und in den Printmedien generell verboten; heute gelten rechtswirksame Beschränkungen in allen Medien. 1994/95 hatten sieben Länder ein vollständiges Werbeverbot für Alkohol in allen Medien. Diese Zahl ist auf ganze drei zurückgegangen. Im selben Zeitraum hatten acht Länder keinerlei Beschränkungen für Alkoholwerbung. 1999 waren es noch drei, auf die dies zutraf. Freiwillige Selbstbeschränkungen für alle Medien bestehen in acht Ländern. Sechs von ihnen haben alle freiwilligen Beschränkungen beibehalten. Alkoholpolitik in Europa 83 Andere Änderungen 1994/95 gab es in 24 von 40 Ländern (60 Prozent) Gesetze zur Schaffung alkoholfreier Lebensbereiche. Diese Zahl ist in den vergangenen Jahren gestiegen: 33 von 39 Ländern (85 Prozent) beschränken den Alkoholkonsum heute wenigstens in einigen öffentlichen und privaten Lebensbereichen oder am Arbeitsplatz. Früher existierte in 14 Ländern eine Obergrenze für den Alkoholgehalt von Getränken. Bis 1999 ist diese Zahl auf 20 gestiegen. Früher haben nur fünf Länder einen Teil ihrer Einkünfte aus dem Verkauf von Alkohol für die Prävention oder die Behandlung von Alkoholabhängigkeit abgezweigt, 1999 waren es sechs Länder. Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. CONWAY, K. & HILL, L. Submission to the Select Committee on International Affairs & Local Government on the Local Government Law Reform Bill. In: Österberg, E. & Simpura, J., ed. Charter strategies evidence: the scientific evidence for the ten strategies in the European Charter on Alcohol. Helsinki, National Research and Development Centre for Welfare and Health, 1999. Handbuch Alkohol-Österreich, Zahlen, Daten, Fakten, Trends 1999. [Alcohol handbook-Austria: figures, data facts, trends 1999]. Vienna, Federal Ministry of Labour, Health and Social Affairs, 1999. EDWARDS, G. ET AL. Alcohol policy and the public good. Oxford, Oxford University Press, 1994. ÖSTERBERG, E. & SIMPURA, J., ED. 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Das trifft insbesondere auf die Alkoholpolitik zu. Worum es hier geht, nämlich Alkohol, ist häufig zugleich auch ein kulturelles Symbol, ein Zeitvertreib, eine Handelsware, aber eben auch ein gesundheitlich relevanter Faktor. Daher überrascht es nicht, dass eine gesundheitsförderliche Politik in Sachen Alkohol unter diesen Umständen – angesichts der Widerstände aus verschiedenen Richtungen – um Akzeptanz kämpfen muss. Die Formulierung und Umsetzung einer Alkoholpolitik muss von einem starken und nachhaltigen Engagement für die Verbreitung der wahren und ausgewogenen Tatsachen über Alkohol als gesundheitlichem Thema begleitet werden. Die Unterstützung durch die Öffentlichkeit darf nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden, sondern muss im Laufe der Zeit wachsen. Die Menschen müssen zum Beispiel besser verstehen, dass es nicht nur um ihre eigene Gesundheit und ihr eigenes Glück geht, die durch Alkohol in Mitleidenschaft gezogen werden können, sondern dass der Alkoholgenuss anderer ebenso negative Folgen für sie selbst als Unbeteiligte haben kann, zum Beispiel, wenn jemand Opfer von Trunkenheit im Straßenverkehr oder von Gewalttätigkeit wird. Auch die Kosten, die dem Steuerzahler dadurch entstehen, dass Finanzmittel aus dem Gesundheitswesen in andere gesellschaftliche Bereiche umgelenkt werden, sowie viele anderen Arten alkoholbezogener Kosten gehören zu diesen externen Merkmalen des Alkoholkonsums. Ebenso muss, wenn eine Alkoholpolitik die ihr zustehende Unterstützung gewinnen soll, das Bewusstsein dafür entwickelt werden, dass Alkoholgenuss als individuelle Handlung zwar der persönlichen Verantwortung unterliegt, dass Alkoholgenuss aber auch ein Verhalten ist, das von der 86 Alkohol in der Europäischen Region Gesellschaft geformt wird und für das die Gesellschaft als Ganzes Verantwortung trägt. Daher ist es kontraproduktiv, wenn gesundheitspolitische Antworten nur auf den Einzelnen abstellen und dabei die sehr wichtige Perspektive der öffentlichen Gesundheitsfürsorge vernachlässigt wird. Diese besagt nämlich, dass Setting-orientierte Maßnahmen, die die Trinkgewohnheiten von Menschen verändern können, im nötigen Mix verschiedener Strategien eine hohe Bedeutung haben (1, 2). Alkoholkonsum ist eine persönliche Angelegenheit, aber in jederlei Hinsicht ebenso eine öffentliche und gesellschaftliche Angelegenheit. Ausgehend von dieser einleitenden Überschrift lautet daher die These, dass eine nationale Alkoholpolitik auf einem Boden nationaler und lokaler Unterstützung wurzeln muss. Mehr Aufmerksamkeit als in der Vergangenheit sollte darauf verwendet werden, durch welche Mechanismen diese Unterstützung zu gewinnen ist, und wie sich solche Aktivitäten unterstützen und umsetzen lassen. Dies ist kein Vorgang, den man getrost dem Zufall überlassen kann. Die gesamte Alkohol konsumierende Bevölkerung sollte das Ziel der Public-Health-Anstrengungen sein Ein Rahmenkonzept „Alkohol“ muss die gesamte Alkohol konsumierende Bevölkerung einbeziehen, um das Aktionsspektrum im Bereich Public Health zu definieren. Eine Alkoholpolitik sollte sich nicht auf das Phänomen „Alkoholismus“, den Alkoholabhängigen oder die stärksten Ausprägungen alkoholbedingter Krankheit beschränken, sondern sowohl alkoholbedingte Probleme als auch Alkoholabhängigkeit einbeziehen. Eine solche Alkoholpolitik sollte sich akuten Problemen und Problemen durch Unfälle ebenso wie langfristigen Problemen widmen. Sie sollte sich mit den sozialen, psychischen und physischen Folgen von Alkoholgenuss befassen. Sie sollte geringere und verbreitete ebenso wie größere und weniger verbreitete Probleme angehen. Eine Alkoholpolitik muss sich um die negativen Auswirkungen des Trinkens auf Familien und, wie oben ausgeführt, auf andere Menschen und den Trinker als solchen kümmern. Sie muss das Problem des Fahrens unter Alkohol und andere Aspekte alkoholbedingter Rechtsverstöße berücksichtigen. Junge Menschen können besonders vulnerabel für alkoholbedingte Verkehrsunfälle und Gewalttaten als Folge von Alkoholgenuss sein. Es ist eminent wichtig, dass die Alkoholpolitik ein feines Gespür für die Notwendigkeit hat, diese Altersgruppe zu schützen (3). Präventionsmaßnahmen, die Trinker im Allgemeinen beeinflussen, werden auch Auswirkungen auf schwere Trinker haben. Die trinkende Bevölkerung verhält sich insgesamt wie ein System und nicht wie mehrere unterschiedliche Teile. Eine Zu- oder Abnahme in der Gesamttrinkmenge führt Alkoholpolitik: Positive Auswirkungen auf die Gesundheit sichern 87 zu Verschiebungen in allen Teilen des Trinkspektrums, auch bei schweren Trinkern. Viele alkoholbedingte Probleme sind in weiten Kreisen der trinkenden Bevölkerung vertreten und nicht nur auf die schweren Trinker konzentriert. Eine Alkoholpolitik, die auf den größeren Teil einer Bevölkerung abzielt, in dem sich individuelle Risiken weniger stark manifestieren, der aber insgesamt betrachtet viele Probleme hat, kann, jedenfalls bei einigen Problemen, größeren Nutzen für die Gesundheit der Bevölkerung haben als die Hinwendung auf einen kleineren Bevölkerungsteil mit höherem Risiko, aber mit (in der Summe) einer geringeren Anzahl von Problemen. Die Gesamtstrategie für eine Alkoholpolitik muss sein, eine Umgebung zu schaffen, die Menschen hilft, gesundheitsförderliche Entscheidungen zu treffen, und die ungesundes Verhalten schwieriger oder teu(r)er macht. Jede Maßnahme, die die Verfügbarkeit von Alkohol in einem Land potenziell erhöht, ob als Ergebnis von Handelsvereinbarungen, einer Senkung des echten Preises alkoholischer Getränke oder einer Minderung bzw. Abschaffung von Beschränkungen im Einzelhandel, sollte daher, jenseits aller anderen Perspektiven, aus dem Blickwinkel der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit beurteilt werden. Besteuerung von Alkohol Die Besteuerung von Alkohol ist eine effiziente milieuorientierte Maßnahme zur Minderung von Alkoholproblemen. Der Alkoholkonsum in einer Bevölkerung reagiert im Allgemeinen auf den Preis, wobei eine Erhöhung des Preises zu einem verringerten Konsum und eine Preissenkung zu einem erhöhten Konsum führt (1, 2). Durch die Beziehung zwischen Konsum und individuellen Problemen in der Bevölkerung ist die Besteuerung von Alkohol ein Public-Health-Instrument von großer potenzieller Effizienz bei der Verringerung alkoholbedingter Schäden. Die genaue Beziehung zwischen dem Preis von Alkohol und dem Ausmaß des Alkoholkonsums hängt von der jeweiligen Bevölkerung, Schwankungen im Einkommen, der Art des Getränks und dem historischen Zeitabschnitt ab. Grob verallgemeinert kann man sagen, dass eine zehnprozentige Preiserhöhung den Bierkonsum um ungefähr fünf Prozent senkt, den Weinkonsum um 7,5 Prozent und den Konsum von Spirituosen um zehn Prozent. Es gibt bestimmte Hinweise, dass Trinker mit höherem Alkoholkonsum disproportional betroffen werden und dass eine Verteuerung des Alkohols zu einer größeren Abnahme der Mortalität durch Leberzirrhose führt als zu einer Abnahme des Alkoholkonsums. Ein zehnprozentiger Rückgang im Pro-KopfVerbrauch führt zu einer etwa 20-prozentigen Abnahme der alkoholbedingten Mortalität bei Männern sowie zu einem fünfprozentigen Rückgang der 88 Alkohol in der Europäischen Region tödlichen Unfälle, Selbstmorde und Tötungsdelikte in der Gesamtbevölkerung. Es ist allerdings zu betonen, dass diese Zahlen nur Näherungswerte darstellen. Verfügbarkeit von Alkohol Milieuorientierte Maßnahmen, die den physischen Zugang von Menschen zu Alkohol beeinflussen, können einen wichtigen Beitrag zur Vorbeugung von Alkoholproblemen leisten. Zu solchen Maßnahmen gehören die Verordnung eines Mindestalters für den Konsum von Alkohol, Beschränkungen der Stunden oder Tage, an denen Alkohol verkauft werden darf, und Konzepte bezüglich der Anzahl, Art oder Lage der Verkaufsstellen (1). Eine Zunahme der Dichte der Verkaufsstellen und der Öffnungszeiten oder -tage, an denen Alkohol verkauft werden darf, können jeweils eine Zunahme des Verbrauchs bewirken. Ein höheres Mindestalter kann die Zahl der alkoholbedingten Verkehrsunfälle um bis zu einem Viertel senken sowie den Alkoholkonsum und alkoholbedingte Todesfälle zurückgehen lassen. Verantwortungsbewusster Ausschank von Alkohol und entsprechende Ausbildungsmaßnahmen für das Personal sowie mehr Verantwortlichkeit des Personals können zur Senkung der Anzahl alkoholbedingter Verkehrsunfälle führen. Alkohol am Steuer Maßnahmen gegen Trunkenheit im Straßenverkehr sind wirksam, solange sie mit Nachdruck und einem hohen Maß an öffentlicher Publizität umgesetzt werden (1). Abschreckungsmaßnahmen und die strikte Umsetzung von Gesetzen gegen Alkohol am Steuer sind von fundamentaler Bedeutung. Wichtig ist auch, Personal, das mit der Abgabe von Alkohol zu tun hat, zu schulen und Personen, die Alkohol an Betrunkene abgeben, rechtlich für die Folgen haftbar zu machen. Junge Menschen, die nach Alkoholkonsum fahren, sind einem besonderen Risiko ausgesetzt, da sie sowohl im Fahren als auch im Trinken unerfahren sind. Eine Gegenmaßnahme, die sich hier anbietet, ist, eine niedrigere Promillegrenze für junge Fahrer festzusetzen. Zufällige Alkoholkontrollen, die sozusagen im vollen Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit stattfinden, können die Anzahl tödlicher Verkehrsunfälle nachhaltig um mindestens 20 Prozent reduzieren, die der Verkehrsunfälle mit Alkoholbeteiligung sogar um mindestens ein Drittel. In Wirklichkeit kann ein Mensch bei einer viel niedrigeren Blutalkoholkonzentration fahruntüchtig sein als der normalerweise angegebenen. Alkoholpolitik: Positive Auswirkungen auf die Gesundheit sichern 89 Werbebeschränkungen Es gibt einige Anzeichen dafür, dass Werbebeschränkungen zu einem niedrigeren Alkoholkonsum mit der Folge geringerer alkoholbedingter Schäden führen (1). In stabilen und gesättigten Märkten dient Werbung hauptsächlich dazu, alte Kunden durch neue Konsumenten zu ersetzen und zu verhindern, dass Aufklärungsmaßnahmen den Alkoholkonsum beeinträchtigen. Heutzutage unterstreicht die Werbung mehr den Charakter und die Attraktivität der Produkte sowie den gesellschaftlichen Kontext, in dem die Produkte benutzt werden, als die Produkte selbst. Die Alkoholwerbung zeigt den Konsum von Alkohol als sicher und problemlos, wobei die potenziellen gesundheitlichen Risiken und die negativen Folgen des Alkoholkonsums heruntergespielt werden. Durch ihre Botschaften hält die Alkoholwerbung die gesellschaftliche Attraktivität des Alkoholkonsums aufrecht, stellt das Risiko des Alkoholkonsums für den Einzelnen und für die öffentliche Gesundheit in den Hintergrund und bestreitet die Ziele der Prävention. Diese indirekten Auswirkungen alleine sind genügend Rechtfertigung für die These, dass die Quantität und der Inhalt der Alkoholwerbung beschränkt werden müssen. Länder, die der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) angehören und die Werbung für Spirituosen verbieten, haben einen etwa 16 Prozent geringeren Alkoholkonsum als Länder ohne ein solches Verbot. Länder, in denen weder für Bier noch für Wein geworben werden darf, haben einen um elf Prozent geringeren Alkoholkonsum im Vergleich zu Ländern, in denen nur die Werbung für Spirituosen untersagt ist. Die Zahl der tödlichen Verkehrsunfälle ist etwa zehn Prozent niedriger in Ländern mit einem Werbeverbot für Spirituosen und etwa 23 Prozent niedriger in Ländern mit einem totalen Werbeverbot. Bei jungen Menschen lässt sich eine Ausweitung der Alkoholwerbung um fünf Minuten in Zusammenhang mit einer Zunahme des Alkoholkonsums um fünf Gramm pro Tag bringen. Die Alkoholwerbung darf nicht isoliert und nur unter dem Aspekt ihrer direkten Auswirkungen auf den individuellen Alkoholkonsum oder auf den Gesamtalkoholkonsum betrachtet werden, sondern als ein Einfluss, der sich auf den Kontext auswirkt, in dem Aufklärung über Alkohol erfolgt und in dem alkoholbezogene Grundsatzkonzepte formuliert werden. Behandlung Wenn die Behandlung von Alkoholproblemen spürbare Auswirkungen auf die gesamte Bevölkerung haben soll, muss sie angemessen sein und über die Gesamtheit des Gemeinwesens stattfinden. Alkoholprobleme können je nach Art und Ausprägung verschiedene Formen der Intervention notwendig machen. Ein Rahmenkonzept kann nicht auf der Annahme gründen, dass für 90 Alkohol in der Europäischen Region jedes Alkoholproblem nur eine bestimmte Behandlung angemessen ist. Die vorhandenen Daten belegen, dass einfache Hilfe in einem Umfeld der allgemeinen oder Primärversorgung häufig effektiv ist (4). Niederschwellige ambulante Therapieangebote umfassen wahrscheinlich mehrere Teile: eine Einschätzung des Alkoholkonsums, Informationen über gefährlichen oder schädlichen Alkoholkonsum und deutliche Ratschläge für den Einzelnen, seinen Konsum zu senken. Bei solchen Kurzinterventionen erhalten die Teilnehmer oft ein informatives Begleitheft, und sie erfahren, welche Hilfeangebote es vor Ort noch gibt. Obwohl die Ergebnisse der vorgenommenen Untersuchungen nicht durchgehend übereinstimmen, hat man in einigen Arbeiten doch gesehen, dass niederschwellige ambulante Therapieangebote den Alkoholkonsum von Menschen mit gefährlichem oder schädlichem Alkoholgenuss um mehr als 25 Prozent reduzieren können. Aufklärung an Schulen und in der Öffentlichkeit Diese Elemente eines Rahmenkonzeptes haben ein Ziel gemeinsam: das Wissen, die Einstellung und das Verhalten des Einzelnen zu beeinflussen. Aufklärung an Schulen sowie in der allgemeinen Bevölkerung sind Formen der Intervention, die von ihrer Art her mit vielen anderen Milieueinflüssen interagieren. Wenn sie eine Wirkung haben, dann dürfte diese längerfristig erzielt werden. Die langfristige Effizienz ist schwer zu ermitteln, aber wenn diese Maßnahmen Nutzen bringen, dann dürfte dieser Nutzen eher indirekter Art sein und sich in Form eines stärkeren Problembewusstseins in der Politik und in der Öffentlichkeit bemerkbar machen. Zurzeit gibt es keine Forschungsergebnisse, die für einen Einsatz von Aufklärungsmaßnahmen an Schulen oder für Aufklärungskampagnen in den Massenmedien als vorrangige alkoholpolitische Maßnahme sprächen oder die Aufwendung erheblicher Mittel für diesen Zweck rechtfertigten, es sei denn, die Maßnahmen fänden in einem größeren Aktionsrahmen auf Ebene des Gemeinwesens statt (1). Bisher gibt es keinen Beleg für die Wirksamkeit von Kampagnen, die, als strategische Maßnahme im Bereich der öffentlichen Gesundheit, Trinkern in der Bevölkerung beibringen wollen, die Anzahl der konsumierten Alkoholeinheiten zu zählen (1). Außerdem besteht die Gefahr, dass die Rede von einer „sicheren Grenze“ größere Teile der Bevölkerung zum Trinken veranlasst und leichte Trinker verleitet, Alkohol bis zu dieser Grenze zu konsumieren. Alkoholpolitik: Positive Auswirkungen auf die Gesundheit sichern 91 Gemeindenahe Aktionsprogramme Die Länder in der Europäischen Region haben von verschiedenen gemeindenahen Aktionsprogrammen berichtet. Diese haben oft ganz unterschiedliche Gestaltungsformen. Sie bilden einen Rahmen sowohl für milieuorientierte Interventionen als auch für Strategien der Informationsverbreitung. Die bis dato vorliegenden Hinweise deuten darauf hin, dass umfassende gemeindebezogene Handlungsansätze das Ausmaß von Alkoholproblemen reduzieren können. Auf nationaler Ebene erscheint es jedoch so, dass die Akzeptanz für solche Programme in einem Gemeinwesen oder, besser noch, die aktive Unterstützung durch das Gemeinwesen eine notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung jeder Anstrengung in Sachen öffentliche Gesundheit auf lokaler Ebene ist. Eine solche aktive Unterstützung muss Bestandteil einer Alkoholpolitik sein. Strategien für gemeindenahe Aktionsprogramme tragen dieser Tatsache Rechnung. Sie zielen darauf ab, die in einem Gemeinwesen vorhandenen Ressourcen zu mobilisieren und für diesen Zweck einzusetzen. Alkoholpolitik und koronare Herzerkrankungen Die aus vielen epidemiologischen Studien vorliegenden Daten zeigen, dass leichte oder mäßige Trinker eine niedrigere Mortalität durch koronare Herzerkrankungen (KHK) haben als Abstinenzler. Die Relation ist daher Jförmig (1). Dieser Effekt bestätigt sich sogar, wenn man Menschen, die wegen Krankheit aufgehört haben zu trinken, außer Acht lässt und wenn etliche andere potenzielle Störfaktoren ebenfalls eliminiert werden. Es gibt mögliche biologische Erklärungen für diesen anscheinenden kardioprotektiven Effekt, und zwar als Einfluss des Alkohols auf die Blutgerinnung. Sollte man Menschen daher raten, um ihres Herzens willen Alkohol zu trinken? Eine Überprüfung der Fakten und der widerstreitenden Argumente (5) deutet darauf hin, dass eine kategorische Botschaft dieser Art unklug wäre. • Wenn Störfaktoren bezüglich der sozialen und wirtschaftlichen Position eines Individuums eliminiert werden, lässt sich der kardioprotektive Effekt unter Umständen nicht mehr finden. Arme und isoliert lebende Menschen vergrößern die Gruppe der Abstinenzler oder der sehr leichten Trinker. Sie stellen eventuell eine Bevölkerungsgruppe dar, deren Lebensweise ihre Vulnerabilität für Herzerkrankungen erhöht, so dass der Artefakteinfluss hierdurch wächst. • Die kardioprotektiven Untersuchungs-Ergebnisse sind nicht überall festzustellen. Eine jüngere Studie aus Schottland hat für Trinker keinerlei Mortalitätsvorteil gezeigt (6). Alkohol in der Europäischen Region 92 • Falls solche Vorteile überhaupt existieren, dürften sie sich auf Männer über 40 Jahre und auf Frauen nach dem Klimakterium beschränken und nicht für die gesamte Bevölkerung gelten. • Es gibt Forschungsarbeiten, nach denen Alkohol für manche Menschen sogar Gift für das Herz sein kann, da er Herzrhythmusstörungen hervorrufen kann. Unter gewissen Umständen ist Alkohol also schlecht für das Herz. Angesichts der weiter voranschreitenden Forschung bietet es sich zurzeit an, die vorhandenen Erkenntnisse so zu interpretieren, dass es effizientere und besser belegte Möglichkeiten gibt, sein Herz zu schützen, als durch ,,Alkohol als Medizin“. Für die Bevölkerung als Ganzes dürften die Risiken einer Botschaft, die den Alkoholkonsum erhöhen könnte, jeglichen kardioprotektiven Nutzen übersteigen. Schlussfolgerungen Eine Politik der öffentlichen Gesundheit in Sachen Alkohol sollte in die gesamte übrige Gesundheitsplanung auf nationaler und lokaler Ebene integriert sein. Die Zeit ist lange vorbei, in der man auf den Alkoholkonsum zielende Aktionen als eine Art beliebiges Extra betrachten konnte. Eine Voraussetzung für die Schaffung effizienter Ansätze zur Lösung des Problems ist jedoch ein nachhaltiges Engagement für den öffentlichen Dialog und die Verbreitung von Informationen über die Art des Problems und die rationale Basis für mögliche Grundsatzentscheidungen. Heutzutage gibt es weltweit eine große Menge qualitativ hochwertiger Forschungsarbeiten, die uns über die möglichen Grundsatzentscheidungen in Sachen Alkohol informieren. Die existierenden Daten sagen uns, dass wir einen Mix von Konzepten brauchen und nicht einen „Geniestreich“ in Form eines einzigen Ansatzes. Maßnahmen in Bezug auf bestimmte Situationen des Alkoholgenusses können wirksam sein. Schritte gegen Trunkenheit am Steuer bieten ein überzeugendes Beispiel. Andere Maßnahmen werden milieuorientierte Strategien umfassen – etwa die Preisgestaltung und die Steuerung der Voraussetzungen für den physischen Zugang zu Alkohol – und damit die Entscheidung für eine gesunde Lebensweise erleichtern und die Wahl einer ungesunden Lebensweise unnötig machen. Die Behandlung, besonders im Rahmen der Primärversorgung, ist ein wichtiges Element als Teil des gesamten Public-Health-Ansatzes. Wenn man auf der Grundlage der vorhandenen Evidenz eine Auswahl aus dem Mix politischer Optionen treffen will und die Forschung keine Basis für Aufklärungsmaßnahmen in der Schule oder in der Öffentlichkeit als Schlüsselelemente einer Alkoholpolitik hergibt, dann muss man eben weiterschauen. Es kann gefährlich sein, wenn Aufklärung zu einem Zeitvertreib verkommt, während effizientere Ansätze als Maßnahme gegen handfeste Interessen vernachlässigt werden. Werbebeschränkungen Alkoholpolitik: Positive Auswirkungen auf die Gesundheit sichern 93 können einen positiven Einfluss auf die Gesundheit breiter Bevölkerungskreise haben, indem sie das Klima der Auseinandersetzung mit dem Thema „Alkohol“ beeinflussen und dem Einzelnen das Trinken weniger schmackhaft machen. „Alkohol für die Gesundheit“ ist keine kluge oder hilfreiche Botschaft. Ein Rahmenkonzept Alkohol muss auf nationaler ebenso wie auf lokaler Ebene formuliert und umgesetzt werden. Beide Ebenen müssen miteinander integriert werden. Diese beiden grob umrissenen Herangehensweisen unterstützen einander. Zusammen sind beide mehr als die Summe ihrer Einzelteile. Gleich, ob auf nationaler oder lokaler Ebene: Die Ansätze, deren es bedarf, müssen sektorübergreifend sein; sie müssen außerdem auf die Bevölkerung abzielen und auf häufige ebenso wie auf verschiedenartige Formen des Auftretens gerichtet sein, nicht nur auf den einzelnen Fall oder den Extremfall. Die vorhandenen Forschungserkenntnisse zeigen in überzeugender Weise, dass eine integrierte Mischung verschiedener Alkohol-Konzepte der Art, wie sie hier herausgestellt wurde, mit öffentlicher Unterstützung hochwirksame Maßnahmen im öffentlichen Interesse darstellen kann; der gesundheitliche und soziale Nutzen ist beträchtlich. Das gegenwärtige Ausmaß und die Kosten der Alkoholprobleme in den europäischen Mitgliedstaaten sind nichts Unausweichliches. Es sollte auch auf keinen Fall zugelassen werden, dass sie zunehmen. Statt dessen sollte und kann der jetzige Zustand durch die Umsetzung angemessener Strategien erheblich verbessert werden. Literaturverzeichnis 1. 2. 3. 4. 5. 6. EDWARDS, G. ET AL. Alcohol policy and the public good. Oxford, Oxford University Press, 1994. HOLDER, H.D. & EDWARDS, G., ed. Alcohol and public policy: evidence and issues. Oxford, Oxford University Press, 1995. GIESBRECHT, N. Reducing risks associated with drinking among young adults: promoting knowledge-based perspectives and harm reduction strategies. Addiction, 94: 353–355 (1999). HOLDER, H. Alcohol and the community: a systems perspective for prevention. Cambridge, Cambridge University Press, 1998. EDWARDS, G. Molecule as medicine. In: Alcohol: the ambiguous molecule. London, Penguin Books, 2000. HART, C. ET AL. Alcohol consumption and mortality from all causes, coronary heart disease, and stroke: results from a prospective cohort study of Scottish men with 21 years of follow-up. British medical journal, 318: 1725– 1729 (1999). Kapitel 7 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Alkoholkonsum in der Europäischen Region Die Europäische Region hat den höchsten Alkoholkonsum der Welt. Hinter dem erfassten Pro-Kopf-Konsum von 7,3 Litern reinen Alkohols im Jahr 1998 verbergen sich jedoch erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Ländern. Das Spektrum reicht von 0,9 Litern bis 13,3 Litern pro Person. Zählt man den nicht erfassten Konsum hinzu, ändert sich die Situation für einige Länder dramatisch, besonders im östlichen Teil der Region. Dort kommen einige Länder dann auf einen Pro-Kopf-Verbrauch von etwa 20 Litern. Untersucht man den erfassten und den nicht erfassten Konsum, wird offenbar, dass 17 Länder einen hohen Konsum von mehr als zehn Litern pro Kopf haben. Diese Gruppe ist gleichmäßig über Europa verteilt. Etwa dieselbe Anzahl Länder (16) hat einen Alkoholkonsum zwischen fünf und zehn Litern. Nur in vier Ländern liegt der Pro-Kopf-Konsum unter fünf Litern. Im Vergleich zu vor fünf Jahren ist die Gruppe der Hochkonsumländer gewachsen; sie umfasst jetzt fast die Hälfte aller Länder in der Region. Für den Zehn-Jahres-Zeitraum von 1988 bis 1998 lässt sich sagen, dass acht Länder – basierend auf dem erfassten Verbrauch – einen relativ konstanten Alkoholkonsum hatten. Elf Länder zeigen eine tendenzielle Zunahme, 13 eine Abnahme. Regional betrachtet sind gewisse Muster zu erkennen. Die nordischen Länder zeigen einen gleichbleibenden Verbrauch; nur in Schweden geht er zurück. In den baltischen Ländern Lettland und Litauen steigt der Konsum, während Estland einen leichten Rückgang verzeichnet. Unter den 15 EU-Ländern ist Irland das einzige Land, in dem der Konsum beträchtlich ansteigt. In geringerem Umfang nimmt er auch in Griechenland, Luxemburg und Portugal zu. Im Rest der Europäischen Union sinkt der Alkoholkonsum in sechs Ländern, in fünf EU-Ländern ist er stabil. In Mittel- und Osteuropa steigt die Trinkmenge in der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Rumänien und in der Tschechischen Republik. In den NUS-Ländern trifft dies für die Russische Föderation und Weißrussland zu. 96 Alkohol in der Europäischen Region Der Pro-Kopf-Verbrauch an Alkohol und die Entwicklung des Alkoholkonsums sind nützliche Indikatoren für die Situation in einem Land. Dahinter verbergen sich allerdings unterschiedliche Muster und Prävalenzen des Trinkens. Der Prozentsatz der Abstinenzler ist innerhalb der Region sehr unterschiedlich, er reicht von fünf bis 38 Prozent der Bevölkerung. Darin scheint sich deutlich die Trinkkultur eines Landes zu spiegeln, also ob ein Land, wie man auch sagt, ,,trocken“ oder ,,feucht“ ist und ob das bevorzugte Getränk Bier, Spirituosen oder Wein ist. In vielen Ländern sind deutliche Unterschiede im Prozentsatz der Abstinenzler eingetreten. In fünf Ländern ist er gestiegen, in neun gesunken. Schätzungen auf der Basis von Erhebungen für Risiko- oder Problemtrinker standen für 28 Länder zur Verfügung. Für die Hälfte dieser Länder lagen jedoch keine Definitionen vor. Nach der Umrechnung in Gramm reinen Alkohols pro Woche (wo solche Angaben verfügbar waren) werden einige Sachverhalte deutlich. Von einem Land zum anderen scheint es klare Unterschiede in der Zusammensetzung der trinkenden Bevölkerung zu geben, ja selbst zwischen Ländern mit etwa demselben Ausmaß des Alkoholkonsums. Zusammenfassend betrachtet ragen drei Zahlen besonders heraus, die über den anderen, vergleichbaren Zahlen liegen: der Anteil der Frauen in Irland, die mehr als 140 Gramm Alkohol pro Woche zu sich nehmen (21 Prozent), der Anteil der Männer in Österreich, die mehr als 420 Gramm trinken (29 Prozent), und der Anteil der Männer in der Tschechischen Republik, die auf mehr als 550 Gramm pro Woche kommen (16 Prozent). Daten zur Prävalenz der Alkoholabhängigkeit in der Bevölkerung liegen für 14 west-, mittel- und osteuropäische Länder vor. Die Schätzungen sind aus verschiedenen Screening-Methoden abgeleitet (etwa DSM-III, CAGE oder ICD-10). Die Stichproben sind vielleicht nicht repräsentativ für die allgemeine Bevölkerung, so dass Vergleiche mit einiger Vorsicht anzustellen sind. Es scheint jedoch eine breite Spanne zwischen den 11,5 Prozent der als alkoholabhängig einzustufenden Bevölkerung in Finnland und Kroatien und den 1,2 Prozent dieser Gruppe in den Niederlanden zu geben. Der Durchschnitt für die 14 Länder beträgt fünf Prozent. Ein gewisses Maß an Standardisierung würde künftige Vergleiche und Analysen des Alkoholkonsums und seiner Entwicklung sowie der Erhebungen zur trinkenden Bevölkerung leichter machen. Außerdem braucht es Schätzungen des nicht erfassten Alkoholkonsums für alle Länder, um die Vergleichbarkeit und die Genauigkeit der Daten zu verbessern. Alkoholbedingte Schäden in Europa Die Europäische Region weist die höchste Rate an alkoholbedingten Schäden in der Welt auf. Diese Schäden stellen ein wichtiges gesundheitliches Problem in Europa dar. Man schätzt, dass etwa neun Prozent aller Ausgaben für Krankheit in der Region auf den Genuss alkoholischer Getränke zurückgehen. Alkohol steigert das Risiko für viele Erkrankungen, darunter Leberzirrhose, bestimmte Krebsarten, erhöhten Blutdruck, Schlaganfall und Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 97 angeborene Missbildungen. Außerdem steigt durch Alkohol das Risiko für Probleme in der Familie, am Arbeitsplatz und im gesellschaftlichen Kontext, etwa in Form von Fehlzeiten, Unfällen, Verletzungen, tätlichen Angriffen, Tötungsdelikten und Suizid. Verschiedene Muster des Alkoholkonsums führen zu verschiedenen Arten von Schäden, nämlich akuten und chronischen Schäden oder Alkoholabhängigkeit. Was den Schaden für die Gesellschaft betrifft, so stützt die Forschung die These von einer Beziehung zwischen Alkoholkonsum auf der einen Seite und, auf der anderen Seite, dem Risiko von Problemen in der Familie, am Arbeitsplatz und im sozialen Bereich sowie von Alkoholabhängigkeit/Alkoholismus, Alkohol-Psychose, (Verkehrs)Unfällen, tätlichen Angriffen, kriminellem Verhalten, Verletzungen, Gewalt und Selbstmord. Die Schätzung, dass die gesamtgesellschaftlichen Kosten durch Alkohol zwischen einem und drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen, schließt oft die Kosten durch Produktionsausfälle (in Form von Fehlzeiten, Krankheit, Unfällen und geringerer Leistungsfähigkeit), Unfälle (besonders Verkehrsunfälle), Ausgaben für die gesundheitliche Versorgung, Behandlungskosten, Aufwendungen der Sozialversicherung (für Behinderung, Frühverrentung, Invalidität) und Kosten für das Gemeinwesen (durch Verbrechen, Strafverfolgung, Justizvollzug) mit ein. Global betrachtet schätzt die WHO, dass in den entwickelten Ländern zehn bis elf Prozent aller Krankheits- und Todesfälle auf Alkohol zurückgehen. Für verschiedene Todesursachen gibt es mehr epidemiologische Forschungsarbeiten als für Ursachen von Morbidität. Es sei aber daran erinnert, dass Alkohol viel Krankheit und Schmerzen verursacht, die nicht zum Tod führen. Untersucht man drei Mortalitätsindikatoren – chronische Lebererkrankungen und Leberzirrhose, äußere Ursachen für Verletzungen und Vergiftungen sowie Verkehrsunfälle –, so zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern. Bei allen drei Indikatoren bewegen sich sechs Länder (Estland, Lettland, Litauen, die Republik Moldau, die Russische Föderation und Weißrussland) auf einem sehr hohen Niveau und/oder zeigen eine stark zunehmende Tendenz. Insgesamt zeigen, was chronische Lebererkrankungen und Leberzirrhose betrifft, mehr Länder als zuvor eine tendenzielle Zunahme, während die Sterblichkeit durch Verkehrsunfälle in den meisten Ländern im Allgemeinen abnimmt. Äußere Verletzungsursachen und Vergiftungen nehmen auch in geringerem Maße als früher beobachtet zu. Neue Erkenntnisse in der Alkohol-Epidemiologie In den letzten Jahren hat sich das Verständnis von den Auswirkungen des Alkohols auf die Gesundheit gewandelt: Zwei wichtige Veränderungen sind das neue Augenmerk auf die gesundheitlichen Auswirkungen von Alkohol auf Bevölkerungsebene und die Erkenntnis der Bedeutung von 98 Alkohol in der Europäischen Region Trinkgewohnheiten. Die Lehren, die sich aus der neuen AlkoholEpidemiologie ziehen lassen, könnte man wie folgt zusammenfassen: • Das Ausmaß des Gesamtalkoholkonsums ist insgesamt wichtig für die Gesundheit einer Bevölkerung. • Bei dem bestehenden Spektrum im Pro-Kopf-Verbrauch an Alkohol in der Europäischen Region erzeugt eine Zunahme des Konsums eine Netto-Zunahme der schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung. Eine Zunahme im Konsum dürfte keinerlei NettoNutzen im Hinblick auf die Herz-Kreislauf-Mortalität erzeugen. • Die allgemeinen Trinkgewohnheiten in einer Bevölkerung spielen eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des Ausmaßes der schädlichen Auswirkungen durch eine Zunahme des Alkoholkonsums. Risikoreiche Konsummuster, die die schädlichen Auswirkungen anscheinend verstärken, sind ein Alkoholkonsum bis zum Vollrausch und regelmäßiges exzessives Trinken. Die Diskussion hat sich auf die Ebene ganzer Bevölkerungen fokussiert. Es ist nicht mehr der einzelne Trinker, der im Vordergrund steht. Der Grund liegt darin, dass es – aus der Public-Health-Perspektive betrachtet – bei der Entwicklung von gesellschaftlichen Rahmenkonzepten und Programmen auf die Bevölkerungsebene ankommt. Die allgemeinen Implikationen der neuen epidemiologischen Erkenntnisse für ein Grundsatzprogramm „Alkohol“ sehen so aus, dass, im europäischen Kontext, alle Strategien, die den Alkoholkonsum senken, einen gesundheitlichen Netto-Nutzen erzeugen. Da die Folgen des Alkoholkonsums von Land zu Land unterschiedlich ausfallen, sind – wiederum aus der Public-Health-Perspektive betrachtet – unterschiedliche Grundsatzprogramme „Alkohol“ voll und ganz gerechtfertigt. Strenge Vorgehensweisen zur Kontrolle des Alkoholangebotes und der Trinkgewohnheiten sind besonders dort gerechtfertigt, wo die schädlichen Auswirkungen erhöhten Alkoholkonsums größer sind, wie es in den nördlichen und östlichen Teilen Europas der Fall ist. Alkohol-Rahmenkonzepte in Europa Die Europäische Charta Alkohol hat zehn strategische Bereiche aufgezeigt, die die breit gefassten Elemente einer wirkungsvollen Alkoholpolitik darstellen. Die Optionen für eine Alkoholpolitik, die in den Ländern der Region umgesetzt sind, werden in Bezug auf diese strategischen Bereiche überprüft. Aus 42 Ländern der Europäischen Region der WHO lagen in unterschiedlichem Umfang Informationen vor. Kampagnen gegen Trunkenheit im Straßenverkehr sowie Aufklärungskampagnen an Schulen sind in der gesamten Region die beiden häufigsten Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 99 Programme. Von den 39 Ländern, für die entsprechende Informationen vorlagen, hatten fast 50 Prozent gut entwickelte Angebote in diesem Bereich. Andere Angebote im Sektor Information und Aufklärung sind weniger gut entwickelt, weniger häufig umgesetzt und in weniger Ländern vorhanden. Nur sieben Länder melden Programme auf lokaler Gemeindeebene. Die NUS-Länder haben hauptsächlich gut entwickelte Kampagnen gegen Trunkenheit im Straßenverkehr, die Länder Mittel- und Osteuropas können Programme für die Alkohol-Aufklärung an Schulen vorweisen. Die Initiativen im westlichen Europa verteilen sich gleichmäßiger auf die verschiedenen Handlungsfelder. Um die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten, beschränken viele Länder den Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit, im Privatbereich oder am Arbeitsplatz. Die meisten Länder tun dies am Arbeitsplatz, in Bildungsstätten und in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung. Beschränkungen des Alkoholkonsums in Regierungsgebäuden und in öffentlichen Verkehrsmitteln existieren in zwei Dritteln aller Länder. Programme gegen Alkohol am Arbeitsplatz gibt es in allen westeuropäischen Ländern, in der Hälfte der Länder Mittel- und Osteuropas und in weniger als einem Drittel der NUS-Länder. Programme zur Unterstützung von Familien mit einem alkoholabhängigen Familienmitglied sind in etwa ähnlich verteilt. Es gibt sie überall in Westeuropa, in fast allen Ländern Mittel- und Osteuropas und in einem NUS-Land. Die Mehrzahl der Länder (24 von 28) hat Bestimmungen zur Verwahrung von Betrunkenen, die öffentlich aufgegriffen werden. Sie werden entweder in Polizeigewahrsam genommen oder in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung gebracht. Maßnahmen gegen Trunkenheit im Straßenverkehr sind im Rahmen der Alkoholpolitik am verbreitetsten. 37 Länder haben eine Grenze von 0,5 Promille oder weniger. Die höhere Grenze von 0,7 bis 0,8 Promille gilt in sechs Ländern. In 85 Prozent der Länder gibt es unangekündigte Atemtests. 42 Prozent dieser Länder geben an, die Tests häufig durchzuführen, besonders die NUS-Länder und die westeuropäischen Länder. 72 Prozent aller Länder geben an, die Gesetze gegen Fahren unter Alkohol streng durchzusetzen. Nur in einer Minderheit der Länder sind jedoch zwangsweise Schulungen für Alkoholsünder oder Behandlungsprogramme für Gewohnheitstäter vorgesehen. Die meisten Länder in der Region haben Maßnahmen zur Steuerung des Alkoholangebots. Von den 45 Ländern, die Informationen geliefert haben, haben 87 Prozent Schankkonzessionen und 42 Prozent Staatsmonopole in der einen oder anderen Form. Beschränkungen des Alkoholverkaufs sind ebenfalls recht verbreitet. 68 Prozent der Länder machen Auflagen bezüglich der Verkaufsstellen, 49 Prozent hinsichtlich der verkaufsoffenen Tageszeiten und des Verkaufs bei besonderen Ereignissen, 27 Prozent bei der Dichte der Verkaufsstellen und 22 Prozent bezüglich der verkaufsoffenen Tage. Die 100 Alkohol in der Europäischen Region Festsetzung eines Mindestalters für den Erwerb von Alkohol ist ebenfalls verbreitete Praxis. Von den 41 Ländern, die Informationen zur Verfügung gestellt haben, haben 56 Prozent ein Alter von 18 Jahren festgesetzt. In dieser Gruppe tun sich die Länder Mittel- und Osteuropas, die nordischen und die NUS-Länder hervor. Elf Länder (27 Prozent) haben ein Alter von 16 Jahren als untere Grenze festgesetzt. Alkoholsteuern sind eine wichtige staatliche Einnahmequelle. Bei der Besteuerung handelt es sich gewöhnlich um eine Mischung aus Mehrwert- oder Verkaufssteuer (in 90 Prozent der Länder) und einer besonderen Alkoholsteuer (in 95 Prozent der Länder). Nur sechs Länder benutzen einen Teil der Steuereinkünfte aus dem Verkauf von Alkohol direkt zur Finanzierung von Maßnahmen zur Steuerung des Angebotes, für die Prävention oder für die Behandlung von Alkoholkranken. Eine Methode, um die Eintreibung von Steuern sicherzustellen und den Schmuggel mit Alkohol zu unterbinden, ist die Verwendung von Steuerbanderolen auf alkoholischen Getränken. Die Hälfte der Länder kennt solche Banderolen. Beschränkungen und Kontrollen der Werbung und Verkaufsförderung für alkoholische Getränke gibt es in vielen Formen: als völliges Verbot, als gesetzliche Beschränkung oder als freiwilligen Verhaltenskodex. Nur drei Länder haben keinerlei Werbeverbot. Von 37 Ländern kennen 60 bis 80 Prozent, je nach Getränk, ein Verbot oder gesetzliche Beschränkungen der Alkoholwerbung im Fernsehen. Weniger als 20 Prozent der Länder verlassen sich auf einen freiwilligen Verhaltenskodex. Was die Alkoholwerbung allgemein betrifft, so haben 64 Prozent der Länder einen Kodex, der festlegt, welche Art von Werbung erlaubt ist, auf welche Gruppen sie abzielen darf usw. Nur fünf Länder nutzen gesundheitliche Warnhinweise in der Werbung. Etwa ein Drittel der Länder beschränkt das Sponsern von Sport- oder Freizeitaktivitäten junger Menschen durch die Alkoholindustrie. Bei der Behandlung gesundheitsschädlichen oder -gefährdenden Alkoholkonsums nennen 23 von 39 Ländern Angebote der primären Gesundheitsversorgung. 38 Prozent der Länder finden, dass sie ein gutes Angebot an nichtstaatlichen Organisationen zur Behandlung bei Alkoholabhängigkeit haben. Etablierte Vorgehensweisen zur Alkoholberatung in der primären Gesundheitsversorgung existieren in 28 Prozent der Länder. Lehrgänge für Berater haben 23 Prozent der Länder vorzuweisen. Die Getränkeindustrie sollte mehr Verantwortung für die Prävention und Reduzierung alkoholbedingter Schäden übernehmen. Fast alle Länder haben Regelungen, um den Alkoholgehalt und/oder die Alkoholkonzentration auf dem Behältnis anzugeben. Die Hälfte der Länder weist einen maximalen Alkoholgehalt für die verschiedenen Getränke aus. Kein Land hat Warnhinweise auf Behältnissen für alkoholische Getränke, und nur in einem Land wird das Schankpersonal für den Ausschank von Alkohol an Betrunkene haftbar gemacht. Lehrgänge für Schankpersonal über einen verantwortungsvollen Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 101 Umgang mit Alkohol gibt es in sieben Ländern. Mehrere Länder (16 von 27) können jedoch Sanktionen oder Strafen für verantwortungslosen Ausschank von Alkohol verhängen. Die meisten Länder (19 von 27) haben Lehrgänge für Angehörige qualifizierter Berufe außerhalb des Gesundheitsbereichs. Diese Lehrgänge sollen das Bewusstsein für Fragen im Umgang mit Alkohol schärfen und die Teilnehmer befähigen, alkoholbedingte Probleme zu verstehen, zu erkennen und bei solchen Problemen zu intervenieren. Eine Mehrzahl der Länder hat auch gemeindenahe Aktivitäten in der einen oder anderen Form sowie gemeindebasierte Programme, die darauf abzielen, alkoholbedingten Schäden vorzubeugen und gesunde Lebensweisen zu fördern. Viele Nichtregierungsorganisationen haben ein Interesse an Alkoholfragen. Sie können in vielen Bereichen Verantwortung übernehmen, sei es in der Bildung, Aufklärung und Behandlung. In 37 Prozent der 38 Länder, für die Informationen vorlagen, gibt es Verkehrswachten. Traditionelle Abstinenzlerbewegungen sind, wenigstens teilweise, in 34 Prozent der Länder aktiv. Im Bereich Selbsthilfe sind die Anonymen Alkoholiker in 42 Prozent der Länder aktiv. In einigen Ländern bilden sich auch andere Bewegungen heraus. Unter den regionalen WHO-Netzen haben 66 Prozent der Länder „Gesunde Städte“-Projekte. 60 Prozent von ihnen verfügen über ein Programm zur Gesundheitsförderung an Schulen, das auch Aktivitäten in Bezug auf Alkohol umfasst. Von den 39 Ländern, die Informationen über einen nationalen AlkoholAktionsplan geliefert haben, können 33 Prozent einen solchen vorweisen. Weitere 36 Prozent sind dabei, einen Aktionsplan zu entwickeln. Um die Aktivitäten im Rahmen ihrer Alkoholpolitik zu koordinieren, haben 64 Prozent der Länder eine beratende Körperschaft in der einen oder anderen Form; 18 Prozent sind im Begriff, eine solche zu etablieren. 58 Prozent der Länder haben spezifische Ziele aufgestellt, um die Fortschritte bei der Umsetzung ihres Aktionsplans zu verfolgen. 46 Prozent der Länder führen in der Bevölkerung regelmäßig Erhebungen über den Alkoholkonsum durch. Veränderungen in der Alkoholpolitik wurden dort, wo ausreichende Informationen über die beiden Zeiträume 1994/95 und 1998/99 vorlagen, anhand von sechs Indikatoren für die Bereiche Trunkenheit am Steuer, Verfügbarkeit alkoholischer Getränke und Maßnahmen zur Verkaufsförderung von Alkohol überprüft. Ein allgemeiner Überblick deutet darauf hin, dass fast zwei Drittel der gemeldeten Veränderungen eine strengere Alkoholpolitik vorsehen, zum Beispiel in Form einer niedrigeren Promillegrenze, der Einführung von Verkehrskontrollen mit Atem-Alkoholtests, der Verschärfung von Konzessionsbestimmungen und der Einführung einiger Beschränkungen für den Verkauf von Alkohol. Die meisten Veränderungen auf dem Gebiet der Staatsmonopole für Alkohol sahen so aus, dass diese Monopole ganz oder teilweise abgeschafft wurden. Allerdings wurden in einigen Ländern 102 Alkohol in der Europäischen Region diese Veränderungen durch ein strengeres Konzessionssystem wettgemacht. Die Beschränkungen für den Verkauf von Alkohol haben sich in vielen Ländern geändert. Insgesamt betrachtet haben mehr Länder ihre Beschränkungen verschärft als gelockert. Darüber hinaus haben vier Länder gewisse Beschränkungen für den Verkauf von Alkohol eingeführt, die vorher gar keine hatten. Die Altersgrenzen für den Erwerb von Alkohol haben sich ebenfalls geändert: Drei Länder haben ein höheres Mindestalter eingeführt, zwei haben das Mindestalter gesenkt. Im Bereich Alkoholwerbung scheinen gewisse Sorgen angebracht. Insgesamt betrachtet hat sich in etwa die gleiche Anzahl Länder in die eine oder in die andere Richtung bewegt. Länder ohne Beschränkungen oder hauptsächlich mit einem freiwilligen Verhaltenskodex haben mehr Bestimmungen eingeführt, während Länder mit einem totalen Werbeverbot ihre Bestimmungen zumindest in einem gewissen Umfang gelockert haben. Beträchtlich zugenommen hat das Ausmaß der gesetzlichen Bestimmungen für eine alkoholfreie Umgebung: In 85 Prozent aller Länder gelten entsprechende Auflagen zumindest für einen Teil der öffentlichen Bereiche, Privatsphäre oder Arbeitswelt. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die meisten Veränderungen in der Alkoholpolitik (51 Prozent) in Westeuropa stattgefunden haben. 28 Prozent waren in Mittel- und Osteuropa, 21 Prozent in den NUS-Ländern. Die überwiegende Mehrzahl der Veränderungen in den westeuropäischen Ländern ging in Richtung strengerer Auflagen. In Mittel- und Osteuropa sowie in den NUS-Ländern traf dies auf etwa die Hälfte der Veränderungen zu. Im östlichen Teil der Region würde das bedeuten, dass für jeden Schritt in Richtung einer restriktiveren Alkoholpolitik ein anderer Schritt in Richtung Liberalisierung stattgefunden hat. Allgemein gesprochen haben sich elf Länder in Westeuropa, vier in Mittel- und Osteuropa und drei NUS-Länder in Richtung einer restriktiveren Alkoholpolitik bewegt. Innerhalb der Mitgliedstaaten spiegelt die Übernahme von Maßnahmen als Teil einer nationalen Alkoholpolitik die gesundheitspolitischen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklungen wider, wie sie für nationale Regierungen kennzeichnend und angemessen sind. Die Wirksamkeit von Maßnahmen der Alkoholpolitik hängt jedoch viel mehr mit dem Ausmaß der Umsetzung von Politik im allgemeinen zusammen als mit der Zahl der Maßnahmen als solcher. Die Annäherung vieler alkoholpolitischer Maßnahmen über die gesamte Region hinweg zeigt, dass eine Alkoholpolitik oft auch von internationaler wirtschaftlicher und politischer Integration, von gemeinsamen Grundsatzprogrammen, der Expansion der multinationalen Getränkeindustrie und der Globalisierung der Werbung und der Verkaufsförderung von Alkohol beeinflusst wird. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 103 Alkoholpolitik: Positive Auswirkungen für die Gesundheit sichern Eine Politik der öffentlichen Gesundheitsfürsorge, die das Thema „Alkohol“ mit einschließt, muss in eine allgemeine nationale und lokale Gesundheitsplanung integriert sein. Aktionen im Zusammenhang mit Alkohol lassen sich nicht länger als beliebige fakultative Maßnahme betrachten. Will man, dass die getroffenen Maßnahmen effektiv sind, gibt es jedoch bestimmte Vorbedingungen: ein nachhaltiges Engagement für eine informationsbasierte öffentliche Debatte und die Bereitstellung von Informationen zu dem Problem. Informationen wiederum sind die Grundlage für das Treffen der notwendigen politischen Entscheidungen. Hervorragende internationale Studien liefern heutzutage Informationen über mögliche Maßnahmen im Rahmen einer Alkoholpolitik. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass es einer Mischung verschiedener Maßnahmen bedarf und nicht einer einzelnen bestimmten Lehre. Ein ermutigendes Beispiel sind die Maßnahmen gegen Alkohol am Steuer, die wirksam sind, wenn sie auf spezifische Situationen des Alkoholkonsums abzielen. Daneben gibt es milieugerichtete Strategien wie eine Preispolitik und die Steuerung des Alkoholangebots, die die Entscheidung zu Gunsten einer gesunden Lebensweise unterstützen und die Wahl ungesunder Lebensweisen erschweren. Die Behandlung alkoholbedingter Schäden ist, besonders im Rahmen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge, ein wichtiges Element. Unter den verschiedenen evidenzbasierten Alternativen einer Alkoholpolitik haben nicht alle gleich denselben Rang. Die Forschung liefert keine überzeugenden Argumente dafür, dass Aufklärungsprogramme an Schulen oder in der Öffentlichkeit eine Schlüssel- oder Leitfunktion haben sollten. Das Risiko besteht, dass Aufklärung zu einem Zeitvertreib verkommt, während effizientere Ansätze vernachlässigt werden. Beschränkungen für die Alkoholwerbung sind nützlich, da sie die allgemeine Debatte beeinflussen und der Anreiz zu trinken für den Einzelnen so am geringsten gehalten wird. Rahmenkonzepte in Sachen Alkohol müssen auf nationaler ebenso wie auf lokaler Ebene entwickelt und umgesetzt werden. Beide Ebenen sind miteinander zu integrieren, beide Ebenen unterstützen einander und wirken synergistisch. In jedem Fall müssen die Rahmenkonzepte sektorübergreifend sein; sie müssen jeweils auf die gesamte Bevölkerung und auf Alltagssituationen abzielen, nicht nur auf den Einzelnen oder auf extreme oder seltene Fälle. Die Forschung legt überzeugend dar, dass eine integrierte Strategie aus verschiedenen alkoholpolitischen Maßnahmen mit Unterstützung der Öffentlichkeit hochwirksam sein und bedeutenden gesundheitlichen und gesellschaftlichen Nutzen erzielen kann. Das gegenwärtige Ausmaß der Alkoholprobleme und die durch sie entstehenden Kosten sind keine unausweichlichen Tatsachen. Es sollte nicht zugelassen werden, dass sie zunehmen. Im 104 Alkohol in der Europäischen Region Gegenteil, durch die Annahme geeigneter strategischer Maßnahmen lassen sie sich beträchtlich mindern. Allgemeine Schlussausführungen Die Europäische Region hat weltweit den höchsten Alkoholkonsum. In neun Ländern findet sich ein Konsum von mehr als zehn Litern reinen Alkohols pro Kopf und Jahr. Rechnet man den nicht erfassten Konsum hinzu, steigt die Zahl auf 17 Länder. Im vergangenen Jahrzehnt ist der Pro-KopfVerbrauch in 13 Ländern gestiegen, in elf Ländern gefallen. In den restlichen Ländern ist er relativ stabil geblieben. Insbesondere Irland, Lettland, die Russische Föderation und Weißrussland haben eine dramatische Zunahme des Alkoholkonsums zu verzeichnen. In den meisten EU-Ländern ist der Konsum in den vergangenen zehn Jahren entweder zurückgegangen oder unverändert geblieben. Eine genauere Betrachtung der Trinkgewohnheiten zeigt, wer trinkt, in welchem Kontext Alkohol genossen wird und wie viel getrunken wird. Dies ist besonders wichtig, da Alkoholkonsum bis zum Vollrausch und wiederholtes exzessives Trinken das Ausmaß alkoholbedingter Schäden über breite Bevölkerungsschichten beträchtlich erhöhen. Eine Analyse von Daten, die in Erhebungen gewonnen wurden, ist zwar mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, doch liefert sie einige allgemeine Informationen über bestehende Trinkmuster. Es gibt ein breites Spektrum in der Anzahl der Menschen, die keinen Alkohol trinken oder Abstinenzler sind. In den südeuropäischen Ländern ist die Anzahl höher, in den nordeuropäischen niedriger. In den vergangenen zehn Jahren wurde eine höhere Abstinenzler-Rate gemeldet. Beim Ausmaß des Problemtrinkens, basierend auf dem Alkoholkonsum pro Woche, zeigen sich zwei wichtige Aspekte der Trinkgewohnheiten: Erstens ist exzessives Trinken in allen Ländern, für die Informationen vorliegen, unter Männern verbreiteter. Das Ausmaß exzessiven Trinkens unter Frauen ist jedoch in einigen westeuropäischen Ländern ebenfalls hoch. Zweitens schwankt das Ausmaß exzessiven Trinkens stark von Land zu Land, selbst wenn man Länder mit einem ähnlich hohen Gesamtalkoholkonsum miteinander vergleicht. Die Unterschiede in den Trinkgewohnheiten sind Ausdruck der kulturellen und gesellschaftlichen Faktoren, die hier eine starke Rolle spielen. Ebenso bemerkbar machen sich hierbei die Veränderungen in der Demographie, dem Einkommen, der Alkoholwerbung und dem Alkoholangebot. All diese Komponenten beeinflussen die Einstellung zum Trinken und die Trinkgewohnheiten. Das wirtschaftliche und politische Zusammenwachsen Europas sowie die weltweiten Marketing- und Werbemaßnahmen wirken sich ebenfalls auf den Alkoholkonsum in der gesamten Region aus. Aus Sicht der öffentlichen Gesundheitsfürsorge ist die Gesundheit der Gesamtbevölkerung von höchster Wichtigkeit. Die neuen Erkenntnisse in der Alkohol-Epidemiologie haben gravierende Folgerungen für die Alkoholpolitik. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 105 Das Rahmenziel, den Gesamtalkoholkonsum zu verringern, hat weiterhin enorme Bedeutung. Es wird einen Netto-Nutzen für die Gesundheit der gesamten Bevölkerung haben. Dort, wo alkoholbedingte Schäden ein größeres Problem darstellen, so wie in Osteuropa, sind einschneidende Maßnahmen zur Kontrolle und Steuerung des Alkoholangebots und der Trinkgewohnheiten gerechtfertigt. Ein nationales Grundsatzprogramm „Alkohol“ sollte daher verschiedene Maßnahmen und Prioritäten in Bezug sowohl auf den Gesamtalkoholkonsum als auch auf schädliche Trinkgewohnheiten reflektieren. So lassen sich alkoholbedingte Schäden in der Bevölkerung reduzieren. Die Entwicklung von Alkoholprogrammen in der Europäischen Region macht trotz einiger Schwächen auf manchen Gebieten weiterhin Fortschritte. Viele Länder haben jetzt koordinierte nationale Alkohol-Aktionspläne mit festen Zielen und vorrangigen Maßnahmen aufgestellt. Die Veränderungen der Rahmenkonzepte, die über die vergangenen Jahre stattgefunden haben, haben ein Zusammenwachsen mancher alkoholpolitischer Maßnahmen gezeigt. Ein gutes Beispiel ist das Angebot an Alkohol: Länder mit Staatsmonopolen haben sich in einigen Fällen auf ein System mit Konzessionen für die Abgabe von Alkohol umgestellt. Die Anzahl der Länder, die die Beschränkungen für den Verkauf von Alkohol verschärft haben, ist größer als die Anzahl derer, die sie gelockert haben. Spezifische Bemühungen um eine Reduzierung von Trunkenheit im Straßenverkehr sind ein Beispiel dafür, dass alkoholpolitische Maßnahmen auf gesamtstaatlicher Ebene wirksam sind. Viele Länder haben ihre Promillegrenzen herabgesetzt, Verkehrskontrollen mit Atem-Alkoholtests eingeführt und die Durchsetzung ihrer Gesetze gegen Fahren unter Alkohol verschärft. Die gesetzlichen Bestimmungen für alkoholfreie Lebensbereiche sind ebenfalls in einer Reihe von Ländern erweitert worden. Sie sorgen für mehr Sicherheit in der Öffentlichkeit und am Arbeitsplatz. Die Maßnahmen zur Regulierung der Alkoholwerbung ergeben ein unterschiedliches Bild: Einige Länder haben Beschränkungen auf diesem Gebiet eingeführt, aber etliche andere haben sie gelockert. Im Allgemeinen haben die westeuropäischen Länder sich in Richtung einer strengeren Alkoholpolitik bewegt; sie haben den Pro-Kopf-Alkoholkonsum gesenkt und die alkoholbedingten Schäden in einem größeren Ausmaß vermindert als viele Länder in den zentralen oder östlichen Teilen der Region. Mehr Unterstützung durch Länder im westlichen Teil der Region für Länder im östlichen Teil würde helfen, die Fortschritte bei der Senkung des hohen Ausmaßes an alkoholbedingten Schäden in der ganzen Region zu beschleunigen. Nach wie vor gibt es Schwachpunkte in der Wirksamkeit der Alkoholpolitik, doch gehen diese sowohl auf die Maßnahmen selbst als auch auf negativen Druck von außen zurück. Es ist nicht einfach, die richtige Mischung der politischen Konzepte zu treffen – das heißt, sich auf die mit der Zeit verändernden Bedürfnisse einzustellen –, wenn eine koordinierende Stelle und die notwendigen personellen Ressourcen fehlen. Die Durchsetzung von 106 Alkohol in der Europäischen Region Verhaltenskodizes, Bestimmungen oder Gesetzen bestimmt die Wirksamkeit einer Alkoholpolitik in erheblichem Maße mit. Druck von außen durch die Getränkeindustrie, kommerzielles Marketing und illegaler Handel steht dem weiteren Fortschritt im Wege. Das Fehlen einer kollektiven Bereitschaft, die Schwere und Reichweite der durch Alkoholprobleme in der Gesellschaft hervorgerufenen Schäden anzuerkennen, ist ebenfalls ein Hindernis. Eine wirksame Alkoholpolitik erfordert eine integrierte Mischung nachweislich wirksamer Strategien, die sich der Gesundheit der gesamten Bevölkerung widmen. Größere Anstrengungen müssen unternommen werden, um eine informationsbasierte Debatte und öffentliche Unterstützung für die Alkoholpolitik zu fördern. Sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene sollten Grundsatzprogramme aufgestellt und umgesetzt werden. Alkoholpolitische Maßnahmen, die sich wirksam mit der Verkaufsförderung von Alkohol durch Werbung, Marketing oder Sponsoren auseinandersetzen, sind nach wie vor rar. Angesichts der Realität globaler Kommunikationsstrukturen bedürfen sie einer konzertierten Aktion auf transnationaler Ebene. Veränderungen in den Trinkgewohnheiten, besonders das Trinken bis zum Vollrausch und wiederholtes exzessives Trinken, erfordern rasche und wirksame alkoholpolitische Maßnahmen, damit weitere Schäden durch Alkoholkonsum vermieden werden. Danksagung Beim Verfassen dieser Arbeit haben wir uns in hohem Maße auf die Daten gestützt, die die nationalen Partner des Europäischen Aktionsplans Alkohol geliefert haben. Die Daten entstammen den Antworten auf einen Fragebogen, den das WHO-Regionalbüro für Europa 1998/99 verschickt hat. Einen Großteil der Informationen in Kapitel 5 verdanken wir ebenfalls den nationalen Partnern und anderen, die diesen helfend zur Seite gestanden haben (sie unten). Ohne ihre Mitarbeit und Unterstützung hätte das vorliegende Werk nicht entstehen können. Besonders herzlicher Dank für wertvolle Anregungen und Rückmeldungen geht an Dr. Ann Hope, die all den Zahlen, Daten und Fakten einen Sinn gegeben hat. Die standardisierten Mortalitätsdaten haben wir der Datenbank „Gesundheit für alle“ des WHO-Regionalbüros für Europa entnommen. Dankend erwähnen wir auch das von der Produktschap voor Gedestilleerde Dranken herausgegebene Papier World Drink Trends 1999, das uns eine wertvolle Quelle von Daten zum Alkoholkonsum in vielen Ländern war. Um an Daten von Erhebungen und an einige Länderinformationen zu kommen, haben wir Berichte, Veröffentlichungen und andere „graue“ Daten benutzt, die wir von Nichtregierungsorganisationen und Mitgliedstaaten erhalten haben. Redaktionsstand: Mai 2000. Für etwaige Irrtümer tragen natürlich wir als Urheber die Verantwortung. Armenien Dr. Seda Jamalian, Narkologiezentrum, Gesundheitsministerium Aserbeidschan Professor Alexander Umnyashkin, Gesundheitsministerium Belgien Else De Donder, Vereinigung für Alkohol- und andere Drogenprobleme (VAD) Bosnien-Herzegowina Dr. Nermana Mehic-Basara, Institut für Alkoholismus und Drogenmissbrauch Bulgarien Professor Philip Lazarov und Dr. Momtchil Vassilev, Nationales Suchtzentrum 108 Alkohol in der Europäischen Region Dänemark Lars Møller, Nationale Gesundheitsbehörde Deutschland Michaela Schreiber, Bundesgesundheitsministerium Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien Dr. Pande Vidinovski, Psychiatrisches Krankenhaus Skopje Estland Dr. Tarmo Kariis, Sozialministerium Finnland Kari Paaso, Ministerium für Soziales und Gesundheit Georgien Dr. Gela Lezhava, Institut für Suchtfragen, Gesundheitsministerium Irland Dr. Ann Hope, National Alcohol Surveillance Project, Department of Health and Children Island Hrafn Palsson und Sandra Sveinbjörnsdottir, Ministerium für Gesundheit und Soziale Sicherheit Israel Dr. Jorge Gleser, Abteilung Substanzenmissbrauch, Gesundheitsministerium Italien Dr. Emanuele Scafato, Oberes Nationales Institut für Gesundheit (mit Unterstützung von Bastiana Pala, Gesundheitsministerium, Valentino Patussi, Andrea-Devoto-Institut, Daniel Rossi, Ständiges Observatorium für Jugend und Alkohol, Ottavio Cagiano de Azevedo, Federvini und Bruno Manzone, Martini & Rossi) Kasachstan Dr. Aigul Tastanova, Gesundheitsministerium Kroatien Dr. Vlasta Hrabak-Zerjavic, Kroatisches Nationalinstitut für Public Health Lettland Dr. Janis Caunitis, Zentrum für die Prävention und Behandlung von Drogenmissbrauch, Narkologiezentrum Litauen Gelena Kriveliene, Abteilung Public Health, Gesundheitsministerium Luxemburg Dr. Yolande Wagener, Direktorat Gesundheit Danksagung 109 Malta Dr. Sina Bugeja, Sedqa, Nationale Behörde gegen Drogen- und Alkoholmissbrauch Niederlande M.J. van Iwaarden (mit Unterstützung von Sandra van Ginneken und M.F. Otto), Ministerium für Gesundheit, Gemeinwohl und Sport Norwegen Mons Rud, Norwegisches Direktorat für die Prävention von Alkoholund Drogenmissbrauch Österreich Dr. Alfred Uhl und Dr. Nikolaus Kopf, Anton-ProkschInstitut/Ludwig-Boltzmann-Institut für Suchtforschung Polen Dr. Jerzy Mellibruda, Staatsbehörde für die Prävention alkoholbedingter Probleme Portugal Dr. José de Carvalho Barrias und Frau Paula Dias, Regionalzentrum Porto für Alkoholforschung Republik Moldau Dr. Feodor Grigore Vasiliev, Nationales Zentrum Drogenmissbrauch Rumänien Dr. Vlad Romano, Institut für das Management von Gesundheitsdienstleistungen Russische Föderation Dr. Vadim Pelipas, Suchtforschungszentrum, Gesundheitsministerium Schweden Jakob Lindberg, Ola Arvidsson und Daniel Svensson, Nationales Institut für Public Health Schweiz Ernst Schmid, Bundesamt für Public Health (unter Mitwirkung von Matthias Meyer, Schweizer Zentrum für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA); N. Blanchard, Bundesbehörde für Alkohol, und F. Rothen, Bundesamt für Landwirtschaft) Slowakei Alojz Nociar, Generalsekretariat des Ministerrats für Drogenabhängigkeit und -kontrolle Slowenien Dr. Zdenka Cebasek-Travnik, Zentrum für die Behandlung von Alkoholabhängigkeit, Universitätsklinik für Psychiatrie 110 Alkohol in der Europäischen Region Spanien Dr. Teresa Robledo de Dios, Generaldirektorat für Public Health, Ministerium für Gesundheit und Soziales Tschechische Republik Dr. Karel Nespor, Psychiatrisches Krankenhaus, Ladislav Csemy, Psychiatrisches Zentrum, und H. Sovinova, Public-Health-Institut Ukraine Dr. Anatoliy M. Viyevskiy, Gesundheitsministerium Ungarn Professor Laszlo Tringer, Institut für Psychiatrie und Psychotherapie, Semmelweis-Universität für Medizin Usbekistan Professor Murat Tursunkhodjaev, Gesundheitsministerium Weißrussland Dr. O. Liskowsky, Gesundheitsministerium Anhang 1 Mitgliedstaaten in der Europäischen Region der WHO Albanien Andorra Armenien Aserbaidschan Belgien Bosnien und Herzegovina Bulgarien Dänemark Deutschland Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien Estland Finnland Frankreich Georgien Griechenland Irland Island Israel Italien Jugoslawien Kasachstan Kirgisistan Kroatien Lettland Litauen Luxemburg Malta Monaco Niederlande Norwegen Österreich Polen Portugal Republik Moldavien Rumänien Russische Föderation San Marino Schweden Schweiz Slowakei Slowenien Spanien Tadschikistan Tschechische Republik Türkei Turkmenistan Ukraine Ungarn Usbekistan Vereinigtes Königreich Weißrussland (Belarus) Anhang 2 Europäische Charta Alkohol Ethische Prinzipien und Ziele Zur Förderung des Europäischen Aktionsplans „Alkohol“ fordert die Konferenz von Paris alle Mitgliedstaaten auf, umfassende alkoholpolitische Konzepte zu erarbeiten und Programme umzusetzen, die – unter Berücksichtigung der unterschiedlichen kulturellen, sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten – den folgenden ethischen Prinzipien und Zielen Ausdruck verleihen, wobei davon ausgegangen wird, dass aus diesem Dokument keine Rechtsansprüche hergeleitet werden können. Alle Bürger haben das Recht auf ein vor Unfällen, Gewalttätigkeit und anderen negativen Folgen des Alkoholkonsums geschütztes Familien-, Gesellschafts- und Arbeitsleben. Alle Bürger haben das Recht auf korrekte, unparteiische Information und Aufklärung – von früher Jugend an – über die Folgen des Alkoholkonsums für die Gesundheit, die Familie und die Gesellschaft. Alle Kinder und Jugendlichen haben das Recht, in einer Umwelt aufzuwachsen, in der sie vor den negativen Folgen des Alkoholkonsums und soweit wie möglich vor Alkoholwerbung geschützt werden. Alle alkoholgefährdeten oder alkoholgeschädigten Bürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Zugang zu Therapie und Betreuung. Alle Bürger, die keinen Alkohol trinken möchten oder die aus gesundheitlichen oder anderen Gründen keinen Alkohol trinken dürfen, haben das Recht, keinem Druck zum Alkoholkonsum ausgesetzt zu werden und in ihrem abstinenten Verhalten bestärkt zu werden. Zehn Strategien für alkoholbezogene Maßnahmen Untersuchungen und Erfolgsmeldungen in den Ländern lassen erkennen, dass ein signifikanter gesundheitlicher und wirtschaftlicher Nutzen für die Europäische Region erzielt werden kann, wenn in Hinsicht auf die 114 Alkohol in der Europäischen Region Verwirklichung der vorstehend genannten ethischen Prinzipien und Ziele bei alkoholbezogenen Maßnahmen die folgenden zehn GesundheitsförderungsStrategien in Einklang mit den unterschiedlichen kulturellen, sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in jedem Mitgliedstaat umgesetzt werden. 1. Information der Bürger – von früher Jugend an im Rahmen von Aufklärungsprogrammen – über die Folgen des Alkoholkonsums für die Gesundheit, Familie und Gesellschaft und über wirkungsvolle Maßnahmen, die zur Vorbeugung oder weitestgehenden Minderung von Schäden ergriffen werden können. 2. Förderung eines vor Unfällen, Gewalttätigkeit und anderen negativen Folgen des Alkoholkonsums geschützten öffentlichen, privaten und beruflichen Umfelds. 3. Erlaß und Durchführung von wirkungsvollen Gesetzen gegen Alkohol im Straßenverkehr. 4. Gesundheitsförderung durch Einschränkung der Verfügbarkeit von alkoholischen Getränken, z. B. für Jugendliche, und durch Einwirkung auf ihren Preis, beispielsweise über die Steuer. 5. In Anbetracht der in einigen Ländern bereits bestehenden Beschränkungen oder Werbeverbote strikte Regeln für die direkte und indirekte Werbung für alkoholische Getränke und Sicherstellung, dass sich keine Form der Werbung spezifisch an Jugendliche richtet, beispielsweise durch eine Verbindung von Alkohol und Sportausübung. 6. Für alkoholgefährdete oder alkoholgeschädigte Personen und ihre Familienangehörigen Sicherstellung des Zugangs zu effizienten Therapie- und Rehabilitationseinrichtungen mit geschultem Personal. 7. Förderung des ethischen und rechtlichen Verantwortungsbewußtseins derjenigen, die für die Vermarktung oder den Ausschank von alkoholischen Getränken zuständig sind, Gewährleistung von strikten Kontrollen der Produktsicherheit und Umsetzung angemessener Maßnahmen gegen illegale Alkoholherstellung und illegalen Verkauf. 8. Durch Schulungsmaßnahmen für Fachkräfte in verschiedenen Sektoren – beispielsweise im Gesundheits-, Sozial-, Erziehungs- und Rechtswesen – sowie durch Stärkung der Entwicklung und Initiative im Gemeinderahmen bessere Befähigung der Gesellschaft, mit Alkohol umzugehen. 9. Unterstützung von nichtstaatlichen Organisationen und Selbsthilfeinitiativen, die gesunde Lebensweisen fördern, speziell solcher, die die Europäische Charta Alkohol 115 Prävention oder Reduzierung von alkoholbedingten Schäden zum Ziel haben. 10. Formulierung von breit gefächerten Programmen in den Mitgliedstaaten, unter Berücksichtigung der vorliegenden Europäischen Charta Alkohol; Vorgabe klarer Ziele und Ergebnisindikatoren; Fortschrittsmessung sowie regelmäßige Aktualisierung von Programmen auf der Grundlage einer Evaluierung. Die Europäische Charta Alkohol wurde auf der vom WHO-Regionalbüro für Europa veranstalteten Europakonferenz Gesundheit, Gesellschaft und Alkohol verabschiedet. Gastgeber dieser Konferenz, die vom 12.–14. Dezember 1995 in Paris stattfand, war das französische Ministerium für Arbeit und Soziales. Zu den 371 Konferenzteilnehmern gehörten 180 offizielle Delegierte aus 46 der 49 Mitgliedstaaten der Europäischen Region der WHO. Anhang 3 Erhebungsdaten: Prozentsatz exzessiver, problematischer oder Risikotrinker als Teil der Gesamtbevölkerung 118 Alkohol in der Europäischen Region Erhebungsdaten: Prozentsatz exzessiver, problematischer oder Risikotrinker als Teil der Gesamtbevölkerung 119 120 Alkohol in der Europäischen Region Erhebungsdaten: Prozentsatz exzessiver, problematischer oder Risikotrinker als Teil der Gesamtbevölkerung 121 122 Alkohol in der Europäischen Region Jüngste verfügbare Daten (in %) Frühere Daten (in %) Land Bemerkungen Jahr Alle Jahr Alle Dänemark 1985 5,0 3,0 7,0 Vereinigtes Königreich 1996 5,5 4,0 7,0 1992 9,0 Lettland 1997 6,5 7,0 6,0 Estland 1998 9,3 3,8 Deutschland 1997 9,6 Finnland 1996 10,5 Norwegen 1997 11,0 Irland 1998 12,5 Frankreich 1992 13,6 Island 1992 14,0 Ungarn Männer rauen 1997 15,5 Schweiz 1998 16,0 Frauen 6,0 12,0 1993 15,0 46,0 14,8 1993 4,0 29,0 6,4 9,6 7,6 14,9 1995 12,8 16,3 20,8 30,0 7,0 14,0 1984 1992 12,0 10,0 27,0 18,0 1994 11,0 16,0 1989 25,0 Abstinenzler 9,0 16,0 Nur England Ost West 7,0 lebenslang 6,6 derzeitig 12,0 16,0 14,8 Niederlande Männer 9,0 22,0 1984 1988 8,0 9,0 18,0 18,0 1985/ 1986 6,6 21,4 12,4 10,4 28,1 25,1 8,3 20,6 1989 1996 – – 1992/ 1993 14,6 Jüngste verfügbare Daten (in %) Frühere Daten (in %) Land Bemerkungen Jahr Alle Männer rauen Jahr Alle Männer Schweden 1996 19,0 13,0 25,0 1994 1993 – – Polen 1998 19,0 11,6 25,7 1993 11,0 Abstinenzler Russische Föderation 1996 22,0 Italien 1997 22,7 Österreich 1993/ 1994 23,3 Portugal 1997 32,8 Israel 1994/ 1995 33,0 Spanien 1997 37,0 23,0 51,0 Rumänien 1992 38,0 23,0 53,0 10,0 6,0 Frauen 25,0 13,0 – – 14,6 30,2 16,8 48,8 (< 1 Einheit in den vergangenen 3 Monaten) 1995/ 1996 15,6 52,3 (18–40 Jahre alte jüdische Menschen) Land Gesamtkonsum Liter reinen Alkohols (%) pro Kopf 1997/ 1988 1998 Lebererkrankungen Externe Ursachen SDR per 100 000 SDR per 100 000 (%) 1988 Verkehrsunfälle 1997/ 1998 SDR per 100 000 (%) 1988 1997/ 1998 (%) 1988 1997/ 1998 Albanien – – – 14,06 9,31 –34 27,02 66,23 145 10,26 7,49 –27 Armenien – – – 16,05 14,68 –9 53,82 37,92 –29 14,90 5,97 –60 Aserbaidschan – 0,9 – 30,78 45,27 47 51,08 35,24 –31 17,14 5,90 –66 Belgien 10,0 8,9 –11 11,5 10,74 –7 59,88 – – 17,51 – – Bulgarien 9,1 6,8 –25 17,33 17,91 3 59,87 56,73 –5 11,67 9,41 –19 Dänemark 9,7 9,5 –2 12,37 12,80 3 69,57 – – 12,85 – – Deutschland 10,6 10,6 0 – 18,32 – – 35,77 – – 8,70 – Ehem. jugoslawische Republik Mazedonien 3,1 3,5 13 7,17 8,94 –25 – 35,36 – – 7,41 – Estland 6,1 2,4 –61 5,62 18,38 227 102,13 159,67 56 20,72 20,83 1 Finnland 7,3 7,1 –3 9,76 9,97 2 88,77 – – 12,23 – – 12,6 10,8 –14 19,58 15,18 –22 72,59 59,86 –18 17,23 12,29 –29 – – – – 22,92 – 56,71 – – 17,19 – – Griechenland 8,3 9,1 10 7,64 4,39 –43 44,33 38,37 –13 17,92 20,49 14 Irland 6,9 10,8 57 3,64 3,12 –14 42,64 46,20 8 12,94 11,60 –10 Island 4,1 4,3 5 3,56 – – 51,60 – – 12,50 – – Israel 1,0 0,9 –10 8,31 6,41 –23 51,45 – – 10,58 – – Italien 9,4 7,7 –18 24,92 20,69 –17 44,06 – – 14,20 – – – – – 21,34 30,08 41 97,85 156,60 60 19,09 13,09 –31 Frankreich Georgien Kasachstan Land Kirgisistan Gesamtkonsum Liter reinen Alkohols (%) pro Kopf 1997/ 1988 1998 Lebererkrankungen Externe Ursachen SDR per 100 000 SDR per 100 000 (%) 1988 1997/ 1998 Verkehrsunfälle SDR per 100 000 (%) 1988 1997/ 1998 (%) 1988 1997/ 1998 2,13 2,3 8 30,56 47,87 57 88,68 102,99 16 21,47 10,57 –51 Kroatien 4,7 – – 37,62 32,08 –15 86,83 69,94 –19 18,85 13,78 –27 Lettland 4,9 7,1 45 7,43 14,52 95 108,46 158,67 46 24,82 27,03 9 Litauen 5,5 – – 9,23 16,92 83 109,9 146,2 33 26,05 23,47 –10 12,0 13,3 11 19,05 15,67 –18 72,76 48,75 –33 23,21 13,49 –42 Luxemburg Malta – – – 6,34 6,12 –3 22,81 25,98 14 3,95 3,90 –1 Niederlande 8,3 8,1 –2 5,25 4,55 –13 32,74 29,21 –11 8,34 6,81 –18 Norwegen 4,3 4,3 0 6,46 4,42 –32 55,92 – – 7,97 – – Österreich 10,1 9,2 –9 24,17 21,06 –13 69,03 45,67 –34 17,60 9,77 –44 Polen 7,1 6,2 –13 11,41 12,95 13 71,23 – – 14,94 – – Portugal 9,9 11,2 13 28,21 18,94 –33 69,83 48,16 –31 27,77 17,84 –36 1,96 – – – 87,09 – 110,4 110 0 24,13 15,48 –36 Rumänien 7,9 9,5 20 36,24 53,72 48 74,41 72,64 –2 – – Russische Föderation 4,4 7,9 80 – – – 112,2 186 66 18,67 19,71 6 Republik Moldau Schweden – 5,5 4,9 –11 6,14 4,76 –22 52,91 – – 8,80 – – Schweiz 11,0 9,2 –16 10,76 8,41 –22 65,92 – – 13,32 – – Slowakei 9,5 8,3 –13 27,21 27,84 2 69,72 63,01 –10 11,74 17,24 47 10,9 11,7 7 44,75 29,15 –35 99,11 77,5 –22 23,19 14,91 –36 Slowenien Land Spanien Gesamtkonsum Liter reinen Alkohols (%) pro Kopf 1997/ 1988 1998 Lebererkrankungen Externe Ursachen SDR per 100 000 SDR per 100 000 (%) 1988 1997/ 1998 Verkehrsunfälle SDR per 100 000 (%) 1988 1997/ 1998 (%) 1988 1997/ 1998 11,1 10,1 –9 20,13 15,48 –23 45,33 – – 18,3 – – – – – 24,42 27,41 12 57,19 – – 15,36 – – Tschech. Rep. 8,1 10,2 26 17,64 16,94 –4 78,64 62,50 –21 9,99 6,96 –30 Türkei 0,4 1,1 175 – – – – – – – – – – 47,68 44,80 –6 69,39 – – 18,79 8,47 –55 Tadschikistan Turkmenistan – – Ukraine 3,2 1,2 –63 15,42 20,46 33 88,31 138,20 56 17,56 11,23 –36 Ungarn 10,4 9,4 –10 42,41 66,87 58 110,63 92,51 –16 16,61 13,81 –17 – 36,32 46,14 27 64,81 53,45 17 17,69 8,86 –50 Usbekistan – Vereinigtes Königreich 7,6 7,5 –1 5,42 7,97 47 34,19 28,48 –17 8,50 5,89 –31 Weißrussland 4,6 8,6 87 8,16 11,47 41 84,99 168,1 98 16,07 18,14 13 10,4 9,4 8 16,77 14,38 –14 49,31 42,1 –15 13,83 10,95 –21 7,8 7,9 1 17,9 17,11 –4 73,31 86,37 18 15,49 12,67 –18 EU-Durchschnitt Durchschnitt Europäische Region – Anmerkung: Die Tabelle umfasst alle Länder, für die der WHO Daten vorlagen. In Bezug auf chronische Lebererkrankungen und Leberzirrhose liegen die ersten Daten für Estland von 1990 vor, für Tadschikistan von 1993, für Armenien, Aserbeidschan, die Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Kasachstan, Kirgisistan, Litauen, Turkmenistan, die Ukraine, Usbekistan und Weißrussland, von 1991. Die jüngsten verfügbaren EU-Durchschnitte für SDRs sind von 1996. Quelle: Datenbank „Gesundheit für alle“, WHO-Regionalbüro für Europa. Land Belgien Jüngste verfügbare Daten Prozentsatz Jahr Alle Männer 1990 19,0 Bulgarien Dänemark Deutschland 1992 EJR Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien Estland frühe 90er 1997 1998 Frauen Häufiger konsum 14,0 14,0 20,1 7,2 6,9 10,0 5,6 0,8 1,0 15,0 2,6 4,9 Frühere Daten Prozentsatz Jahr Alle Männer Konsum 1,5 Alkohol- Alkoholmissbrauch +252/168 g/Woche 140–280 280–420 > 420 (13,3% nehmen Alkohol in schädlichem Ausmaß zu sich) Schwere Trinker Alkoholkonsum fast jeden Tag 1995 1995 1996 13,0 2,0 +150 g/Woche (gefährliches Trinken) 33,0 6,0 70 g Alkohol mindestens einmal pro Monat (exzessives Trinken) West Ost 7,4 9,2 1,4 1,3 Definiert als mindestens an 3 Tagen pro Woche Keine Definition (1 Einheit = 12 g) +420 +420 Keine Definition 1994 1993 Finnland Bemerkungen Frauen 1992 53,0 31,0 0,3 8,0 3,0 Alkoholkonsum mindestens wöchentlich Trinken fast jeden Tag +280/190 g/Woche (schwere Trinker) Land Frankreich Jüngste verfügbare Daten Prozentsatz Jahr Alle Männer 1992 30,4 Irland Island Israel 1992 1994/ 1995 Italien Konsum Frauen 1993 27,0 21,0 +210/140 (Einheit = 10 g) 8,1 1,6 +150 g/Woche Anteil der schweren Trinker (Alkoholkonsum jeden Tag im abgelaufenen Jahr) bei 18- bis 40-Jährigen +385 g/Woche (Risikokonsumenten) Alkoholkonsum mehrmals pro Woche Konsum von mind. 824 g/Woche bei 15-Jährigen und darüber (exzessive Trinker) 30% der 16 Jahre alten und Älteren (häufige Trinker) 2,0 Luxemburg 1998 2,5 3,0 Bemerkungen Frauen Täglicher Alkoholkonsum oder 35 Getränke pro Woche und mehr 11,0 Lettland Frühere Daten Prozentsatz Jahr Alle Männer 0,7 5 Mio. Menschen haben medizinische, psychologische oder soziale Probleme 11% trinken Alkohol > 5mal/Woche Konsum einer typischen Trinkepisode: durchschnittlich 67 g (Männer), 45 g (Frauen) Tägliches und schweres Trinken häufiger unter Arabern 1997 1990 5,3 20,0 1,1 Problematischer Konsum An 3–4 Tagen pro Woche (häufiger Konsum) Land Niederlande Jüngste verfügbare Daten Prozentsatz Jahr Alle Männer 1997 9,0 Konsum Frauen 2,2 +540 g/Woche (exzessive Trinker) 350 000 Problemtrinker Frühere Daten Prozentsatz Jahr Alle Männer 1995 6,57 1990 Norwegen 1991 Österreich 1994 24,3 16,2 13,3 Polen 1998 10,0 Portugal 1997 20,0 6,0 41,0 28,8 20,7 8,5 4,3 6,5 15,5 4,0 Alkoholkonsum von 40-60 g mindestens zweimal pro Monat +210 g/Woche +420 g/Woche Problematischer Alkoholkonsum +150/115 (Risikoschwelle) keine Definition Bemerkungen Frauen +540 g/Woche 20,0 1993 An mindestens 3-4 Tagen pro Woche (häufiger Konsum) 23,7 1995 13,7 1990 39,0 3,6 +150/115 g/Woche Exzessive Trinker Konsum an mindestens 3–4 Tagen pro Woche Land Jüngste verfügbare Daten Prozentsatz Jahr Alle Männer Konsum Frauen Republik Republik Moldau Rumänien 1992 Russische Föderation 1996 Schweiz 1988 Spanien Tschechische Republik 1997 1996 16,0 2,0 9,0 2,1 3,0 27,0 7,0 31,2 33,4 3,4 0,1 4,3 0,1 15,8 1,3 Frühere Daten Prozentsatz Jahr Alle Männer Bemerkungen Frauen Schätzungsweise 15 von 1000 Menschen sind schwere Trinker, davon 20% Frauen Täglicher Alkoholkonsum Problemtrinker +252/168 (schwere Trinker) +140 g/Woche Exzessive Trinker: 60/48 g oder mehr bei mindestens einer Gelegenheit im vergangenen Monat 410–550 (hoher Konsum) +550 (exzessiver Konsum) +550 g/Woche Keine Definition Keine Definition 1992 1993 28,0 3,3 0,5 8,3 2,1 Definiert als täglicher Konsum oder Konsum starker Getränke mehr als 3–4 Mal pro Woche +560 g/Woche Hochrisikotrinker (1 Einheit = 12 g) +350 g/Woche Land Ungarn Vereinigtes Königreich Weißrussland Jüngste verfügbare Daten Prozentsatz Jahr Alle Männer 1994 11,6 1996 Konsum Frauen Exzessives Trinken (keine Definition) 28,0 14,0 6,0 2,0 +168/120 (sichere Grenze) +400/280 (definitiv gesundheitsgefährdend) Geschätzte 10% der Bevölkerung sind schwere Trinker Frühere Daten Prozentsatz Jahr Alle Männer 1985/ 14,1 1986 1993 Bemerkungen Frauen 0,8 10,6 1,6 9,0 5,0 +210/140 g/W. (schwere Trinker) Problemtrinker (1 Einheit = 10 g) Problemtrinker (1 Einheit = 8 g) Keine Definition