Beobachten in Kindergarten und Schule
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Beobachten in Kindergarten und Schule
Verband KgCH Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Beobachten als Grundlage der pädagogischen Arbeit Margreth Cueni, Margherita Burger, Gerda Egloff, Hermann Gelzer Leitungsteam des Projekts «Kindergarten und Schule spannen zusammen» der Pädagogischen Arbeitsstelle des Erziehungsdepartementes des Kantons Aargau Einleitung 1 Beobachten als Grundlage unserer erzieherischen Arbeit 3 Beobachtungen planen 4 Beobachten und Beobachtungen interpretieren 6 Was beobachten? Suchbereiche und offene Fragen 8 Wie beobachten 9 Fehlerquellen beim Beobachten 11 Beobachten, Ordnen und Interpretieren 13 Literaturhinweise 14 Umgang mit geschützten Personendaten 15 Unterrichtsmaterialien zum Beobachten Druckvorlagen Beobachtungsbogen Kind Druckvorlagen Beobachtungsbogen Klasse Druckvorlagen Beobachtungskalender www.verlagkg.ch 1999 Margreth Cueni, Margherita Burger, Gerda Egloff, Hermann Gelzer Beobachten in Kindergarten und Schule Beobachten als Grundlage der pädagogischen Arbeit © Pädagogische Arbeitsstelle des Erziehungsdepartements des Kantons Aargau, 1. Auflage 1996 2. überarbeitete Auflage 1999 Herausgeber Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Arbeitsstelle des Erziehungsdepartements des Kantons Aargau Bestellung www.verlagkg.ch Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Dank Die vorliegende Broschüre wurde 1996 im Zusammenhang mit dem Projekt «Kindergarten und Schule spannen zusammen» der Pädagogischen Arbeitsstelle des Erziehungsdepartements des Kantons Aargau veröffentlicht. Damit die Schrift einem möglichst breiten Kreis von interessierten Fachpersonen zugänglich gemacht werden kann, hat die Pädagogische Arbeitsstelle dem KgCH die Rechte für die Veröffentlichung überlassen. Seit 1999 wird «Beobachten in Kindergarten und Schule» neu von der Dokustelle KgCH herausgegeben. Der KgCH dankt der Pädagogischen Arbeitsstelle des Erziehungsdepartements des Kantons Aargau für die Abdruckgenehmigung. Einleitung Im Kanton Aargau wurde von 1993 - 1996 das Schulentwicklungsprojekt Einschulung durchgeführt. Es hatte zum Ziel, den Übergang vom Kindergarten in die Schule fliessender zu gestalten. Ein weiterer Auftrag dieses Projektes bestand darin, ein Beobachtungsinstrument zu schaffen und zu erproben. «Beobachten in Kindergarten und Schule» wurde vom Projektleitungsteam erarbeitet, mehrmals ergänzt und korrigiert. Projektklassenteams, bestehend aus je einer Lehrperson aus Kindergarten und Unterstufe derselben Gemeinde, erprobten den Beobachtungsbogen in der Praxis und brachten Kritik und Änderungsempfehlungen ein. Bei der Erarbeitung dieses Beobachtungsinstrumentes liessen wir uns von den folgenden Grundgedanken leiten: - Gezielte, systematische Beobachtungen können gute Grundlagen bilden für die pädagogische Arbeit mit der Klasse und mit den einzelnen Kindern. Wenn wir uns regelmässig Zeit nehmen, um zu beobachten und aufzuschreiben, was wir wahrnehmen, erhalten wir vielfältige, fundierte Erkenntnisse. Wir sehen und hören, was ist und weniger, was wir vermuten. - Beobachtungen helfen uns, weniger auf auffallende Ereignisse einzugehen, sondern auch ruhiges, unauffälliges Verhalten von Kindern oder der Klasse zu beachten und in unser pädagogisches Handeln miteinzubeziehen. - Regelmässige und systematische Beobachtungen können zur Grundlage werden für die Unterrichtsplanung und -durchführung sowie für die Unterstützung und Förderung der Kinder. - Auf die notierten Beobachtungen können wir uns in Gesprächen mit Eltern, Kolleginnen und Kollegen beziehen. Begegnen wir uns in diesen Gesprächen auch auf der Basis von Beobachtungen, wird oft ein besseres Nachvollziehen und gegenseitiges Verstehen möglich. - Stehen Entscheide an wie z.B. der Beizug von Fachleuten oder die Entscheidungsfindung bei einem Stufenwechsel, können Beobachtungsprotokolle die Art und Entwicklung eines Kindes oder der Klasse aufzeigen und damit zu einer adäquaten Entscheidung hinführen. © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 1 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Die Absicht des Projektleitungsteams war, in Zusammenarbeit mit den beteiligten Lehrpersonen aus Schule und Kindergarten eine Broschüre zu schaffen, die in der praktischen Arbeit gut brauchbar ist. Eine theoretische Einführung in das Beobachten soll die Anwendung erleichtern. Der praktische Teil gibt Richtlinien und Empfehlungen, lässt aber Raum für Ergänzungen und Änderungen. Sie als Benutzerin, als Benutzer, können eigene Fragen aufnehmen, Unpassendes streichen und so ein für Sie geeignetes Instrument schaffen. Die vorliegende Broschüre gliedert sich in zwei Teile: Einführung in das Beobachten Die Einführung enthält grundsätzliche Aussagen und Theorien zum Beobachten. Zudem wird ausführlich dargestellt, wie Beobachtungen geplant und durchgeführt, die Wahrnehmungen gewichtet und in die pädagogische Arbeit einbezogen werden können. Beobachtungsbogen für die Praxis Die Arbeitsmappe dient der praktischen Anwendung. Sie enthält eine kurze theoretische Übersicht sowie Druckvorlagen für die Beobchtungsbogen. Als Beobachtungshilfe sind Beispiele für Fragen zu den Bereichen der körperlichen, sozialen, intellektuellen und emotionalen Entwicklung formuliert. Die beiliegende Druckvorlage «Beobachtungskalender» dient schliesslich der eigenen Kontrolle: Hier werden die kalendarischen Daten der durchgeführten Beobachtungen eingetragen. So wird aus dem Kalender ersichtlich, zu welchen Bereichen bereits Beobachtungen gemacht worden sind und wo allenfalls noch Lücken bestehen. Bitte beachten Sie, dass es sich bei Beobachtungen, die Sie schriftlich festhalten, um geschützte Personendaten handelt. Empfehlungen des KgCH zum Umgang mit geschützten Daten finden Sie am Schluss dieser Broschüre und auf der Rückseite der Arbeitsmappe. Margreth Cueni, Projektleiterin Margherita Burger Gerda Egloff Hermann Gelzer © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 2 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Beobachten als Grundlage unserer erzieherischen Arbeit Unsere Arbeit in Erziehung und Unterricht ist mitgeprägt von unseren Beobachtungen, ungeachtet ob wir diese systematisch durchführen oder dem Zufall überlassen. Beobachtungen sind häufig subjektiv, und unsere Wahrnehmungen unterliegen verschiedenen Fehlerquellen. Es ist deshalb notwendig, Beobachtungen systematisch durchzuführen, um die subjektiven Wahrnehmungen zu optimieren und die Fehlerquellen zu vermindern. Ein systematisches Beobachten des Kindes und der Klasse hilft uns, - das Kind in seiner Individualität zu kennen und zu verstehen, und so seine Stärken und Schwächen festzustellen, - die Entwicklung des einzelnen Kindes zu kennen und zu begleiten, - den sozialen Prozess in der Klasse zu kennen; Rangordnungen, Kooperationen, Wettbewerbe der Kinder kennenzulernen und Untergruppenbildungen wahrzunehmen, - auf Konflikte angemessen zu reagieren und soziales Lernen in der Klasse zu ermöglichen, - das eigene Erzieherverhalten zu beurteilen und die Auswirkungen unseres eigenen Handelns auf die Klasse und auf das Kind abzuschätzen, - die Eltern und andere Bezugspersonen des Kindes auf wichtige Entwicklungen aufmerksam zu machen, - mit ihnen unsere Beobachtungen zu diskutieren und sie selber zum Beobachten anzuregen, Fördermassnahmen zu planen, - bevorstehende Übergänge zu planen, mit den am Übergang beteiligten Personen unsere Wahrnehmungen zu besprechen und so der Klasse und dem Kind einen fliessenden Übergang zu ermöglichen. Der Schritt von der gelegentlichen, unsystematischen, zufälligen zur systematisch geplanten prozesshaften Beobachtung verlangt eine Anstrengung. Die Mitglieder der Projektleitung Einschulung sind überzeugt, dass sich diese Anstrengung in mehrfacher Hinsicht lohnen wird. Der vorliegende Arbeitsmappe mit den Beobachtungsbogen kann mithelfen, Beobachtungen zu systematisieren und prozesshaft anzulegen. © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 3 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Beobachtungen planen Die nachfolgenden fünf Hinweise helfen, die Beobachtungen so zu gestalten, dass damit die anstehenden Fragen beantworten werden können: ● Das Umfeld des Kindes Ein Kind ist von seiner Entwicklungsgeschichte geprägt. Es wird von seiner Familie beeinflusst und beeinflußt seinerseits die anderen Familienmitglieder. Im Kindergarten, in der Schule ist es Teil einer Klassengemeinschaft. Es wirkt auf diese ein und wird von ihr mitgeprägt. Die Klasse wiederum ist Teil der Schule, diese Teil des Dorfes, der Stadt usw. Beim Umgang mit Beobachtungen beziehen wir solche mitprägenden Faktoren oft unbewusst mit ein: Beispiel - schon die Lehrperson fand, diese Klasse sei sehr kooperativ - seine Geschwister waren im Rechnen auch schwach Beobachten wir nun die Klasse oder ein einzelnes Kind, erhalten wir eine Momentaufnahme aus einem bestimmten Blickwinkel. Beziehungen, Geschichte, Einstellungen, Regeln, zeitliche und örtliche sowie viele weitere Faktoren prägen die Situation mit. Soweit sie bekannt sind, lohnt es sich, solche Faktoren auf einem separaten Blatt zu notieren. Sie können dazu beitragen, den eigenen Blickwinkel zu erweitern und die protokollierten Beobachtungen besser zu verstehen. ● Gezielt beobachten und Beobachtungen nicht dem Zufall überlassen Beobachtungen sollen helfen frühere Beobachtungen zu erhärten oder zu hinterfragen, Entscheidungsgrundlagen zu erhalten, Wirkungen von Fördermassnahmen zu beschreiben usw.. Es ist deshalb wichtig, das Beobachten auf die anstehenden Fragestellungen auszurichten. Beispiel Ich habe den Eindruck, dass Peter Mühe hat, seine Bedürfnisse gegenüber den anderen Kindern durchzusetzen und deshalb in sozialen Situationen oft überfordert ist. Mit meinen Beobachtungen will ich nun meine Vermutung bestätigen oder widerlegen und genauere Informationen erhalten. Ich stelle mir die folgenden Fragen: - Wie versucht Peter, seine Anliegen in der Gruppe einzubringen? - Wie sind seine Reaktionen, wenn die anderen Kinder nicht auf seine Bedürfnisse eingehen? - Gibt es Bereiche, in denen Peters Bedürfnisse akzeptiert werden? - Finde ich Hinweise darauf, wie ich Peter unterstützen könnte? © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 4 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule ● Beobachtungen planen Es ist sinnvoll, im voraus zu bestimmen, welche Bereiche wann, wo und wie beobachtet werden sollen. Dadurch wird verhindert, dass "lautes Geschehen" im Unterricht die Aufmerksamkeit auf sich zieht und das "stille Geschehen" unbeachtet bleibt. Beispiel Ich nehme mir vor, Peter in den nächsten drei Wochen in verschiedenen Aufgaben- und Spielsituationen zu beobachten. Die Beobachtungen sollen sich vor allem auf die Gruppenarbeiten, auf Regelspiele und Spiele im Turnen, aber auch auf Aktivitäten während der freien Tätigkeit beziehen. Als Beobachtungsform wähle ich die anekdotische Beobachtung, d.h. ich schreibe meine Beobachtungen möglichst beschreibend und wertfrei auf. ● Beobachtungen überprüfbar machen Beobachtungen sollen idealerweise so gestaltet sein, dass Drittpersonen (Eltern, Kolleginnen und Kollegen, Fachpersonen usw.) selber Schlüsse daraus ziehen können bzw. dass die Wahrnehmungen nachvollziehbar werden. Das Überprüfen von Beobachtungen hilft vor allem dann, wenn diese interpretiert werden und Entscheide für weiteres Vorgehen gefällt werden müssen. Beispiel Ich kann meine Beobachtungen zu Peter mit seinen Eltern besprechen. Beobachten sie zu Hause das Gleiche, wenn Peter mit seinen Geschwistern spielt? Können sie etwas zu Peters Kontakten in der Freizeit sagen? Welche Schlüsse ziehen die Eltern aus meinen Beobachtungen? ● Beobachtungen immer wieder hinterfragen Vorurteile und Erwartungen bestimmen das Wahrnehmen mit. Je weniger Beobachtungen vorliegen, desto eher werden Alltagstheorien und Wertvorstellungen deren Interpretation beeinflussen. Es ist deshalb wichtig, die Beobachtungen zuerst möglichst "wertfrei" zu notieren und erst dann zu interpretieren. Dazu sollen Beobachtungen immer wieder mit Zusatzinformationen verglichen werden, um ein ganzheitlicheres Bild zu erhalten. Beispiel Meine Beobachtungen zu Peters Überforderung in sozialen Situationen werden sofort eine andere Bedeutung erhalten, wenn ich weiss, dass Peter zu Hause von anderen Kindern abgeschirmt wird, mit ihnen nicht spielen darf, weil sich die Familie grundsätzlich misstrauisch gegenüber anderen Personen verhält. © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 5 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Beobachten und Beobachtungen interpretieren Als Lehrpersonen sind wir uns gewohnt, unsere Beobachtungen interpretieren zu müssen. Damit besteht die Gefahr, bereits während des Beobachtens zu interpretieren, d.h. die Beobachtung und deren Interpretation zu vermischen. Besonders die Verwendung von sogenannten Einschätz-Skalen ("Kann sich durchsetzen" bis "Kann seine Bedürfnisse nicht formulieren") birgt die Gefahr in sich, dass Interpretationen (Urteile) erfolgen, bevor genügend Beobachtungen vorliegen. Beobachtungen sollten möglichst wertfrei und beschreibend sein, während Interpretationen Urteile beinhalten, also die Beobachtungen gewichten und werten. Beispiel Situation In der Gruppenarbeit haben Peter, Ruth und Heidi den Auftrag, ein gemeinsames Herbstbild mit Gegenständen, die sie vorher in der Umgebung gesammelt haben, zu gestalten. Ebene der Beobachtungen Peter, Heidi und Ruth diskutieren über die Art, wie sie den Auftrag anpacken könnten. Heidi bestimmt, dass die Äste, die Peter gesammelt hat, für die Arbeit nicht verwendet werden sollen. Peter beginnt zu weinen und läuft zur Lehrperson ... Ebene der Urteile / Interpretationen Peter beginnt zu weinen, weil er keine andere Möglichkeit kennt, seine Wünsche in der Gruppe anzumelden und durchzusetzen ... Urteile werden begründet durch Alltagstheorien ("Lebenserfahrungen"), durch Werthaltungen und Normen. Diese sind als Einstellungen und Überzeugungen aufgrund unserer Erfahrungen und unserer Lerngeschichte gewachsen und können sich von Mensch zu Mensch unterscheiden. Beispiel für ein Urteil auf der Ebene der Alltagstheorien Kinder sollten altersgemässe Verhaltensweisen entwickelt haben, um ihre Wünsche in der Gruppe einzubringen. Weinen und eine erwachsene Person in einer solchen Situation um Hilfe angehen, entspricht einem Kleinkind. Oft wird uns nicht bewusst, nach welchen Alltagstheorien wir unseren Unterricht gestalten, warum uns gerade dies oder jenes wichtig ist. Alltagstheorien beeinflussen das Wahrnehmen und Beobachten gleich doppelt: Sie bestimmen mit, was wir beobachten (weil uns das wichtig ist), und sie beeinflussen unser Urteil (weil wir unsere Beobachtungen aufgrund unserer Alltagstheorien interpretieren). Das nachfolgende Beispiel soll die beschriebenen Zusammenhänge nochmals verdeutlichen: © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 6 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Beispiel Situation Peters Mutter macht einen Besuch in der Klasse. Sowohl die Lehrperson wie auch die Mutter beobachten die folgende Episode während der Gruppenarbeit: Ebene der Beobachtungen Peter, Heidi und Ruth haben den Auftrag, ein Herbstbild mit gesammelten Gegenständen anzufertigen. Peter möchte seine gesammelten Äste integrieren; die beiden Mädchen wollen ein Bild nur mit Blättern und Wasserfarbe machen. Heidi bestimmt, dass keine Äste verwendet werden. Peter beginnt zu weinen und läuft zur Lehrperson. Diese schickt ihn mit den Worten zurück: «Weine doch nicht immer sofort, gehe wieder zu den beiden anderen und sage ihnen, dass deine Äste verwendet werden sollen!» Peter geht daraufhin zu seiner Mutter, setzt sich auf ihren Schoss und weint weiter. Die Mutter streichelt ihn und spricht leise auf ihn ein. Ebene der Alltagstheorien • Mutter: Ein Kind soll nicht weinen müssen. Eine Lehrperson muss die Kinder so erziehen, dass die Schwachen auch zu ihrem Recht kommen. • Lehrperson: Kinder sollten altersgemässe Verhaltensweisen entwickeln, um sich in der Gruppe durchsetzen zu können. Weinen ist nicht altersgemäss. Ebene der Urteile/Interpretationen • Mutter: Kein Wunder, dass Peter so den Unterricht ungern besucht. Die Lehrperson kann auf seine Bedürfnisse ja gar nicht eingehen. • Lehrperson: Peters Mutter macht grosse Fehler. Sie hält ihn wie ein Kleinkind. Ich muss versuchen, Peter künftig vermehrt sich selber zu überlassen, damit er lernen kann, sich durchzusetzen. Erst wenn es Lehrperson und Mutter gelingt, die auseinandergehenden Urteile und deren Hintergründe in die Diskussion miteinzubeziehen, kann das Gespräch über die gemeinsame Beobachtung konstruktiv verlaufen. Es ist deshalb wichtig, dass wir unsere eigenen Alltagstheorien kennenlernen und sie uns immer wieder bewusst machen. Im Gespräch mit Drittpersonen über unsere Beobachtungen können wir unsere Interpretationen auch begründen und so die dahinterstehenden Wertvorstellungen in das Gespräch konstruktiv einbringen. © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 7 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Was beobachten? Suchbereiche und «offene Fragen» Beobachtungen sollen uns helfen, - dem einzelnen Kind und der Klasse angemessen zu begegnen, - Fördermassnahmen zu planen und den Erfolg unserer Arbeit einzuschätzen, - den Unterricht situationsgerecht zu planen und auszuwerten, - Gespräche mit Eltern und anderen Bezugspersonen des Kindes zu führen, - prognostische Hinweise zu erhalten. Aber: Welche Beobachtungen sind wichtig? Was greifen wir aus der Fülle möglicher Beobachtungen heraus? Welche Verhaltensbereiche des Kindes sind wichtig, damit wir uns ein Gesamturteil bilden können? Der vorliegende Beobachtungsbogen gliedert sich in vier Bereiche, die als Gesamtes einen Überblick über den Entwicklungsstand des einzelnen Kindes ergeben: - intellektuelle Entwicklung - emotionale Entwicklung - körperliche Entwicklung - soziale Entwicklung. Ergänzt werden die Bereiche durch Fragen zur Klassengemeinschaft. Die Beobachtungsbereiche ermöglichen, Teilaspekte der Person, der Gruppe oder der Klasse zu erfassen. Je mehr Teilbereiche beobachtet, miteinander in Beziehung gesetzt und vorsichtig interpretiert werden, desto verständlicher werden das Kind bzw. die Klasse und desto besser kann eine prognostische Beurteilung (z.B. im Hinblick auf den Übertritt an eine nächste Schulstufe) gefällt werden. Wichtig ist dabei, dass wir nicht von normativen Fragestellungen ausgehen, sondern möglichst offen bleiben. Deshalb stellt der vorliegende Beobachtungsbogen zu den einzelnen Beobachtungsbereichen offene Fragen, deren Beantwortung eine Rückkoppelung zu den Alltagstheorien und Wertvorstellungen der beobachtenden Person vor dem Beobachten verhindert. Die normative, geschlossene Frage: Kann sich Peter in der Kindergruppe durchsetzen ? Diese Frage kann mit JA oder NEIN beantwortet werden. Die formative, offene Frage: Wie versucht Peter, seine Wünsche und seine Bedürfnisse in der Gruppe durchzusetzen ? Zur Beantwortung einer solchen "offenen Frage" ist der Beizug von systematischen Beobachtungen nötig. © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 8 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Beispiel Zusammenhang zwischen Beobachtungsbereich und «formativ offenen Fragen». Beobachtungsbereich: - Soziale Entwicklung Offene Fragen: - Welche Beziehungen hat Peter zu den Kindern in der Klasse? - Welche Rollen übernimmt Peter in der Gruppe? - Wie versucht Peter, seine Wünsche und Bedürfnisse bei Kindern und Erwachsenen durchzusetzen? Es ist wichtig, dass das Beobachten möglichst lange von offenen Fragen geleitet wird, die dann durch unsere Beobachtungen beantwortet werden können. Dabei können die Kinder an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Tätigkeiten beobachtet werden, um ein möglichst ganzheitliches Bild zu erhalten. Wie beobachten ? Vielleicht kommt beim Lesen der Gedanke, wie leicht es sei, Forderungen nach gezielten, langfristigen Beobachtungen aufzustellen und wie schwer dies in der Unterrichtspraxis umzusetzen sei - das ist richtig! Eine kontinuierliche Beobachtung des einzelnen Kindes und der Klasse erfordert einen zusätzlichen Einsatz und eine gewisse Portion Eigendisziplin. Der Gewinn liegt im Ergebnis der Bemühungen. Beobachtungen machen es uns möglich, Gesprächs- und Beurteilungsunterlagen zur Hand zu haben, die auch Drittpersonen einsichtig sind und die auf einer Gesamtbeurteilung basieren. In diesem Kapitel möchten wir näher auf zwei mögliche Beobachtungsarten eingehen, nämlich auf die «anekdotische Beobachtung» und auf «Beobachtungen durch Drittpersonen»: Die anekdotische Beobachtung Diese Methode eignet sich zur Langzeitbeobachtung eines Kindes und der Klasse. Die Beobachtungen werden während des Unterrichts (Momentprotokoll) oder im Nachhinein (Erinnerungsprotokoll) aufgeschrieben. Die folgenden Punkte gehören in das Protokoll: © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 9 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule - Situation, Datum, Zeit - Beobachtung - Interpretation (diese kann auch gesamthaft erst später erfolgen) - Reaktionen der Beobachterin/des Beobachters Zusätzlich werden Informationen zum Umfeld des Kindes, der Klasse oder der Schule festgehalten: Ausgangslage / Fragestellung Gruppenarbeit: Gestalten eines Herbstbildes. Peters Mutter ist zu Besuch. Datum: 17.9.96; Zeit: 09.45 Uhr Beobachtung Bemerkungen Peter arbeitet mit Ruth und Heidi. Die drei diskutieren. Heidi bestimmt, dass Peters Äste nicht verwendet werden dürfen. Ich beobachte schweigend (Reaktion) Peter kommt zu mir und weint Peter will, dass ich eingreife und ihm helfe (Interpretation) Peter geht zu seiner Mutter und setzt sich auf ihren Schoss. Diese streichelt ihn und spricht leise auf ihn ein. Ich schicke ihn zurück und sage ihm, er solle seine Wünsche selber nochmals einbringen. (Reaktion) Die anekdotische Beobachtung ermöglicht ein Eingehen auf Interaktionen und Zusammenhänge sowie das Einordnen einzelner Verhaltensweisen in grössere Zusammenhänge. Da die Beobachtungen ein anschauliches Bild zu bestimmten Situationen ergeben, sind sie eine wichtige Informationsquelle bei Gesprächen mit Eltern, bei Kontakten mit Beratungsstellen, bei der Planung und Organisation von Übergängen sowie bei der Reflexion des eigenen Handelns. Anekdotische Beobachtung ist zeitintensiv, weil ausführliche Notizen vorausgesetzt werden, die dann auch eine eingehende Lese- und Interpretationsphase verlangen. Die Arbeit wird erleichtert, wenn die Beobachterin oder der Beobachter Beobachtungszeiten zum voraus festlegt und ein Übersichtsblatt für ihre Beobachtungen verwendet. © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 10 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Beobachtungen durch Drittpersonen Hospitationshalbtage ermöglichen, eine Kollegin oder einen Kollegen zu bitten, in der Klasse zu einer bestimmten Fragestellung Informationen zu sammeln. Der Beizug einer Drittperson hat Vorteile: - Die Lehrperson kann intensiver beobachten, da sie nicht gleichzeitig unterrichtet. - Sie beobachtet möglicherweise anders und ergänzt die eigenen Beobachtungen. - Sie kann als Gesprächspartnerin bei der Interpretation der Beobachtungen mithelfen. Fehlerquellen beim Beobachten Dieselben positiven Erweiterungen ergeben sich auch, wenn Mitarbeitende der Schuldienste (Schulpsychologen und - psychologinnen, Logopädinnen) gebeten werden, den Unterricht zu besuchen und Anhaltspunkte für bestimmte Fragestellungen aus ihrem Fachgebiet vor Ort zu erheben. Wir haben eingangs bereits darauf hingewiesen, dass unser Wahrnehmen verschiedenen Fehlerquellen unterliegt. Das Wissen um mögliche Beobachtungs- und Wahrnehmungsfehler hilft mit, diese zu vermindern und in der Interpretation mitzuberücksichtigen. In diesem Abschnitt möchten wir auf einige mögliche Fehlerquellen eingehen: Selektive Wahrnehmung Unsere Sinnesorgane können unmöglich alle anfallenden Wahrnehmungsdaten aufnehmen und verarbeiten. Wir treffen aktiv eine Auswahl, wobei einerseits unsere Einstellung, unser Interesse und unsere Rolle beim Beobachten die Auswahl beeinflussen, andererseits die Stärke und die Eigenschaft eines Wahrnehmungsgegenstandes. Beispiel Lautes und störendes Verhalten im Unterricht nehmen wir schneller wahr als das leise, unspektakuläre Geschehen. Lehrpersonen, denen das soziale Geschehen in der Klasse sehr wichtig ist, achten speziell auf soziale Interaktionen; Lehrpersonen, denen die körperliche Entwicklung der Kinder am Herzen liegt, beobachten eher Fein- und Grobmotorik, Haltungsschäden usw. Inspektorinnen und Inspektoren beobachten andere Aspekte des Unterrichts als Kolleginnen oder Fachpersonen der Schuldienste; und diese wiederum andere als Eltern. © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 11 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Bisherige Erfahrungen bestimmen unsere Erwartungen Unsere bisherigen Erfahrungen bestimmen mit, was wir wahrzunehmen erwarten. Diese Erwartungen führen ihrerseits dazu, dass wir uns vor allem auf bestimmte Verhaltensweisen, Vorkommnisse konzentrieren und andere weniger beachten. Mit der Zeit sehen wir wirklich unsere Erwartungen immer öfter bestätigt, was zu stereotypem Denken, zu Etikettierungen und zu Vorurteilen führen kann. Beispiel Wenn wir verschiedentlich die Erfahrung gemacht haben, dass überforderte Kinder aggressiv und störend auf ihre Überforderung reagieren, können wir vielleicht bei aggressiven Reaktionen eines Kindes übersehen, dass es in bestimmten Bereichen angemessene Fähigkeiten aufweist, weil wir diejenigen Bereiche stärker gewichten, in denen es überfordert ist. Eigene Einstellungen und Projektionen Neue Wahrnehmungen können unser Weltbild, unsere Einstellungen, unsere «Realität» bedrohen und in Frage stellen. Wenn uns solche Wahrnehmungen verunsichern, haben wir die Tendenz, sie abzuwehren oder umzudeuten. Vorzugsweise möchten wir unsere eigene Wahrnehmungswelt aufrechterhalten und sie täglich neu bestätigen (unter Umständen auch durch Stereotype oder Vorurteile). © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 12 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Beobachtungen ordnen und interpretieren Um Beobachtungen als Grundlage für die Beantwortung einer bestimmten Fragestellung wie z.B. den Einschulungsentscheid nutzen zu können, werden sie zusammengetragen, anschliessend auf die Frage der Einschulung hin durchgelesen, geordnet und gewichtet. Beispiel Peter fiel es in der Konfliktsituation vom 17. 9. 1996 nicht leicht, sich gegenüber anderen Kindern zu behaupten. Aus weiteren Beobachtungsprotokollen geht hervor, dass sich dieses Verhalten wiederholt und in verschiedensten Situationen zeigt. Im intellektuellen Bereich ist Peter das wendigste, interessierteste Kind der Klasse. Entsprechende Einzelarbeiten führt er mit Leichtigkeit aus. Die Bewegungen des Jungen sind etwas eckig, ungelenk. Das zeigt sich auch in seinen Zeichnungen. Die Gewichtung der weiteren Beobachtungen fallen eher zugunsten der Schulfähigkeit Peters aus. Die Kindergärtnerin ist unsicher, was sie empfehlen soll. Im Gespräch mit der zukünftigen Unterstufenlehrperson, die Peter von gemeinsamen Lektionen her kennt, einigen sie sich auf die Empfehlung für die erste Regelklasse. Im gemeinsamen Gespräch mit den Eltern berichten beide Lehrpersonen von ihren Beobachtungen und der daraus resultierenden Schlussfolgerungen. Die Eltern bringen ihrerseits Beobachtungen von zu Hause ein. Nach einigem Abwägen einigen sich alle Beteiligten auf die Empfehlung, Peter in die erste Regelklasse einzuschulen. Anschliessend besprechen sie, wie die Eltern ihren Sohn in seiner Selbständigkeit unterstützen können. Zudem wollen sie miteinander im Gespräch bleiben und vereinbaren einen nächsten Termin. Es zeigt sich, dass Beobachtungen für Eltern oft gut nachvollziehbar sind. Diese Art der Argumentation kann zudem die Gesprächspartnerinnen und -partner ermutigen, ihrerseits Beispiele aus dem Alltag einzubringen und so ihren Standpunkt konkret und verständlich zu machen. Beispiel Die Spielwelt der Kindergarten- und Primarschulkinder wird immer mehr von Fernsehen, Video und Computerspielen beeinflusst. Unsere Erfahrungen und unser Wissen sagen uns, dass Kinder in diesem Alter ganzheitliches und erlebnisorientiertes Spiel brauchen und dass fiktive Spielwelten zu Verhaltensauffälligkeiten führen können. Trotz mehrerer Stunden täglichen TV-Konsums sind verschiedene Kinder in der Klasse nicht geschädigt. Wie gehe ich mit dieser Wahrnehmung um? Verändere ich meine Überzeugung oder suche ich nach anderen Begründungen? © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 13 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Weitere Fehlerquellen Auch beim Wahrnehmen selber und beim Protokollieren der Beobachtungen ergeben sich Fehlermöglichkeiten. Die häufigsten sind: - Ungenauigkeiten beim Beobachten (weil wir abgelenkt werden, weil wir nicht aufpassen, weil wir nicht soviel schreiben wollen usw.) - Erinnerungslücken beim Notieren im Nachhinein - Mutmassungen und Interpretationen anstelle von Beobachtungen Beim Interpretieren der Beobachtungen kommen weitere hinzu: - Hallo-Effekt (wir schliessen von einer wichtigen Beobachtung auf andere) - Milde- oder Strengeeffekt (Wie wichtig ist diese Beobachtung? Mitleid, nicht Stellung beziehen müssen usw.) - Voreingenommenheit - Etikettierung Literaturhinweise - Gelzer Hermann/Hirt Pia, Artikelreihe «Einschulung» in «kindergarten», Separatdruck 1993, Dokustelle KgCH - Gloor Armin: Beobachtung und Beurteilen im Praxiskindergarten, Thalwil/Zürich 1993, PaedaMedia-Verlag - Helm Doris: Beobachten - Erfassen - Beurteilen, in «Professionelles Arbeiten im Kindergarten», Dokustelle KgCH - Käser Roland: Neue Perspektiven in der Schulpsychologie, Bern 1993, Haupt-Verlag © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 14 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule Empfehlungen des KgCH zum Umgang mit geschützten Personendaten Im Kindergarten zählen Beobachtungsbogen, Übertrittsberichte, Rodelangaben, Arzt- und Zahnarztkarten, Unfallformulare, Berichte an die Erziehungsberatung oder an andere Fachinstanzen zu den Angaben, die unter den Datenschutz fallen. Als besonders schützenswerte Personendaten gelten unter anderem Angaben über den seelischen, geistigen und körperlichen Zustand eines Kindes. Mit Beobachtungsprotokollen werden also Daten festgehalten, die «besonders schützenswert» sind. Der Umgang mit Daten wird in der Regel durch ein kantonales Datenschutzgesetz geregelt. Wo keines vorliegt oder keine anderslautende Bestimmungen gelten, empfiehlt der Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH im Umgang mit aufgezeichneten Beobachtungen folgende Punkte zu beachten: 1. Geschützte Daten Im Datenschutz wird zwischen «persönlichen Notizen» und «Aufzeichnungen der Lehrperson über Schülerinnen und Schüler» unterschieden: Persönliche Notizen - unterliegen nicht dem Datenschutz Bei den «Persönlichen Notizen» handelt es sich um «Gedächtnisstützen», die eine Lehrperson anlegt. Diese Notizen gelten als persönliches Arbeitsmittel, das nicht an Dritte, d.h. weder an eine Stellvertreterinnen, noch an Kolleginnen oder Kollegen oder Fachinstanzen weitergegeben werden darf. Die persönlichen Notizen müssen so aufbewahrt werden, dass sie nur der betreffenden Lehrperson zugänglich sind. Sie unterliegen nicht den Regeln des Datenschutzes, d.h. es besteht kein Einsichtsrecht. Aufzeichnungen über Schülerinnen und Schüler - unterliegen dem Datenschutz Im Gegensatz zu den persönlichen Notizen unterliegen «Aufzeichnungen von Lehrpersonen über Schülerinnen und Schüler» dem Datenschutz. Es handelt sich hier nicht um ein persönliches, sondern um ein pädagogisches Arbeitsmittel: Die Beobachtungen werden als Grundlagen für die Planung und Durchführung des Unterrichts und für die Unterstützung und Förderung der Kinder herangezogen. Als Beobachtungsprotokolle finden sie in Gesprächen mit Eltern, Kolleginnen und Kollegen, bei Abklärungen mit Fachinstanzen oder beim Übergang Kindergarten-Schule Verwendung. Stellvertretenden Lehrpersonen sind sie als pädagogisches Informations- und Arbeitsmittel zugänglich. © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 15 Dokumentationen Beobachten in Kindergarten und Schule 3. Umgang mit den Daten - Eltern werden zu Beginn des Schuljahres darüber informiert, dass Aufzeichnungen über Schülerinnen und Schüler angelegt werden (Infos über Sinn, Zweck, Vorgehen, Verwendung, Vernichtung). - Nach den Regeln des Datenschutzes haben Eltern (Erziehungsberechtigte) jederzeit das Recht, die Aufzeichnungen einzusehen. - Aufzeichnungen gehören in die Akten oder Arbeitsunterlagen der Kindergartenlehrperson. Sie dürfen aber auf Anfrage an berechtigte Dritte weitergegeben werden (Kolleginnen und Kollegen, Unterstufenlehrkraft, Fachinstanzen, Behörden), wenn diese die Angaben benötigen, um ihren Auftrag erfüllen zu können. Dabei sollen nur jene Informationen weitergegeben werden, die dazu notwendig sind. - Daten, die man nicht mehr benötigt, dürfen nicht über längere Zeit aufbewahrt werden. Der KgCH empfiehlt, Aufzeichnungen ein Jahr nach Austritt des Kindes aus dem Kindergarten zu vernichten (Achtung: nicht in offener Papiersammlung entsorgen!). 4. Auskunftspflicht Hat eine Lehrperson in einem Strafverfahren, z.B. wegen Misshandlung eines Kindes, als Zeugin oder Zeuge auszusagen, muss sie von der Kindergartenkommission vom Amtsgeheimnis befreit werden. © Pädagogische Arbeitsstelle AG / Verband KindergärtnerInnen Schweiz KgCH, 1999 16 Beobachten in Kindergarten und Schule Unterrichtsmaterial Im Alltag beobachten wir oft zufällig und unsystematisch. Im Hinblick auf eine bestimmte Fragestellung wie z.B. Einschulung, Förderung des Kindes oder Unterrichtsvorbereitung ist es sinnvoll, geplant und systematisch zu beobachten, weil dadurch weniger Fehler und Fehleinschätzungen entstehen. Zum Vorgehen Halten Sie vorgängig Ihnen bekannte Informationen zur Entwicklung und zum Umfeld des Kindes oder der Klasse auf einem separaten Blatt fest (Vgl. «Beobachten in Kindergarten und Schule», S. 4). Um geplant und systematisch beobachten zu können überlegen Sie sich, welche Fragestellung der Beobachtung zugrunde liegt. Planen Sie den Zeitpunkt der Beobachtung und notieren Sie auf dem Bogen Datum, Zeit und Dauer. Halten Sie unter der Rubrik «Beobachtung» Ihre Beobachtungen möglichst wertfrei, beschreibend fest. Eigene Gedanken, Phantasien können Sie separat in der Rubrik «Bemerkungen» aufführen. Wählen Sie gestützt auf ihre Beobachtungen und unter Einbezug der Informationen, die Sie auf dem separaten Blatt festgehalten haben, weitere Absichten, Ziele und Themen für Ihre Arbeit im Kindergarten aus. Geplante, systematische Beobachtungen können eine Grundlage sein für die pädagogische Arbeit mit der Klasse und dem einzelnen Kind, die Unterrichtsplanung und Durchführung, die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen und Eltern und für die Entscheidungsfindung z.B. bei der Einschulung, für den Beizug von Fachleuten wie schulpsychologische Dienste, Logopädinnen/Logopäden. Mögliche Fehlerquellen beim Beobachten Beobachtungen sind durch verschiedene Faktoren beeinflußbar und entsprechend störanfällig: - Selektive Wahrnehmung (blinder Fleck), eigenes Wahrnehmungsfeld - Voreingenommenheit, Erwartungen aufgrund von Erfahrungen, Etikettierung, Verallgemeinerung, stereotypes Denken, sich selbst erfüllende Prophezeiungen - Eigene Einstellung zu bestimmten Verhaltensweisen und Umgang damit - Projektionen aufgrund von Erfahrungen mit bisherigen Bezugspersonen, eingeschliffene Verhaltensmuster - Konfabulationen: Ungenauigkeiten beim Beobachten, Wunschdenken, Erinnerungslücken, Mutmassungen, falsche Schlüsse, Einschätzungen - Mildeeffekt: Ausweichen, nicht Stellung beziehen müssen, Mitleid Folgerungen Mehrere geplante systematische Beobachtungen ergeben eine breitere Informationsbasis, was die Wahrscheinlichkeit einer adäquaten Einschätzung erhöht. Beobachtungsfehler lassen sich nicht ausschalten. Doch die Offenheit, eigene Beurteilungen aufgrund neuer Beobachtungen in Frage zu stellen und entsprechend zu korrigieren, hilft, wirklichkeitsnäher zu erfassen. Um ein Kind möglichst gut in seiner Individualität kennen und verstehen zu können, ist es sinnvoll, eigene Beobachtungen mit denjenigen anderer, z.B. Kollegen, Kolleginnen oder Eltern zu vergleichen. Genauso kann es hilfreich sein, Wahrnehmungen zur Klassengemeinschaft mit anderen Lehrpersonen zu besprechen. Verband KgCH / Unterrichtsmaterial zu «Beobachten in Kindergarten und Schule» Beispiele für Beobachtungen zur Entwicklung des Kindes Körperliche Entwicklung Die körperliche Konstitution des Kindes - Gesundheit - Grösse/Gewicht - Körperliche Auffälligkeiten - Körperbau / Körperhaltung - Eigenständigkeit des Kindes - Umgang mit eigenen und fremden Ideen und Meinungen - Loslösung von den Eltern - Intellektuelle Entwicklung - Bewegung im Raum Umgang des Kindes mit Gegebenheiten seiner Umwelt: sprachlich, zeichnerisch, spielerisch - Umweltverständnis - Bewegungsabläufe - Verständigungsmöglichkeiten - Bewegungsformen - Umsetzen von Ideen - - - - Orientierung des Kindes im Raum - oben-unten; vorne-hinten; rechts-links Sprache und Ausdrucksfähigkeit des Kindes - Differenzierungsvermögen - Nutzung des Raumes - Wortschatz - - Sprache - - Bewegungsfähigkeit des Kindes - Bewegungskoordination Ausführung täglicher Handlungen - Umgang mit Schere, Stift, Leim, Werkzeug - - An- und Ausziehen Strukturieren, Planen und Realisieren von Ideen - Neugierde - - Phantasie - - Vorstellungsvermögen - Energie Soziale Entwicklung - Kontakt des Kindes mit sich und der Umwelt - Umgang mit Nähe und Distanz Eingehen auf eine Sache - Konzentration - Offenheit - Zuhören - Auseinandersetzung mit Menschen und Dingen - Zusehen Verhalten des Kindes in einer Gruppe - Kindergartenalltag - - Beharrlichkeit - Neugierde - - Schulweg - Verband KgCH / Unterrichtsmaterial zu «Beobachten in Kindergarten und Schule» Emotionale Entwicklung Selbstvertrauen des Kindes - Wahrnehmen eigener Bedürfnisse Ausdruck von Gefühlen - Grundstimmung - eigene Bedürfnisse äussern - Umgang mit Nähe und Distanz - Eigenständigkeit - Energie - - - - Reaktion des Kindes auf veränderte Situationen - Trennung von Bezugspersonen Umgang des Kindes mit seinem Umfeld - Umgang mit Personen - neue Bezugsperson - Umgang mit Sachen, Gegenständen - neue Umgebung - - - - - Beobachtungen zur Entwicklung der Klasse Die Klasse als Gemeinschaft - erkennbare Untergruppen Die Kontakte der Klasse nach aussen - zu anderen Klassen - einbezogene und ausgeschlossene Kinder - zu anderen Lehrpersonen - Dominanz der Untergruppen - zu Eltern, Besuchenden - - - - Der Umgang der Kinder dieser Klasse mit Werten und Einstellungen - Sympathie, Antipathie - Emotionen - Konkurrenz, Meinungen, Wertungen - Lernverhalten - Eigenheiten Die Rollenzuschreibungen in dieser Klasse - Rollenverteilung - Rollenmerkmale - Rollenverhalten - Rollenwechsel - Verband KgCH / Unterrichtsmaterial zu «Beobachten in Kindergarten und Schule» Zeit Ausgangslage, Fragestellung Beobachtungsbogen Kind Datum Beobachten in Kindergarten und Schule / Unterrichtsmaterial, Druckvorlagen Beobachtung Bemerkung Geschützte Personendaten Pädagogische Arbeitsstelle Kanton Aargau / Verband KgCH Zeit Ausgangslage, Fragestellung Beobachtungsbogen Klasse Datum Beobachten in Kindergarten und Schule / Unterrichtsmaterial, Druckvorlagen Beobachtung Bemerkung Geschützte Personendaten Pädagogische Arbeitsstelle Kanton Aargau / Verband KgCH Beobachtungskalender Name des Kindes Intel. Entwicklung emot. Entwicklung Pädagogische Arbeitsstelle Kanton Aargau / Verband KgCH soziale Entwicklung Datum der durchgeführten Beobachtungen der Klasse oder eines Kindes in die betreffende Spalte eintragen Klasse / Gruppe allgem. Information körperl. Entwicklung Beobachten in Kindergarten und Schule / Unterrichtsmaterial, Druckvorlagen