Expedition Deepwater

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Expedition Deepwater
Umwelt _PlanetSolar
_01 Eine Universität aus dem
Binnenland Schweiz auf Hoher See:
Dieses Jahr sind Genfer Wissenschaftler
zusammen mit PlanetSolar unterwegs.
_02 Die Instrumente der Genfer
Wissenschaftler sind bereits an Bord.
_03 Im französischen La Ciotat darf die
MS Tûranor endlich wieder ins Wasser,
nachdem sie den Winter an Land
_02
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Expedition Deepwater
Man kennt sie, die eindrückliche MS Tûranor PlanetSolar, die im Sommer vor einem Jahr mit
Solarenergie die Welt umrundet hatte. Nun bricht das Team zusammen mit Genfer Wissenschaftlern zum Golfstrom auf – um Daten zu erheben, die so noch nie gemessen wurden.
Stefanie Pfändler _Die Autorin ist Umweltnaturwissenschafterin und Mitglied des DeepwaterTeams. Sie wird als wissenschaftliche
Mitarbeiterin und Kommunikationsverantwortliche bei der Etappe von Miami
nach New York mit an Bord sein.
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PlanetSolar
Wie so oft, war eigentlich alles Zufall. Gerade als die
MS Tûranor ihre Weltumrundung geschafft hatte,
lernte der Genfer Universitätsprofessor Martin
­B eniston das PlanetSolar-Team kennen. Man
tauschte sich aus, verstand sich gut, und schon bald
hatte man eine Idee: Ausgerechnet er, der ­renommierte
Klimaforscher aus dem Binnenland, würde zusammen mit PlanetSolar aufbrechen, um den Golfstrom
zu erforschen. Voller Überzeugung kehrte Beniston
nach Genf zurück, brachte seine Kollegen an einen
Tisch und hatte schnell ein motiviertes Team zusammen, das von nun an nur noch eines im Kopf hatte:
das Gelingen der Expedition Deepwater.
Die Wissenschaftler hegen grosse Ambitionen: Sie
wollen mit dem bewährten und grössten jemals
konstruierten, solarbetriebenen Katamaran dem
Golfstrom von Miami bis ins norwegische ­Bergen
­entlangfahren. Auf 8000 Kilometern werden dabei
erstmals physikalische und biologische Daten erhoben, die nicht durch schiffseigene Abgase verfälscht
werden. Diese Daten werden ein vertikales Profil des
Stroms erstellen, es werden ozeanische Prozesse und
ihr Zusammenwirken mit der Atmosphäre erforscht.
Zu verstehen, wie der Klimawandel den Golfstrom beeinflusst, ist für Europa und Nordamerika von allergrösster Wichtigkeit – ­immerhin ist der Golfstrom einer der wichtigsten ­Regulatoren des Klimas beider
Kontinente.
Navigation von Genf aus
Das futuristisch anmutende Solarboot ist bereits unterwegs – auf dem Weg in die Karibik werden die
Instrumente getestet und das Boot auf Vordermann
gebracht. Doch auch in Genf laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. Die Expedition erfordert
eine logistische Meisterleistung. Die Wissenschaftsteams, welche sich auf fünf Etappen an Bord abwechseln werden, müssen im richtigen Moment am
richtigen Hafen stehen, Verspätungen müssen einkalkuliert und Visas organisiert werden. Der ­grosse Medienrummel will bewältigt, Aufenthalte von Journalisten an Bord organisiert werden und schliesslich hat
sich in Boston noch das angesehene Massachusetts
Institute of Technology (MIT) angemeldet: Man wolle
sehen, was diese Schweizer so treiben auf ihrem
Solarboot.
Doch das ist nur das Drumherum. Die eigentliche
Arbeit erfordert eine Mischung aus technischem
­G eschick und wissenschaftlichem Fachwissen, das
dem Team ermöglicht, die Expedition von Genf aus
mittels aktuellen Satellitenbildern zu navigieren, die
Messungen an Bord rund um die Uhr korrekt vorzunehmen, acht Instrumente am Laufen zu halten –
und sie bei Bedarf zu reparieren. «Das Salzwasser,
die Temperaturunterschiede und die rauen Wetterbedingungen werden den Maschinen stark ­zusetzen»,
prophezeit Beniston. «Wenn ein Instrument ausfällt,
muss es vor Ort repariert werden. Ansonsten ­verlieren
wir die Daten einer ganzen Etappe.» Obwohl man in
Genf der Expedition zuversichtlich entgegenblickt,
schwingt in Benistons Stimme immer auch ein ­wenig
verbracht hat.
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Zwei wichtige Köpfe der Deepwater-Expedition
Martin Beniston
Martin Beniston leitet das Institut für
­Umweltwissenschaften der Universität
Genf sowie den Lehrstuhl für Klimatologie.
Neben weiteren klimarelevanten Projekten
ist er seit Beginn der 1990er Jahre aktives
Mitglied des IPCC (Intergovernmental ­Panel
on Climate Change; Zwischenstaatlicher
Ausschuss für Klimaänderungen). In dieser
Funktion wurde er 2007 gemeinsam mit den anderen IPCC-Forschern mit dem
­Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Gérard d‘Aboville
Gérard d‘Aboville ist während der ­Deepwater
Expedition Kapitän der MS Tûranor PlanetSolar. Der französische Navigator überquerte
1980 als erster Solo-Ruderer den Atlantik
und ruderte 1991 über den Pazifik. 2001
überflog er mit einem kleinen einmotorigen
Flugzeug ohne elektronische Navigations­
instrumente den Nordpol. Neben seinem
­politischen Engagement ist er seit 2006 bei PlanetSolar engagiert und hat als Co-­
Skipper auch deren Weltumrundung miterlebt.
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Umwelt _PlanetSolar
Nervosität mit: «Bei neuartigen wissenschaftlichen
Experimenten warten immer Überraschungen am
Horizont», sagt der Experte, «manchmal gute und
manchmal böse.»
Hochseetaugliche Instrumente
Um das Risiko möglichst klein zu halten, versuchen
die Genfer jetzt schon an jedes Detail zu denken. Und
das ist manchmal gar nicht so einfach: Die Biobox,
der Wunderknabe unter den ­Messgeräten, funktioniert an Land perfekt. Jetzt aber wird die Maschine
von ihrem Erfinder, dem Genfer Doktoranden Denis
Kiselev, auf Hochseetauglichkeit getestet. Um sicherzustellen, dass die Laser die Aerosole auch bei starkem Wellengang exakt messen, müssen schon mal
­Studenten herhalten, die das Konstrukt kräftig
durchschütteln.
Wenn alles nach Plan läuft, sollte die MS Tûranor
PlanetSolar Ende Mai in Miami ablegen. Nach
­Zwischenhalten in New York, Boston und St-John’s
folgt die wohl interessanteste Etappe, jene vor
Grönland. Hier befindet sich nämlich der Motor der
Termohalinen Zirkulation (siehe «marina.ch» 29,
März 2010). Das Wasser ist inm dieser Region so
kalt und schwer, dass es tief ins Meer absinkt und
eine kalte Tiefenströmung bildet. Diese hält die
weltumspannende Meereszirku­lation am Laufen –
und somit auch den Golfstrom. Auf ihrer Reise hoffen die Forscher, erstmals konkrete Erkenntnisse
darüber zu gewinnen, wie der Klimawandel dieses
empfindliche System beeinflusst.
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_01 Im Cockpit der MS Tûranor. Hier
waltet Kapitän Gérard D’Aboville.
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«»
Bei neuartigen wissenschaftlichen­
Experimenten warten immer
Überraschungen am Horizont.
_02 Die MS Tûranor in Aktion. Diesen
Sommer wird sie den Golfstrom
erforschen.
_03–04 Vor Rabat, Marokko.
Wie Sie an Land bei Deepwater
live dabei sein können
Ausstellung in Genf
Bain de Pâquis, Quai du Mont-Blanc 30, direkt
an der Genfer Seepromenade. Die Ausstellung
findet über wie auch unter dem Wasser statt,
Badehose also nicht vergessen. 15. Juni bis 1. September, täglich 9–19.30 Uhr, Eintritt CHF 2.–.
Internet
Den Blog der Wissenschaftler und der BordCrew sowie die aktuelle Position des Schiffs
­können Sie ab sofort auf www.planetsolar.org/
deepwater mitverfolgen.
Schulen
Schüler und Wissenschaftler können sich austauschen: Ein Angebot für Primarschulen, Sek I
und II – auf ­w ww.planetsolar.org/deepwater
kann man sich einschreiben, hier gibts auch
­pädagogisches Material.
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Schweizer Kinder in Norwegen
Nach Reykjavik steht dem Forschungsteam die
letzte Etappe bis ins norwegische Bergen bevor.
Danach wird das Solarboot sein Jahresprogramm
ohne die Genfer Wissenschaftler fortsetzen. Diese
kehren nach Hause zurück, um die gesammelten
Daten auszuwerten. Für sie ist die Arbeit mit der
Ankunft des Schiffs noch lange nicht zu Ende.
­N eben der eigentlichen Forschung hoffen sie, dank
ihres neu gewonnen Wissens die Bevölkerung besser für Folgen des Klimawandels sensibilisieren zu
können. So ist am Genfersee eine ungewöhnliche
Ausstellung geplant: Im Universitätsgebäude wird
sich eine grosser, schmelzender Eisberg befinden.
Und nicht zuletzt sind auch zahlreiche Schulen an
der Expedition beteiligt: Für diverse Klassen wurden
Begleitprojekte organisiert, die zurückkehrenden
Wissenschaftler werden die Schüler besuchen um
von ihrer Reise zu erzählen und einige Schüler dürfen gar nach ­Bergen in Norwegen reisen, um die Ankunft des Schiffes live mitzuerleben. Aber bis dahin
dauert es noch eine Weile. Erstmals muss die MS
Tûranor in Miami in Startposition gebracht werden.
Wenn dann alle Instrumente laufen und die Wissenschafter an Bord sind, kann das Schweizer AtlantikAbenteuer endlich beginnen.
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marina.ch
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