NL 55 / 25.08.2016

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NL 55 / 25.08.2016
Nachrichten aus Deutschland
Nr. 55/ 25.08.2016
1. Hamburg unter den Top Ten
2. Auftragsschwemme im Handwerk
3. Kleinkind und Job - geht das?
Liebe Leser,
der Newsletter der Deutschen Botschaft Sofia, einschließlich der bisher erschienenen Ausgaben (Archiv), kann auf der
Botschaftshomepage in deutscher und in bulgarischer Sprache gelesen werden:
http://www.sofia.diplo.de/Vertretung/sofia/de/01/Nachrichten__aus__Deutschland.html
http://www.sofia.diplo.de/Vertretung/sofia/bg/01/Nachrichten__aus__Deutschland.html
1. Hamburg unter den Top Ten
London/Hamburg (dpa) - Hamburg zählt nach einer neuen Studie zu den zehn Städten mit der
höchsten Lebensqualität weltweit. Wie das Londoner Institut Economist Intelligence Unit
mitteilte, rückte die norddeutsche Großstadt mit ihren prägenden Hafenanlagen und den großen
Wasserflächen im Zentrum auf Platz 10 der 140 untersuchten Städte. Die australische Metropole
Sydney fiel auf Platz 11. Hintergrund sei die gefühlte Bedrohung durch Terrorismus, hieß
es. Sydney war Ende 2014 Tatort einer blutigen Geiselnahme in einem Café.
Eine schlechtere Bewertung zu Stabilität und innere Sicherheit hielt auch die deutsche
Hauptstadt Berlin und die Finanzmetropole Frankfurt im Bundesland Hessen außerhalb der
Spitzengruppe. Frankfurt kam auf Platz 20, Berlin auf 23. Die beiden weiteren deutschen
Städte in dem Ranking, München (Bayern) und Düsseldorf in Westdeutschland, erreichten
Platz 25 und 32. Die weltweit lebenswerteste Stadt bleibt der Untersuchung zufolge die
australische Stadt Melbourne, knapp vor der österreichischen Hauptstadt Wien und der
westkanadischen Stadt Vancouver.
Ein wichtiges Kriterium bei der Bewertung waren die öffentliche Ordnung und Sicherheit,
also Konflikte, Kriminalitätsrate und das subjektive Sicherheitsgefühl. Daneben wurden unter
anderem Faktoren wie Gesundheitsversorgung, Umwelt, Infrastruktur oder das Bildungsund Kulturangebot auf einer Skala zwischen akzeptabel und unerträglich bewertet. Die Spitzenreiter lägen alle in wohlhabenden Ländern mit einer relativ geringen Bevölkerungsdichte,
hieß es. Sie böten eine Vielzahl an Freizeitaktivitäten, hätten aber weder eine hohe
Kriminalitätsrate noch eine überlastete Infrastruktur. Megastädte wie New York, London, Paris
und Tokio neigten dazu, Opfer ihres eigenen Erfolgs zu werden, schreiben die Autoren.
Auch Hamburg hatte im vergangenen Jahr mit einer Reihe von Herausforderungen zu kämpfen:
Die Stadt musste mehr als 22 000 Flüchtlinge unterbringen, die Zahl der Einbrüche stieg laut
Polizeistatistik um gut 20%, und unter dem Eindruck der Terroranschläge von Paris sprach
sich im Herbst eine deutliche Mehrheit der Hamburger gegen eine Olympiabewerbung für
2024 aus. Ein Sprecher der Economist Intelligence Unit betonte dagegen, Hamburg habe
keinen Terroranschlag oder soziale Unruhen erlebt, der Anstieg der Kriminalität sei im Vergleich
nicht sehr signifikant gewesen. Die Probleme bei der Flüchtlingsaufnahme könnten in der
nächsten Ausgabe der Studie allerdings zu einer Abwertung von Hamburg und anderen
deutschen Städten führen.
2. Auftragsschwemme im Handwerk
Berlin (dpa) - Die Suche nach einem Handwerker ist in Deutschland derzeit mancherorts
ein Geduldspiel. Grund dafür sei der hohe Auftragsbestand und zum Teil ein Mangel an
Fachkräften, heißt es bei den Verbänden der Branche. Am meisten trägt die Baubranche
zum Boom bei. «Im ersten Halbjahr waren die Betriebe des Baugewerbes im Durchschnitt
für die kommenden 9,4 Wochen ausgelastet, beim Ausbauhandwerk waren es 7,9 Wochen»,
sagte der Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Karl-Sebastian
Schulte, der Deutschen Presse-Agentur.
«Das kann im Einzelfall dazu führen, dass man den gesuchten Handwerker nicht umgehend
bekommt», erklärte Schulte. «Bei größeren Arbeiten muss man den Auftrag unter Umständen
mit einigen Monaten Vorlauf erteilen.» Auch der Zentralverband Sanitär Heizung Klima
berichtet von hoher Nachfrage. «Die Betriebe arbeiten am Anschlag», sagte Verbandssprecher
Frank Ebisch. Dramatisch sei die Lage aber nicht. «Bei einem Notfall, wenn die Heizung
kaputt oder das Klo verstopft ist, kommen unsere Leute natürlich schnell.»
Nach Auskunft der Handwerkskammer Region Stuttgart arbeitet dort jeder zehnte Betrieb
oberhalb seiner Kapazitätsgrenze. Im Bundesland Niedersachsen beklagten die Kammern
vor wenigen Tagen einen Engpass bei qualifizierten Handwerkern. «Um gute Mitarbeiter
halten zu können, müssen die Betriebe zunehmend mehr zahlen», sagte der Vorsitzende der
der Handwerkskammern Niedersachsen, Karl-Wilhelm Steinmann. Das werde absehbar die
Kosten für Handwerksleistungen steigen lassen. Schulte erklärte: «Die gute Konjunktur,
niedrige Zinsen und der anhaltende Trend junger Leute, in die Städte zu ziehen, haben einen
Bauboom ausgelöst. Auch der Baubestand wird stärker gepflegt als früher. Davon profitiert
das Handwerk.» Hinzu komme der Nachwuchsmangel, für den es zwei Hauptgründe gebe:
Die sinkende Zahl an Schulabgängern und der steigende Anteil derer, die Abitur und Studium
anstreben. Das Handwerk informiere die Jugendliche deshalb intensiv über «die modernen
und innovativen Berufe» im Handwerk, auch als Alternative zum Studium. «Das gelingt.
Da die Zahl der Schulabgänger jedoch sinkt, während die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze steigt, bleibt die Lage angespannt», räumte Schulte ein. Im vergangenen Jahr arbeiteten
rund 5,36 Millionen Menschen im deutschen Handwerk.
3. Kleinkind und Job - geht das?
Flechtingen/Bad Reichenhall (dpa) - Lotta liegt ganz gelassen auf einer Turnmatte im Raum
der Strolche. Gerade ist das Obstfrühstück beendet. Etwas abseits, auf einem kleinen Stuhl,
sieht Lottas Mutter zu. «Sie ist schon sehr selbstständig, sie klebt nicht so am Rockzipfel»,
sagt die 38-Jährige. Lotta wird in zwölf Tagen ein Jahr alt und wird gerade in die Kita eingewöhnt.
Ihre Mutter Madlen Staufenbiel, die noch zwei Söhne im Alter von acht und fünf Jahren
hat, freut sich schon wieder auf die Arbeit als Optikerin.
Eine Mutter, die nach einem Jahr Elternzeit wieder in den Job einsteigt - in Teilen Deutschlands
ist das Normalität, in anderen die große Ausnahme. Die jüngsten Zahlen des Statistischen
Bundesamts zeigen, dass der Osten Deutschlands die Tradition der arbeitenden Mütter von
Kleinkindern und der Krippen, so wie sie zu Zeiten der deutschen Teilung in der DDR üblich
waren, bewahrt hat. In keinem anderen deutschen Landkreis werden den Statistikern zufolge
mehr Unter-Dreijährige in Kitas oder bei einer Tagesmutter betreut als im Landkreis Börde
im ostdeutschen Bundesland Sachsen-Anhalt. Mit 63,1% lag er zuletzt an der deutschen
Spitze. Am anderen Ende der Tabelle liegt der Landkreis Berchtesgadener Land in Bayern dort werden nur 13% der Kleinkinder außerhalb der Familie betreut.
Zwischen der Börde und dem Berchtesgadener Land liegen nicht nur 700 Kilometer, sondern
Welten. Die Geschichte hat für unterschiedliche Voraussetzungen gesorgt. In der DDR war
es üblich, dass Kinder schon deutlich vor dem ersten Geburtstag in die Krippe gebracht
wurden. Der sozialistische Staat war stolz auf die Vollbeschäftigung seiner Bewohner und
auch darauf angewiesen. In der Bundesrepublik galt der Mann als Ernährer der Familie, die
Frau kümmerte sich in der Regel um Haushalt und Familie. Seit dem 1. August 2013 haben
Kinder unter drei Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. In Sachsen-Anhalt
haben sie sogar von Geburt an einen Anspruch auf einen Ganztagsplatz mit bis zu zehn
Stunden täglich. «Ich kann mir das nicht vorstellen, drei Jahre zu Hause zu bleiben. Man will ja
auch was anderes sehen und hören», sagt Madlen Staufenbiel. Auch das Finanzielle sei ein
wichtiger Aspekt. «Man will sich ja auch was leisten.» Außerdem gehöre das zu einer gleichberechtigten Partner-schaft dazu. In Kürze will die dreifache Mutter im 15 Kilometer entfernten
Haldensleben wieder 25 Stunden pro Woche als Optikerin arbeiten.
Mathias Weiß ist Bürgermeister von Flechtingen und hält die Kinderbetreuung für besonders
wichtig. Der 36-Jährige richtet den Blick auf die Zahlen: «Die Kitabetreuung macht den Bärenanteil unseres Haushalts aus.» Von rund zehn Millionen Euro flössen rund sechs Millionen
in die Kinderbetreuung. Abteilungschef Mathias Kunz führt die niedrige Quote im bayerischen
Bad Reichenhall auf das traditionelle Familienideal zurück, das im äußersten Südosten des
Bundeslandes noch immer gepflegt wird: Die Mutter bleibt zuhause und versorgt die Kinder,
der Vater arbeitet. «Unsere Mütter wollen ihre Kinder so lange wie möglich selber betreuen»,
sagt Kunz. Im Übrigen wohnen in dem Alpen-Landkreis mit seinen gut 100 000 Einwohnern
noch vielfach drei Generationen unter einem Dach oder zumindest nah beieinander. Auch
Oma und Opa kümmern sich um die Kleinen. Das Engagement der Großeltern ist bei allen
Unterschieden ein verbindendes Element bei der Kinderbetreuung. Viele Eltern - egal ob in
Ost- oder Westdeutschland, im Norden und im Süden - sind auf ihre Mithilfe angewiesen.
Die Leiterin des Flechtinger «Kinderstübchens», Steffi Hornack, merkt das zum Beispiel fast
tagtäglich: Sehr oft holten Oma oder Opa die Kinder ab.