LuST 1 - Johannes Gutenberg

Transcription

LuST 1 - Johannes Gutenberg
LUST
1 2012
Es wäre schön,
wenn der Hörsaal
überflüssig würde.
Dr. Malte Persike,
ausgezeichnet mit dem
Ars legendi-Preis 2012
Magazin zu Lehre und Studium
Johannes GutenberG-Universität Mainz
Highlights | Nachrichten
Schwerpunktthema | Porträt | Impulse
Studienangebote | Steckbrief
LUST 1_2012
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Inhalt
04 | Highlights |
Impressum
L|u|ST Magazin zu Lehre und Studium
Ausgabe: #1 2012
Herausgeber: Die Vizepräsidentin für Studium und
Lehre der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
Prof. Dr. Mechthild Dreyer
Redaktionsleitung: Martina Stöppel,
Kommunikation und Presse
Redaktion: Gerd Blase, Kommunikation und Presse
Mitarbeit: Dr. Bernhard Einig, Abteilung Studium
und Lehre; Dr. Uwe Schmidt, Zentrum für Qualitätssicherung und -entwicklung;
Petra Giegerich, Kommunikation und Presse
Grafik: Beate Moser, Moser.Design
Bildnachweis: S.1 Peter Pulkowski, S.2 Stefan
F. Sämmer(l), Thomas Hartmann(r), S.4 Thomas
Hartmann(l,m), ©KayrosStudio-fotolia.com,
S.5 ©m-buehner-fotolia.com, ©Joachim Wendlerfotolia.com, S.6 ©circquedesprit-fotolia.com(l),
Peter Kiefer(m), S.7 ©maxkabakov-fotolia.com(o),
©ferkelreggae-fotolia.com, S.9 ©Ryszard Stelmachowicz-fotolia.com,©Lukasch-fotolia.com, S.10 Stefan
Scherer(1), ©Michael Ingenweyen(IASS)(2), Jens
Schulze(4), Peter Pulkowski(3,5,6,7,) Andreas Linsenmann(8), Guido Karp(9), S.11 Thomas Hartmann(l),
©Postbank Foto:Jörg Wolter(r), S.12 ©zest_marinafotolia.com, S.13+S.14+S.15(r) Thomas Hartmann,
S.15 Stefan F. Sämmer(l), S.16 ©G.G.Lattek-fotolia.
com, S.17 ©Robert Kneschke-fotolia.com(l),
©cityanimal-fotolia.com(r), ©Mark Carrel-fotolia.
de (m) ©eyewave-fotolia.com(u), S.18 Thomas Hartmann, S.20-23 Peter Pulkowski, S.24 ©Javier Broschfotolia.com, Thorolf Lipp, Thomas Hartmann, S.25
Andreas Linsenmann, S.26+S.27 Thorolf Lipp, ©wwwebmeister-fotolia.com, S.27 ©Stefan F. Sämmer(u),
S.28 *Eustress, S.29 *Claude-ÉtienneArmingaud(l),
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S.34 ©contrastwerkstatt-fotolia.com(l), ©Marco2811fotolia.com(r), S.36 ©ra2studio-fotolia.com;
Druck: Klaus Koch GmbH
*
Erscheinungsdatum: November 2012
Erscheinungsweise: zweimal jährlich
08 | Editorial |
Ereignisse im Rückblick
Bologna: Lust oder Last?
10 | Nachrichten |
Neues aus Studium & Lehre
12 | Lehrkonzepte |
20 | Porträt |
Vier Juniormitglieder der
Gutenberg-Akademie stellen ihre Projekte vor
Schwerpunkt
Dr. Malte Persike
24 | Impulse |
Lehrkompetenz fördern
32 | Studienangebote |
34 | Steckbrief |
Master of Science Psychologie
Integrierter Bachelor-Studiengang Mainz-Dijon
Psychotherapeutische Beratungsstelle
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Darf ich ohne
Abi studieren
Was passiert, wenn ich
das Studienfach wechsle
Kann ich
BAföG bekommen
Die erste Nacht
der Hausarbeiten
An die 1.000 Studierenden strömten in die erste „Nacht der Hausarbeiten“ in die Universitätsbibliothek. Sie holten sich fachkundige Hilfe für ihre Recherche, besuchten Vorträge
oder entspannten bei Yoga. Eine ganze Nacht lang. „Wir als Servicebetrieb sind für die
Studierenden da. Das wollten wir mit diesem Event besonders unter Beweis stellen“,
sagte Dr. Andreas Brandtner, Direktor der UB, zur Eröffnung. > www.tiny.cc/vptzmw
International studieren
in Mainz
10 Jahre Hotline
für Studierende
Studieren im Ausland, das gehört einfach dazu – und es hat in Mainz ein besonderes
Gewicht. Seit 20 Jahren arbeiten die JGU und die Université de Bourgogne in Dijon
eng zusammen. Die neuen binationalen Studiengänge bieten viel mehr als nur
Auslandssemester. Gerade für angehende Lehrerinnen und Lehrer ist das Angebot
interessant, das nun weiter ausgebaut werden soll. > www.dijon.uni-mainz.de
Diese und andere Fragen beantwortet seit zehn Jahren die Hotline des
Studierendenservices der JGU. Studierende sind am Apparat, um unter
06131 39-22122 Studierende zu informieren. Dieses Modell hat sich
bewährt.18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen bis zu 1.500 Gespräche täglich entgegen. > www.uni-mainz.de/studium
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Highlights
Job-Speed-Dating
beim Career Service
Die JGU kümmert sich um Karriere. Erstmals hieß es beim JobSpeed-Dating für Studierende: „In zehn Minuten überzeugen.“
Neun Unternehmen suchten quasi im Akkord den Kontakt zu
potenziellen Arbeitnehmern. Und der Career Service bietet noch
mehr: Bei der Frühjahrs- und der Herbstuni gibt es Seminare zu
Schlüsselqualifikationen, Bewerbungstraining und Workshops.
> www.career.uni-mainz.de
Jahrestagung
zur Hochschuldidaktik
Es ging um die Auswirkungen der Bologna-Reform auf die
Kompetenz der Studierenden. Um den Lehrstil der Professorinnen
und Professoren. Um innovative Lehr- und Lernstrukturen an
den Unis. Bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für
Hochschuldidaktik (dghd) stand „Forschung im Fokus“ der Lehre.
Das Zentrum für Qualitätssicherung und -entwicklung der JGU
und das Gutenberg Lehrkolleg (GLK) hatten eingeladen.
> www.dghd-jahrestagung-2012.de
Plagiate & Co
Die Plage der Plagiate nervt nicht erst, seit Karl-Theodor zu Guttenberg seine Doktorarbeit aus verschiedensten Quellen zusammenklaubte. Das Thema „Plagiate & Co“ treibt die Unis um. Gerade die
Neuen Medien bieten immer mehr Möglichkeiten zum Betrug.
Universitätsbibliothek und Studium generale der JGU organisierten
eine Tagung, um das Problem auszuloten und über Gegenstrategien
zu informieren. > www.tiny.cc/d9tzmw
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LUST
Bologna:
L
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Editorial
Lust oder Last?
andauf, landab scheint seit Bologna vielen die Lust an
Lehre und Studium vergangen zu sein: Die einen verbinden mit den europäischen Bildungsstandards nur noch
hohe Prüfungslast, überbordende rechtliche Vorgaben und
unsinnigen Verwaltungsaufwand. Die anderen stellen die Möglichkeit eines sachgerechten Fachstudiums generell in Frage;
wieder andere heben auf einen Rückgang studentischer Mobilität
und einen Niedergang studentischen Engagements in Hochschule
und Gesellschaft ab. Diese Beschwerdeliste ließe sich problemlos
weiter fortsetzen und mit beliebig viel Emotionalität würzen.
Sind die Bologna-Standards aber tatsächlich das Problem, oder
leiden wir nicht vielmehr an und unter ihren mehr oder weniger
gelungenen Umsetzungen?
In dieser Situation ist LuST Programm. Das Magazin für Lehre
und STudium der Johannes Gutenberg-Universität Mainz bietet
Anregungen und Tipps, wie Lehre und Studium gelingen können,
wie man auch an der Hochschule von heute mit Lust lehren und
studieren kann.
Gute Lehre lebt wesentlich von der Persönlichkeit der Lehrenden: Ihr Engagement und ihre Präsenz, ihre an den Bedürfnissen
der Studierenden orientierte Vermittlung der Lehrinhalte, aber
auch ihre Bereitschaft zum intensiven Austausch mit den Studierenden sind die maßgeblichen Faktoren für das Gelingen von Lehre.
Daher handelt LuST immer auch von den Lehrenden.
Fühlen Sie sich als Leserinnen und Leser des Magazins eingeladen, sich über Lehrkonzepte und Lehrprojekte an unserer
Universität auszutauschen. Hierzu haben wir eine neue Plattform
eingerichtet – den Blog finden Sie unter
> www.blogs.uni-mainz.de/lust
Im Namen des gesamten Redaktionsteams wünsche ich Ihnen
eine anregende Lektüre
Prof. Dr. Mechthild Dreyer
Vizepräsidentin für Studium und Lehre
PS: LuST ist ein Projekt und damit Bologna nicht unähnlich.
Über Ihre Anregungen zur weiteren Verbesserung seiner
Umsetzung freuen wir uns.
Bologna
Neues
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Neue „Studis“ und viele Preise für die Lehre
+++ Personalien: Landeslehrpreis
und Lehrpreis des Senats
Zwei Lehrpreise des Landes Rheinland-Pfalz gingen 2012 an
Lehrende der JGU: Wissenschaftsministerin Doris Ahnen übergab
die Auszeichnungen an Prof. Dr. Stefan Scherer 1 vom Institut
für Kernphysik und an PD Dr. Mark Lawrence 2 vom Institut für
Physik der Atmosphäre. „Ziel des Preises ist es, ein sichtbares
Zeichen für die Bedeutung guter Lehre und für diejenigen zu
setzen, die sich ihr jeden Tag mit großem Engagement widmen“,
sagte die Ministerin. Das Preisgeld von 10.000 Euro können die
beiden frei verwenden – für dienstliche Zwecke versteht sich.
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Nachrichten
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Alljährlich werden beim DIES LEGENDI die Lehrpreise des Senats
der JGU vergeben. Die auf je 1.000 Euro dotierten Auszeichnungen erhielten im Sommersemester 2012:
Prof. Dr. Christiane Tietz 3 (Evangelische Theologie),
Prof. Dr. Gerhard Kruip 4 (Katholische Theologie),
Jannis Kounatidis 5 (Department of English and Linguistics),
Dr. Frédérique Bauer 6 (Romanisches Seminar),
Dr. Patrick Schollmeyer 7 (Institut für Klassische Archäologie),
Dr. Andreas Frings 8 (Historisches Seminar) und Susanne Dewald
(Künstlerische Ausbildung) von der Hochschule für Musik.
aus Studium & Lehre
+++ Mehr Studierende als je zuvor
Die Studierendenzahlen der JGU bleiben auf Rekordniveau.
Im vorigen Wintersemester wurde erstmals die Grenze von 36.000
Studierenden überschritten, und in diesem Semester werden wieder mehr als 36.200 Studierende eingeschrieben sein. „Wir haben
diese Entwicklung erwartet und freuen uns natürlich über das
starke Interesse am Angebot unserer Universität“, erklärt Prof.
Dr. Georg Krausch, Präsident der JGU. „Angesichts der in diesem
Jahr anstehenden doppelten Abiturjahrgänge in Baden-Württemberg sowie in Hessen haben wir mit dem Land eine Erhöhung
der Erstsemester-Plätze im Jahr 2012 um 690 vereinbart. Für das
Sommersemester 2012 und das Wintersemester 2012/13 stehen
damit insgesamt knapp 5.500 Studienplätze im ersten Hochschulsemester zur Verfügung.“
+++ Ausgezeichnet: Mainzer
Weg aus der Euro-Krise
50.000 Euro Preisgeld ist die Arbeit von fünf Studierenden der JGU wert: Elisabeth Falck, Isabell Scheringer,
Johannes Tischer, Cornelius Veith und Gerold Willershausen belegen den ersten Rang beim Postbank
Finance Award 2010/11. Die angehenden Rechts- und
Wirtschaftswissenschaftler untersuchten gemeinsam mit
ihrer Dozentin Prof. Dr. Isabel Schnabel den „Teufelskreis von Banken- und Schuldenkrisen und die Stabilität
des Euro“. Sie arbeiteten heraus, wie das Ausfallrisiko
der Banken mit der wirtschaftlichen Entwicklung des
Heimatlandes in Verbindung steht. Auf dieser Grundlage
formulierten sie Empfehlungen für Banken und Staaten.
Der Postbank Finance Award ist mit insgesamt 100.000
Euro der höchstdotierte deutsche Hochschulpreis.
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vier
mal
Lehrkonzepte
Frisches für die Lehre
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19 herausragende Doktorandinnen
und Doktoranden tauschen sich aus –
über die Fachgrenzen hinweg. Das und
einiges mehr macht die GutenbergAkademie möglich. Sie stellt Kontakt
her zu etablierten Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftlern, ebnet den Weg
für außergewöhnliche Projekte, knüpft
Netzwerke oder leistet praktische Hilfe
beim Karrierestart. So entstehen auch
innovative Lehrkonzepte.
Vier Juniormitglieder der Gutenberg-Akademie
stellen ihre Lehrprojekte vor, mit denen sie frische
Ideen in die Seminarräume der JGU bringen
wollen. Sie laden ein ins Lehr-Lern-Labor, zum
„LifeWriting“-Experiment, in ein
ungewöhnliches Autorenkollektiv
oder zum Zirkeltraining in der
Buchwissenschaft.
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Lehrkonzepte
Verdammt,
ich bin gefangen!
Die Physik
lebt vom
Schülerprojekt Quantenphysik
Experiment
Lehr-Lern-Labor
D
ie Schülerinnen und Schüler sitzen im Halbkreis. Sie
haben fünf Stunden Physik hinter sich, wirken aber erstaunlich frisch. Wie gefiel es ihnen denn? „Ich fand total
gut, wie das aufgebaut war“, meint eine 16-Jährige. „Am Anfang
hab‘ ich ja wenig verstanden. Aber nach und nach ...“ Dann folgt
Kommentar auf Kommentar: „Es hat Spaß gemacht, mal wirklich zu
arbeiten, mal so richtig zu löten.“ – „Ich fand‘s unfassbar gut, dass
wir uns das Thema selbst erschlossen haben.“ – „Was Praktisches
zu machen, das war neu.“
„Die Physik lebt vom Experiment“, das kann William Lindlahr
gar nicht oft genug betonen. Das Juniormitglied der GutenbergAkademie ist Doktorand in Fachdidaktik am Institut für Physik.
Die Schülerlabore, die dort angeboten werden, liegen ihm schon
lange am Herzen. Hier hat er viel mit Schulklassen gearbeitet,
zusammen mit Dr. Frank Fiedler und Prof. Dr. Klaus Wendt. Das
Trio hat die Idee des Schülerlabors nun ein Stück weitergedacht:
In Zukunft sollen nicht nur die Schülerinnen und Schüler lernen,
auch Lehramtsstudierende sollen in einem neuen Lehr-Lern-Labor
Erfahrungen für den späteren Unterricht sammeln.
„Mit Versuchen machen wir Physik begreifbar“, sagt Lindlahr.
„Begreifbar“ meint er buchstäblich. So trug das gerade abgeschlossene Schülerprojekt den griffigen Titel „Verdammt, ich bin gefangen!“ Es ging um einen wichtigen Aspekt der Quantenphysik:
Wer Elementarteilchen untersuchen will, muss sie über längere Zeit
an einem Ort halten.
Die Paulfalle ist eine relativ einfache Vorrichtung, um Teilchen
zu fangen – und genau solche Fallen haben die Schülerinnen und
Schüler gebaut.
Drei Elektroden, ein paar Drähte, Schraubenmuttern, zwei Holzscheiben: Viel mehr war nicht nötig, um ein Modell zu basteln, das
zwar keine Elementarteilchen, aber doch sehr kleine Teilchen fängt.
Am Ende zitterten die Partikel leuchtend rot im Strahl eines Laserpointers. Sie waren gefangen in den Paulfallen.
„Im Physikunterricht ist es oft so, dass kaum Experimente
gemacht werden“, meint Fiedler. „Wir ermöglichen den Schülern,
Physik mit ihren eigenen Händen zu erleben und zu erfahren,
statt nur dabei zu sein.“ Das hat sich in den Schülerlaboren bereits
bewährt. Nun kommt etwas Neues hinzu. „Im Gespräch kamen
wir darauf, dass wir was tun müssen, um auch die Lehramtsstudierenden dazu zu kriegen, da mitzumachen.“
Das Trio fand: Es fehlen Lehrveranstaltungen, in denen speziell die Konzeption und Umsetzung von Schülerexperimenten mit
den Lernenden geübt und anschließend reflektiert wird. Denn eine
Lehrkraft, die im Studium nicht gelernt hat, Schülerexperimente zu
integrieren, die wird das später im Stress des Berufsalltags erst recht
nicht auf die Reihe bringen. So bleiben Experimente eine Randerscheinung im Schulalltag.
Das Lehr-Lern-Labor soll hier Weichen stellen. Die einsemestrige Lehrveranstaltung, die sich an Studierende im sechsten
Semester des Bachelor-Studiengangs Lehramt Physik wendet, ist
in vier Phasen unterteilt.
In der Einführungsphase bekommen die Studierenden die
Grundlagen eines schülerzentrierten experimentellen Physikunterrichts vermittelt. In der ersten Projektphase gehen sie dann
auf Tuchfühlung mit den die Schülerinnen und Schülern. Zusammen
mit fortgeschrittenen Mentorinnen und Mentoren führen sie Experimentierkurse durch, die bereits in der Praxis erprobt sind. Nach
dieser Erfahrung konzipieren die angehenden Lehrkräfte eigene Experimentierstationen. Sie leiten mit Unterstützung der Mentorinnen
und Mentoren selbstständig einen Experimentiertag, schauen, wie er
ankommt, und verpassen dem Ganzen einen Feinschliff.
In der Abschlussphase diskutieren die Lehramtsstudiernden
ihre Ergebnisse und Erfahrungen. Sie tauschen sich aus über ihre
Projekte und bekommen so einen Überblick, was alles möglich
ist im Schülerlabor. Ihre neu erarbeiteten Experimentierangebote
fließen wiederum in eine nächste Runde des Lehr-Lern-Labors ein:
Neue Studierende nutzen in der ersten Projektphase die nun
erprobten Konzepte ihrer Vorgänger. Ein schöner Nebeneffekt
dabei: Das sowieso schon reiche Angebot der Schülerlabore
wird immer reicher.
„Im Fachbereich haben wir mit unserer Idee große Unterstützung gefunden“, erläutert Wendt. „Alle waren sich einig: Das ist
eine gute Sache.“ Eine andere Sache war es, das Lehr-Lern-Labor
tatsächlich in den Bachelor-Studiengang Lehramt Physik zu
integrieren. „Da mussten erst mal eine Menge Anforderungen
erfüllt werden.“
Doch im Wintersemester 2012/2013 ist es so weit: Das LehrLern-Labor kann seine Arbeit aufnehmen. Lindlahr, Fiedler und
Wendt können beweisen, wie sehr die Physik gewinnt, wenn das
Experiment im Mittelpunkt steht.
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Referate weg
und los!
Zirkeltraining
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Lehrkonzepte
er Titel der Übung klingt trocken: „Theorien & Methoden
der Buchwissenschaft“. Da reiht sich Referat an Referat.
Die Studierenden fassen zusammen, was die einzelnen
Theorien und Methoden sollen oder können, dann darf diskutiert
werden.
„Ich hatte in einer Fortbildung gelernt: Referatbasierte Lehrveranstaltungen funktionieren am besten, wenn wir die Referate
weglassen“, erzählt Corinna Norrick-Rühl, wissenschaftliche
Mitarbeiterin am Institut für Buchwissenschaft und Juniormitglied
der Gutenberg-Akademie. Also machte sie sich zusammen mit
Jun.-Prof. Dr. David Oels daran, die Veranstaltung umzukrempeln.
Es entstand ein Zirkeltraining fürs Hirn.
„In der Buchwissenschaft begegnen sich Theorien und Methoden aus verschiedensten Fächern.“ Geschichts- und medienwissenschaftliche Aspekte begegnen soziologischen Theorien, empirische
Sozialforschung trifft auf facheigene Methoden. „Wir geben den
Studierenden eine Art Werkzeugkasten mit, eine Erstausstattung.“
Bisher geschah das über Referate. „Dabei besteht die Gefahr,
dass viel Wissen verloren geht“, sagt Norrick-Rühl. Zudem beschäftigt sich jeder Referent nur mit einem Aspekt, den Rest konsumiert
er. „Wir wollten den Studis ein Hands-on-Erlebnis bieten.“
Oels und Norrick-Rühl entwickelten einen eintägigen
Workshop: ihr Zirkeltraining. Sie entwarfen sechs Stationen,
die die Studierenden in kleinen Gruppen durchlaufen.
Vier Stationen sollte jeder schaffen. „Die Vorbereitung
kostete viel Geduld und Arbeit.“ Je 45 Minuten
war Zeit, um Aufgaben zu lösen, sich über Arbeitsblätter zu informieren und einiges mehr zu
erleben: An der Station „Befragung“ gab
es Interviewausschnitte aus Norrick-Rühls
aktueller Forschungsarbeit zu hören.
„Wir stellten hohe Anforderungen. Schließlich
hatten wir es meist mit Erst- und Zweitsemestern zu tun. Würden
sie die Aufgaben in der Zeit bewältigen? Würde Raum für Diskussionen bleiben?“
Die Rückmeldungen nach dem ersten Zirkeltraining waren
gemischt. „Der Methodentag war gut, aber leider etwas zu viel für
einen Tag.“ Norrick-Rühl und Oels überarbeiteten ihr Konzept,
und das Feedback zum zweiten Training fiel prompt positiv aus:
„Es hat tierisch Spaß gemacht“, hieß es. „Es war eine lockere Atmosphäre, ein ungezwungenes und nachhaltiges Lernen.“
In diese Richtung geht es weiter. „Im Wintersemester werden
wir halbe Methodentage anbieten“, sagt Norrick-Rühl. Das Zirkeltraining soll ständig angepasst werden. Nur eins steht fest: „Referate
habe ich aus meinem Repertoire völlig gestrichen.“
Writing
im Experiment
Ringseminar
D
ie Autobiografie von Benjamin Franklin und autobiografische Blogs von Kriegsteilnehmern, Autofiktion nach
9/11 und Auto-Filmdokumentationen, autobiografische
Comics und Lebensgeschichten ethnischer Minderheiten: das
Programm war ungeheuer bunt beim Ringseminar „American
Literature II: Life Writing“.
Sechs Stipendiatinnen des Graduiertenkollegs „Life Writing“
hatten sich zusammengetan, um ein außergewöhnliches Lehrkonzept anzugehen. „Als Kolleg hatten wir keinen eigenen Raum,
nur eine Homepage“, erzählt Dr. Anita Wohlmann, Juniormitglied
der Gutenberg-Akademie. „Mit dem Seminar bekamen wir die
Gelegenheit, unsere einzelnen Projekte zu präsentieren und uns
darüber mit den Studierenden auszutauschen.“
Zusammen mit den Leitern des Kollegs,
Prof. Dr. Alfred Hornung und Prof. Dr. Oliver
Scheiding, entwickelten Katja Kurz, Pascale
Cicolelli, Yvonne Gutenberger, Shan Pan, Simone
Schwär und Anita Wohlmann ihr Ringseminar.
Das Ziel: Studierende sollten bei diesem Experiment einen Einblick bekommen in das wissenschaftliche Arbeiten jenseits des Studiums.
Jede Nachwuchsforscherin übernahm ein Themengebiet. Es gab
also nicht nur eine Lehrende, sondern sechs, von denen jede einen
anderen fachlichen Hintergrund und einen besonderen Blickwinkel
mitbrachte. Die chinesische Austauschdoktorandin Shan Pan
etwa konnte viel erzählen von den interkulturellen Beziehungen
zwischen den USA, Deutschland und China.
Zudem arbeitete jede Doktorandin in einer Kleingruppe
zu einem Themengebiet. „Das gab uns Gelegenheit, unsere eigene
Forschung zu reflektieren“, sagt Wohlmann, „die Studierenden
brachten neue Aspekte und Anregungen ein.“ In den Seminarsitzungen wurden dann die Ergebnisse vorgestellt. „Es war kein
herkömmlicher Unterricht, das waren eher Gruppendiskussionen.
Es waren ja immer drei, vier Doktorandinnen anwesend.“
Von den 30 teilnehmenden Studierenden kamen ausgesprochen
positive Rückmeldungen: „Sie mochten die gute Atmosphäre,
die enge Zusammenarbeit mit uns Doktorandinnen“, erinnert
sich Wohlmann. „Wir Stipendiatinnen haben auch profitiert.
Wir konnten uns die Vorbereitung und die Betreuung teilen. Wir
konnten Lehrerfahrungen sammeln.“ Und das Graduiertenkolleg
„Life Writing“ bekam ein Gesicht für die Studierenden –
sechs Gesichter, genau genommen.
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Lehrkonzepte
Praxismodul
Studierende
proben den
W
ie sollen Studierende der Soziologie ein Gefühl dafür
bekommen, wie es später aussieht in ihrem Berufsleben,
wenn noch gar nicht klar ist, was konkret sie einmal tun
werden? Eine schwierige Frage. Doch Tobias Boll, Juniormitglied
der Gutenberg-Akademie, und Dirk Böpple, Leiter des Studienbüros am Institut für Soziologie, hatten da eine Idee ...
„Wir wissen ganz genau, dass wir nicht so richtig wissen, was
die Studierenden später machen werden“, sagt Boll. „Viele bleiben
nicht in der Forschung, sondern gehen zum Beispiel in die Wirtschaft.“ Eines sei aber klar: „Organisations- und ManagementSkills, Strategien, Wissen zu organisieren, werden auf jeden Fall
gefragt sein.“ Darauf richteten Böpple und Boll ihr Praxismodul
aus.
60 Studierende des Bachelor-Studiengangs Soziologie wurden
in Gruppen von drei bis fünf Personen eingeteilt. In einer eigenen
kleinen Forschungsarbeit oder einem Praktikum beschäftigten sie
sich mit einer soziologischen Fragestellung. Danach gingen sie
daran, als Autorenkollektive ihre Ergebnisse in Sammelbänden zu
präsentieren.
Ernstfall
„In der Regel vermitteln wir den Studierenden das Schreiben
nicht, es wird vorausgesetzt.“ Das sollte sich hier ändern. „Eine
Arbeit liest im Allgemeinen nur der Studierende selbst und dann
sein Dozent. Das ist ein Publikum von zwei. Wir stellten eine
gewisse Öffentlichkeit her.“ Die Studierenden lernten, Texte konstruktiv zu kritisieren und Kritik anzunehmen.
Das Praxismodul teilte sich in zwei Veranstaltungsformen:
In Plenarsitzungen vermittelten Boll und Böpple unter anderem
Wissen zu Zeitmanagement und Projektplanung. In den Workshops
wurden die Projekte und die geplanten Sammelbände intensiv
besprochen. Konkrete Zeit- und Aufgabenpläne mussten erstellt
werden. „Das waren richtige Redaktionssitzungen. Da verschwamm
die Grenze zwischen Lehre und Betreuung.“
Jenseits davon sollten die Studierenden selbstständig in ihren
Gruppen arbeiten. „Selbstorganisation haben wir ihnen schon stark
abverlangt, und damit hatten einige so ihre Probleme.“ Boll plädiert
dafür, diese Fähigkeit schon früher im Studium einzuüben.
Die Rückmeldungen auf das erste Praxismodul waren durchaus
positiv. „Interessant“ und „lehrreich“ lauteten zwei Urteile.
Allerdings wünschte sich manch einer eine einleitende Sitzung vor
Semesterbeginn. Das ist inzwischen umgesetzt, denn auch das
gehört zum Modul. „Wir werden das Modul weiter verbessern“,
verspricht Boll, „wir werden immer daran arbeiten.“
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Der Hörsaal
hat ausgedient
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Porträt
Ich will nicht,
dass die Leute
einfach nur
durchstudieren.
Dr. Malte Persike
Statistik und
Methodenlehre – das sind
Fächer, die nicht unbedingt Begeisterungsstürme
auslösen. Dr. Malte Persike schafft es dennoch,
seine Studierenden zu motivieren. 2012 schlugen
sie ihn sogar erfolgreich für den Ars legendi-Preis
vor, denn er beschreitet neue Wege: Persike lockt
die Studis aus den Hörsälen ins Internet.
LUST 1_2012
ZUR PERSON
Malte Persike studierte
Betriebswirtschaftslehre in
Bayreuth, bevor er 1998
zur Psychologie und an die
Universität Münster wechselte. Nach seinem Diplom
2004 wurde er Wissenschaftlicher Mitarbeiter
an der Universität Münster.
Ein Jahr später kam er an
die JGU, wurde dort 2008
promoviert und 2011 zum
Akademischen Rat ernannt.
E
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Porträt
nge Stuhlreihen fest verankert, davor steht ein Pult: Hier
lauschen Studierende mehr oder weniger andächtig ihren
Vorlesungen. Dr. Malte Persike allerdings hält wenig von
dieser Form der Lehre. Er verirrt sich nur noch selten in diesen
Hörsaal. Denn er ist der festen Überzeugung: „Wenn die Studis
schon an die Uni kommen, dann sollen sie nicht nur nebeneinander
sitzen, dann sollen sie was miteinander tun.“
Wer Psychologie studiert, will sich nicht rumärgern mit Statistik, mit Methodenlehre oder mit den Tücken der Computersoftware. Doch genau das lehrt Persike am Psychologischen Institut
der JGU. „Die meisten Studis haben das gar nicht auf dem Schirm,
wenn sie hier beginnen. Sie hassen die Veranstaltung. Sie kommen
mit viel Angst und Abneigung hierher.“
Das wollte Persike ändern. Er setzte sich an den Computer,
stellte seine Vorlesung auf Youtube, und suchte den Dialog im
Die Staublehre,
die kann man ins Netz
stellen, und dann
was anderes machen.
Wenn die Studis schon an die
Uni kommen, dann sollen sie nicht
nur nebeneinander sitzen, dann
sollen sie
was miteinander tun.
ARS LEGENDI-PREIS
Internet. Die Quittung dafür bekam er prompt. Seine Studierenden
schlugen ihn für den Ars legendi-Preis vor, und tatsächlich nahm er
diese hohe Auszeichnung für ausgezeichnete Lehre Anfang des Jahres entgegen. 50.000 Euro Preisgeld teilt er sich mit einer weiteren
Preisträgerin.
„Das Geld ist mir dabei gar nicht so wichtig“, sagt er. „Mir ist
viel wichtiger, dass meine Studis mich vorgeschlagen haben. Das
war ein Ritterschlag.“ Lächelnd setzt er hinzu: „Sie finden Statistik
jetzt etwas weniger furchtbar.“
Wer auf Youtube „Methodenlehre“ eingibt, kommt schnell
zu Titeln wie „Shorty zum McNemar Test“ oder „Zufallszahlen
mit Excel 2010“. Hier findet sich einiges von Persikes gesammelten
Werken. Er selbst tritt dabei nicht ins Rampenlicht. Ein Computerbildschirm mit Grafiken oder Gleichungen ist zu sehen. Persike
erklärt aus dem Off und ergänzt schon mal handschriftlich Details.
Er duzt sein Publikum und spricht eher locker. Den akademischgelehrten Ton verkneift er sich. „Zwei Durchgänge brauche ich, bis
so ein Schnipsel steht, dann kommt noch der Schnitt dazu. Das ist
viel Arbeit.“ Seine „Schnipsel“ sind kurze Beiträge, länger als fünf
Minuten dauern sie kaum. „Am Anfang habe ich ganze Vorlesungen
ins Netz gestellt, aber das hier ist besser. Man kann fast jeden Sachverhalt in fünf Minuten erklären.“
Mittlerweile bietet Persike rund 120 Schnipsel an. Viele bauen
aufeinander auf. „Jeder Studi kann sein Lerntempo bestimmen.
Jeder kann lernen, wann er will.“ Besonders für die junge Mutter
oder den berufstätigen Studierenden sei das wichtig. „Viele lernen
nachts.“
Das klingt allerdings, als würde der Kontakt zum Lehrenden
darunter leiden. „Im Gegenteil“, sagt Persike. „Wenn ich eine Vorlesung halte, bekomme ich wenig Rückmeldungen. In die Kommentarbox zu einer Internet-Veranstaltung schreiben viele was rein.“
Darauf reagiert er dann direkt. Und unverständliche Passagen nimmt
er neu auf.
„Diese Form eignet sich besonders für konstante Lehrinhalte,
für Grundlagenveranstaltungen. Seminare, Übungen tagesaktuelle
Veranstaltungen – das alles wird nie online laufen, das sollte auch nie
online laufen. Aber die Staublehre, die kann man ins Netz stellen,
Der mit 50.000 Euro
dotierte Ars legendi-Preis
wird seit 2006 jährlich in
wechselnden Disziplinen
vom Stifterverband für die
Deutsche Wissenschaft und
der Hochschulrektorenkonferenz verliehen. Malte
Persike teilt sich den Ars
legendi-Preis 2012 mit Prof.
Nina Kölsch-Bunzen von
der Hochschule Esslingen.
und dann was anderes machen. Das Internet schafft
neue Räume an der Uni.“
Problemorientiertes Lernen gehört für Persike
auf den Campus, Diskussionen und reger Austausch
sollen die Seminarräume beleben. „Es wäre schön,
wenn der Hörsaal überflüssig würde. Er ist ein Medium, wo Studis nur sitzen und zuhören. Mit geht es
um Kontakt und Projektarbeit. Ich will nicht, dass
die Leute einfach nur durchstudieren. Die Hochschule ist ein sozialer Raum, ein Raum der Reifung. Das wird oft vergessen.“
Persikes Weg ins Netz hat viel Anerkennung gefunden, auch
an der JGU. „Wir sind gerade dabei, all unsere Einzelaktionen zusammenzufassen.“ Unter > www.schoolinger.de soll bald jeder
seinen Methodenlehre-Baukasten verwenden können. „Nicht nur
die Studis in Mainz. Alles soll öffentlich zugänglich sein. Jeder kann
sich anmelden.“
Dann wird der Hörsaal also tatsächlich überflüssig? „Man kann
gute Lehre auch völlig anders machen als ich“, räumt Persike ein.
Er will da den Kolleginnen und Kollegen nicht dreinreden. Aber er
hat den Ritterschlag seiner Studierenden bekommen – und das
trotz seiner „furchtbaren“ Fächer. Das zählt schon was, nicht nur
unter Studis.
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IMPUL S E
GLK
Gastdozentur
Dr. Thorolf Lipp
1
Lehraufenthalt
New York Prof.
Dr. Hanno Kube
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Erfolgreiches Studieren setzt Qualität und
Exzellenz in der Lehre voraus. Dafür setzen
sich das Gutenberg Lehrkolleg ebenso
wie die Seminare und Institute der
JGU ein. Dies zeigen drei Beispiele
3 mit Modellcharakter.
Klausurtagung
Dr. Andreas
Frings
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Impulse
GLK
Gastdozentur
Dr. Thorolf Lipp
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Z U R PER S ON
Dr. Thorolf Lipp ist Kulturanthropologe, Filmemacher und Produzent. Er
wurde an der Universität Bayreuth in
Ethnologie und Religionswissenschaften promoviert. Seine Tätigkeit als
Dozent für Kultur- und Medienanthropologie führte ihn unter anderem an
die Universitäten Göttingen, Wien,
Johannesburg und Berlin. Als Inhaber
der Arcadia Filmproduktion drehte
Lipp viele Dokumentationen für
europäische Fernsehsender. Zu seinen
Arbeisschwerpunkten zählen Medien,
Kunst, Religion und das immaterielle
Kulturerbe.
Ethnologie braucht moderne Medien
Gutenberg Lehrkolleg fördert Gastdozentur
Der Film und das Internet müssten in der Ethnologie eine
viel größere Rolle spielen, meint der Kulturanthropologie
und Medienproduzent Dr. Thorolf Lipp. Eine Gastdozentur des Gutenberg Lehrkollegs (GLK) ermöglichte es ihm, diese
These den Studierenden der JGU nahe zu bringen und sie in die
allzu oft vernachlässigte Medienpraxis einzuführen.
Längst ist Dr. Thorolf Lipp zurück in Berlin, doch seine Gastdozentur an der JGU treibt ihn immer noch um. „Die haben mir
gute Bedingungen geboten in Mainz“, lobt er. „Es war Geld da,
und ich hatte viel Freiraum. Sonderprojekte wie dieses sollen ja als
Verjüngungskur wirken. Ich denke, das ist gelungen.“
Insgesamt allerdings sieht der Filmemacher schwarz: „In
Deutschland spielt eine Ethnologie mit audiovisuellen Mitteln eine
geringere Rolle als je zuvor. Es gibt keine festen Stellen dafür an den
Universitäten.“ Niemand sei so recht bereit, sich aus den sicheren
Grenzen der alten Gutenberg-Galaxis hinaus zu wagen in den Kosmos der modernen Medien.
„Das liegt auch an der Finanzierung. Medienproduktion ist
komplex, sie braucht viel Zeit und Geld.“ Davon konnten sich
51 Studierende bei dem Projekt „Interview im Dokumentarfilm“
überzeugen, das Lipp am Institut für Ethnologie und Afrikastudien
anbot.
Im Zentrum stand die Nutzung audiovisueller Medien für die
ethnologische Wissensvermittlung. Der Film hat da eine lange
Tradition, und speziell das Interview spielt eine große Rolle. „Der
Filmemacher kann damit die Stimmen indigener Bevölkerungen
Jedes Projekt ist für mich existenziell.
Ich kann nicht einfach irgendwas abspulen.
Dr. Thorolf Lipp
hörbar machen. Das ist eine große Verantwortung.“ Und ein
Problem: „Meist besteht ein Machtgefälle zwischen Interviewer und
Interviewtem.“ Der Filmemacher sucht seinen Gesprächspartner
aus, der Filmemacher hat eine Botschaft im Kopf.
„Indigene Bevölkerungen sind aber nicht mehr bereit, sich als
passiver Forschungsgegenstand vereinnahmen zu lassen. Sie wollen
die Bilder, die wir uns von ihnen machen, kommentieren und mitgestalten.“
Hier kommt das Multimedia Mind Mapping ins Spiel, Drehund Angelpunkt von Lipps Projekt. „Wir müssen die Möglichkeiten
des Internets ausschöpfen. Wir müssen die verschiedenen medialen
Aspekte verbinden.“ So wäre in einem ersten Schritt denkbar, dass
ein Interviewter Kommentare zum Interview ins Netz stellt, dass
Hintergrundinformationen zum Download bereit stehen. „Es wäre
möglich, dass die Multimedia Mind Map in einem späteren Stadium
selbst dazulernt, dass sie überflüssige Dinge wieder vergisst.“
Drei Projektblöcke bot Lipp in Mainz an. Zu Beginn widmete
er sich der „Theoretisch-methodischen Einführung in audiovisuelle
ethnologische Repräsentationsmodi“. Das geschah in einem eher
traditionell zugeschnittenen Seminar.
Ganz anders angelegt war die „Einführung in die Medienpraxis“. Hier ging es an die Kameras. Die Studierenden lernten die
Grundlagen des Filmemachens an den Geräten. Sie kontaktierten
bekannte Filmemacher, um sie zu interviewen. „Das war aufwändig“, sagt Lipp. So aufwändig, dass einige der Interviews bis heute
noch nicht geschnitten sind.
Im dritten Block ging es um die Erstellung einer Multimedia
Mind Map unter Verwendung der Ergebnisse aus den vorherigen
Lehreinheiten. Auch die ist noch in Arbeit, jeder kann im Internet
die Fortschritte verfolgen. „Die Studierenden mussten mehr Zeit
mitbringen, als sie dachten“, sagt Lipp. „Wir saßen oft am Sonntag
im Schneideraum.“
Längst ist die Gastdozentur Vergangenheit, doch das Projekt
lebt. Die Studierenden und der Filmemacher arbeiten immer noch
daran. „Ich denke, wir haben etwas Tolles auf die Beine gestellt“,
sagt Lipp „Die Studierenden haben etwas getan, was wirklich sichtbar wird.“
Grundsätzlich aber sieht für Lipp die Zukunft der audiovisuellen
Medien in der Ethnologie nicht rosig aus. „Es fehlt der Wille und das
Geld, da was zu ändern.“ Er hält kurz inne, dann fügt er hinzu: „Dieser
Frust soll aber nicht die Mainzer treffen.
Dr. Thorolf Lipp im Internet:
Die haben wirklich gute Bedingungen
> www.thorolf-lipp.de
geboten.“ Damit kann er arbeiten – und
Die Multimedia Mind Map in Arbeit:
so schnell hört er damit nicht auf, auch
> www.interview-im-dokumentarfilm.de
wenn er längst wieder in Berlin ist.
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Impulse
Lehraufenthalt
New York Prof.
Dr. Hanno Kube
Z U R PER S ON
Prof. Dr. Hanno Kube, geboren am 3. August 1970, studierte
Rechtswissenschaft in Heidelberg und Genf. Von 1994 bis 1995
absolvierte er das „Master of Law“-Programm der Cornell Law
School in New York. Er wurde 1998 an der Uni Heidelberg
promoviert und fünf Jahre später habilitiert. 2005 übernahm er
den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht, Finanz- und
Steuerrecht an der JGU. Neben zahlreichen anderen Aufgaben
zeichnet Kube für die Erstellung von Gutachten und Prozessvertretungen vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Gerichtshof der Europäischen Union verantwortlich.
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Ein Jurist
in New York
Machen Sie alles intensiv.
Arbeiten Sie intensiv,
und feiern Sie intensiv.
Prof. Dr. Hanno Kube
Eine Förderung des GLK
W
enn der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hanno Kube
die jungen Studierenden anschaut, ist er begeistert:
„Ich blicke in interessierte, wache Gesichter. Ich sehe
Menschen, mit denen man viel machen kann. Aber dann schleift sich
das ab.“ Der Alltag und die Routine nehmen den Elan. „Deswegen
brauchen wir Strukturen, mit denen wir die Studierenden aktivieren
können, mit denen wir sie stärker einbeziehen.“ Einige dieser Strukturen fand Kube an der Cornell Law School in Ithaca im Staat
New York.
„Ich war dort schon als Student und habe die Beziehungen
immer aufrechterhalten.“ 2012 kam Kube dann als Professor wieder.
Das Gutenberg Lehrkolleg (GLK) förderte seinen Lehraufenthalt in
den USA. „Mir war schon früher der Gedanke gekommen, einmal
genauer zu schauen, was man von der dortigen Lehrkultur nach
Mainz mitnehmen könnte.“ Aber wie das so ist: „Man kommt
inspiriert zurück, und dann versackt doch alles wieder im täglichen
Betrieb.“ Das sollte diesmal anders sein.
„Wir in Deutschland haben in der Rechtswissenschaft kaum
Möglichkeiten, den einzelnen Studierenden direkt anzusprechen.“
Es gibt reichlich Frontalunterricht, die klassische Vorlesung steht
im Mittelpunkt. „Viele Studierenden denken sich: Der da vorn
kennt meinen Namen nicht, ich sage nichts, ich sitze hier nur.“
An der Cornell Law School greifen die Lehrenden zu einem ganz
einfachen Mittel: den Seating charts. „Jeder hat einen festen Sitzplatz, und die Dozenten haben große Bögen mit Bild und Namen
der Studierenden. Damit sind sie raus aus der Anonymität, eine
persönliche Ansprache ist möglich.“
Kube sieht das als Chance, vor allem bei mittelgroßen Veranstaltungen mit 40, 50 Personen. „Die Studierenden fühlen sich
angesprochen und geschätzt“, sagt er – und räumt zugleich ein:
„Natürlich sind da noch Fragen der Datensicherheit zu klären.“
Eine zweite Strategie will der Professor im kommenden Semester erproben: das Reading assignment. „Die Studierenden bekommen sehr konkrete Hausaufgaben. Sie lesen etwa über einen Fall,
der dann im Seminar diskutiert wird.“ Wer sich nicht vorbereitet,
schaut in die Röhre. „Aber alle anderen werden aktiviert. Die
Gefahr, dass sich jemand hinsetzt und einfach nur konsumiert, ist
geringer.“ Das sind nur zwei Beispiele, aber sie zeigen, worum es
Kube geht. „Ich will mit solchen Methoden nicht den Leistungsdruck erhöhen, sondern die Leute involvieren und begeistern. Ich
sage schon den Erstsemestern: Machen Sie alles intensiv. Arbeiten
Sie intensiv, und feiern Sie intensiv.“
Nun könnte der Eindruck entstehen, in den USA sei alles besser. „Überhaupt nicht!“, sagt Kube. „Inhaltlich gesehen entwickeln
die Amerikaner das Recht vom Fall her und nicht von den Strukturen. Wir dagegen arbeiten stärker methodisch. Deutsche Juristen
sind ein Exportschlager, weil das Studium sehr strukturiert und
klar denkende Leute hervorbringt.“ Dennoch sei die amerikanische
Lehrkultur hilfreich. „Ich werde da meine Kollegen nicht drängen,
das sind ja alles Individualisten“, meint Kube. Zum Thema machen
will er die Methoden aus den USA aber schon. Auch ob die Ansätze
auf andere Disziplinen anwendbar sind, interessiert ihn. „Und
für diese Fragen scheint mir das Gutenberg Lehrkolleg die ideale
Plattform zu sein.“
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Klausurtagung
Dr. Andreas
Frings
Ein
Schloss
für die
Historiker
Klausurtagung
3
W
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Dr. Andreas Frings studierte Osteuropäische Geschichte,
Slavistik und Jura in Mainz und Kazan (Russland). 2009
wurde er zum Assistenten der Geschäftsführung und
Studienmanager des Historischen Seminars der JGU ernannt,
ein Jahr darauf folgte die Ernennung zum Akademischen
Rat. Zu seinen Interessen in Lehre und Forschung gehören
Osteuropäische Geschichte in Vormoderne und Moderne,
Methoden des geschichtswissenschaftlichen Arbeitens und
Hochschuldidaktik im Fach Geschichte.
enn sich einiges ändert, sollte man das im großen Kreis
besprechen, nicht einfach so zwischendurch“, sagt
Dr. Andreas Frings, Studienmanager am Historischen
Seminar der JGU. Und tatsächlich änderte sich einiges im Jahr 2011:
Die Einführung der Masterstudiengänge stand an. Also gingen die
Historikerinnen und Historiker in Klausur. Sie trafen sich für ein
Wochenende in Schloss Dhaun.
„2008 hatten wir schon mal eine Klausurtagung. Damals ging es
um die Einführung der Bachelorstudiengänge.“ Da das Historische
Seminar groß ist, wünschte sich manch einer mehr Kommunikation
über die Neuerungen. „Das war sehr erfolgreich“, erinnert sich
Frings. Also sprach alles für eine zweite Runde.
„50 Mitarbeiter aus dem Historischen Seminar kamen, und
die Vizepräsidentin für Studium und Lehre hatten wir auch eingeladen.“ Prof. Dr. Mechthild Dreyer kam also ebenfalls zu Besuch
nach Dhaun.
„So ein Wochenende können Sie nur machen, wenn der
Leidensdruck groß genug ist“, sagt der Studienmanager mit leiser
Ironie. Mindestens war es ein Veränderungsdruck, der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer umtrieb. „Wir mussten neu über unsere
Standards reden. Unter Bologna wird das Studium mehr verrechtlicht. Im alten System war alles bunter.“ In Arbeitsgruppen machten
sich die Teilnehmer daran, dem Rechnung zu tragen. Selbst die Proseminare kamen noch mal auf den Prüfstand. „Wir haben im Bachelorstudiengang vier Proseminare, aufgeteilt nach Epochen. Denen
ordneten wir spezifische Aufgaben zu, damit die Studierenden
nicht immer das Gleiche machen. In Alte Geschichte etwa erfahren
sie, wie man ein Referat hält, das wird dann in Früher Neuzeit nicht
wiederholt, da geht es stärker um Formen der Gruppenarbeit.“
Ähnliches besprachen die Arbeitsgruppen im Bereich der
Hauptseminare. „Dort lernen sie, wie man einen Forschungszusammenhang rekonstruiert und sich selbst mit seinem Standpunkt positioniert.“ Wichtig dabei: „Wir haben das explizit als Verpflichtung
beschrieben. Die Studierenden können sich darauf beziehen,
sie können sagen: Da steht das und das auf eurer Homepage.
Das wollen wir lernen.“
Viel gab es darüber hinaus zu besprechen: Wie lassen
sich Historiker, an sich eher Einzelwissenschaftler,
besser vernetzen? Wie soll sich das Historische
Seminar nach außen darstellen?
„Das alles sind Fragen, die nicht an einem
Wochenende gelöst werden“, gibt Frings zu.
„Aber wir haben die Dinge auf den Weg gebracht.
Das war uns wichtig, das hat funktioniert.“
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Aus dem Studienangebot
Schon im Studium
selbstständig forschen
N EU
Zwei Schwerpunkte stehen zur Wahl
beim Master of Science Psychologie
E
igenverantwortlich und selbstständig als Psychologin
oder Psychologe arbeiten – und das nach internationalen
Standards: der zweijährige Masterstudiengang in Psychologie macht es möglich. Die JGU bietet hier ein stark forschungsorientiertes, empirisch-wissenschaftliches Studium an.
Das Masterprogramm setzt auf konkrete Berufsfeldorientierung und Professionalisierung. Die Studierenden können wählen
zwischen dem anwendungsorientierten Schwerpunkt „Rechtspsychologie und AOW*-Psychologie“ und dem klinisch-gesundheitsbezogenen Schwerpunkt „Gesundheitspsychologie“.
Wer sich für die klinisch-praktische Psychologie
S teckbrief :
interessiert, setzt sich beim anwendungsorientierten
Schwerpunkt besonders mit rechtspsychologischen
Was muss ich mitbringen?
Fragen auseinander. Dieser Bereich wird für
Nachweis eines
Bachelor-Abchlusses
Kliniken, Psychiatrien und Rehabilitationseinim Fach Psychologie
richtungen immer wichtiger.
Wie lange dauert´s?
Wer den klinisch-gesundheitsbezogenen
Vier Semester
Was kann ich danach tun?
Schwerpunkt wählt, bekommt durch eine AusAls Psychologe in Forschung
bildung in Gesundheitspsychologie und eine
oder Praxis arbeiten
Ausbildung in Klinischer Psychologie ein reiches
Kompetenzspektrum, das zur Arbeit als Gesundheitspsychologe
bzw. -psychologin qualifiziert. Hinzu kommt eine themenabgestimmte Ausbildung in den Bereichen Persönlichkeit und Wahrnehmung. Sie zielt auf eine stark wissenschaftlich orientierte Tätigkeit
als Klinische/r Psycholog/in oder Gesundheitspsycholog/in ab.
Die beiden Schwerpunkte sind gleich aufgebaut. Die Ausbildungen in Forschungsmethoden und Diagnostik, in Klinischer
Psychologie und Neuropsychologie sind identisch. Außerdem qualifizieren beide zur Weiterbildung zum/zur Psychotherapeut/in, dem
zurzeit beliebtesten Berufsbild von Psychologieabsolvent/innen.
Dabei steht schon während des Studiums eigenständige Forschung
auf dem Programm. Sorgfältige Betreuung und moderne technische
Ausstattung garantieren ein vielfältiges, spannendes, aber auch
forderndes Umfeld.
Der Masterstudiengang hält 80 Studienplätze bereit. Das
garantiert ein durchgehendes Psychologiestudium in Mainz, da im
Bachelorstudiengang gerade mal 28 Plätze mehr zur Verfügung
stehen. Weitere Infos > www.uni-mainz.de/studium
*Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie
D
as ist in der deutschen Hochschullandschaft einzigartig:
In diesem Semester startet an der JGU ein deutschfranzösischer Studiengang ganz neuen Zuschnitts. Beim
integrierten lehramtsbezogenen Bachelor of Education MainzDijon werden die Studierenden zu gleichen Teilen in Deutschland
und Frankreich leben und lernen.
Sowohl deutsche als auch französische Studierende können
sich bewerben. Sie werden je drei Semester an der Université de
Bourgogne und an der JGU verbringen. Nach dem Studium erhalten sie nicht nur den Bachelor-Abschluss, mit dem sie den Masterof-Education-Studiengang aufnehmen können, sondern auch den
französischen Abschluss, die Licence, mit der sie sich in Frankreich
auf dem Arbeitsmarkt oder für einen weiterführenden Studiengang
bewerben können. Abgesehen davon werden die Studierenden
das Partnerland in einer Intensität kennen lernen, die ein normales
Austauschprogramm kaum bieten kann.
Der Bachelor-Studiengang ist einerseits genau geplant. Schließlich soll er eine größtmögliche Übereinstimmung sowohl mit den
Anforderungen der rheinland-pfälzischen Lehrerausbildung als
auch dem französischen Studiensystem gewährleisten. Andererseits
bietet er eine bunte Palette an Möglichkeiten. So können die Mainzer Studierenden neben den verpflichtenden Fächern Bildungswissenschaften und Französisch eines der fünf Fächer wählen: Deutsch,
Geschichte, Geographie, Philosophie/Ethik und Englisch.
Auf Studierende mit der Fächerkombination Englisch wartet
noch ein besonderes Extra: Sie können ein Semester an einer kanadischen Universität verbringen.
Zur Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt werden in einem
speziellen Deutsch-Französischen Modul die sprachlichen und interkulturellen Fähigkeiten geschärft. Französische und S teckbrief :
deutsche Studierende lernen die Hochschulsysteme,
Was muss ich mitbringen?
Lehr- und Prüfungsmethoden sowie die verschieAbitur, gute Kenntnisse in
denen Methoden wissenschaftlichen Arbeitens beiDeutsch und Französisch
der Länder kennen. Auf einer Studienfahrt machen
Wie lange dauert’s?
Sechs Semester
sie sich mit der Partnerstadt und der Partner-Uni
Was kann ich danach tun?
vertraut. Weitere Infos > www.dijon.uni-mainz.de
Einen Beruf im Bereich des
Leben und lernen in
Deutschland und Frankreich
Sprachen- und Kulturtransfers aufnehmen oder aber
im Master weiter studieren
und Lehrer/in werden.
N EU
Integrierter lehramtsbezogener
Bachelor-Studiengang Mainz-Dijon
startet in diesem Semester
M ainz
D ijon
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Wenn das Studium zum
Albtraum
wird
45 Jahre Psychotherapeutische Beratungsstelle
E
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Kennen Sie ...? Institutionen der JGU stellen sich vor
s gibt viel zu tun in der Psychotherapeutischen Beratungsstelle (PBS). Im Wartebereich sitzen gerade drei Klientinnen: Die jungen Frauen füllen Fragebögen aus.
Danach werden Einzelgespräche folgen. Wo liegen ihre Probleme?
Geht es um eine Schreibblockade? Um Panik vor der Prüfung?
Oder ist es ernster? Gibt es Anzeichen für eine schwere Depression,
eine Essstörung?
In den letzten elf Jahren hat sich die Zahl der Klienten verfünffacht. Führten die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle im Jahr
2000 noch 684 Gespräche, so waren es 2011 bereits 3.608, Tendenz
steigend. „Das muss aber nicht heißen, dass die Studierenden immer
häufiger psychische Probleme haben“, sagt Prof. Dr. Ursula LukaKrausgrill, seit 2001 Leiterin der PBS. „Die Akzeptanz unserer Beratungsstelle wird einfach immer größer, und psychische Probleme
Die PBS wurde im Mai
1967 gegründet. Regulär
ist sie mit 2,5 Stellen und
einer Stelle im Sekretariat
ausgestattet. Diplompsychologinnen, die meist
als Psychologische Psychotherapeutinnen ausgebildet
sind, beraten und behandeln die Studierenden.
werden aus der Tabuecke geholt.“
Natürlich bedeutet das auch mehr Arbeit. „Wir müssen sehr gut planen, damit
alles klappt. Die Kolleginnen geben sich
oft die Klinke in die Hand. Wir haben
optimiert, was sich optimieren lässt.“ Aber
Externe Kursleiterinnen
das hat sich gelohnt. „Wir haben sehr gute
und Kursleiter unterstützen
Ergebnisse, weil wir ein gutes Konzept
die Beratungstelle ebenso
entwickelt haben.“
wie eine Honorarkraft
für den Fachbereichs 06
Am Beginn dieses Konzepts steht die
in Germersheim.
Eingangsdiagnostik. „Da ordnen wir unter
anderem den Schweregrad eines Problems
ein. Bei einer Schreibblockade reichen manchmal ein paar Tipps.
Bei einer depressiven Erkrankung liegt der Fall natürlich ganz anders.“
Nach dem ersten Schritt bieten sich drei Möglichkeiten:
Klienten, die aufgrund schwerer Störungen eine längere Therapie
brauchen, werden weiter vermittelt in eine psychotherapeutische
Behandlung. „Das Problem ist, dass sie da oft Wartezeiten von
einem halben Jahr haben. Das hilft einem Studierenden mit Angststörungen, der in zwei Wochen eine Prüfung hat, wenig.“ Die PBS
selbst ist da entschieden schneller. Bei akuten Notfällen liegen
die Wartezeiten für ein erstes Gespräch bei durchschnittlich zwei
Tagen.
Klienten, denen mit einer kürzeren Therapie zu helfen ist,
können bei der PBS bleiben. „Da können wir schon viel erreichen“,
sagt Luka-Krausgrill.
Eine dritte Möglichkeit bieten rund 20 Kurse der PBS. Im Angebot sind Themen wie „Strategien bei Redeangst“, „Reintegration
ins Studium“ oder „Zeitplanung und Lernstrategien“. „Diese Kurse
sind sehr wichtig. Wir können hier gezielt auf Problemlagen eingehen oder Fertigkeiten einüben, und die Studierenden haben die
Gruppe als Unterstützung.“
Mit diesen drei Säulen ist die PBS auf Erfolgskurs. Nicht nur
die Mitarbeiterinnen, auch die Klienten sind zufrieden. Das zeigen
die Fragebögen, die sie vor Beginn und nach dem Ende der Beratung ausfüllen.
„Unser Ziel ist es vor allem, die Menschen wieder in den Studienprozess einzugliedern und die Zahl der Studienabbrüche zu
reduzieren.“ Dementsprechend spielen Probleme rund ums Lernen
und um Prüfungen eine große Rolle. Sonst aber sind die Studierenden ein Abbild der Gesellschaft: Hier wie dort stehen depressive
Erkrankungen ganz oben auf der Liste der psychischen Störungen.
„Man muss unseren Studierenden allerdings nicht so viel erklären“, meint Luka-Krausgrill. „Sie verstehen schnell, warum zum
Beispiel ein Rollenspiel sinnvoll sein kann. Es ist erstaunlich, wie
schnell sie ein Konzept begreifen. Und manchen hilft es schon,
wenn wir ihnen einfach was zu lesen geben.“
Im Moment loten die Mitarbeiterinnen der PBS die Möglichkeiten des Internets aus. „In einem 2-Jahres-Projekt entwickeln wir
ein Konzept für E-Beratung, das auf unsere Beratungsstelle zugeschnitten ist. Da gibt es viele neue Möglichkeiten der Interaktion.
Ich glaube zwar nicht, dass uns das Zeit spart, aber wir erreichen auf
jeden Fall ganz neue Gruppen.“
Auf 45 Jahre erfolgreiche Arbeit schaut
die PBS – und Arbeit sieht Luka-Krausgrill
Psychotherapeutische
Beratungsstelle
auch in der Zukunft. „Die Studierendenzahlen
Staudinger Weg 21,
steigen, die Akzeptanz unserer Beratungsstelle
Eingang D.
ebenfalls. Da liegt es nahe, das Angebot ausTelefon: 06131-39 22312
zubauen.“ Doch das sind Pläne für die nächsten
www.pbs.uni-mainz.de
Jahre. Jetzt sitzen erst mal neue Klienten im
Wartebereich. Luka-Krausgrill und ihre MitÖffnungszeiten:
Mo. bis Fr.
arbeiterinnen haben zu tun.
9 bis 12 Uhr,
Mo., Di. und Do.
13.30 bis 15.30 Uhr
EMPHASIS ON SKILLS
TEACHING
IS TOUCHING
THE FUTURE
Am 29. und 30. November 2012 findet auf dem Campus der JGU die internationale Tagung „Teaching is Touching the
Future – Emphasis on Skills“ statt. Unter Federführung des Gutenberg Lehrkollegs (GLK) wird eine grundlegende
Neuorientierung der akademischen Lehr- und Lernformen an deutschen Hochschulen diskutiert. Der Lernende rückt in den
Fokus: Mit Vorträgen und Postern werden Forschungsergebnisse und Umsetzungsbeispiele zum „shift from teaching to
learning“. Zwei Tage lang diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa sowohl fachspezifisch als
auch fachübergreifend. Alle Informationen sowie das Programm unter > www.glk.uni-mainz.de

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