Feuer Eine Kurzgeschichte von Sven. D
Transcription
Feuer Eine Kurzgeschichte von Sven. D
Feuer Eine Kurzgeschichte von Sven. D Der Schlaf verlässt mein Gehirn und gibt die Gedanken und Erinnerungen wieder frei. Erinnerungen an den gestrigen Abend mit meinen Freunden bei mir zu Hause, Erinnerungen an Computerspiele, Universität, meine Freundin, meine Katze. Gedanken an das Morgen; Die Zukunft baut sich klar vor mir auf. Mit bohrenden Kopfschmerzen und Schlafmangel in einem stickigen Hörsaal zu sitzen, mir langweilige Vorträge über Infinitesimalrechnung anzuhören, das ist meine Zukunft. Man könnte mir gewisse präkognitive Fähigkeiten anrechnen, doch das wäre übertrieben und schlicht und einfach falsch. Ich weiß einfach wie es abläuft. Es läuft immer so ab. Das Mensaessen in den Mittagspausen raubt mir den letzten Rest Lebenslust, meine Prüfungsergebnisse bestätigen mein Bild der Welt. Ich mache die Augen langsam auf, in der festen Erwartung meine Zimmerdecke, dekoriert mit einem Poster von Lara Croft in Unterwäsche, zu sehen. Ich lächele. Das was ich sehe kann gar nicht real sein. Alle Register in meinem Gehirn bestätigen mir dies und stempeln meine Augen als Lügner ab. Etwa zwei Meter über mir, wo sich normalerweise eben genannte Zimmerdecke befinden sollte erstreckt sich Schwärze. Wobei es sich nicht unbedingt um Schwarz handeln muss, in diesem Fall währe Anthrazit oder, noch besser, Ruß eine angebrachte Beschreibung. Als sich meine Augen nach und nach an die Dunkelheit gewöhnen erkenne ich weitere Details. Risse, wie schwarze Mäuler, tun sich in der rußigen Fläche auf. Ab und zu lösen sich einzelne schwarze Partikel und fallen auf mich hernieder. Ich drehe den Kopf um Neunzig Grad nach rechts. Ich sehe einen komplett geschwärzten Raum, inklusive Einrichtung Marke Großbrand. Verrußte Holzsplitter, Glasscherben, Kleidungsfetzen und unidentifizierbare Objekte schwarzer Farbe bedecken den Boden, formen surreale Mosaike, erzählen Geschichten aus Vergangenheit, Zukunft und Parallelwelten. Ein wirklich wirrer Alptraum den ich da habe, aber ich lasse mich nicht so leicht einschüchtern. Immerhin habe ich Call of Cthulhu – Dark Corners of the Earth sowie Clive Barkers Jericho mehrmals durchgespielt. Langsam richte ich mich auf, und bemerke dass das Bett auf dem ich liege erstens unbeschädigt ist und zweitens, dass es feste, reale Substanz hat. Ein Wachtraum also. Interessant. Ich trage noch meine Sachen vom Vorabend. Eine billige Workerjeans und ein T-Shirt meiner Lieblingsband Nirvana. Socken oder Schuhe allerdings nicht. Ich setze einen Fuß aus dem Bett und schreie. Etwas hat sich in meinen Fuß gebohrt, etwas steinhartes, aber dennoch bröckeliges. Ich fluche laut, und untersuche meinen Fuß. Ein verkohltes Stück Holz steckt in meinem Fußballen, Blut strömt aus den Wundrändern. Es tut wirklich schweinisch weh. Ein Wachtraum der Schmerz und Verletzungen beinhaltet? Irgendwie kommt mir das spanisch vor. Mit einem kurzen, schmerzhaften Ruck ziehe ich den Splitter aus meinem Fuß und schmeiße ihn in die Ecke, wo er nach kurzem Bandenspiel an der Wand liegen bleibt und mich, befleckt mit meinem Blut, höhnisch anzustarren scheint. Glaubst du noch an einen Traum? scheint er mir sagen zu wollen. Nehmen wir mal rein hypothetisch an dies alles sei real – wo bin ich dann? Dieser Raum ist nicht mein Zimmer, nicht mal mein Zimmer wie es nach einem Brand aussehen könnte. Sieht für mich eher nach einem Mittelklasse-Hotel aus. Vielleicht ein sehr blöder Streich meiner Kommilitonen im Psychologiekurs? Verfluchte Freudianer! Ein Traum ist dies jedenfalls nicht, das steht fest. In einem Traum blutet man nicht. Aber die Psychologen werden bald bluten, das steht fest. Mit jedem Quäntchen Vorsicht dass meine Würde zulässt setze ich beide Füße auf den Boden – es schmerzt verdammt – und stehe komplett auf. Ich muss wohl mehrere Stunden gelegen haben, denn das Blut aus meinem Kopf gehorcht mehr der Schwerkraft als meinem Herzschlag, und mir wird schwindelig. Nach einigen Sekunden allerdings ist der Spuk auch wieder vorbei und ich kann gerade stehen. Mein Blick fällt zu einem Fenster an einem Ende des Raumes, nur erkennbar durch Vorhänge durch die schwaches Licht hineinfällt. Mit vorsichtigen Schritten begebe ich mich zum Fenster und ziehe langsam die Vorhänge zur Seite. Absolute Dunkelheit. Die einzige Lichtquelle ist ein roter Mond der im klaren Nachthimmel scheint. Sollte der Mond rot sein? Ich glaube nicht. Vielleicht Saharasand? Unwahrscheinlich, aber durchaus möglich. Durch dieses Teufelszeug entstand immerhin auch der berühmte Blutregen von New York, bei dem die Menschen ernsthaft dachten es regnete echtes Blut und der jüngste Tag sei angebrochen. Es gibt für alles eine rationale Erklärung, man muss sie nur finden. Ich untersuche die Inneneinrichtung des Zimmers. Mein Verdacht es sei ein Hotelzimmer wird bestätigt. Überall prangt der Name dieses Schuppens wie es scheint – Hazienda Ansiedad – und es gibt sogar eine verkohlte, geschmolzene Minibar. Während ich die Minibar weiter untersuche kracht es plötzlich hinter mir ohrenbetäubend, Holz splittert und Metall prallt auf etwas hartes. Jede Menge Metall. Erschrocken wirbele ich herum und ramme dabei meinen verletzten Fuß nochmal in den gleichen Holzsplitter. Doch das interessiert mich momentan nicht. Vor meinen Augen steht ein etwa 120cm hoher, rostiger Tresor der anscheinend durch die Decke gefallen ist. Ein wahrhaft schweres Ding, umgeben von Holzsplittern mehrerer Stockwerke, uralt wie es scheint. Der cremefarbene Lack blättert an vielen Stellen ab, an machen Stellen wurde er komplett durch Rost ersetzt. Trotz seines unwahrscheinlichen Falles steht der Tresor aufrecht, die Räder des Kombinationsschlosses sind unbeschädigt und sehen sogar recht neu aus – im Gegensatz zum Rest des Panzerschrankes. Das Loch was er in die Decke gerissen hat lässt mich in ein Haus voller Schwärze und Dunkelheit blicken, Ruß fällt langsam wie Schneeflocken in den Raum. Ich erkenne mindestens drei weitere Stockwerke, allesamt vom Tresor durchschlagen. Da ich oben nichts weiter erkennen kann blicke ich den Tresor genauer an. Irgendjemand hat mit roter Farbe in gekritzelten und halb verschmierten Lettern groß Escape. Reset. auf die Tür geschrieben. Was soll das heißen? Wenn das ganze ein Scherz sein soll, das ist nicht lustig! Versuchsweise rüttele ich an der Tür, aber nichts passiert. Das Ding bewegt sich nicht ein Stück, muss wohl etwa eine Tonne wiegen. Inzwischen ist mir klar dass dies kein Traum ist. Ein Scherz der Psychologen ist unwahrscheinlich, aber möglich. Klar ist, etwas läuft hier verdammt falsch. Ich entschließe mich den Tresor fürs erste ruhen zu lassen. Immerhin kenne ich die Kombination für das Schloss nicht, und mein Mathematikstudium hat mich gelehrt dass es pure Glückssache ist die Kombination eines Tresors zu erraten. Vom Glück verfolgt war ich nie, das weiß ich. Stattdessen gehe ich auf die Tür zu und öffne sie. Mit einem persistenten, von Alter und mangelnder Pflege zeugenden Quietschen und Knarren öffnet sie sich nach außen, und gibt den Blick auf einen schwarzen, verrußten Gang frei. Ein Stillleben, der typische Obstkorb, hängt unbeschädigt an der Wand und der Geruch von Ruß, Feuer und alten Gebäuden schlägt mir ins Gesicht. Das und ein schwerer, süßlicher Gestank, der mich spontan an den Kühlschrank meines Mitbewohners erinnert. Irgendetwas läuft hier ganz eindeutig falsch. Ein kurzer Blick durch den Gang offenbart mir dass sich links neben meinem Zimmer die Tür zum Treppenhaus befindet und der Gang rechts weitergeht und weitere Zimmer beherbergt. Ich habe keine Lust weiter hier zu bleiben und bewege mich direkt aufs Treppenhaus zu. Die Tür ist aus Metall, schwarz verrußt und leicht verzogen. Die Klinke ist angeschmolzen, scheint aber intakt zu sein. Ich greife nach der Klinke und ziehe versuchsweise daran. Die Tür bewegt sich ein Stück in meine Richtung und schwingt dann in ihre Ausgangsposition zurück. Das Schloss knackt. Was zum Henker ist hier los? Ich will mich gerade umdrehen, als auf der Tür in der gleichen verschmierten, blutroten Schrift Worte erscheinen. Worte, wie in Stein eingemeißelte Botschaften die die Zukunft voraussagen. Kein Weg zurück! Steht dort. Die Worte sind nicht von einer Zehntelsekunde auf die andere aufgetaucht, sondern mehr aus der Tür geflossen, so absurd das auch klingen mag. Die Farbe erinnert tatsächlich an Rost und getrocknetes Blut. So sehr ich sie auch verachten mag, so was traue ich meinen Kommilitonen aus dem Psychologiekurs doch nicht zu. Irgendetwas verstößt hier ganz klar gegen gewisse Regeln der Realität. Es gibt für alles eine rationale Erklärung, man muss sie nur finden. Niemand sagte dass dies eine einfache Aufgabe sei. Ich bewege mich von der Tür weg. Die ganze Situation kommt mir wie ein schlechter Horrorfilm vor. Den Gang runter befinden sich weiter Reihen von Zimmertüren und einige Räume der Bediensteten – Waschräume, Küchen und so weiter. Ich ignoriere zerstörte Zimmertüren und den süßlichen Gestank und gehe direkt in den Waschraum. Etwa zwanzig Waschmaschinen stehen in zwei Reihen mitten im Raum, an der Wand Wäschetrockner. Dazu einige Spinde, wahrscheinlich um Waschpulver und ähnliches Zeug von dem ich keine Ahnung habe aufzubewahren. An der Wand neben der Tür hängt ein Telefon. Auf einmal klingelt es. Der Schreck wirft mich fast von den Füßen, und ich spüre wie mein Herz an meine Schädeldecke klopft. Mit zitternden Händen greife ich nach dem Telefonhörer und nehme ab. Hallo, Daniel meldet sich eine hohe, unmenschliche Stimme. Sie klingt als sei sie durch ein Funkgerät übertragen worden, und irgendetwas stört das Signal. Bist du bereit für deine Katharsis? Bist du bereit die tiefsten Abgründe deines Selbst kennenzulernen und daran zugrunde zu gehen – oder zu überleben? Mit aller mir zur Verfügung stehenden Kraft ramme ich den Hörer wieder in seine Halterung. Weiße Plastiksplitter fallen zu Boden, doch die Stimme fängt durch den Hörer an zu lachen, mich auszulachen wie ein Kind das Angst vor der Dunkelheit hat, und sie lässt sich nicht abschalten. Tiefere, in der modernen Zivilisation unbenutzte Teile meines Gehirns reagieren auf eine uralte Art und Weise auf den Klang der Stimme, auf das Lachen und die Botschaft die mir überbracht wurde. Ich renne schreiend aus dem Waschraum und in die Küche hinein. Aus irgendeinem Grund ist die Küche vollkommen intakt. Sogar ein Topf mit Essen steht auf einem der Herde, der Raum ist sauber und weiß. Der Geruch von Nudeln erweckt Hunger in mir, doch ich werde mich hüten an diesem Ort etwas zu essen. Trotzdem mache ich den Topf auf – nur um sicher zu sein dass sich darin nichts grässliches verbirgt. Buchstabensuppe. Welches Hotel bietet Buchstabensuppe an? Und noch dazu einen so riesigen Topf. Mindestens Fünf Liter Volumen, schätze ich. Sieht für mich eher nach einer Großküche aus als nach einem Ort an dem Buchstabensuppe für Kinder gekocht wird. Irgendetwas stimmt mit dieser Suppe nicht. Ich beuge mich etwas weiter darüber und bemerke dass die Masse aus Buchstaben und Zahlen in der Mitte etwas höher steht als am Rand. Das Ganze Alphabet in Hartweizengrieß spritzt mir ins Gesicht und wirft mich mit voller Wucht zu Boden, wie ein Kinnhaken von Bruce Willis. Verwirrt und ängstlich wische ich mir die Pasta-Pampe aus meiner Visage und richte mich auf. Der Gasherd hat den Topf umgeworfen und wirft blaue Flammen an die Decke, die sich unter der Hitze wellt und schwarz färbt. Das schlimmste ist aber die geflieste Wand da hinter. Es kleben Buchstaben daran. Hass Hass Hass Hass Wir töten Dich Dich DICH DICH DICH TÖTEN WIR CARPE DIEM CARPE NOCTEM Du Hast Uns Umgebracht Es war kein Spiel kein Spiel KEIN SPIEL KEIN SPIEL KEIN SPIEL Die erste Zahl des Untergangs 67 GIB UNS RUHE GIB UNS FRIEDEN GIB UNS DEIN BLUT DEIN BLUT BLUT BLUT BLUT BLUT HASS Das ganze ist kein Traum. Kein Streich. Das ganze ist realer als die Faust im Gesicht, realer als Autounfälle, realer als die Realität. Aber ich verstehe es nicht. Ich habe nie jemanden umgebracht. Die 67 ergibt für mich auch keinen Sinn. Und was zur Hölle soll kein Spiel gewesen sein? Ich habe keine Ahnung worum es geht, aber vielleicht dreht sich das ganze um ein Ereignis in meiner Kindheit, an die ich mich nur verschwommen erinnern kann. Ein Autounfall mit einer kostenlosen Kopfverletzung dazu trug im wesentlichen dazu bei, aber vielleicht auch mein Alkoholabsturz in der zehnten Klasse. Ich gehe wieder aus der Küche raus und auf den Gang. Mein Instinkt – wenn man es so nennen kann, vielleicht ist es auch einfach nur ausgeprägter Pessimismus – sagt mir dass sich etwas verändert hat. Archaische Teile meines Gehirns leiten mich in Richtung des Stilllebens an der Wand. Um den richtigen Effekt zu erreichen beschreibe ich das Bild an dieser Stelle einmal genauer. Vorher zeigte es eine braune, sich nach unten verjüngende Vase aus Terrakotta, auf älteren Holztisch. In der Vase lagen zwei Orangen und eine Ananas, vor einem bläulichen Hintergrund. Die Orangen wurden durch blutige Augen ersetzt. Sie zucken noch, obwohl sie auf das Gemälde gebannt sind. Blut spritzt aus Kapillargefäßen im weißen Gelee der Augen, die Muskeln und Nervenbahnen zucken, wiegen sich zu einer alptraumhaften Musik die nur sie hören – oder sehen – können. Böse, nein, anklagend, nein richtend schauen die grässlichen Augen die eigentlich tot und regungslos sein sollten mich an, grässliche Augen auf einem Gemälde dass sich einfach so verändert und bewegt. Sie sehen mich an wie ein Lynchmob einen Verräter. Und dann die Ananas. Die Ananas wurde zu einem grauen, granitenen Grabstein an dem die Augen lehnen. Wie der Zahn eines Monsters sieht er aus, Mahlzähne von uralten Göttern die die Menschen schon lange vergessen haben – aus gutem Grund. Daniel Sikorski steht drauf. Mein Name. Er spielte mit dem Feuer und dann spielte das Feuer mit ihm. Ich registriere kaum dass ich mit meiner rechten Faust auf den Glasrahmen des Bildes einschlage, meine Knöchel immer wieder gegen das langsam zersplitternde Glas ramme, ignoriere wie meine Haut zerschnitten und Glasscherben mir die Knochen an den Händen zerkratzen. Aus dem Gemälde sprudelt heißes, rotes Blut vermischt mit Asche auf meine verletzte Hand, es brennt wie das Höllenfeuer selbst, mir wird heiß und kalt und verliere mein Be... wusst... sei... n... Stille. Der Bilderrahmen liegt zerschmettert auf dem Boden, das Bild ist in Tausend kleine Stücke zerrissen. Überall Blut. Mein Blut und das kochende Blut aus dem Stillleben. Es ist kalt. Ich muss wohl einige Zeit bewusstlos gewesen sein. Mein Verstand scheint das nicht mehr mitgemacht zu haben – ich kann es ihm nicht verübeln wenn er sich aus dem Staub macht. Irgendetwas läuft hier verdammt falsch. Irgendjemand – Irgendetwas bricht hier alle Gesetze der Realität. Oder? Es gibt für alles eine rationale Erklärung. Doch uns Menschen sind nicht alle variablen dieser Gleichung bekannt. Damit kann ich mich abfinden. Nur weil ich mir absolut nicht erklären kann warum etwas passiert muss das nicht heißen dass es eine übernatürliche Ursache hat. Vielleicht bin ich ja auf Droge und halluziniere, ein Horrortrip der besonderen Art. Wenn ich also aus dieser überaus realistischen Halluzination aufwache werde ich diesen Scheiß sofort absetzen, egal wie süchtig ich bin. Ich bin eher bereit meinen eigenen Verstand in Frage zu stellen als die Realität. Die Realität ist allgegenwärtig. Sie kann nicht gebrochen werden. Gesetze der Physik, Naturgesetze können nicht einfach außer Kraft gesetzt werden. Allerdings... kennen wir alle Naturgesetze? Bitte, Gott, wenn es dich gibt, hol mich hier raus.... Nein. Niemand wird mich hier rausholen. Ich muss das hier alleine durchstehen. Anscheinend habe ich im Delirium mit Blut eine Botschaft an die Wand geschrieben. Kein Weg mehr zurück. Ich bekenne mich schuldig. Die zweite Zahl des Untergangs 21. 67, 21. Zwei Zahlen. Das Kombinationsschloss am Stockwerk-Express-Tresor hatte drei Räder. Mir fehlt noch eine Zahl. Eine Zahl um diesen Alptraum zu beenden. Ich muss mich beeilen. Lange stehe ich das nicht mehr durch. Höre ich da Schritte hinter mir? Ein vorsichtiger Blick über die Schulter zeigt nur die verschlossene Tür zum Treppenhaus. Ich bin alleine. Ganz alleine. Ich weiß nicht ob ich diesen Fakt gutheißen soll oder nicht. Verfluchte Scheiße, was geht hier vor? Was geht hier vor? Was tut dieses verdammte Hotel mir an? Ein Geräusch aus einem der anderen Zimmer reißt mich aus meinen immer verstrickter werdenden Gedanken. Das statische Rauschen eines Fernsehers. Im Gang sehe ich sogar einen kleinen, flackernden Lichtschein. Mit zittrigen Schritten betrete ich das Zimmer und sehe den angeschalteten Fernseher, einen DVD-Player und eine einzelne, unbeschriftete CD auf einem Tisch. Ich weiß genau was von mir erwartet wird. Ich lege die CD in den Player ein und mache es mir in der Asche vor dem Fernseher gemütlich. Die letzte Zahl des Untergangs 87. Hallo, und willkommen zurück Daniel! Eine verbrannte Frau auf dem Fernseher redet mit mir. Ihr Gesicht ist schwarz verkohlt und von tiefen Furchen wie Schnitte durchzogen. Ihre Muskeln knirschen ein wenig während sie sich bewegt. Verdammt, sie sollte tot sein. Ich will tot sein. Weißt du wieso du hier bist? Nein, du weißt es nicht, Wir werden es dir sagen. Wir, die wir durch deine Hand starben. Sieh her. Ich sehe mich selbst, als ich noch ein Kind war. Zusammen mit einem alten Freund an den ich mich nicht erinnere spiele ich im Garten des Hotels. Zuerst spielen wir nur Fußball und Fangen, aber dann hat mein Freund plötzlich eine Idee. Lass uns doch mit Streichhölzern spielen. Nein, das ist keine gute Idee. Ich habe Angst. antwortet mein junges Ego. Nun sei kein Feigling. Na gut. Wir spielen also mit Streichhölzern. Den ganzen Tag. Diese Mega-Packungen gehen auch nie leer. Das Video zeigt wie wir hinterher wieder weggehen und die Packung liegen lassen. Eine Welle schrecklicher Gewissheit ereilt mich. Die Streichhölzer entzünden sich und ein Busch fängt in der Sommerdürre Feuer. Der altersschwache Hausmeister kann das Feuer nicht kontrollieren, und bald greift der Brand auf das erste Zimmer über. Schon bald steht das gesamte Gebäude in Flammen, die Schreie von Männern, Frauen und Kindern hallen durch das Rauschen, die Feuerwehr scheint noch weit entfernt... AUFHÖREN! brülle, schreie, kreische ich aus tiefster Lunge. Und siehe, es hört auf. Dein jugendlicher Leichtsinn hat uns unschuldige Menschen in den Tod getrieben. Du hast uns dem Feuer überantwortet, ohne zu wissen was du tust. Du wurdest niemals bestraft, obwohl du damals wusstest was du getan hattest als du die Zeitung last. Heute stehen wir, die Toten, als deine Richter. Geh und öffne nun den Tresor den wir dir geschickt haben. Er enthält dein Urteil. Die Kombination – 67, 21, 81 – dürftest du ja inzwischen kennen. Die Zahlen des Untergangs. Wir hoffen, wir müssen dich nie wieder sehen. Eine Welle der Schuld überkommt mich und ich fange an hysterisch zu heulen, wie ein verletztes Tier. Die Tränen laufen über meine Wangen wie Blut, meine Seele fühlt sich an wie ein Stück glühendes Blei. Was kann ich tun? Was kann ich tun um sie rein zu waschen? Befolge das Urteil. Ja. Zitternd schreite ich zurück zu dem Zimmer in dem ich aufgewacht bin. Der Tresor steht unverändert da, doch die Aufschrift lautet nun Gerechtigkeit. Langsam drehe ich die Rädchen des Kombinationsschlosses, 67, 21, 81, und nach etwa Fünf Minuten die mir wie Fünf Jahre vorkommen springt die Tür leise quietschend auf. Der Innenraum ist mit Blut beschmiert, in das Symbole eingekratzt sind die sich meiner Deutungsgabe entziehen. Im mittleren Fach liegt ein schwer aussehender Revolver. Natürlich. Blut muss mit Blut bezahlt werden, Tod mit Tod. Ist doch völlig klar. Mein Leben gegen meine Unschuld, ein guter Deal. Ich kann sowieso nicht widersprechen. Ich zittere nicht mehr denn ich habe nie zuvor etwas getan was sich so richtig anfühlt. Ich führe den Revolver mit einer ruhigen, bedachten Bewegung an meine Schläfe, murmele meine letzten Worte Ruhet in Frieden und drücke schließlich ab... Obduktionsbericht im Falle „Daniel Sikorski“, den 27.5.2009 Ausgestellt von Dr. Faber Die Leiche des Studenten Daniel Sikorski, männlich, 27 Jahre, weist ein Schusstrauma am Kinn auf, welches den oberen Teil der Schädeldecke vollkommen zerstört hat. Dies ist auch todesursächlich. Das Opfer hatte zu keiner Zeit in den letzten zwei Wochen Alkohol oder sonstige Drogen konsumiert, sein Muskel-Fett Verhältnis war ausgezeichnet. Merkwürdig sind aber gewisse Spuren die ich an der Schusswunde gesichert habe. Eine starke Zunahme des Serotinin- und Antihestaminpegels deuten darauf hin dass Sikorki nach dem Schuss noch mindestens eine Minute gelebt hat, was unwahrscheinlich ist. Außerdem lag die Leiche, wie in ihrem Bericht erwähnt, in einer unnatürlichen Position, als ob sie sich vor etwas schützen wollte. Trotz der Schmauchspuren an der rechten Hand und der Fingerabdrücke auf der Waffe schlage ich vor diesen Fall als Mord und Selbstmord zu untersuchen. Vertrauliche Nachricht, Polizeihauptkommissar Christian Spring Verdammte Scheiße, was ist da genau passiert? Im gesamten Gebäude Blutspuren, das Gebäude an sich ausgebrannt bis auf einige Gegenstände wie ein Bett und einen Fernseher. Die Küche unbeschädigt, bis auf ein paar Brandflecken an der Decke und Nudelsuppe auf dem Boden! Anscheinend klebten sogar Buchstabennudeln an der Wand, doch irgendjemand hat sie abgewischt. Außerdem stand da ein verdammt schwerer Tresor in einem Zimmer. Irgendwie ist der wohl durch mehrere Stockwerke gebrochen und schließlich dort zum Stehen gekommen. Eine Satanssekte die Experimente mit Studenten durchführt und sie in den Selbstmord treibt? Ich habe keine Ahnung, aber dieser Fall ist mir verdammt unheimlich. Die Video-CD die wir am Tatort gefunden haben, war leer, nicht mal die Kriminaltechniker konnten an ihr Spuren irgendwelcher Dateien feststellen. Alles verdammt unheimlich, ich sag's dir.