Interkulturelles Lernen in der Grundschule
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Interkulturelles Lernen in der Grundschule
Pilotprojekt: Interkulturelles Lernen in der Grundschule Bericht über die Module Lesen und Stadterkundung Berichtszeitraum: 18. Oktober 2010 – 20. Juli 2012 Wissenschaftliche Begleitung: Prof. Dr. Heidi Rösch (Leitung), Agnieszka Wolny (Honorarmitarbeiterin) Geplante Laufzeit: 2010 - 2013 Finanzierung: Förderverein Lions-Club Karlsruhe e.V. Organisation: Stadt Karlsruhe – Büro für Integration: Staatliches Schulamt Karlsruhe Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Inhalt Konzept.................................................................................................................................. 2 Projektverlauf ........................................................................................................................ 4 Erfahrungen im Schuljahr 2010/2011 ................................................................................ 8 Erfahrungen im Schuljahr 2011/12 .................................................................................... 9 Auswertung der Etappenprotokolle der Studierenden ........................................................... 9 1. Interkulturelle Bezüge .................................................................................................. 12 2. Schüleraktivierung und Motivation ............................................................................. 15 3. Medieneinsatz .............................................................................................................. 17 4. Etappenaufbau ............................................................................................................. 18 Beurteilung der Lernangebote ............................................................................................. 20 Modul Lesen .................................................................................................................... 20 Modul Stadterkundung .................................................................................................... 22 Kooperation mit dem Badischen Landesmuseum ........................................................... 25 Besuch der Ausstellung „Extrem Süß! gemalt gehäkelt und gegossen“.......................... 28 Auswertung von Schülertexten und -aktivitäten ................................................................. 29 Zum Konzept des interkulturellen Lernens ......................................................................... 33 Aufgabenformulierung aus interkultureller Perspektive .................................................. 34 Interkulturell relevante Situationen ................................................................................. 38 Abschließender Kommentar und Empfehlungen ................................................................ 39 1 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Konzept Das Projekt richtete sich an Kinder in vier Karlsruher Grundschulen mit einem hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund, die – so war es geplant – von der zweiten bis zur vierten Klasse an zwei Nachmittagen pro Woche von Studierenden der Pädagogischen Hochschule betreut werden. Gewählt wurden Schulen in allen vier Himmelsrichtungen: die Werner-von-Siemens-Schule in der Nordweststadt, die Pestalozzischule in Durlach und damit im Osten, die Leopoldschule in der Weststadt und Anne-Frank-Schule in Oberreut und damit im Süden. Angeboten wurden den Kindern an jeder Schule die Module Lesen und Stadterkundung. Außer an der Leopoldschule, in der unterschiedliche Kinder in der Lese- bzw. Stadtgruppe mitarbeiteten, besuchten die Kinder beide Module und befassten sich jede Woche sowohl mit kinderliterarischen Werken als auch mit ihrer Stadt. Die Gruppen sollten mindestens acht Kinder mit und ohne Migrationshintergrund umfassen. Bewusst wurde auf ein Angebot ausschließlich für Kinder mit Migrationshintergrund verzichtet. Stattdessen wurde ein Angebot für alle entwickelt, das aber interkulturelles Lernen in den Fokus nahm. Die Gruppengröße berücksichtigte zum einen die Herausforderung für Studierende, mit ihr auch alleine zurechtzukommen, zum anderen den Anspruch, dass ein Austausch zwischen den Kindern möglich wird. Für die Rekrutierung der Kinder waren die Schulen zuständig. Betreut wurden die Module von acht Studierenden (und einer Springerin) der Pädagogischen Hochschule, wobei je vier für das Modul Lesen und vier für das Modul Stadt zuständig waren. Das heißt, an jeder Schule waren jeweils zwei Studierende im Einsatz. Im Modul Lesen wurden interkulturell relevante Kinderbücher unter inhaltlichen und weitergehenden literarischen Aspekten bearbeitet. Damit die Kinder die Handlung auch nachvollziehen konnten, wurde auf das Verfahren des verzögerten Lesens zurückgegriffen. Konflikte allgemeiner oder interkultureller Art wurden z.B. durch szenisches Interpretieren von Schlüsselszenen bearbeitet. Die literarische Gattung (Bilderbuch, Märchen, Fabel) und ausgewählte Formelemente (Sprachwahl, Haupt-/Nebenfiguren, Erzählhaltung) wurden durch textnahe Aufgaben mit den Kindern ermittelt. Weiterführende oder erklärende Informationen über Ort und Zeit der Handlung, Vergleiche zwischen Ländern, Gesellschaftssystemen, Sprachen, historischen Entwicklungen etc., die die Erfahrungswelt der Kinder einbeziehen, rundeten die Beschäftigung mit dem Werk ab. Während im ersten Jahr mehrere Bilderbücher behandelt wurden, entschieden wir uns im zweiten Jahr für Ganzschriften, was die Spannung bei den Kindern erhöhte und den Projektcharakter unterstützte. Im Modul Stadterkundung wurden Aktivitäten überwiegend außerschulisch geplant und durchgeführt. Aufgesucht wurden Lernorte rund um Feste (wie der Karlsruher Weihnachtsmarkt), für die Kinder bekannte Orte (wie ihr eigenes Viertel) und unbekannte Orte (wie das Dörfle oder die Universität) sowie die aktuelle Großbaustelle zur Realisierung der Kombilösung. Ziel war neben der Orientierung in der Stadt auch die Migrationsgeschichte der Stadt zu erkunden. Dies sollte durch forschendes Lernen ermöglicht werden, wozu aber auch das Stadtplan lesen und erstellen gehörte und die Do- 2 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule kumentation des ‚Erforschten‘ in einem Stadttagebuch Es entstand eine offene sowie spontane Planung, die den Kindern ermöglichte, Erfahrungen in ihrer Stadt zu sammeln und diese eventuell auch mit erweitertem Blick wahrzunehmen. Die Kinder wurden von bei allen Ausflügen1 von zwei Erwachsenen begleitet. Während im ersten Jahr die Umgebung erkundet wurde, arbeiteten wir im zweiten Jahr mit dem Badischen Landesmuseum zusammen, so dass ein zusammenhängendes Projekt realisiert werden konnte. Das Projekt verfolgte Ziele für zwei Gruppen: Bezogen auf die Kinder versuchten wir den Übergang auf weiterführende Schulen zu unterstützen und hatten dabei vor allem auch Kinder mit Migrationshintergrund im Blick. Zentral war dabei, mit den Kindern zu lesen und (auch im Modul Stadterkundung) zu schreiben, um die Lese- und Schreibkompetenzen durch das zusätzliche Angebot zum Regelunterricht zu entfalten. Bewusst wurde auf eine Hausaufgabenbetreuung oder Nachhilfe verzichtet und darauf gesetzt, dass die zusätzliche Lernzeit in einer relativ kleinen Gruppe eine gewisse Wirkung entfaltet. Bezogen auf die Studierenden ging es darum, sie durch die begleitete und dennoch direkte Konfrontation mit der Praxis (jenseits eines betreuten Unterrichtspraktikums, wie es im Studium vorgesehen ist) für die Besonderheiten eines Unterrichts in multiethnischen und multilingualen Lerngruppen zu sensibilisieren und zumindest in Ansätzen Strategien für eine interkulturelle Gestaltung dieses Unterrichts zu vermitteln und zu erproben. Ein zweiter Aspekt war die Entfaltung interkultureller Kompetenzen zunächst bei den Studierenden. Unser Ziel war, diese in die Lage zu versetzen die sprachliche und kulturelle Vielfalt in der Lerngruppe und ihrer Umgebung wahrzunehmen und positiv damit umzugehen. Wir gingen davon aus, dass sich eine solchermaßen veränderte Sicht auf die Unterrichtsgestaltung und damit auch auf den Lernprozess der Kinder auswirkt. Aus diesem Grunde lasen wir Kinderliteratur, die einen konstruktiven Umgang mit Vielfalt und Hybridität gestaltet und daraus resultierende Konflikte einer Lösung zuführt. Bei der Stadterkundung sollten Migration nach Karlsruhe sowie vielfältige Lebensformen in Karlsruhe sichtbar werden. Die gemeinsamen Gespräche über die gelesene Literatur und auch über die Erkundungen in der Stadt sollten unterschiedliche Sichtweisen deutlich werden lassen. Da die Kinder angehalten wurden, Erfahrungen mündlich und schriftlich zu artikulieren und zu dokumentieren, sich über Gelesenes und Erlebtes auszutauschen, gehen wir davon aus, dass das Projekt auch einen Beitrag zu impliziter Sprach- und Kommunikationsförderung leisten konnte. Unsere Arbeit an der Pädagogischen Hochschule konzentrierte sich auf die Studierenden. Deren Aufgaben waren: 1. Planung von Etappen in den Modulen Stadterkundung bzw. Lesen, die in allen vier Stadt- bzw. allen vier Lesegruppen durchgeführt wurden, 2. Durchführung der 12 Etappen (pro Vorlesungszeit) im Umfang von je 2 oder 2,5 Schulstunden pro Woche mit einer Gruppe von 6-8 Kindern, 3. Dokumentation der durchgeführten Etappen (u.a. mit Materialien, Schülerarbeiten etc.) 1 Der Begriff Ausflug wird hier im Sinne von außerschulischen Lernorten verwendet. Denn es handelt sich dabei nicht um eine Freizeitaktivität. 3 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Die einzelnen Etappen wurden jeweils für ein Schulhalbjahr vorbereitend geplant. Die Studierenden bereiteten pro Semester durchschnittlich 3 Etappen bezogen auf Inhalt, Aktivitäten und Arbeitsmaterialien eigenständig vor und besprachen sie mit Agnieszka Wolny und punktuell auch mit Heidi Rösch. Ausgenommen davon waren die Besuche im Badischen Landesmuseum im Schuljahr 2011/12, da die Führungen von fachkundigem Museumspersonal durchgeführt wurden. Da sich schnell herausstellte, dass die Studierenden nicht nur bei der Vorbereitung, sondern auch bei der Durchführung der Etappen weitreichende Unterstützung brauchten, musste Agnieszka Wolny viel mehr Zeit als geplant in diese Aufgabe investieren. Projektverlauf Geplant war, dass dieselben Studierenden und dieselben Kinder während 3 Jahren an dem Projekt teilnehmen. Beides konnte nicht erreicht werden. Die folgende Übersicht zu „Beteiligten Schulen, Studierenden und Kindern“ offenbart bereits die mangelnde Kontinuität, die letztendlich zum Abbruch des Projekts nach 2 Jahren führte. Es gelang zwar, wieder Studierende zu finden, als nach dem ersten Jahre fast alle aus dem Projekt ausstiegen, aber diese mussten neu eingearbeitet werden und waren auch für die Kinder neue Bezugspersonen. Gründe für die mangelnde Kontinuität auf Seiten der Studierenden sind studienorganisatorischer Art: Da wir Studierende erst nach ihrem erfolgreichen Fachpraktikum einsetzen wollten, bedeutete das für die meisten, dass sie in ihrem 6-semestrigen Studium schon so weit fortgeschritten waren, dass sie nach diesem Studienjahr bereits ins Examen gingen und deshalb nur noch wenig Zeit für ein solches Projekt aufbringen konnten. Problematischer war aus unserer Sicht die Zahl der Kinder in den einzelnen Gruppen. Bereits im ersten Schuljahr unterschritten die Gruppe der Anne-Frank-Schule und eine Gruppe der Leopoldschule die von den Geldgebern erwartete Zahl von acht Kindern pro Gruppe. Im zweiten Jahr gingen die Zahlen noch weiter zurück. Außerdem kamen die Kinder unregelmäßig, so dass unsere Studierenden ihre Arbeit zum Teil gar nicht anbieten konnten. Das führte zur Schließung dieser beiden Gruppen bereits nach den Pfingstferien und letztendlich auch zum Abbruch des gesamten Projekts Ende des Sommersemesters 2012. Ein weiterer Grund für den Abbruch war die Tatsache, dass die wissenschaftliche Begleitung im Rahmen des vorgesehenen Budgets nur rudimentär durchgeführt werden konnte. Agnieszka Wolny musste sehr viel Zeit in die Koordination, vor allem die Vor- und Nachbereitung sowie die Unterstützung der Studierenden vor Ort investieren, so dass die geplante Begleituntersuchung nur in Ansätzen realisiert werden konnte. Nachdem ihre halbe Stelle an der PH auf eine 20% Stelle gekürzt wurde, war es nicht mehr vertretbar, dass sie das Projekt weiter betreut. Dennoch betrachten wir dieses Projekt als Erfolg für die beteiligten Kinder und Studierenden. Fast alle Etappen wurden in allen Schulen durchgeführt, wie die tabellarischen Übersichten zu den durchgeführten Etappen in beiden Modulen zeigen. 4 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 5 Beteiligte Schulen, Studierende und Kinder Schule Adresse Rektor/in: Anne Frank GHS Pestalozzi-Schule Bonhoefferstr. 12 Christofstr. 76189 Karlsruhe 76227 Karlsruhe-Durlach Herr Schwarz-Hemmerling Herr Kühn Projekttage Di + Do 14:30 – 16:00 WiSe 10/11 25.10.2010 – 14.02.2011 SoSe 2011 11.04.2011 – 18.07.2011 Lesen Andrea Marquardt Stadt Rahel Kreß Di + Do 15:00 – 16.30 Lesen Annika Michel Stadt Tobias Bayer Wernern von Siemens GHS 9 Kurt-Schumacherstr. 1 76187 Karlsruhe Frau Schäfer Mo + Do 14:30 – 16:00 Lesen Birsen Kilic Stadt Kirsten Möhlenhof Do 14:30 – Fr 14:00 – 15:30 Lesen Caroline Hock 16:00 Stadt Lisa Fritzsche Springerin: Julia Schneider 1. Antunes, Julia (Italienisch) 2. Bopp, Edward (Russisch) 3. Fidan, Azra (Arabisch) 4. Filator, Vlad (Russisch) 5. Rubzow, Eveline (Russisch) WiSe 11/12 07.11.2011 – 09.02.2012 SoSe 2012 16.04.2012 – 27.07.2012 Leopoldschule GHS 23 Leopoldstr. 76133 Karlsruhe Frau Vogt Lesen Sule Öztürk Stadt Katharina Indlekofer 1. Badawi, Shinan (Ägyptisch/Arabisch) 2. Cardella, Matteo (Italienisch) 3. Jöhnke, Maxime (Deutsch) 4. Frese, Vanessa (Polnisch) 5. Kirch, Benjamin (Rumänisch) 6. Marino, Fabrizio (Italienisch) 7. Satongkaew, Phakhin (Thailändisch) 8. Schlegel, Daniel (Russisch) Lesen Larissa Jaspersen Stadt Julia Schmied 1. Burakmak, Roza (Türkisch/Kurdisch) 2. Tas, Melek (Türkisch/Kurdisch) 3. Beyazsahin, Rona-Ayce (Türkisch/Kurdisch) 4. Tomas, Damir (Kroatisch) _________________ 1. Koparan, Helin (Türkisch/Kurdisch) 2. Herold, Joey (Deutsch) 3. Bas, Mert (Türkisch) 4. Abbas, Ali (Arabisch) 5. Miskolczi, Zsolt (Ungarisch) 6. Deari, Semine (Albanisch) 7. Demir, Heli (Türk./Kurdisch) nur WiSe Lesen Birsen Kilic / Christine Zohren Stadt Anna Ploschka 1. Gromer, Sophie (Deutsch) 2. Jasim, Mia-Lena (Kroatisch) 3. Ludwig, Natalie (Rumänisch) 4. Obeng, Mevis (Afrikanisch) 5. Schweigle, Marlon (Italienisch) 6. Waschage, Samira (Arabisch, Tunesien) 7. Christiansen, Brandon (Deutsch) nur WiSe 8. Pellegrino, Alessandro (Italienisch) nur WiSe Lesen Alina Opitz Stadt Jennifer Flum Springerin: Luisa Junghans 1. Antunes, Julia (Italienisch) 2. Filator, Vlad (Russisch) 3. Trovato, Enrico (Italienisch) 4. Schneider, Kevin (Deutsch) nur im WiSe Gruppe nach den Pfingstferien 2012 aufgelöst 1. Badawi, Shinan (Ägyptisch/Arabisch) 2. Frese, Vanessa (Polnisch) 3. Satongkaew, Phakhin (Thailändisch) 4. Schlegel, Daniel (Russisch) nur im WiSe 5. Erdinc, Zeynep (Türkisch) 6. Karakaya, Umut (Türkisch) 7. Kizilkilinc, Aylin (Türkisch) nur im WiSe 8. Tranak, Süleyman (Türkisch) 1. Burakmak, Roza (Türkisch/Kurdisch) 2. Tas, Melek (Türkisch/Kurdisch) 3. Beyazsahin, Rona-Ayce (Türkisch/Kurdisch) 4. Tomas, Damir (Kroatisch) Gruppe nach den Pfingstferien 2012 aufgelöst ________________________________ 1. Abbas, Ali (Arabisch) 2. Deari, Semine (Albanisch) 3. Rose, Samuel (Romanes) 4. Lorik Leonard ab SoS 5. Erdem-Yusuf Avci ab SoS 1. Ludwig, Natalie (Rumänisch) 2. Obeng, Mevis (Afrikanisch) 3. Schweigle, Marlon (Italienisch) 4. Koparan, Helin 5. Sysal, Muhammed (Arabisch) 6. Tuncer, Zelal (Türkisch) Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Durchgeführte Etappen des Moduls Stadterkundung Wintersemester 2010/11 Sommersemester 2011 Wintersemester 2011/12 Etappe Woche ab Titel der Etappe 1. 25.10.2010 Kennenlernen zuständige/r Student/in Lisa Fritzsche 2. 08.11.2010 Klassenzimmer Kirsten Möhlenhof 3. 15.11.2010 Unsere Schule Tobias Bayer 4. 22.11.2010 Unser Stadtteil Tobias Bayer 5. 29.11.2010 Vorbereitung: Stadtmuseum Rahel Kreß 6. 06.12.2010 Ausflug: Stadtmuseum im Prinz-Max-Palais Rahel Kreß 7. 13.12.2010 Ausflug: Weihnachtsmarkt Lisa Fritzsche 8. 10.01.2011 Sport in Karlsruhe Kirsten Möhlehof 9. 17.01.2011 Ausflug: Günter Klotz-Anlage Kirsten Möhlehof 10. 24.01.2011 Zuwanderung in Karlsruhe Tobias Bayer 11. 31.01.2011 Ausflug: Das Dörfle Rahel Kreß 12. 07.02.2011 Nachbereitung: Das Dörfle Rahel Kreß 13. 14.02.2011 Abschluss: Spiele aus aller Welt Lisa Fritzsche 14. 11.04.2011 „Charly und die geheimnisvolle Tür“ Rahel Kreß 15. 02.05.2011 Vorbereitung: Kombilösung Rahel Kreß 16. 09.05.2011 Ausflug: Kombilösung“ Tobias Bayer 17. 16.05.2011 Ausflug: PH-Rallye Lisa Fritzsche 18. 23.05.2011 Ausflug: Südstadt Kirsten Möhlenhof 19. 30.05.2011 Nachbereitung: Südstadt ----- 20. 06.06.2011 Vorbereitung: In der Moschee Agnieszka Wolny 21. 27.06.2011 Ausflug: Zentralmoschee Karlsruhe DITIB Landesverband BW in KA 22. 04.07.2011 Vorbereitung: In der Kirche Agnieszka Wolny 23. 11.07.2011 Ausflug: St. Elisabeth Kirche A. Wolny /Rahel Kreß 24. 18.07.2011 Abschluss Teamarbeit 1. 07.11.2011 Wo wohnen wir? Postkarten aus Karlsruhe Agnieszka Wolny 2. 14.11.2011 Wo wohnen wir? Agnieszka Wolny 3. 21.11.2011 Meine Stadt Karlsruhe: Ausflug Jennifer Flum 4. 01.12.2011 Traumhäuser Anna Ploschka 5. 05.12.2011 Häuser fotografieren: Ausflug Katharina Indlekofer 6. 12.12.2011 Fotocollage Katharina Indlekofer 7. 19.12.2011 Weihnachtsmarkt: Ausflug Julia Schmied 8. 09.01.2012 Mein Traumhaus Anna Ploschka Julia Schmied Sommersemester 2012 9. 16.01.2012 Kinderzimmer: Wie können sie aussehen 10. 23.01.2012 Als meine Großeltern Kinder waren Jennifer Flum 11. 30.01.2012 Schul- und Berufsuniformen Katharina Indlekofer 12. 06.02.2011 Vergangenheit und Zukunft Teamarbeit Stadtgruppe 13. 16.04.2012 Ferienerlebnisse mit Ausstellung Katharina Indlekofer 14. 23.04.2012 Einführung: Karlsruher Schloss und seine Geschichte Anna Ploschka 15. 30.04.2012 Thema offen wegen Brückentag Julia Schmied 16. 07.05.2012 Schloss: Karlsruher Schloss und seine Geschichte Badisches Landesmuseum 17. 14.05.2012 Einführung: Alltag und Kindheit im 19.Jh. in der Stadt und auf dem Land Julia Schmied 18. 21.05.2012 Schlossführung zum selben Thema Badisches Landesmuseum 19. 11.06.2012 Einführung: Sammellust- was und wieso sammeln wir? Julia Schmied 20. 18.06.2012 Schloss: Kunst- und Wunderkammer Badisches Landesmuseum 21. 25.06.2012 Schloss: Türkenbeute Badisches Landesmuseum 22. 02.07.2012 Vorbereitung des Besuchs auf dem Hauptfriedhof Jennifer Flum / Agnieszka Wolny 23. 09.07.2012 Ausflug: Hauptfriedhof Karlsruhe Jennifer Flum 24. 16.07.2012 Abschluss am Schlossgarten Agnieszka Wolny 6 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Durchgeführte Etappen des Moduls Lesen Etappe Wintersemester 2010/11 Sommersemester 2011 Wintersemester 2011/12 Sommersemester 2012 Woche ab Titel der Etappe zuständige/r Student/in 1. 25.10.2010 „Der kleine Frosch will Sänger werden“ (Gülsum Cengiz) in türk. & deutscher Fassung Birsen Kilic 2. 08.11.2010 „Bobo und Susu“ (Rafik Schami / Erika Rapp) Heidi Rösch 3. 15.11.2010 „Wir können noch viel zusammen machen“ (Friedrich K. Waechter) Andrea Marquardt 4. 22.11.2010 29.11.2010 „Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm“ (Rafik Schami / Ole Könneke) Caroline Hock 5. 6. 06.12.2010 “Irgendwie anders” (Kathryn Cave / Chris Riddell) Annika Michel 7. 13.12.2010 Winterfeste „Rudolph the rednosed reindeer“ (Text und Malbuch von Gne Aury) Annika Michel 8. 10.01.2011 „Winzig der kleine Elefant“ (Erwin Moser) Andrea Marquardt 9. 17.01.2011 „Klein sein ist nicht einfach“ (Can Göknil) Birsen Kilic 10. 24.01.2011 11. 31.01.2011 „Die kleine Raupe Nimmersatt“ / „La chenille qui fait des trous“ (Eric Carle) Teamarbeit Lesegruppe 12. 07.02.2011 Nacharbeit nicht abgeschlossener Etappen ---- 13. 14.02.2011 Ausflug: Kinderbibliothek im Prinz-Max-Palais Teamarbeit Lesegruppe 14. 11.04.2011 „Du hast angefangen – Nein, du“ (David McKee) Teamarbeit Lesegruppe 15. 02.05.2011 Nachbereitung: „Winzig der kleine Elefant“ Teamarbeit Lesegruppe 16. 09.05.2011 16.05.2011 „Das ist kein Papagei“ (Rafik Schami / Wolf Erlbruch) Caroline Hock 17. 18. 23.05.2011 „Das Land der Ecken“ (Irene Utlizka / Gerhard Gepp) Annika Michel 19. 30.05.2011 „Blauer Hund“ (Nadja) Caroline Hock 20. 06.06.2011 „Freunde fürs Leben“ (Florance Seyvos) Andrea Marquardt 21. 27.06.2011 04.07.2011 „Die Wölfe in den Wänden“ (Neil Gaiman / Dave McKean) Andrea Marquardt 22. 23. 11.07.2011 Abschluss Teamarbeit Lesegruppe 24. 18.07.2011 Ausflug: Filmvorführung an der PH Teamarbeit Lesegruppe 1. 07.11.2011 Wer ist Erich Kästner? Vorstellung von „Gullivers Reisen“ Agnieszka Wolny 2. 14.11.2011 Kapitel 1 Birsen Kilic 3. 21.11.2011 Kapitel 2 und 3 Larissa Jaspersen 4. 28.11.2011 Lesung in der Bibliothek: Ausflug Teamarbeit Lesegruppe 5. 05.12.2011 Kapitel 4 und 5 Alina Opitz 6. 12.12.2011 Kapitel 6 und 7 Sule Öztürk 7. 19.12.2011 Weihnachtsmarkt: Ausflug Teamarbeit Lesegruppe 8. 09.01.2012 Kapitel 8 Alina Opitz 9. 16.01.2012 Kapitel 9 Larissa Jaspersen 10. 23.01.2012 Kapitel 10 und 11 Birsen Kilic 11. 30.01.2012 Kapitel 12 Sule Öztürk 12. 06.02.2012 Kapitel 13 Alina Opitz 13. 16.04.2012 Zoran Drvenkar und Andreas Steinhöfel: „Die Kurzhosengang“ , Vorwort des Übersetzers (S. 5-10) Alina Opitz/L.Jaspersen 14. 23.04.2012 Kap. 1 Rudolpho Sule Öutürk 15. 30.04.2012 Kap. 1 Rudolpho Sule Öutürk 16. 07.05.2012 Kap. 2 Island Larissa Jaspersen 17. 14.05.2012 Kap. 2 Island Larissa Jaspersen 18. 21.05.2012 Kap. 3 Snickers Christine Zohren 19. 11.06.2012 Kap. 3 Snickers Christine Zohren 20. 18.06.2012 Kap. 4 Zement Alina Opitz Kap. 4 Zement Alina Opitz 21. 25.06.2012 Caroline Hock Birsen Kilic Annika Michel 22. 02.07.2012 Nacharbeit Teamarbeit 23. 09.07.2012 Ausflug: Ausstellung „Extrem Süß! gemalt, gehäkelt, gegossen“ Junge Kunsthalle Karlsruhe 24. 16.07.2012 „So wurden wir die Kurzhosengang“: Die Geschichte fortspinnen Agnieszka Wolny 7 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Erfahrungen im Schuljahr 2010/2011 Während des ersten Jahres galt es organisatorische Hürden zu bewältigen. Außerdem mussten Konkretisierungen des Konzepts vorgenommen werden. In beiden Modulen fand eine Ritualisierung statt. So begann jede Etappe mit dem Lied „In Paule Puhmanns Paddelboot“ von Gert Neuner und Fredrik Vahle und endete mit einem Tagebucheintrag. Die Literaturauswahl erfolgte sukzessive, erwies sich insgesamt aber als geeignet, denn sie regte die Kinder zum Fragenstellen oder Gedankenaustausch an. „Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm“, “Irgendwie anders” und die deutsch-französische Fassung von „Die kleine Raupe Nimmersatt“ /„La chenille qui fait des trous“ weckten besonderes Interesse. Die Kinder konnten sich in die Figuren oder Szenen hineinversetzen und fühlten sich angesprochen, besonders wenn es um die eigene Herkunft, Sprache und Freundschaft ging. Das Bewusstsein einer anderen Herkunft und Zugehörigkeit zu einer anderen Sprachgemeinschaft war bei den Kindern stark ausgeprägt und führte zu intensiven Diskussionen auch zwischen den Studierenden. Diese hatten in dieser Phase mit Konzentrations- und Disziplinproblemen zu kämpfen, die sich dank der Unterstützung von Agnieszka Wolny einigermaßen verringern ließen. Obwohl die Konzentration am Nachmittag den Kindern Mühe machte, erkannten die Studierenden mit der Zeit eine Verbesserung der Schreibbereitschaft und -leistungen. Das Modul Stadterkundung verfolgte das Ziel, die Kinder mit ihrer Schule, ihrer Stadt und ihren Stadtteilen bekannt zu machen. Das passierte in Form von Kurzausflügen, bei denen sich die Kinder sehr engagiert beteiligten. Dabei begeisterten im ersten Halbjahr vor allem die Lesung in der Kinderbibliothek, der Universitätsbesuch und immer wieder das Fahren mit der Straßenbahn. Im Sommer fand ein Besuch des „Pavillions K.“ statt, wo sich die Kinder die Baumaßnahmen und Veränderungen in der Stadt auf einem großen Touchscreen betrachten konnten. Die Entstehung eines Tunnels, dargestellt in einem Kurzfilm, weckte ihre Neugier, führte aber auch zu Disziplinproblemen. Es folgten Ausflüge in den ältesten Stadtteil, die Südstadt und eine Rallye über den Werderplatz. Die Vielfalt der Südstadt beeindruckte die Kinder nicht besonders, dennoch untersuchten sie Wohnhäuser auf fremdsprachige Namen und erkundeten Geschäfte. Eine Herausforderung stellte der Besuch religiöser Einrichtungen wie einer Moschee und einer katholischen Kirche dar. Einige Kinder mit türkischem Hintergrund waren überrascht und begeistert zugleich, als wir in den Gruppen darüber sprachen. Alle Eltern stimmten dem Besuch zu. Der Besuch der Moschee in der Oststadt (DITIB Landesverband BW) erwies sich als voller Erfolg. Die Kinder wurden von der Gemeinde und dem Imam herzlich begrüßt. Eine junge Frau begleitete uns in den Gebetsraum und dolmetschte die Erklärung über die islamischen Bräuche und Feiertage. Die Kinder stellten dem Imam Fragen. Er zog sein Gewand an und erklärte, wie es heißt und wozu es dient. Danach gab es Tee und Gebäck. Die Evaluation dokumentierte die besondere Bedeutung dieses Ausflugs. 8 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Erfahrungen im Schuljahr 2011/12 Dank einer enormen Vorbereitungszeit ist es uns gelungen im 2. Jahr alle Etappen im Voraus zu planen. Dies eröffnete Zeitfenster für Überarbeitungsphasen mit Agnieszka Wolny und Heidi Rösch, die in beiden Gruppen auch genutzt wurden. Die Studierenden zeigten dabei in beiden Modulen enormes Engagement und eine hohe Motivation. Bei Krankheit wurden die Springerin bzw. andere Projektteilnehmerinnen aktiviert. Nach einem Jahr mit Bilderbüchern entschieden wir uns im zweiten Jahr für zwei Ganzschriften – eine pro Semester, um die Intensität im Umgang mit einem Werk zu steigern. Geeignet erschienen uns „Gullivers Reisen“ von Erich Kästner und „Die Kurzhosengang“ von Zoran Drvenkar, geschrieben unter dem Pseudonym Caspak/Lanois. Jedes Kind bekam sein Exemplar und bastelte sein Lesezeichen dazu. Die Bücher wurden in den Klassenzimmern aufbewahrt. Vor allem im Sommersemester war es zum Teil schwierig, die Kinder am Nachmittag, und weil sie ihre Zeit überwiegend im Klassenzimmer verbringen mussten, zu motivieren. Dies gelang durch Rätsel, Rollenspiele, Bilderspiele, Brettspiele, Bastelarbeiten und kreatives Schreiben. Die Lektüre von „Die Kurzhosengang“ begeisterte die Kinder deutlich weniger als die vorherige Lektüre „Gullivers Reisen“. Dennoch erkannten die Studierenden eine Steigerung beim lauten Lesen bei manchen Kindern, die sich im öfter freiwillig meldeten. Ein weiteres Erfolgserlebnis einer Studentin war, dass „die Kinder sich endlich merken konnten, was in der Projektstunde davor gelesen wurde. Im letzten Halbjahr wurde ich so oft gefragt, was nochmal geschehen ist und musste häufig wiederholen“. Im Sommersemester fanden mehrere Ausflüge ins Badische Landesmuseum statt, die Agnieszka Wolny mit Dr. Sarah Hoke abgesprochen hatte und auf die die Studierenden durch einen Museumsbesuch, die Nutzung der Museumsbibliothek sowie die persönliche Unterstützung von Frau Hoke vorbereitet wurden (ausführlicher vgl. weiter unten). Disziplinprobleme in den jeweiligen Schulen wurden seltener gemeldet als im 1. Jahr. Allerdings entstand das Problem der regelmäßigen Anwesenheit der Kinder, was die Atmosphäre und Arbeitsmotivation der Kinder und schließlich auch der Studierenden deutlich beeinträchtigte. 9 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Auswertung der Etappenprotokolle der Studierenden Die Studierenden waren aufgefordert, nach jeder Etappe einen Protokollbogen mit folgenden Kategorien auszufüllen: 1. 2. 3. 4. Inhaltliche Aspekte: Wurden interkulturelle Bezüge hergestellt? Schüleraktivierung und Motivation: Waren die Kinder selbsttätig und aktiv? Medieneinsatz: Waren die Medien zielgruppengerecht? Motivierend? Etappenaufbau: War dieser nachvollziehbar, verständlich, zielführend? Waren die Studierenden ausreichend vorbereitet? Welche Ergebnisse wurden erreicht? Wurden diese gesichert? Leider wurden diese Protokollblätter trotz mehrmaligen Aufforderns nicht von allen in gleicher Weise solide bearbeitet. Dennoch bilden die vorliegenden Protokollbögen eine gute Grundlage für Aussagen über die Qualität der Etappen aus Studierendenperspektive. Gleichzeitig liefern sie aber auch Hinweise über die Kompetenzen der Studierenden im Umgang mit den Kindern und in der Umsetzung der interkulturellen Projektidee. Vorausgeschickt sei der Hinweis, dass dieselben Etappen in den unterschiedlichen Gruppen auch unterschiedlich durchgeführt und bewertet wurden, wie die entsprechende Übersicht mit „Beispielen für die unterschiedliche Beurteilung ausgewählter Etappen nach Schulen“ illustriert. So wurde die Auswahl der außerschulischen Lernorte zum Teil sehr unterschiedlich beurteilt. Während der Zoobesuch in einigen Gruppen als sinnvoll erachtet wurde, fanden andere: „Der Ausflug hätte auch an einen anderen Ort führen können, da die Kinder schon so oft im Zoo waren.“ Auch die Etappen „Mein Traumhaus“, „Mein Kinderzimmer“ sowie „Mein Stadtteil“ wurden oft negativ beurteilt, wobei nach unserer Wahrnehmung in der Leopoldschule und Werner von Siemens-Schule „sehr schöne Prospekte über das eigene Wohnviertel“ entstanden. Der Friedhofbesuch wurde in allen Gruppen durchgeführt, aber unterschiedlich umgesetzt. Die Reaktion der Kinder war in allen Gruppen positiv. Im Folgenden wird in einer Querschnittanalyse eine Auswertung aller vorliegenden Protokolle versucht, die deutlich macht, welche Lernmöglichkeiten die Studierenden realisierten und wie die Kinder diese aufnahmen. Dabei folgen wir den vorgegebenen Kategorien2. 2 Die Zitate sind den Protokollen entnommen, zum Teil aber gekürzt und rechtschreiblich korrigiert worden. Allerdings wurde das von den Studierenden gewählte Zeitschema beibehalten. 10 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Beispiele für die unterschiedliche Beurteilung ausgewählter Etappen nach Schulen Etappe Leopold-GS Anne-Frank-GS Pestalozzi-GS Siemens-GS „Gullivers Reisen“ WiSe 2011/12 Die Idee mit der Basteleinheit und den Karten in der Wiederholungsrunde waren sehr gut. Allerdings konnten die K die Bilder nur beschreiben, aber nicht in eine Reihenfolge bringen. Das Arbeitsblatt wurde eigenständig (!) erarbeitet. K vergewissern sich immer wieder, ob das, was sie schreiben, auch richtig ist. Das Plakat mit den Kriegsparteien wurde nicht beendet. Einstieg mit Bildern im Sitzkreis. Im Gespräch über das neue Kapitel wird der Begriff „Ehre“ besprochen, die K beschreiben den Begriff als „stolz“ und „Recht haben“. Die Schiffe und das anschließende Plakat sind sehr motivierend. Das Plakat wird in der nächsten Stunde fertig gemacht und aufgehängt. Für die jeweiligen Kapitel war genug Zeit eingeplant. Wichtige Stellen wurden hervorgehoben. K arbeiten gemeinsam an einem Plakat. Auswahl und Bereitstellen der Materialien war sehr gut. Während der Basteleinheit wurde über die Liliputaner und Blefuscu gesprochen. Zeitlich hat die Bearbeitung des Arbeitsblattes nicht gepasst. Abwechslung durch verschiedene Bewegungseinheiten. Nach der ersten Runde Lesen ließ die Motivation nach und sie verweigerten das Lesen. Der Zeitplan war nicht gut bemessen. Die Zeit reichte für das Basteln nicht, sodass das Bild am Anfang der nächsten Etappe fertiggestellt werden musste. Als meine Großeltern Kinder waren WiSe 2011/12 K sollten in dieser Etappe einen ausgefüllten Fragebogen mitbringen. Es kam nur ein Kind (nach einigen Telefonaten) und dieses hatte die Aufgabe nicht mitgebracht. Die Bilder zum Gespräch waren anregend. Die zwei anwesenden K Berichterstattung der haben keinen Kontakt zu Studierenden liegt nicht den Großeltern. Ich habe vor. Familientypen besprochen und ein Selbstporträt ihrer jetzigen Familie malen lassen. Die Thematik Stiefvater/-bruder bzw. Tod war sehr auffällig. K erzählten teilweise sehr gerne, was sie von ihren Eltern/Großeltern erfahren haben. Sie waren über die Unterschiede in den Familien teilweise sehr verwundert. „Die Gruppe vorzeitig beendet Kurzhosengang“ SoS 2012 Gruppe vorzeitig beendet Ich habe einzelne Planungsschritte aus Zeitgründen weggelassen. Um Spannung aufzubauen, versuchte ich durch Unterbrechungen die Neugierde zu wecken, was gelang. Als die Pauli Gang zur Sprache kam, waren einige begeistert. Zum Abschluss machte sich jeder Gedanken über seine eigenen Träume und Wünsche. Einführung: Karlsruher Schloss und seine Geschichte SoS 2012 K versuchen sich in verBerichterstattung der gangene Zeit zu versetzen. Studierenden liegt nicht Fächer fasziniert sie. vor. Lange Diskussion über Kompass, Himmelsrichtungen und Erdanziehungskraft. Überlegungen und Fragen an die Museumspädagogin waren sehr produktiv, nachdem sich die K sich auf die Thematik eingelassen hatten. Aus Zeitüberschuss haben wir die Schlossvorlage mit den Strahlen aufgeklebt und mit Straßennamen beschriftet. K lernen die fächerartige Ausrichtung ihrer Stadt kennen und entwickeln ein Bewusstsein dafür. Auffällig war, dass kein K zuvor in der Lage war, den Fächer mit Karlsruhe zu verbinden. Es fiel ihnen nicht schwer, Fragen für die zukünftigen Ausflüge zu formulieren. Der Textumfang war zu groß. Mir hat die Frage, wie K mit Angst umgehen und wovor sie Angst haben, gefallen. Dafür waren K offen und erzählten. Die Skizze über aktuelle Abläufe war eine sehr gute Idee und konnte umgesetzt werden. Zwei K haben sich geweigert, ihre Wünsche vor den anderen zu erzählen. K sind sehr interessiert an der Person Karl Wilhelm. Sie stellen viele Fragen dazu. Die Legende wird interessiert angenommen. Den Grundriss zu legen scheint ihnen nochmal eindrucksvoll zu verdeutlichen, wie Karlsruhe aufgebaut ist. 11 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 1. Interkulturelle Bezüge Modul Lesen Zu Beginn der Langschrift „Gullivers Reisen“ wurden Gullivers Beruf als Arzt und Orte wie Liliput beschrieben. Brobdingnang, Liliput, Blefuscu als Städtenamen erscheinen ihnen ziemlich unwahrscheinlich: „Ein Land mit Zwergen, aber das ist doch ein Märchen!“ Die Kinder verstanden den Text als „Fantasieerzählung“, die nichts mit der Realität zu tun hat. Später zeigten sich einige verunsichert. Daran wird deutlich, dass es gelungen ist, eine implizite Beschäftigung mit literarischen Formen anzuregen. Dass auch Fantastisches mit ihrem Alltag verbunden werden kann, zeigt der Umgang mit der liliputanischen Sprache: In der Pestalozzi-Schule bereitete es den Kindern besondere Freude, „Liliputanisch zu sprechen“. Die Kinder bemerkten auch in anderen Gruppen, „dass Gulliver zwar zu groß, aber trotz allem benachteiligt sei, da er die Sprache der Liliputaner nicht spricht“. Verständigungsalternativen wurden gefunden und nach einer Weile waren die Kinder der Meinung, „dass beim Sprachausfall Hände und Gesicht eine Stütze sind“. Neben der Vorstellung, eine Einheitssprache sei notwendig, wenn man sein Gegenüber verstehen möchte, fand aber auch eine intensive Beschäftigung mit Mehrsprachigkeit statt. „In der Gruppe entwickeln sich sofort Vorschläge, wie sie klingen könnte. Kinder sprechen mit leiser und piepsiger Stimme eine ‚neue Sprache‘“. In der Gruppe der AnneFrank-Schule wird Hallo auf liliputanisch gesprochen. Anschließend werden Begrüßungswörter in den Sprachen, die die Kinder zuhause sprechen, gesammelt (Englisch, Italienisch, Chinesisch, Türkisch, Russisch). „Die Kinder erzählen über (...) ihre Familiensprache. Ihre Mehrsprachigkeit wird mit positiver Reaktion anerkannt, dies trifft in der Gruppe auf weiteres Gesprächsbedürfnis“. Gespräche über Sprache fallen Kindern grundsätzlich leichter, wenn dabei klare Bezüge durch Fragen oder Beispiele auf andere Sprachen hergestellt werden. Gespräche auf dieser Ebene erfordern von den Studierenden die Bereitschaft, interkulturelle Situationen als Chance und weniger als Bedrohung anzunehmen. In der Diskussion, ob Gulliver einen Feuerbrand mit dem eigenen Urin hätte löschen dürfen, wurde der Umgang mit (auch eigenen) Grenzen besprochen. Die Kinder fanden dieses Kapitel erst lustig und eklig zugleich, diskutierten dann aber über die Hintergründe: „Gulliver ist nicht frei.“ „Das hat er ja nicht einfach so gemacht. Er ist nicht schuld.“ Die Aussagen zeigen, dass nach Auffassung der Kinder Gulliver den Liliputanern in dieser konfliktbelasteten Situation mit Kreativität und Eigenständigkeit entgegenkommt und sie diskutieren die Bestrafung: „Er soll bestraft werden, da der Kaiser sehr mächtig ist. Aber keine Todesstrafe!“ Die Todesstrafe empfanden viele (auch in einer Fantasieerzählung) als „ungerecht“. Ein Kind hat die Warnung des Obersthofmeisters Reldresal sehr beeindruckt und angemerkt, dass es richtig war, dass wenigstens einer der Liliputaner zu Gulliver gehalten hat. Die Kinder befassten sich hier zumindest implizit auch mit Handlungen ganz allgemein, die je nach Perspektive als gerecht oder ungerecht bewertet werden. Fairness und Ehrlichkeit empfanden sie als wichtig und formulierten dies sehr oft in Gesprächen untereinander. 12 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Es war nicht zu übersehen, dass nach dem Lesen des Kapitels über das Land der Riesen, die Kinder erneut das unfaire Verhalten gegenüber Gulliver besprechen wollten: „Gulliver landet bei den Riesen, dies gefiel den Kindern überhaupt nicht. Denn diese Menschen sind mächtig und könnten Gulliver töten, sagten sie.“ „Gulliver ist nicht frei.“ „Er muss immer das tun, was die Riesen wollen.“ Hier gelang es den Kindern, Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erfassen und sich in diese Person und ihre Lage hineinzuversetzen. Im folgenden Kapitel wird Gulliver auf dem Markt der Riesen als Attraktion vorgeführt. „Sie behandeln ihn wie ein Spielzeug. Auch Glumda behandelt ihn zuerst wie eine Puppe.“ „Er ist doch keine Puppe“ oder „Er arbeitet ja nicht im Zirkus!“ sind Kommentare von Kindern, die neben Empathie auch Solidarität zeigen. Als Gulliver daraufhin als Lügner abgestempelt wird, obwohl er wahre Erlebnisse erzählt, empfanden die Kinder großes Mitleid. Diesen Perspektivenwechsel verbalisierten sie als „Nun bist du selber der Liliputaner, mein lieber Gulliver!“ Die Kinder erkennen den Rollenwechsel und hoffen aus dieser Perspektive, dass die Riesen in Brobdingnang auch so freundlich sind wie Gulliver in Liliput, denn „es ist nicht wichtig, ob man klein oder groß ist sondern, ob man gut oder böse ist“. Besonders auffallend war während der gesamten Lektüre, dass die Kinder aufgrund der Tatsache, dass dieselbe Figur sowohl als Zwerg als auch als Riese Erfahrungen sammelte, das Prinzip der Relativität von Größen- und damit auch von Machtverhältnissen erkennen konnten: Die Kinder äußerten ihre Gefühle und fanden, dass sich Gulliver als Zwerg hilflos gefühlt haben muss. An dieser Stelle ließe sich die Frage stellen, ob es auch im echten Leben solche Relationen gibt oder man mit Hilfslosigkeit (auch im ‚echten Leben‘) umgehen kann. Doch diese Brücke zwischen den Erfahrungen Gullivers und dem alltäglichen Leben der Kinder zu schlagen, fiel den Studierenden schwer. Da hier die Gefahr besteht, dass allzu simple Entsprechungen mit Fragen wie „Habt ihr so etwas auch schon erlebt?“ gesucht werden, setzten wir als Verantwortliche hier eher darauf, beim Text zu bleiben und auf eine transformatorische Wirkung zu hoffen, auch wenn diese nicht direkt angeleitet wurde. Es gab aber auch Etappen, in denen die Kinder diese Transformation eigenständig vorgenommen haben wie beim Thema „Abschied und Heimkehr Gullivers“: „Gulliver wird es bestimmt nach Hause schaffen und andere Abenteuer erleben“. Diese Projektstunde gehörte zu den beliebtesten und die Kinder sprachen noch lange darüber hinaus „über ihre Gefühle beim Abschiednehmen“. Die zweite Langschrift „Die Kurzhosengang“ stieß auf weniger Begeisterung. Dies zeigte sich im Leseprozess und im interkulturellen Miteinander. Die Kinder ließen sich zunächst auf die Erzählung engagiert ein. Die Studierenden erklärten, dass es Autoren gibt, die ein Buch unter einem anderen Namen veröffentlichen. Die Kinder überlegten, ob sie so etwas aus anderen Kontexten kennen (Spitznamen, Codenamen, Pseudonym) und warum sich Menschen andere Namen geben. Damit war der Einstieg geschafft, denn alle vier Mitglieder der Gang tragen Pseudonyme. Rudolpho, Snickers, Island und Zement erzählen in einer Fernsehshow ein gemeinsames Erlebnis, jedoch immer aus ihrer persönlichen Perspektive. Nach Lektüre der ersten beiden Kapitel wurde den Kindern klar, dass es sich um vier verschiedene Sichtweisen einer sehr abenteuerreichen Geschichte handelt. Dabei war das Rollenlesen eine große Hilfe. 13 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Problematisch war die dritte Episode im Snickers-Kapitel, denn sie behandelt das Thema Schwangerschaft und Geburt. Die Kinder fanden das „sehr ekelig“. „Sie waren geschockt und haben nur gelacht, weil sie peinlich berührt waren“. Den Studierenden gelang es nicht, mit dieser Peinlichkeit konstruktiv umzugehen und die Geburt als etwas Natürliches darzustellen. Sie schafften es nicht, Snickers Charakter in den Mittelpunkt zu stellen und seine beherzte Art, mit einer auch für ihn schwierigen Situation umzugehen, zu würdigen. Denn letztendlich geht es in dem Text darum, Verschiedenheit in einer Gruppe zu thematisieren und deutlich zu machen, dass diese Gruppe ihre heroischen Leistungen nur bringen konnte, weil ihre Mitglieder so verschieden sind. Zement, der das letzte Kapitel erzählt, ist der ‚Besonderste‘ in der Gruppe, von dem die anderen auch am wenigsten wissen. Er offenbart seine Person erst in dieser Erzählung. In der Pestalozzi-Gruppe wurde angemerkt, dass „Zement ‘anders‘ sei als die anderen Jungen der Gang. Sie haben ihn mit U. (einem Kind der Gruppe) verglichen, der auch ein bisschen anders ist, weil er übergewichtig ist, aber trotzdem gemocht wird.“ Damit zeigten die Kinder, dass sie die spezifische Situation im Buch erfasst haben und mit ihren Alltagserfahrungen verbinden können. In den anderen Gruppen ist dies weniger gut gelungen. Die Erfahrung, dass dieses Buch weniger gut angenommen wurde, obwohl es interkulturell deutlich anspruchsvoller ist, zeigt, dass die Studierenden (noch) nicht in der Lage waren, diese Spezifik zu erkennen und mit den Kindern zu erarbeiten. Hier hätten wir als Verantwortliche deutlich intensiver mitwirken müssen. Interessanterweise sah allerdings der von Kindern zu gestaltende Zukunftstraum „komischerweise genauso aus wie der Traum der KHG: Horrorfilme guckend Popcorn essen“. Das lässt sich auch als Indiz deuten, dass die Kinder mehr mit dem Werk anfangen konnten, als im Projekt offensichtlich wurde. Positive Beispiele, auf geäußerte Verständnisschwierigkeiten zu reagieren, zeigte eine Studentin in der Werner-von-Siemens-Schule: „Es war schwierig für die Kinder, dem Text zu folgen und sich die Landschaft vorzustellen. Daher haben wir ein Tafelbild erstellt.“ Beim Thema Verantwortung hatten die Kinder viel zu erzählen, nachdem der Begriff im Rückgriff auf die Erfahrungswelt von Kindern, die Verantwortung gegenüber eigenen (Spiel-)Sachen, jüngeren Geschwistern oder einem Haustier übernehmen, geklärt worden war. Modul Stadterkundung Das Herstellen interkultureller Bezüge in der Planung und Durchführung war eine besondere Herausforderung. Zunächst wurde stets mit einem Stadtplan bzw. Kinderstadtplan und einer Weltkarte im Klassenzimmer gearbeitet. Dies regte die Neugierde der Kinder an und sie erzählten gerne, welche Länder sie besucht haben oder woher ihre Eltern stammen. Beim Ausflug in den Karlsruher Stadtgarten stellten die Kinder interessante Fragen wie: „Ist es den Giraffen im Winter hier nicht viel zu kalt, wie machen die das? Und die Eisbären im Sommer?“ Daraufhin erzählten die Kinder der Anne Frank-Schule von den Herkunftsländern ihrer Eltern oder Großeltern, vom „kalten Russland“, vom „sommerhaften“ Thailand oder von Italien. Es folgte eine Diskussion über Essgewohnheiten der Tiere im Zoo und die Frage, was passiert, „wenn (es) das Fressen von zu Hause hier nicht gibt“. Die Kinder sprachen darüber, dass in Oberreut viele Personen unterschiedlicher Herkunft wohnen. Auf die Frage, was das denn bedeutet, „erzählen die Kinder von ‚unheimlichen Plät- 14 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule zen‘, z.B. Graffity-verschmierten Spielplätzen, oder von Obdachlosen“. Auffällig war, dass in zwei Gruppen die Angst vor Obdachlosen genannt wurde. Diese Personengruppe erschien als „gefährlich oder komisch“. Die Studierenden waren überrascht, dass unter dem Thema Vielfalt Obdachlose zu einem zentralen Thema wurde und konnten leider nicht angemessen darauf reagieren, so dass die Stereotypen über Obdachlose nicht bearbeitet, sondern eher gefestigt wurden. Beim Ausflug zum Hauptfriedhof in Karlsruhe waren die Kinder zum Teil überrascht, dass der Friedhof eher „parkähnlich“ ist und dass er nicht „gruselig“ ist. Durch ein Aufgabenblatt, das über den Friedhof führte, wurden die Kinder gezielt angeregt, sich mit christlichen, muslimischen und anonymen Gräbern auseinanderzusetzen. „Den Kindern fiel auf, dass die christlichen Gräber auf dem Hauptfriedhof in größerer Anzahl vertreten sind. Dies konnte man anhand der Kreuze erkennen, die immer wieder auf der Route auftauchten. Vier der fünf Jungen aus der Leopoldschule sind muslimischen Glaubens. Interessant war zu sehen, dass die Kinder auf dem muslimischen Friedhof Gräber aus ihren Ländern erkannten (wie Albanien, Türkei). Hier haben sich die Kinder vor die einzelnen Gräber gestellt und für die Verstorbenen gebetet. Auch die Soldatengräber fanden bei den Kindern große Beachtung. Es wurden genaue Jahreszahlen zu den Weltkriegen erfragt. Außerdem rechneten die Kinder das Alter der Soldaten aus“, berichtete eine Studierende der Leopoldschule. Solch eine Situation bestätigt das rege Interesse und die Neugier der Kinder gegenüber den je Andersgläubigen und unterstützt eine Erweiterung ihrer Weltsicht. Sie entdecken aber auch gemeinsam Neues wie die Soldaten- oder die anonymen Gräber. 2. Schüleraktivierung und Motivation Modul Lesen Die Kinder gingen überwiegend mit positiver Einstellung ins Projekt. Gleichzeitig forderten die Belastungen des Schulalltages oder weitere außerschulische Aktivitäten der Kinder, die sich in Müdigkeit und fehlender Konzentration im Projekt ausdrückten, von den Studierenden, die Kinder zu aktivieren und zu motivieren. Manchmal kam die Motivation eher zufällig: Als „Gullivers Reisen“ vorgestellt wurde, „erzählten die Kinder selbst, woher sie Erich Kästner bereits kennen, z.B. durch ‚Das fliegende Klassenzimmer‘ oder ‚Pünktchen und Anton‘, das sie selbst gelesen haben“. Die Motivation, nun ein Buch vom selben Autor zu lesen, war hoch. Jedes Kind bekam sein eigenes Exemplar und war sofort damit beschäftigt. Das Basteln eigener Lesezeichen regte zusätzlich an. Neben haptischen gab es aber auch vielfältig kognitive Aktivierungen. So wurden die Kinder durch Fragen immer wieder zum Nachdenken oder Perspektivenwechsel angeregt: „Auf die Frage, warum der Kaiser Gulliver befreit hat, kamen verschiedene Antworten: Der Kaiser bekam Angst, weil Gulliver so groß war. Der König hatte erkannt, dass Gulliver ein gutes Herz hat und deswegen ließ er Gulliver frei.“ Die Kinder aus der Gruppe dachten, dass Gulliver fliehen würde, „weil er ganz anders ist als die Liliputaner und kaum die Sprache kennt“. Damit lagen sie falsch und waren sehr erstaunt. Ihre Irritation konnten sie in einem Brief an seine Frau artikulieren. 15 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Wiederholungsrunden am Anfang jeder Etappe zielten ebenfalls auf die Aktivierung. Besonders beliebt waren Bastel- und Malarbeiten im Team: „Die Kinder mussten sich mit den anderen absprechen, wann die verschiedenen Kataloge weitergegeben werden, und Kompromisse finden, wer welches Bild für seine Collage benutzen darf.“ Fremde Begriffe in den Texten stießen auf „große Unsicherheit“. Durch lautes Vorlesen und wiederholen der Personennamen, Orte oder Sachbezeichnungen ließ die Angst vor unkorrektem Lesen nach. Rollenspiele, „um zu erproben, wie es sich anfühlt, wenn man in der Faust von einem Riesen landet“, wurden zunehmend aktiver gestaltet. Der Text „Die Kurzhosengang“ war durch Passagen mit direkter sowie indirekter Rede schwieriger zu verstehen, was die Kinder phasenweise verwirrte und ihre Motivation zum Lesen verringerte. Auch kreativ formulierte Schreibaufgaben stießen oft auf mangelndes Interesse, was auch den besonderen Förderbedarf der Kinder zum Ausdruck bringt. Leider war es den Studierenden nicht möglich, auf solch komplexe Anforderungen ad-hoc zu reagieren. Sie artikulierten stattdessen den Zeitdruck: „Für die Lerngruppe wirkt sich der Zeitdruck ein bisschen negativ aus, da die Kapitel nicht am Stück gelesen bzw. besprochen werden konnten.“ „Leider nimmt das Lesen viel Zeit in Anspruch und wir liegen mit der Durchführung dieser Etappe zurück.“ Modul Stadterkundung Die Kinder nutzten die Stadtpläne sehr gerne etwa zum „Schulwegzeichnen“. Sie zeigten während der Ausflüge Initiative und Eigenständigkeit: „V. übernimmt V. die WegweiserRolle im Zoo, weil er sich als Experte sieht. Er besucht den Stadtgarten sehr oft. Sein schnelles Tempo durch den Zoo macht den Kindern Spaß, sie versuchen der Rallye zu folgen und die Fragen zu beantworten.“ Die Themen „Mein Traumhaus“ und „mein Kinderzimmer“ stießen dagegen auf relativ wenig Interesse. Die Materialien erschienen „langweilig und schwer unterscheidbar“. Es handelte sich um „stereotype Modelle von Familienhäusern, Bungalows, Reihenhäusern oder dergleichen. Möbelprospekte und Prospekte mit Einrichtungsgegenständen waren ähnlich monolithisch ausgewählt“. Vermutlich war das Thema insgesamt zu wenig mit der Lebensrealität der Kinder verbunden. Wenig motivierend war auch die Etappe „Bewusstsein für Größen zu schaffen“: Das Klassenzimmer wurde zwar ausgemessen, die Maßeinheiten besprochen, aber „die Kinder waren nicht in der Lage ihre Vorstellungen zu Papier zu bringen“ und wirkten schnell gelangweilt. Das Aufsuchen des eigenen Stadtteils brachte die Kinder in die Rolle von Ortskundigen: „Sie haben begeistert Lieblingsplätze aufgezählt und diese dann begeistert fotografiert.“ Andere waren voller Vorfreude auf die späteren Fotos, wollten selbstständig Texte zu den Fotos schreiben und sie dann präsentieren. Es bestand großes Interesse am Thema Tod. Die Geschichte über den gestorbenen Dachs war für dieses 3. Schuljahr „zu einfach“. Die Kinder initiierten Gespräche über den Tod und den Todeszustand, sind dann beim Besuch auf dem Friedhof „recht gelassen mit dem Thema umgegangen“. Sie halfen sich gegenseitig beim Ausfüllen des Arbeitsblattes und waren sehr interessiert. Als sie von anderen Besuchern angesprochen wurden, erzählten sie 16 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule gerne vom Projektausflug und zeigten ihre Aufgabenblätter. Die Kinder fühlten sich ernst genommen und notierten mehr ‚Entdeckungen‘ als verlangt. Familien-Themen lösten ebenfalls rege Beteiligung aus. „Die Kinder haben viel Gesprächsstoff über ihr eigenes Alter und das ihrer Eltern.“ Ein Kind wusste nicht genau, wo die Mutter geboren wurde und wollte das unbedingt erfragen. Anspruchsvoll und motivierend waren die Vorbereitungsetappen für die Museumsbesuche. Überlegungen, welche Fragen man stellen kann, waren in zwei Gruppen besonders produktiv, weil es sich um etwas Neues und damit Spannendes handelte: „Auffällig war, dass kein Kind in der Lage war, den Fächer mit Karlsruhe zu verbinden.“ Passend dazu wurden „geschichtliche Fakten aus der vergangenen Etappe aufgegriffen und wiederholt. In dieser Etappe hat man die große Begeisterung der Kinder in Zusammenhang mit Stadtplänen gesehen. Sie wollten sofort ihre Straße suchen. Man merkt außerdem, dass es den Kindern große Freude bereitet ihre Arbeit zu präsentieren.“ Während der Museumsbesuche war die Motivation unterschiedlich. Da nicht jede Museumspädagogin die Kinder direkt einbezog, gab es nach dem zweiten Ausflug eine negative Atmosphäre. Im Gespräch mit Sarah Hoke konnten einige Aspekte zur Schüleraktivierung und Motivation teilweise behoben werden. 3. Medieneinsatz Modul Lesen Die von den Studierenden ausgewählten Medien wirkten nicht immer motivierend. Hieran zeigt sich, dass solches Material sorgfältig(er) ausgewählt und eventuell auch professioneller gestaltet sein sollte, als es Studierenden möglich ist. Diverse Arbeitsblätter hatten beispielsweise „zu wenige Zeilen“, Bilder waren undeutlich oder nicht kindgerecht. Doch es gab auch positive Beispiele, als die Kinder anhand der einführenden Bilder zu „Gullivers Reisen“ über den Ort der Handlung spekulierten: „Ist das Buch über England?“ Für „Die Kurzhosengang“ wurde eine Bilderkartei mit den Helden und Ortschaften der Handlung erarbeitet. „Bilder zum Thema Tornado faszinierten einige besonders. Der Bedarf an naturwissenschaftlichen Themen bzw. Fragen ist sehr hoch. Es entstanden Diskussionen.“ Bei der Erstellung des Abschlussplakates „kam es mir vor, als würden die Kinder nicht oft mit Zeitungen in Berührung kommen.“ Zeitungen, Magazine und bunte Prospekte waren Hauptmedien zur Gestaltung dieses Plakates. „Die Beschäftigung mit dem Basteln hat den Kindern sehr viel Spaß gemacht. Sie haben sich gefreut, als sie ihr fertiges Plakat im Flur aufhängen durften.“ Ein Spiel zur und über die Kurzhosengang bildete „einen gelungenen Abschluss“, es „hat den Kindern Spaß gemacht. Das Gestalten des Plakats war eine schöne kooperative Arbeit.“ Modul Stadterkundung Die Arbeitsmaterialien und Arbeitsblätter waren auch hier von unterschiedlicher Qualität und wirkten nicht immer motivierend. So wurden verschiedene Materialien zur Geräuschnachbildung angeboten, dennoch erweis es sich als schwierig, „sie so wiederzugeben, dass sie erkannt werden konnten. Dies langweilte die Kinder dann schnell.“ Die Stadtgarten- 17 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Rallye galt manchen Studierenden als „zu lang“. Kritisiert wurde auch, dass die Weltkarte englische statt deutsche Länderbezeichnungen hatte. Doch es gab auch positive Erfahrungen: „Die Postkartenvordrucke waren so motivierend, dass die Kindern einen Vordruck mit nach Hause nehmen und zu Hause weitere basteln wollten.“ Beim Ausflug in den eigenen Stadtteil bekamen die Kinder Einwegkameras, mit denen sie sorgfältig umgingen. Die entwickelten Fotos wurden in der nächsten Etappe zur Erstellung von Reiseführern benutzt. Außerdem wurde die Arbeit mit dem Overheadprojektor, bei der sich die Kinder einen Gegenstand aussuchten und malten, als „abwechslungsreich“ beurteilt. Die Kinder legten den Grundriss von Karlsruhe mithilfe von Papierstreifen nach: „Somit erfahren sie dies nicht nur auditiv und visuell, sondern auch haptisch.“ Der Fächer wird als „Gesprächsstein“ genutzt. „Der Stadtplan war ebenfalls eine gute Idee, die Kinder beschäftigen sich mit großem Interesse mit Stadtplänen“ und finden während der Reise mit Stadtbahnen stets die richtige Straße oder Haltestelle auf der Karte. Bei den Ausflügen fiel auf, dass die Kinder über ihre Schulstrecke hinaus selten Stadtbahn fahren. Sie waren am Fahrkartenkauf interessiert und wollten den Automaten selbst bedienen. Die Erzählung zum Thema Tod wurde mit leider „zu einfachen und plakativen“ Bildern verbunden, die die Kinder schnell durchschauten. Während des Friedhofbesuches bekamen die Kinder jeweils ein Klemmbrett, Arbeitsblatt und eine Karte mit eingezeichnetem Weg, mit der sie ihren Orientierungssinn üben und im Team kooperieren konnten. Besonders auffallend war der Umgang mit dem medialen Ort des Museums. Alle Kinder wussten, wo es liegt („Nicht weit vom Marktplatz“, „Es ist groß und weiß.“) und stempelten es als „langweilig“ ab. Spätestens nach der Turmbesteigung und dem weiten Blick auf die Stadt waren sie positiv eingestellt und bereiteten begeistert Fragen vor, die sie dann den Museumspädagoginnen vorlasen oder frei formulierten. 4. Etappenaufbau Modul Lesen Insgesamt war der Ablauf weitgehend ritualisiert: Die Etappen begannen mit einem Lied und endeten mit dem Tagebucheintrag. Dazwischen lagen Phasen, die grob dem didaktischen Dreischritt folgten (Einstieg, Erarbeitung, Ergebnissicherung). Die Umsetzung war so konzipiert, dass Schülerinteressen eingebracht und bearbeitet werden konnten. Deshalb wurden häufig auch Probleme z.B. beim Verstehen sichtbar. In Gesprächsrunden wurden die Kinder motiviert Fragen zu stellen und zu diskutieren. Dabei überwogen Verständnisfragen nach Begriffen wie „Leutnant, Tempel, Offizier oder Kaiserreich“, die zeigten, dass die Texte „den Kindern Probleme machten“. Deshalb entschlossen sich die Studierenden je nach Gruppe häufiger als vorgesehen Wortschatzarbeit zu leisten. Am Etappenende gab es gelegentlich ein Pantomime-Spiel. Ein Wort aus dem gelesenen Stoff wurde ausgewählt und pantomimisch dargestellt. „Den Kindern machte es sehr viel Spaß und zusätzlich können sie sich sowohl die Bedeutung als auch die Schreibweise des Wortes besser einprägen.“ Diese Aussage verdeutlicht, das hohe Gewicht, das 18 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule die Studierenden dem Spaß beimessen. Sie erleben das Lernen (hier des Wortes und seiner Schreibung) als nachgeordnet („zusätzlich“). Immer wieder haben wir versucht, ihnen klarzumachen, dass es um den Spaß am Lernen geht und nicht darum, Spaß zu haben und dabei (vielleicht auch noch) zu lernen. Die Aufgabenstellungen waren oft zu komplex: Die Kinder sollten eine Collage basteln, in der Gulliver im Gegensatz zu den Riesen klein erscheint. Doch in einer Gruppe war „nur auf einer Collage die Perspektive Gulliver als kleiner Mann aufgenommen worden. Stattdessen kamen individuelle Vorstellungen über das Land Brobdingnag heraus.“ Diese wurden dann in einer Präsentationsrunde vorgestellt und zum Gegenstand des Gesprächs. So konstruktiv diese spontane Reaktion einzuschätzen ist, so klar muss gesehen werden, dass die Studierenden bereits während der Arbeitsphase hätten intervenieren oder aber das Größenverhältnis anhand der vorliegenden Collagen thematisieren sollen. Sinnvolle Entlastungsstrategien der Studierenden waren Zusatzfragen, wiederholtes Lesen von Textpassagen, Vergleiche und Mindmaps und andere Bilder an der Tafel: „Um die Transparenz des Gelesenen zu gewährleisten, war es sinnvoll, die einzelnen Namen für ein besseres Verständnis und eine Übersicht an der Tafel festzuhalten (z.B. die Namen beider Eishockey-Teams, Zugehörige der „Rinkratten“ mit Pfeilen markieren ...)“. Wichtig war die Schreibaufgaben zu begleiten, indem z.B. jedes Kind in seiner Gruppe zunächst „seine Stichpunkte erklärte, damit es für alle nachvollziehbar war“ und sie erfolgreich weiterarbeiten konnten. Insgesamt wurde immer wieder der Zeitdruck bemängelt, was dazu führte, dass kreative Aufgaben wie „das Plakat mit den Kriegsschiffen zu gestalten“ verlegt wurden. Aufgrund sprachlicher Probleme beim Verstehen der Texte wurden einige Schreibaufgaben weggelassen oder nachgeholt. Das entschieden die Studierenden je nach Gruppenbedarf, wobei sich uns immer wieder auch der Eindruck aufdrängte, dass bei der Auswahl des Wegzulassenden auch die Vorlieben der Studierenden eine Rolle spielten. Auch waren wir mit der Einschätzung der Studierenden nicht immer einverstanden. So beurteilten sie „Stationenarbeit mit Bildern, Memory, Lückentexten, Kreuzworträtsel“ besonders positiv, da die Kinder dabei „große Freude“ hatten, „sich gegenseitig unterstützten“ und „sich öfter so ein Projekt“ wünschten. Nach unserer Wahrnehmung ist Stationenarbeit bei einer so kleinen Gruppe nicht sinnvoll, stattdessen sollte hier die Auseinandersetzung über bestimmte Themen im Gespräch stattfinden. Doch solche Gespräche zu moderieren stellte für die Studierenden eine große Herausforderung dar. Modul Stadterkundung Die Gruppen arbeiteten mit vielen Materialien wie Bildern, Prospekten, Reiseführern oder dem Karlsruher Stadtplan. Einige Inhalte waren für die Lerngruppe neu oder „sehr abstrakt“. Die Kinder brauchten entsprechend Zeit, um sich darauf einzulassen. So waren „Geräusche in Karlsruhe“ für die Kinder „nicht eindeutig erkennbar“; sie wussten nicht, was sie sammeln, wie sie sie dokumentieren sollten. Quiz-Ideen kamen sehr gut an, waren „jedoch oft realistischer Weise nicht durchführbar“. 19 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Als sinnvoll hat sich die Gestaltung von Doppeletappen aus Vorbereitung und Durchführung von Ausflügen erwiesen. Denn auch für die dort behandelten Themen brauchten die Kinder mehr Unterstützung als erwartet: So hätte das Gespräch über die Gegenstände, die die Menschen früher gesammelt haben, durch Realien unterstützt werden müssen, weil den Kindern viele Begriffe unbekannt waren. In der abschließenden Betrachtung fiel auf, dass die handlungsorientierte Umsetzung der Themen wie „der Quadratmeter, den M. (Schüler der Leopoldschule) mithilfe seines Körpers gezeigt hat“ in Erinnerung geblieben war. Auffallend waren Zeitprobleme, denn vor allem die Durchführung der außerschulischen Aktivitäten forderte „etwas Eigeninitiative des Studierenden, um sich passend auf die Projektgruppe abzustimmen“ und gut vorzubereiten. Hier kam es zu großen Unterschieden zwischen den Gruppen: War die Erarbeitung in der einen Gruppe „recht schnell und konzentriert“ möglich, wurde in einer anderen „wenig kreativer Gestaltungsraum für die Kinder“ bemängelt. Beurteilung der Lernangebote Modul Lesen Titel des Buches Bewertung und Empfehlung „Der kleine Frosch will Sänger werden“ (Gülsum Cengiz) in türk. & deutscher Fassung Themen wie Mut, Gehorsam oder Ausdauer werden kindgerecht dargestellt; Zeichnungen sind sehr ansprechend. „Bobo und Susu“ (Rafik Schami / Erika Rapp) Empathisch erzählte Geschichte über Bobo, den Elefant und Susu, die Maus, die mit ihrer Verschiedenheit leben lernen, nachdem sich beide ‚verwandelt‘ haben. Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jungendliteraturpreis 1975. Wenig „Wir können noch viel zusammen Text und viele Bilder, die zum Entdecken auffordern. Fischkind Hamachen“ (Friedrich K. Waechter) rald, Schwein Inge und Vogel Philip finden trotz ihrer Verschiedenheit schnell und unkompliziert zueinander. „Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm“ (Rafik Schami / Ole Könneke) Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz kann man bekämpfen, wenn die Angst auf beiden Seiten fällt. Großartige Bilder von Ole Könneke untermauern den aus Kinderperspektive erzählten Text. “Irgendwie anders” (Kathryn Cave / Chris Riddell) Fremdsein und Sehnsucht nach Freunden werden erreicht, wenn jeder erkennt, dass er irgendwie anders ist. „Rudolph the red-nosed reindeer“ (Text u. Malbuch von Gene Autry) Klassiker-Lied und Malbuch zur Weihnachtszeit; ideal für eine Theateraufführung. „Winzig der kleine Elefant“ (Erwin Moser) Winzigs Suche nach Geborgenheit, Liebe und Freundschaft zeigt, was es bedeutet klein zu sein und groß zu werden. Gelungene Verbindung von Bild und Text. „Klein sein ist nicht einfach“ (Can Göknil) Deutsch-Türkisches Bilderbuch zum Thema Anerkennung und Ausgrenzung. Einfache Sprache, ganzseitige Bilder. 20 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule „Die kleine Raupe Nimmersatt“ / „La chenille qui fait des trous“ (Eric Carle) Eine Raupe schlüpft und frisst sich Tag für Tag durch immer mehr Nahrung. Sie wird immer dicker, verpuppt sich und wird zu einem Schmetterling. Interessant ist diesen Bilderbuch-Klassiker in verschiedenen Sprachen zu betrachten. „Du hast angefangen – Nein, du“ (David McKee) Das rote und das blaue Monster streiten sich durch ein Loch im Berg, bis ihre Wut den Berg zum Einsturz bringt. Ein Bilderbuch mit wiederkehrenden Satzmustern über Streit, Wut und Versöhnung. „Das ist kein Papagei“ (Rafik Schami / Wolf Erlbruch) Ein Papagei schweigt, weil er von Linas Eltern verkannt und mit Sprachübungen malträtiert wird. Als Lina sich ihm nähert und erkennt, dass sie eine Mamagei ist, wird seine Vielsprachigkeit sichtbar. „Das Land der Ecken“ (Irene Utlizka / Gerhard Gepp) Der Held der Geschichte ist ein Junge, der sich – da Erwachsene in ihrem Denken und Handeln eingefahren sind – alleine auf die Reise macht, um Geheimnisse jenseits des Landes der Ecken zu entdecken. „Blauer Hund“ (Nadja) Großflächige und ausdrucksstarke Bilder des Buches werden mit der Frage verbunden, ob in einer Freundschaft Vorurteile und Vertrauen eine Rolle spielen. „Freunde fürs Leben“ (Florance Seyvos) Kurzgeschichte über eine außergewöhnliche Freundschaft zwischen einer Maus und einem Dinosaurier, die Freunde fürs Leben werden. „Die Wölfe in den Wänden“ (Neil Gaiman / Dave McKean) Das Bilderbuch thematisiert Invasion, Vertreibung und Angst vor Überfremdung. Lucy kämpft mutig gegen die Wölfe, die aus den Wänden gekommen sind. Doch dort warten schon Elefanten. „Gullivers Reisen“ (Erich Kästner) Erich Kästner erzählt den berühmten Roman nach und konzentriert sich dabei auf die Reise nach Liliput und die nach Brobdingnag (zu den Riesen), so dass es um die Relation von Größe und Macht, Heimweh und Ungerechtigkeit geht. Die Illustrationen von Horst Lemke unterstützen das Verständnis der Handlung. „Die Kurzhosengang“ (Victor Caspak / Yves Lanois) Vier Jungs aus Kanada erzählen in einem Fernsehinterview ihre spannenden Abenteuer und verdeutlichen dabei auch ihren jeweiligen Charakter. Das mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2005 ausgezeichnete Buch, das Zoran Drvenkar unter dem Pseudonym Caspak/Lanois publiziert hat, eignet sich gut für Rollenspiele. Ole Könnekes Zeichenstil erinnert an Comicfiguren. Die Bilderbücher handeln vom Befremden, erzählen aus fernen Ländern oder thematisieren Migration. Nicht jedes hatte einen deutlich erkennbaren interkulturellen Gehalt, trotzdem war es möglich mit den Kindern über diese Phänomene ins Gespräch zu kommen. Der Umgang mit den Bilderbüchern war produktiv-kreativ angelegt. Dabei wurde im Laufe des ersten Jahres deutlich, dass es sinnvoller ist, mehr Zeit für ein Buch zu veranschlagen und nicht pro Etappe ein Bilderbuch zu behandeln. Während im Wintersemester 2010/11 elf Bilderbücher behandelt wurden, waren es im Sommersemester 2011 lediglich fünf, was für erheblich mehr Gelassenheit und Interesse bei den Kindern sorgte. Doppeletappen wurden angesetzt und die Arbeiten rund um die Handlung und das Werk wurden expliziter. Manche Kinder brachten ihren Stolz zum Ausdruck, so viele Bücher gelesen zu haben. Besonders die drei mehrsprachigen Werke von Can Göknil, Eric Carle und Gülsum Cengiz erwiesen sich als Neuland für die Kinder und die Studierenden. Das Lesen in zwei Sprachen überraschte und irritierte zugleich. Unterschiedlich gut kamen die beiden Ganzschriften an: Viele Kinder kannten Gulliver, durch das Original von Jonathan Swift, Fernsehfilme, Zeichentrickserien, Hörspiele oder 21 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule den Kinofilm „Gullivers Reisen – Da kommt was Großes auf uns zu“ (Regie Rob Lettermann 2010). Alle Kinder zeigten große Leselust. „Die Kurzhosengang“ löste ähnliche Vorfreude aus wie „Gullivers Reisen“. Die Erwartungen der Kinder waren im Sommersemester 2012 in Bezug auf das Gelesene deutlich gestiegen. Einige Kinder sagten, sie hofften, das Buch wäre so toll wie „Gullivers Reisen“. Aber leider ließ die Begeisterung schnell nach. Kinder erwähnten immer wieder, dass ihnen „Gullivers Reisen“ besser gefallen habe. Den Grund erkannten die Studierenden durchaus: „Insgesamt hatte ich den Eindruck, das Buch ist zu schwierig für die Kinder und dadurch wurden die vielen Leseabschnitte häufig langweilig.“ Hier hätten weitergehende Entlastungen eingebaut werden müssen. Modul Stadterkundung Titel des Ausfluges Bewertung und Empfehlung Kennenlernen Spiele zum besseren Kennenlernen. Klassenzimmer Wenig effektiv, da die Kinder ihre Klassenzimmer gut kennen. Unsere Schule Kinder als Experten führen einen Rundgang in der Schule und um die Schule. Gespräche über den Namen der Schule waren sehr ergiebig und neu für die Kinder. Unser Stadtteil Besseres Bewusstsein schaffen für die Umgebung der Kinder und ihren Schulweg. Kinder bekommen einen Kinderstadtplan. Vorbereitung: Stadtmu- Was ist ein Stadtmuseum, welche Sammlungen finden wir dort? Wer ist Karlseum Wilhelm? Vorbereitungen auf den ersten Ausflug. Ausflug: Stadtmuseum Viele der Kinder waren zum ersten Mal in einem Museum und einer Bibliothek. im Prinz-Max-Palais / Das Interesse nach der Lesung einen eigenen Bücherausweis anzulegen war sehr Kinderbibliothek groß. Mehrere Bibliotheksbesuche wären ratsam. Ausflug: Weihnachtsmarkt Vor Ferienbeginn Besuch des Karlsruher Weihnachtsmarktes am Rathaus. Anlass für Gespräche über die christlichen Feiertage und deren Bräuche. Sport in Karlsruhe Bewusstsein schaffen für die Erkundung neuer Spielplätze, Schwimmbäder, Sporthallen etc. Rege Beteiligung der Kinder bei diesen Gesprächen und Übung „Rund um die Europahalle“. Ausflug: Günter Klotz- Günter Klotz-Anlage erkunden. Rallye und Spiele vor Ort. Alle Kinder kannten Anlage diesen Ort, waren aber noch nicht oft mit den Eltern da. Zuwanderung nach Karlsruhe Was ist Zuwanderung? Woher kommen die unterschiedlichen Einwohner in Karlsruhe? Welche Sprachen sprechen Sie, welche Arbeit verrichten sie? Ausflug: Das Dörfle Karte lesen lernen und den ältesten Teil Karlsruhes besuchen. Kennzeichnung auf dem Stadtplan und Fotografieren des „Dörfle“. Woher stammt der Name, welche Geschichte ist damit verbunden? Aktive Beteiligung der Kinder. Nachbereitung: Das Dörfle Besuch der Universität und Interviews mit Studierenden auf dem Campus. (Dieser Teil wurde auf Wunsch der Kinder nachgearbeitet, die von den Studierenden und dem alten Haus begeistert waren.) Abschluss: Spiele aus aller Welt Internationale Spiele auf dem Sportplatz und Brettspiele. „Charly und die geheimnisvolle Tür“ „Hallo, ich heiße Charly!“ zu Beginn der Geschichte stellt sich Charly vor, eigentlich heißt er aber Karl. Thematisiert wird die Geschichte des eigenen Namens: Was bedeutet er? Warum wurde ich so genannt? Vorbereitung: Kombilösung Aktuelle Ereignisse aus Karlsruhe besprechen. Der Bau einer U-Bahn in Karlsruhe. Wie betrifft das Kinder? 22 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Ausflug: Kombilösung Besuch der Infobox am Staatstheater. Vorstellung des Projektes und Streckenplans, Film zur Entstehung eines Tunnels. Sportliche Aktivität für Kinder vor Ort. Sie interessieren sich sehr dafür und wollen ihre Eltern auch hierher bringen. Ausflug: PH-Rallye Besuch der „Schule“ der Studierenden auf Wunsch der Kinder. Vorbereitete Rallye durch das gesamte Gelände. Ausflug: Südstadt Quiz und Erkundung der Südstadt (Werderstraße und Werderplatz). Der älteste Stadtteil mit Einwohnern und Läden aus aller Welt. Vorbereitung: In der Moschee Vorbereitendes Gespräch auf den Moscheebesuch. Was wissen wir über den Islam? Wer ist ein Muslim? Kinder aus muslimischen Familien freuten sich über dieses Thema und nahmen aktiv teil. Ausflug: Zentralmoschee Karlsruhe „In der Moschee war es toll. Wir haben gelernt, dass man die Schuhe ausziehen soll. Ein Mädchen hat uns geführt. Sie hat uns alles über Muslime beigebracht. Sie hat uns das Mädchenzimmer gezeigt und was der Imam alles tut.“(Schülerin, Siemens-Schule) „Ich fand das toll was wir über die Moschee alles gehört haben. Fand alles von Anfang an toll.“ (Schüler, Siemens-Schule) Vorbereitung: In der Kirche Vorbereitendes Gespräch auf den Kirchenbesuch. Was ist eine Kirche? Wer ist ein Christ, etc. Kinder haben sofort die ersten Unterschiede zur Moschee aufgegriffen. Ausflug: St. Elisabeth Kirche „Die Kirche war ganz groß und da war ganz viel Gold.“(Schülerin, SiemensSchule) „Die Kirche ist ganz hoch 99m hoch. Und Gott war in der Mitte.“ (Schülerin, Siemens-Schule) Wo wohnen wir? Post- Eindrücke nach der langen Sommerpause. Wettbewerb für eine Postkarte für die karten aus Karlsruhe Klassenlehrerin. Gestalten einer Postkarte über Karlsruhe. Ausflug: Meine Stadt Karlsruhe Besuch des Stadtviertels, in dem ich lebe. Viele Kinder waren stolz darauf zu zeigen, wie gut Sie sich auskennen und wo sie wohnen. Traumhäuser Vorstellungen und Ideen über Traumhäuser der Kinder. Häuser fotografieren: Ausflug Fotografieren lernen. Was ist wichtig um ein Gebäude zu fotografieren? Weniger effizient, da Kinder schnell das Interesse an Häusern verlieren und alles Mögliche fotografieren. Fotocollage Fotocollage oder Reiseprospekt über meinen Stadtteil basteln. Gelungene Zusammenarbeit. Mein Traumhaus Wie stellen sich Kinder ihre Traumhäuser vor? Wie groß ist es? Wo liegt es? Kreatives Gestalten und Umsetzen eigener Ideen. Kinderzimmer: Wie können sie aussehen? Einige Kinder sind Einzelkinder, andere teilen sich mit mehreren Geschwistern ein Zimmer, sodass es interessant war, sich über Privatsphäre und Gemeinschaft im Kinderzimmer auszutauschen. Als meine Großeltern Kinder waren Vorbereitung zur Stunde: Interview mit meinen Großeltern. (Wenige Kinder bereiteten diese Aufgabe vor.) Welche Familienformen gibt es? Wer gehört zur Familie – in meiner Familie und allgemein? Schul- und Berufsuniformen Schuluniformen tragen: Wie sehen Sie aus? Was spricht für oder gegen eine Schuluniform? Berufsbezeichnungen, in denen Uniformen getragen werden. Die Kinder hatten überwiegend eine negative Haltung gegenüber Schuluniformen. Vergangenheit und Zukunft Was ist Vergangenheit und Zukunft? Begriffserklärung. Wie und wo stelle ich mir mein Leben in der Zukunft vor? Schreibaufgaben für Kinder. „In Amerika würde ich Häuser verkaufen und ein Haus, Hund und Schwein haben“ (Schüler, Anne-Frank-Schule). „In Deutschland will ich leben. Ich möchte Ingenieurin werden, weil man z.B. wenn die Bauleiter ein Loch machen, messen sie es und überprüfen“ (Schülerin, Leopoldschule). 23 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Ferienerlebnisse mit Ausstellung Kinder präsentieren vor anderen ihre Aufsätze zum Thema Ferienerlebnisse. Vorbereitung auf die Zusammenarbeit mit dem Badischen Landesmuseum im Einführung: Karlsruher Sommer. Karlsruhe, die Fächerstadt (mit Stadtplan). Kinder sind sehr gespannt, Schloss und seine Ge- was sie dort erwartet und bereiten ihre ersten Fragen für die Führung vor: „Wann schichte hat Karl Wilhelm das Schloss bauen lassen? Hatte Karl Feinde? Wie starb er? Wie groß ist das Schloss?“ (4 Schüler, Leopoldschule) Ausflug ins Schloss 2-stündige Führung mit Turmbesteigung. Einführung: Alltag und Kindheit im 19.Jh. in Stadtkind-Landkind, wo liegen die Unterschiede? Verschiedene Lebensformen in der Stadt und auf dem der Stadt und auf dem Land im 19. Jh. Land Ausflug ins Schloss 1-stündige Führung in der Abteilung über das Leben der Familie im 19.Jh. Besuch eines Kolonialwarengeschäfts und anprobieren der Kinderkleidung. Einführung: Sammellust – was und wieso sammeln wir? Gesprächsrunden über das Sammeln von verschiedenen Gegenständen (was, weshalb, sammeln Mädchen und Jungen dasselbe?) Ausflug ins Schloss: Kunst- und Wunderkammer 1-stündige Führung in der Kunst- und Wunderkammer. Sammlungen aus aller Welt. Kinder reagierten erstaunt, was alles an „Schätzen“ gesammelt wurde. Ausflug ins Schloss: Türkenbeute 1-stündige Führung in der Abteilung „Türkenbeute“. Interessante Begegnung mit der türkischen Geschichte. Durch das aktive gemeinsame Musizieren des „Türkischen Marsches“ von Ludwig van Beethoven hinterließ dieser letzte Ausflug einen gewaltigen Eindruck. Vorbereitung: Besuch des Hauptfriedhofes Lesen und besprechen einer Erzählung; Bilder von deutschen Friedhöfen und aus verschiedenen Religionen. Welche Gemeinsamkeiten/Unterschiede kann man feststellen, weshalb? Gespräche und Arbeiten rund um das Thema Friedhof. Besuch des Hauptfriedhofes. Kinder bekommen ein Arbeitsblatt mit Klemmbrett. Ausflug: Hauptfriedhof Sie erkunden die eingezeichnete Strecke und erforschen christliche, anonyme, Karlsruhe muslimische und Gräber von Roma und Sinti. Sie möchten wiederkommen. Für eine produktiv-kreative Arbeit im Rahmen des Moduls Stadterkundung ist nach den zahlreichen Etappen und Ausflügen folgendes Resümee zu ziehen: Jede außerschulische Aktivität (hier zum Teil verkürzt als Ausflug bezeichnet) bedarf einer sehr guten Vorbereitung. Es ist sinnvoll, außerschulische Orte mehrfach zu besuchen und sich einen fachlich kompetenten Kooperationspartner für den regionalen Bereich der Stadterkundung zu suchen. Bei einigen Etappen wurden interkulturell wertvolle Inhalte nicht berücksichtigt. Die Studierenden waren trotz intensiver Vorbereitung damit oft überfordert. Allerdings ermöglichte die Kooperation mit dem Badischen Landesmuseum eine in der Regel erste systematische Begegnung mit der Geschichte der Stadt. Zuerst entdeckten die Kinder dieses neue und unbekannte Museum, das sie für „langweilig und nur für Erwachsene“ erachtet hatten. In regelmäßigen geplanten Museumsgängen erforschten sie vier verschiedene Abteilungen und Themenbereiche. Ein Schüler der Pestalozzi-Schule ging nach der Führung auf eine der Mitarbeiterinnen zu und „bedankte sich, dass sie im Museum sein können“. Erst das systematische Aufsuchen eines Ortes bringt konkrete Resultate, auch wenn diese aus interkultureller Perspektive sicher auch entwicklungsfähig sind. 24 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Die Begegnung der Kinder mit religiösen Themen in den Vorbereitungsstunden für den Besuch der Moschee und Kirche sowie des Friedhofes waren authentisch und positiv. Die meisten Kinder hatten bislang noch keine Moschee, Kirche oder keinen Friedhof betreten. Durch die Vorbereitung und Gegenüberstellung zogen sie sehr schnell eigene Schlüsse und berichteten ihren Schulkameraden und Eltern davon. Eine Schülerin erzählte, dass ihre Mutter Angst vor Friedhöfen habe. Aufgrund des Zeitdruckes konnten wir nicht lange verweilen, allerdings kam von den Kindern der Wunsch diese Orte erneut zu besuchen. Kooperation mit dem Badischen Landesmuseum Die Kooperation mit dem Badischen Landesmuseum wurde durch Agnieszka Wolny und Dr. Sarah Hoke, Referat Museumspädagogik und Ausstellungsdidaktik, realisiert. Sie nahm ihren Anfang über den Artikel der BNN vom 09.Juli 2011 „Dino und Maus Vorbild? Pilotprojekt ´Interkulturelles Lernen` vorgestellt“. Das Badische Landesmuseum bietet neben den aktuellen Angeboten, z.B. der „Türkenbeute“, seit circa fünf Jahren auch „Deutsch lernen im Museum“ an, was sich bisher auf Integrationskurse für Erwachsene konzentrierte. Sarah Hoke signalisierte ihr Interesse, dieses Angebot für Grundschüler weiterzuentwickeln. Ab Juni 2013 wird es zudem eine neue Sammlungsausstellung zum Interkulturellen Dialog geben, für die Frau Hoke in Zusammenarbeit mit unserem Projekt ein Angebot zum interkulturellen Lernen für Schulklassen konzipiert. Der Austausch zum Thema Deutsch als Zweitsprache sowie Interkulturelles Lernen steht aus der Perspektive des Landesmuseums im Vordergrund. Im Februar und März 2012 wurden für das Modul Stadterkundung folgende vier Themenführungen vereinbart: Karlsruher Schloss und seine Geschichte, Alltag und Kindheit im 19 Jahrhundert in der Stadt und auf dem Land, Sammellust, Türkenbeute. Die Studierenden wurden darauf vorbereitet, was besonders zu beachten ist, und planten vor drei Museumsbesuchen jeweils einleitende Etappen zu einem ähnlichem oder demselben Thema. Da über 90% der Kinder noch nie im Badischen Landesmuseum oder einem anderen Museum waren, musste auch in das Konzept Museum eingeführt werden. Unser Projekt hatte für das Landesmuseum Pilotcharakter, deshalb sollten die Studierenden die museumspädagogische Situation beurteilen. Für das Landesmuseum standen dabei Methoden und Inhalte einer spielerischen Sprachförderung im Zentrum, während es uns um die Möglichkeiten, interkulturelles Lernen zu initiieren, ging. Es wurde versucht, beides in einem Leitfaden „Museumsführungen“ zu integrieren. Er enthielt folgende Aspekte: 1. Kinder: Altersbezogenheit, Präsentation, Sprache des Inputs; Reaktionen der Kinder 2. Migration: Bezüge zu Einwanderern und ihren Ländern; Anregungen zur aktiven Beteiligung v.a. von DaZ-Lernenden 3. Interkulturelles Lernen: interkulturelle Akzentuierung des Angebots; Verbesserungsvorschläge zur Einbeziehung der Kinder in das vorgestellte Angebot; Reaktionen der Führungskraft Die Studierenden beantworteten diese Fragen während der oder im Anschluss an die Führung. Im Folgenden findet sich die Auswertung der Antworten von drei Studierenden, deren Stadtgruppe regelmäßig an den Museumsführungen teilgenommen hat: 25 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 1. Kinder: Ist der präsentierte Input altersbezogen? (1. Führung) Gut war, dass Kinder, die früher auf dem Schloss gelebt haben, erwähnt wurden. Allerdings wurde den Kindern, als wir vor der Zirkelspitze standen, keinerlei Zeit gelassen, diese anzuschauen oder sich mit dem Modell zu beschäftigen. Die Mitarbeiterin legte sofort mit ihrem Programm los, ohne Raum für Entdeckungen zu lassen. (2. Führung) Auf das Leben der Kinder wurde kaum eingegangen. (3. Führung) Die Kinder konnten sich teilweise mit dem Thema identifizieren, da sie selbst auch Dinge sammeln, auch wenn dies komplett andere sind. (4. Führung) Die Kinder wirkten sehr interessiert an der Geschichte Türken-Louis und waren auch sehr motiviert, als es um die türkische Kultur ging – vor allem da drei der Kinder sehr viel darüber wussten. Wie wird der Input präsentiert? (Methodisch) (1. Führung) Anschaulich durch Modelle, Kleider, Bilder etc. Kinder konnten sehr aktiv sein: Gespräche, Anprobe der Kleider, Tanzen, Hofknigge, Turmbesteigen etc. Auffällig war außerdem, dass die Kinder in ihren Ausführungen von der Museumpädagogin immer wieder unterbrochen wurden. (2. Führung) Kinder kennen nur wenige Gegenstände, sind aber vor allem an Hüten, Parfums etc. sehr interessiert. Es macht ihnen Spaß, Gegenstände aus der jeweiligen Stube haptisch zu entdecken, zumal ihnen manche auch vertraut waren wie ein Sieb oder ein Schöpfer. Die Kinder wurden immer wieder zu den Gegenständen und deren Benennung gefragt. Hier konnte man sehr schön sehen, dass die Kinder zwar viele Gegenstände kannten, jedoch die Benennung nicht wussten. (3. Führung) Die Kinder durften einiges in die Hand nehmen und waren sehr interessiert, auch wenn sie selbst nicht aktiv werden konnten. Die Kinder kommen meistens nicht auf die Bezeichnungen der Gegenstände. Man sollte gezielt nachfragen und sie ihre Bilder im Kopf versprachlichen lassen. (4. Führung) Handlungs- und Produktionsorientiert: Anfassen, Anschauen, Kopftücher anprobieren, Gegenstände suchen, musizieren, Gespräche, in die sie involviert wurden. Ist die Sprache zu komplex? Wenn ja, was genau ist zu komplex? Die Komplexität betrifft den Wortschatz: Steckenpferd, Seiher, Zirkel. Schwierig ist, dass die Wörter in einem anderen Kontext, z.B. historisch, geografisch oder gesellschaftlich, verwendet werden. Dies bedarf bei Drittklässlern zusätzlicher einfacher Erklärungen und Beschreibungen. Reaktionen der Kinder (1. Führung) Kinder waren sehr begeistert, durften viel unternehmen, schienen interessiert und wollten unbedingt wiederkommen. Schön war, dass die Kinder auf dem Turm die Aufgabe erhielten das Wildparkstadion, die sieben Fächerstraßen und die Pyramide zu suchen. Auch das Verkleiden war ein tolles Erlebnis für die Kinder. Durch die Zugfahrt und durch die Kleider durften die Kinder in die damalige Zeit schlüpfen. (2. Führung) Interesse an unbekanntem Thema und Gegenständen. Das Interesse der Kinder war sehr groß, sie kannten die Gegenstände und man konnte sehr schön sehen, wie sie versuchten, sich an deren Benennung zu erinnern. (3. Führung) Die Jungen waren sehr an Waffen interessiert. Alle Kinder waren vom Wert der Gegenstände fasziniert und an den Personengemälden/Bildern. Die Aktskulpturen haben großes Gelächter aus- 26 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule gelöst, die Steinsammlung fanden alle sehr schön. (4. Führung) Vor allem die Kinder mit türkischer Einwanderungsgeschichte waren äußerst motiviert bei der Sache. Sie konnten eigenes Wissen/eigene Erfahrungen einbringen. Die Museumspädagogin hat aber immer versucht, die Kinder mit anderem Hintergrund einzubeziehen. 2. Migration: Werden während der Führung Bezüge zu den Einwanderern und ihren Ländern hergestellt? Nein, es wurden in den 1.-3. Führungen keine direkten Bezüge zu den Einwanderern und ihren Ländern hergestellt. 4. Führung: Ja. Werden Beispiele, Vergleiche oder Gegenstände eingesetzt, um DaZ-Lernende zur Beteiligung zu motivieren? Wenn ja, welche? (1. Führung) Einfluss von Herrschern anderer Länder auf Karlsruhe. (2. Führung) keine Angaben. (3. Führung) Münzen aus verschiedenen Ländern wurden angesprochen. (4. Führung) Es ging beispielsweise darum, dass der Joghurt aus der Türkei zu uns kam, dass auch die Tulpe ihren Ursprung in der Türkei hatte und dass alle Gegenstände in dieser Abteilung von den Türken erbeutet wurden: Kopftücher, Joghurtglas, Tulpe, Bogen, Instrumente, Gebetskette, Gebetsteppich, Teekanne, Münzen. 3. Interkulturelles Lernen: Was macht das vorgestellte Angebot bzw. Führung interkulturell? (2. Führung) Kaufladen aus dem 18./19. Jahrhundert (4. Führung) Deutsche Worte und ihre Herkunft sowie Begebenheiten aus der türkischen Geschichte wurden besprochen. Welche Verbesserungsvorschläge zur Einbeziehung der Kinder in das vorgestellte Angebot gibt es? Keine Angaben. (3. Führung) Besser wäre gewesen, die Kinder zunächst selbst einen Teil der Ausstellung anschauen zu lassen und sie dann zu Fragen „Was seht ihr denn?“ „Habt ihr Fragen dazu?“ Dadurch kommt das Interesse von Seiten der Kinder und es besteht durchaus die Möglichkeit, den geplanten Stoff zu vermitteln. Wenn nicht alle Inhalte abgedeckt sind, ist es nicht dramatisch, da die Kinder selbst zu kleinen Forschern und Entdeckern werden. (4. Führung) Zum Schluss durften die Kinder mit der anderen Gruppe musizieren. Hier hätte ich mir gewünscht, dass die Museumspädagoginnen zuvor sagen, was mit diesem türkischen Marsch (von Beethoven) gemeint ist. Reaktionen der Museumspädagoginnen: (1. Führung) Ging auf die Kinder ein; hat viele und abwechslungsreiche Dinge gezeigt, erklärt und die Kinder machen lassen. (2. Führung) Kindgerechte Sprache; alle Kinder wurden einbezogen; Kinder wurden ernst genommen und ihre Interessen standen im Mittelpunkt; nötiger Freiraum für Fragen und deren Beantwortung wurde gegeben. (3. Führung) Ging auf die Fragen der Kinder ein; versuchte alle einzubeziehen, ihnen wurden Fragen gestellt. Die Pädagogin fragte jedoch so, dass sie immer auf bestimmte Sachverhalte hinaus wollte. In manchen Situationen wären die Kinder sicher auf einzel- 27 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule ne Wörter oder weiterführende Inhalte gekommen, wenn man ihnen weitere Hinweise gegeben und Zeit gelassen hätte. (4. Führung) Die Kinder waren sehr interessiert und wollten gar nicht gehen, was natürlich für sich spricht. Wichtig erscheint auch die Kritik einer Studentin an der häufig gestellten Frage nach der Wahrnehmung von „den türkischen Kindern“ oder direkter: „Wie ist das denn bei euch in der Türkei?“ Denn „die Kinder haben zwar verschiedene Einwanderungsgeschichten, aber sie sind alle (glaube ich zumindest) in Deutschland geboren“; sie schlägt deshalb folgende Fragemuster vor: „Wisst ihr vielleicht, wie das in der türkischen Kultur ist?“ „Woher wisst ihr das?“ Sie meinte wahrzunehmen, dass die Kinder zwar stolz auf ihre Hintergründe zu sein schienen, fand aber die nationale bzw. kontinentale Zuordnung Türkei – Afrika – Rumänien etc. als zu stark. Kommentar von Dr. Sarah Hoke: Das Badische Landesmuseum hat sich sehr darüber gefreut, dass zahlreiche Termine mit den Gruppen im Museum stattfanden. Hier konnte aufgezeigt werden, dass sich quasi jedes Thema und jede Sammlungsausstellung zum Interkulturellen Lernen eignen, wenn die richtigen Fragen zur Selbst- und Fremdwahrnehmung gestellt werden. Einen besonderen Pluspunkt haben wir darin erkannt, das Museum als spannenden und gewinnbringenden Lernort sowohl für die Kinder, als auch für die Studierenden zu eröffnen. Die meisten hatten das Badische Landesmuseum zuvor noch nicht besucht und so konnten Hemmschwellen abgebaut werden. Für unsere Arbeit ist es gewinnbringend, zu erfahren, wie normalerweise „Nicht-BesucherInnen“ das Museum als Ort der Auseinandersetzung und kulturellen Bildung wahrnehmen und welche besonderen Bedürfnisse aufgegriffen werden müssen. Die Arbeit in Kleingruppen und die kontinuierlichen Museumsbesuche haben diesen Annäherungsprozess positiv beeinflusst. Besuch der Ausstellung „Extrem Süß! gemalt gehäkelt und gegossen“ Durch einen Artikel aus der Sonntagszeitung wurde Agnieszka Wolny auf die Ausstellung „Extrem Süß! gemalt gehäkelt und gegossen“ in der Jungen Kunsthalle aufmerksam. Nach Terminabsprachen besuchten drei Lesegruppen im Sommersemester 2012 unter Begleitung von Alina Opitz, Larissa Jaspersen und Agnieszka Wolny diese Ausstellung zum Thema Süßigkeiten. Die Führung sowie das kreative Arbeiten in der Werkstatt wurden von Museumsmitarbeiterinnen durchgeführt. Das Ziel der Ausstellung ist, ein neues Bewusstsein für Süßigkeiten zu schaffen. Dies stieß auf reges Interesse und Beteiligung seitens der Kinder. Sie wurden in eine schrill bunte Welt mit Riesensüßigkeiten versetzt. „Die dargestellten Speisen rufen Erinnerungen an lustvolle Erfahrungen wach und sind doch nur Illusion: Eine vor Sahne strotzende Torte auf dem Bild von Ralph Fleck, Gebäck unterschiedlichster Art im Werk von Sybille Kroos oder die gut gefüllte Kuchenvitrine einer Konditorei, dargestellt von Andreas Orosz. Moritz Götze erzählt mit seinen Bildern auf seinen drei emaillierten ‚Linzer-Torten‘ Geschichten, die ihm der Alltag zugetragen hat. Ulrik Happy Dannenberg und Anke Eilergerhard fühlen sich durch die Form und Farbe des bunten Colorado-Konfekts zu neuen Darstellungstechniken animiert und Thomas Baumgärtel legt mit seinen Sprühbildern nahe, dass Kaugummi auch in der Geschmacksrichtung ‚Banane‘ ein echter Renner sein könnte. Die Arbeiten verdanken ihren ästhetischen Reiz aber nicht nur den kräfti- 28 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule gen Farben und ihrer appetitlichen Aufmachung. Ähnlich wie Künstler der Pop-Art in den 1960er und 1970er Jahren setzen sich auch die Künstler der Ausstellung mit Objekten aus der Alltagswelt auseinander. Es sind gerade die ungewöhnlichen künstlerischen Umsetzungen der Motive, die überraschen: Indem die Süßigkeiten überdimensioniert, täuschend echt oder betont verfremdet dargestellt sind, verschiebt und hinterfragt diese Kunst unsere Wahrnehmung der bekannten Dinge.“ (Kunsthalle Karlsruhe, Presseinformation 10/2012) Die Kinder fragten häufig nach der Herkunft der Süßwaren und ließen sich erklären, wer der Künstler ist und aus welchen Materialien das jeweilige Kunststück bestand. Außerdem wurde der Zuckerwert in vielen Süßwaren wie Nutella, Haribo, Schokoriegel oder Kuchen sehr anschaulich dargestellt. So überraschte die Kinder die Anzahl von Zuckerstückchen in einer Handvoll Haribo oder einem Marsriegel. Nach der Führung gingen alle in die Werkstatt und kreierten aus verschiedenen Materialien Süßigkeiten. Die Museumsmitarbeiterin zeigte einige Beispiele von Torten, Pralinen oder Muffins aus Schaum oder große Lollis aus Packpapier. Dies spornte die Kinder zu 2-3 Werken an. Dazu brauchten sie unterschiedlich lang, gelegentlich gab es Frustrationsphasen, weil sich einzelne Kinder nicht gleich für eine Süßware entscheiden konnten. Dennoch genossen die Kinder ihre Rolle als Kunst-Bäcker oder -Konditor und präsentierten ihre ‚Ware‘ stolz. Da diese durchaus realistisch aussahen, wurden sie bereits auf dem Rückweg von einigen Personen angesprochen. Im Gespräch mit Straßenbahngästen erzählten sie über ihren Besuch der Jungen Kunsthalle und begründeten ihren Ausflug selbstständig. Auch wenn ein Bezug zur interkulturellen Thematik nicht erkennbar war, war das eine gelungene Aktivität. Man hätte allerdings in der Nachbereitung auch Süßigkeiten aus aller Welt ‚backen‘ können oder durch eine Stadterkundung herausfinden können, welche Spezialitäten in Karlsruher Geschäften angeboten werden, ob es badische, deutsche, türkische, russische usw. Süßigkeiten überhaupt (noch) gibt oder ob es nicht längst so ist, dass überall auf der Welt (z.B. in den Regionen oder Ländern, die die Kinder bereits besucht haben) dieselben Süßwaren angeboten werden. Die Kinder selbst haben diesen Aspekt durch ihre Fragen nach der Herkunft der Süßigkeiten ja bereits initiiert. Auswertung von Schülertexten und -aktivitäten Kinder dieser Altersgruppe schreiben (noch) konzeptionell mündlich, das heißt sie betrachten Schreiben als eine Art Übersetzung der Mündlichkeit in die Schriftlichkeit. Um Schriftlichkeit zu unterstützen wurden im Projekt mehrfach Briefe geschrieben – etwa an Gullivers Familie oder an die Zeitung aus der „Kurzhosengang“. Außerdem wurden Argumente für oder gegen Schuluniformen schriftlich fixiert etc.. Das Hintergrundwissen der Kinder zu berücksichtigen, war ein besonderes Anliegen im Projekt. Spielerisch die eigene Lebenswelt zu erkunden, beispielsweise Fotos zu machen und diese anschließend zu besprechen und schriftlich zu kommentieren. Ein wichtiges Prinzip war auch das regelmäßige Schreiben von Tagebucheinträgen am Ende jeder Sitzung der Lese- und Stadtgruppe. Es war nicht immer einfach, die Kinder zum Schreiben zu motivieren – zumal nach einem interessanten Ausflug. Diese Tagebuch- 29 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule einträge sind nun Gegenstand der Auswertung, die das Ziel verfolgt, Lernzuwächse der Kinder, die am häufigsten im Projekt teilnahmen, aufzuzeigen. Im Schuljahr 2010/2011 besuchten insgesamt 33 Kinder das Projekt. Von diesen liegen uns nur 13 Tagebücher vor. (Leider haben die Studierenden unzureichend dafür gesorgt, dass alle Tagebücher kopiert wurden.) Im Schuljahr 2011/2012 besuchten insgesamt 27 Kinder das Projekt. Von diesen liegen uns 27 Tagebücher vor, auch wenn diese aufgrund unregelmäßiger Teilnahme nicht vollständig sind. Da eine detaillierte Auswertung im Rahmen des veranschlagten zeitlichen Umfangs der wissenschaftlichen Begleitung nicht möglich ist, wird ein zweischrittiges Verfahren gewählt: Eine grobe Durchsicht aller Schülertexte und eine genauere Betrachtung von drei Kindern, die regelmäßig am Projekt teilgenommen haben. Da wir hier keine Interventionsstudie mit Vergleichsgruppe durchgeführt haben, lassen sich Fortschritte zwar beschreiben, aber es wäre unlauter, diese allein oder auch nur zentral auf den Einfluss des Projektes zurückzuführen. Der allgemeine Unterricht ist dabei sicher der zentrale Faktor, dennoch gehen wir davon aus, dass wir diesen im Projekt positiv verstärken konnten. Die grobe Durchsicht aller 40 Tagebücher erbrachte Folgendes3: Die Texte werden in der Regel länger und übersichtlicher gestaltet. Außerdem zeigen sich entwicklungsbedingte Fortschritte in der Rechtschreibung, Die Kinder verwenden Aussagesätze und Fragesätze weitgehend normgerecht, d.h. dass Subjekt, Verb und oft auch eine Ergänzung vorhanden sind, auch wenn diese nicht immer rechtschreiblich korrekt realisiert werden. Die Komplexität der Sätze nimmt zum Teil zu, etwa indem Nebensätze (meist mit weil) formuliert und Sätze mit aber oder einer anderen semantisch meist korrekt verwendeten Konjunktion angeschlossen werden. Viele Kinder verwenden feste Phrasen wie „also ört ser gut zu“ (aus dem vorgelesenen Text) oder „Mier hat es gefalen“ (als wiederkehrende Form). Sie neigen zum Gebrauch von Vielzweckverben wie machen, tun oder sein. Vor allem unregelmäßige Verbformen scheinen schwierig zu sein (vgl. z.B. „ich esste“), wobei einzelne Kinder aber auch komplizierte Verbformen korrekt bilden wie z.B. „er ist eine Maus geworden“. Die Nominalgruppen sind meist normgerecht, jedoch fast durchgehend ohne Adjektive wie bei „der Kaiser“, „eine Maus“ etc. gebildet. Auch schaffen es viele Kinder Sätze mit Verbklammer wie „Ich habe einen Kind-Stadtplan bekommen“ zu formulieren. Es zeigen sich auch semantisch orientierte Ersetzungen (Umschreibungen) bei Nomen, Adverbien und Präpositionen wie „wir siend auch wo die Maler malen“, „Frau K. uns was vor gelesen“ oder „und da war was um gekert“. Kinder verwechseln Ober- und Unterbegriffe und variieren deren korrekten Einsatz, wenn sie schreiben „wir waren drausen und haben den Schulhof mit den Fisen den Schulhof gemesen haben“ oder „Die Muslime müssen die Strieche einhalten“. Mit „Fisen“ meinte die Schülerin nicht „Füße“ sondern „Schuhe“, sie erweitert hier die Bedeutung von Füßen. Im zweiten Beispiel handelt es sich nicht um „Striche“, sondern um „Säulen“ des Islams, womit die Pflichten der Muslime umschrieben werden, die der Imam beim Moscheebesuch erklärt hatte. Der Begriff „Säule“ 3 Zum leichteren Nachvollzug sind die Beispiele aus den angefügten Schülertexten entnommen. 30 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule scheint der Schülerin nicht geläufig zu sein, deshalb ersetzt sie ihn mit einem ihr bekannten Wort, evtl. bezieht sie sich auch auf die Darstellung mittels Strichen, um die Säulen des Islam zu verdeutlichen. Ähnliche Verwechslungen sind auch bezogen auf stimmhaften und stimmlosen Konsonanten wie b-p, d-t, g-k zu beobachten: Wenn ein Kind schreibt „ich hab auch eine andere Mibel als unsere Dibell“ hört / schreibt es statt des stimmlosen B in „Bibel“ die stimmhaften Konsonanten M bzw. D. Betrachtet man die Entwicklung etwas genauer, so fallen große Unterschiede auf, was an den ausgewählten Tagebucheinträgen von drei Kindern gezeigt werden soll: M, Mädchen mit türkischem Migrationshintergrund (Leopoldschule) 25.10.10 „Ich hap ichsewasdunichses gespiel. ich habe andr Kinder kennen gelent.“ 08.11.10 „Was brauchen wir in unsren Klassenzimmer? Bleischtiefte, Hefte, Linelal, Tasche, Meppschin, Doischeft“ 22.11.10 „Ich habe einen Kind-Stadtplan bekommen. Das macht spaß“ 14.11.11 „Der Burgermeister war gekommen und Frau K. uns was vor gelesen Freunde für immer und wir haben es erklert und Irgendwie Anders wir haben noch mehr gelesen und wir haben auch Susu und bobo und da war was um gekert Susu war ein Elefant aber sie war in echt eine Maus und bobo war ein Elefant aber er ist eine Maus geworden die beide wünschte das die Mäuse weren.“ 05.12.11 „Liebe Geuline Wie geht es dir? Hier bei Liliput ist es sehr schön. Aber der Kaiser hat mich geschpert. Und der Kaiser hat geheult weil weil ich so viel esste. Viele liebe Grüße dein Gullivero“ 09.12.11 „Oh nein wo soll ich weg gehen oder abhauen was soll ich tun. Ich geh England da kann ich meine Frau sehen. Oder Blefuscu. Der Kaiser ist mein Feind von mir. Aah ich geh einfach England.“ N, Mädchen mit rumänischem Migrationshintergrund (Werner von Siemens-Schule) 27.10.10 „Mier hat es gefalen. Wir haben eine Weltkarte angeschaut. Wir habe eine Geschichte anghört. Der junge fült sich traurig und ferlasen und allen und eisam. der Junge und die Elltern haben enschiben das der Junge wekziehen muss das Land geferlich ist.“ 26.11.10 „Wir haben ein Kinder Stadtplan de komen wir waren drausen und haben den Schulhof mit den Fisen den Schulhof gemesen haben.“ 11.02.11 „Wir waren in einem Dörfle. Wir haten eine Karte gehpt und wir siend zu die Uniwersitet. Mir hate es ser ser gefalen. wir siend auch wo die Maler malen. Wir haden die Studente und die Studentinen gesehen und wir haden viele dörche gesehen. Und die dörche haten schone namen. Und wier siend viele genge gegangen. Wir waren in die Uniwersitet drinen. Wir siend mit der schtrasendan. Mir hate es ser ser gefalen.“ 20.04.11 „Ich sreib eine Geschichte die Ler ferukt ist also ört ser gut zu ich war im Zoo und hab ein Nashorn gesehen und er hat auf gereumt und ich hab in ein Apfel gegeben. Ich mag gerne Tiere und Tiere laufen auch das ist schön. Ich bin auch ser inteligent und das ist ser ser gutt. Ich liebe Ente sie sind ser unterschedliche Tiere.“ 20.05.11 „Wir waren wo mas die Strasenbau bauen kann und wir haben auch ein Fillm gesehhen das hat mir gefallen. Wir haben auch geschpielt. Wir sind mit der Strasenban gefaren. Unt mit dabei waren Sopie und Mevis Mia Lena und Samira und Frau W. und Frau F. Und mir hat das wo wir das geschenk bekommen.“ 27.05.11 „Ich habe über Islam gelernt. Und hab eine Flage das ein sim toll vür die Islamer haben. Und wir gehen nechte Woche in einer Moche und wir haben über die Moche geredett und die Muslemer müssen ihren ganzen korper waschen wen mann betten tut. Und ich hab auch eine andere Mibel als unsere Dibell und das ist merg wurdig.“ 31 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 22.07.11 „In der Mosche gibt es regeln und mann soll die Schuhe auzihn. Und wir sind in einem Raum gegangen und da waren striche. Die Muslime müssen die Strieche einhalten. Der Imam hate auf kleider. Er hat uns auch was vor gesprochen. In der Kirche war ganzt hoch es war 99m hoch. Und die Kirche ihnen waren voller Gott bilder. Und gott war in der Mitte.“ C, Junge mit thailändischem Migrationshintergrund (Pestalozzi-Schule) 22.11.11 „Liebe Mary und meine Kinder. Hallo meine Familie mir geht es gut. Ich wurde von den Liliputaner gefeselt. Und danach wurde ich wieder befreit, weil ich geblinzelt habe. Ich habe neue Freunde gefunden. Ich melde mich wieder. Grüße Gulliver“ 13.12.11 „Gulliver geh weg sonst vergiften die Liliputaner dich.“ 19.04.12 „Klettern gehen im Wald. Ich war klettern und habe viele hohe Bäume gesehen.“ 08.05.12 Fünf Dinge, die man über die Kurzhosengang wissen muss: „Sie tragen im Winter kurze Hosen. Es gibt vier Mitgleider: Rudolpho, Snickers, Island, Zement. Die KHG wohnt in Kanada. Sie sind Freunde. Sie erleben Abenteuer.“ „Es gab in der Turmhalle einen Stromausfall. Denn drausen war ein heftiger Sturm. Der Sturm hatte die Schule weggeweht. Snickers hatte ein Feuerwehrauto gefunden und sind mit dem Feuerwehrauto in die Schule gefahren und die Schüler gerettet. Deswegen sind die KHG helden.“ 15.05.12 „Die Pfotenabdrucke gehoren einen Wolf. Die Kurzhosengang sehen den Wolf am Baum versteken. Sie gehen näher und erschrecken den Wolf. Der Wolf hatte den Puck fallen lassen. Die Kurzhosengang nahmen den Puck mit und sind noch rechtzeitig zur Stadion gerannt.“ 22.05.12 „Die KHG suchten den Puck. Da sahen sie ein Auto im Schnee. Sie sind näher rangegangen und sie fanden eine Frau im Auto. Snickers hatte die Scheibe eingeschlagen. Die Frau heißt Agnes. Frau Agnes war schwanger. Sie hatte ein Baby. Dam kam der Krankenwagen und deswegen sind sie Helden.“ Die Kinder zeigen Schwierigkeiten der Phonem-Graphem-Zuordnung, die darauf hinweisen, dass es ihnen nicht leicht fällt, der Dependenzhypothese folgend Regeln der geschriebenen Sprache über die Graphem-Phonem-Korrespondenz aus der gesprochenen Sprache abzuleiten4. Dieses Problem vieler DaZ-Lernenden kann dauerhaft zu „interferenzbedingten Fehlern im Bereich der gesprochenen und der geschriebenen Sprache“5 führen. In den Texten von M und N ist das besonders auffällig. Außerdem neigen sie dazu, Artikel und Präpositionen wegzulassen. Auch dies sind typische Normabweichungen von Lernenden des Deutschen als Zweitsprache, finden sich allerdings auch – wenn auch seltener und in der Regel in komplexeren Kontexten – bei Kindern mit Deutsch als Erstsprache.6 Grundsätzlich entstand der Eindruck, dass Kinder, die regelmäßig am Projekt teilnahmen, in ihrer sprachlichen Entwicklung Fortschritte gemacht haben, auch wenn die Materialdecke viel zu dünn ist, um das im Einzelnen nachweisen zu können. Gleiches gilt für die Lesekompetenz. Es war nicht möglich, systematische Lesekompetenztests durchzuführen, so dass die folgenden Aussagen auf Beobachtungen der Studierenden und von Agnieszka Wolny, die häufig hospitiert und aktiv am Gruppengeschehen mitgewirkt hat, basieren. Die Kinder zeigten sich nach der Kennenlernphase im 2. und 3. Schuljahr offen und bereit, sich aktiv den Aufgaben des Projekts zu stellen. Neben Leseübungen gab es Angebote zum 4 Dürscheid, Christa (2002): Einführung in die Schriftlinguistik. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 225 Siebert- Ott, Gesa (2006): Entwicklung der Lesefähigkeiten im mehrsprachigen Kontext. In: Ursula Bredel, Hartmut Günther, Peter Klotz, Jakob Ossner und Gesa Siebert- Ott (Hg.): Didaktik der deutschen Sprache. Paderborn: Ferdinand Schöningh. 1. Band. 2. Aufl., S. 540 6 Vgl. Siebert-Ott, S. 540ff 5 32 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule freien Erzählen, Sprechen, Nacherzählen und zum aktiven Zuhören. Die Kinder stellten Vermutungen über den weiteren Handlungsverlauf an, beantworteten Fragen zu Textstellen und lernten gezielt nach Informationen im Text zu suchen. Das regelmäßige Schreiben des Lesetagebuches unterstützte auch die schriftliche Stellungnahme zu Texten. Gerade im Umgang mit den Langtexten wurde im zweiten Jahr nicht nur aktives Zuhören, sondern auch das laute Vorlesen regelmäßig geübt. Dadurch dass wir uns über einen längeren Zeitraum mit einem Text befassten, konnten sich Figuren, Orte, Handlungsphänomene etc. einschleifen und von den Kindern beim Vorlesen reaktiviert werden. Hinzu kamen szenische Interpretationen, die das Verständnis sicherten und den Austausch über die Bedeutung/en förderten. Das Aufsuchen außerschulischer Orte förderte ihre Aufmerksamkeit und Wahrnehmung. Zu Beginn des Projektes handelte es sich für die Kinder nur um „Ausflüge“, daher fragten sie die Studierenden auch häufig: „Wann machen wir wieder einen Ausflug?“ Diese Einstellung änderte sich in der zweiten Hälfte des Schuljahres 2010/11, auch weil wir die außerschulischen Aktivitäten besser vorbereiteten, den Kindern Aufgaben stellten und sie anhielten, ihre Erfahrungen zu verbalisieren. Entsprechend fragten die Kinder fortan: „Was besuchen wir als Nächstes?“ Sie wollten besuchte Orte mit den Eltern noch einmal besuchen oder nannten Wunschziele. Bekannte Orte wie den eigenen Stadtteil, die Bibliothek im Prinz Max Palais oder den Karlsruher Stadtgarten aufzusuchen, gab den Kindern das Gefühl von Sicherheit und die Studierenden versuchten, sie anzuregen, diese Orte auch neu zu sehen. Daher beschränkten wir uns zu Beginn auf solche Orte, bevor wir den Radius um unbekanntere Orte erweiterten. Die Besuche wurden mit Themen wie Freundschaft, Familienleben, Mehrsprachigkeit, Zukunftsvorstellungen verbunden, was die Kinder zum Erzählen und Diskutieren anregte. Die Leistungsbereitschaft der regelmäßig teilnehmenden Kinder hat im Verlauf der zwei Schuljahre zugenommen, auch wenn es schwierig war, die Kinder nach solchen „Ausflügen“ zum Tagebuchschreiben zu motivieren. Als Erfolgserlebnis verbuchen wir auch die Öffnung der Kinder gegenüber den Studierenden und Agnieszka Wolny, was die Arbeitsatmosphäre positiv beeinflusste. Dies war vor allem im Schuljahr 2011/12 zu beobachten. Das gewonnene Vertrauen der Kinder erleichterte die Umsetzung des Projekts und zeigt, dass es eine gewisse Zeit dauert, bis ein solches Projekt erfolgversprechend realisiert werden kann. Zum Konzept des interkulturellen Lernens Lisa Fritzsche, eine Förderstudierende der Stadtgruppe der Werner-von-Siemens Schule im ersten Projektjahr, beschäftigte sich im Sommersemester 2011 im Rahmen Ihrer wissenschaftlichen Hausarbeit mit dem Thema „Interkulturelles Lernen in der Grundschule“. Diese pädagogisch orientierte Arbeit stellte nicht nur das Projekt vor, sondern untersuchte auch die gesellschaftspolitische Relevanz des Projektes sowie die dem Projekt zugrunde liegenden interkulturellen Theorien und Ansätze. Lisa Fritzsche zeichnete die geschichtliche Entwicklung von der Ausländer- über die interkulturelle zur Pädagogik der Migrationsgesellschaft nach, klärte die Begriffe Trans-, Multi-, und Interkulturalität und konzentrierte sich auf den Umgang mit Multiethnizität im Kontext der Differenz- sowie der 33 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Diversitätshypothese. Im Praxisteil stellte sie die Konzeption des Projekts anhand eines Interviews mit dem damaligen Projektkoordinator, Herrn Günter Meyer, dar und analysierte beispielhaft zwei Etappen der Module Stadterkundung und Lesen sowie einen Elternabend. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Diversitätshypothese als Grundrichtung des Projekts betrachtet werden kann. Denn die Kinder bringen der Vielfalt von Kulturen und Lebensführungen durch eine multiperspektivische bzw. mehrdimensionale Sicht auf die Welt Wertschätzung entgegen. Dies kann Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung vorbeugen, sodass der Grundstock für eine Gesellschaft, die Individualität und Verschiedenheit als gleichwertig betrachtet, bereits in der Grundschule gelegt wird. Die Module Stadterkundung und Lesen erscheinen als geeignete Lernbereiche für interkulturelles Lernen in der Grundschule: Das Modul Lesen setzt die übergeordneten Ziele, die Übergangsquote der Kinder mit Migrationshintergrund auf eine höhere Schulart zu steigern und interkulturelle Kompetenz zu stärken, besonders gut um. Das Modul Stadterkundung trägt durch die oftmals vernachlässigte Erkundung der Lebenswelt gemeinsam mit den Kindern zur Identitätsbildung bei. Lisa Fritzsche empfahl die Einbeziehung der Eltern zu intensivieren und empfand die Verbindung interkultureller Konzepte mit „den Erkenntnissen des Lernvorgangs im Allgemeinen“ als Desiderat. Damit ist ein zentrales Problem solcher Projekte benannt, denn es geht darum, die konkreten Angebote interkulturell zu konzipieren und umzusetzen und zwar mit Studierenden, die weder in ihrem alltäglichen Unterrichtshandeln, noch bezogen auf interkulturelles Lernen als kompetent zu bezeichnen sind. Vielmehr sind sie selbst interkulturell Lernende, die oft an ihre Grenzen stießen. Da interkulturelles Lernen keine Zielgruppenpädagogik ist, legten wir das Augenmerk auf die zu konzipierenden Etappen. Dabei zeigten sich immer wieder gravierende Probleme bezogen auf die Aufgabenstellungen und auch bezogen auf angemessene Reaktionen im Umgang mit interkulturell brisanten Situationen. Aufgabenformulierung aus interkultureller Perspektive Anhand von Fragen und Aufgaben, die die Studierenden im Rahmen geplanter Etappen gestellt hatten, erläuterte Heidi Rösch in einer Sitzung mit den Studierenden, wie sich daran eine interkulturelle Betrachtung entfalten lässt. Studentische Frage zum Ausflug in den Zoo: Was haben wir über die Tiere erfahren und aus welchen Erdteilen kommen sie? Kommentar von Heidi Rösch: So wie die Frage gestellt ist, zielt sie einerseits auf die Beschreibung des natürlichen Lebens(raums) von Tieren. Doch was erfahren die Kinder, wenn sie z.B. einen Eisbär im Zoo betrachten über die Arktis bzw. den Nordpol? Sehr wenig, denn er lebt im Zoo angepasst an das Karlsruher Klima. Also schlösse sich doch eher 34 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule die Frage an, wie schafft es ein Eisbär, der eigentlich in einer extrem kalten Region lebt, in Karlsruhe zu überleben: Passt er sich an oder schafft ihm der Zoo ein Leben ‚wie am Nordpol‘? Damit ist die Frage der ein- versus gegenseitigen Integration gestellt, diese lässt sich am Beispiel von Zootieren aus fremden Regionen vermutlich einfacher diskutieren, als wenn man sie auf (eingewanderte) Menschen in unserer Migrationsgesellschaft überträgt. Gleichzeitig ziehen die Kinder aus einem solchen Gespräch sicher Schlüsse für ihr Leben in der Migrationsgesellschaft. Auch die Frage nach der Herkunft ließe sich entsprechend wenden, wenn gefragt wird: Wo sind diese Tiere geboren? (Wenn sie tatsächlich nicht in Karlsruhe oder einem anderen deutschen / europäischen Zoo geboren sind: Wie lange leben sie hier im Karlsruher Zoo?) Wohin gehören sie – in das Land ihrer Vorfahren oder in das Land, in dem sie leben? Wer entscheidet darüber, wohin Tiere oder auch Menschen gehören – die anderen oder sie selbst? Stellt einem Tier diese Frage und überlegt, was es antworten könnte! Studentische Fragen zum Thema Großeltern - das Leben damals und heute: Finde ich das Leben heute besser oder hätte ich lieber damals gelebt? Fände ich es schön mit meiner ganzen Familie unter einem Dach zu wohnen? Kommentar von Heidi Rösch: Die Fragen basieren auf einem engen Familienkonzept, das Eltern und Kinder, im besten Fall noch die Großeltern einschließt. Sie suggerieren, dass die Kinder nicht mit ihrer „ganzen Familie unter einem Dach wohnen“. Im Kontext des Themas scheint es um das Zusammenleben einer Eltern-Kind/er-Familie mit den Großeltern zu gehen. Im interkulturellen Kontext geht es um Vielfalt und Multiperspektivität. Konkret bedeutet das, dass nicht von einem Konzept z.B. von Familie auszugehen ist, das durch andere ergänzt wird, sondern dass von Anfang an möglichst viele verschiedene Konzepte gesammelt werden, die gleichberechtigt nebeneinander stehen. Über die Reihenfolge entscheiden zunächst die Kinderäußerungen, bevor die Lehrperson ergänzt: Ein-ElternFamilien, Vater-Mutter-Kind/er-Familien, Vater-Vater-Kind/er-Familien, Mutter-MutterKind/er-Familien, Großeltern-Enkel-Familien, Patchworkfamilien, Pflegefamilien, Großeltern-Eltern-Kind/er-Familien. Anschließend versucht man zu klären, was Familie bedeutet: Es geht offensichtlich um Verwandtschaft („die ganze Familie“) oder um eine Form des Zusammenlebens, wozu dann auch Wohn-/Hausgemeinschaften, Betriebswohnungen, Heime usw. gehören. Die Frage nach dem Leben „damals“ im Zusammenhang mit Großeltern ist ausschließlich aus der Enkelperspektive gestellt, denn Großeltern lebten ja nicht nur „damals“, sondern sie leben auch heute noch (es sei denn, sie sind bereits gestorben). Also sollte man fragen: Wie war das Leben, als deine Großeltern Kinder waren? Das ist interkulturell durchaus interessant, da die Großeltern der Kinder mit Migrationshintergrund als Kinder vermutlich in dem Land, aus dem sie oder ihre Kinder dann ausgewandert oder geflohen sind, gelebt haben. Kinder aus binnenmigrierten Familien können sich durch den Blick in die Kindheit ihrer Großeltern (je nach deren Alter) in die Nachkriegszeit, in die DDR oder eine andere, vielleicht ländliche Region Deutschlands ‚beamen‘. Auch hier gilt es diesen Blick nicht monolithisch von einem typischen (?) Fall aus zu betrachten, sondern vielfältig und multiperspektivisch. Dazu gehört auch immer eine Migrationsperspektive 35 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule einzunehmen und die verschiedenen Facetten von Migration (Arbeitsmigration, Flucht, Binnenmigration) heranzuholen, damit sie zu einem selbstverständlichen Teil unseres kollektiven Gedächtnisses werden können. Man könnte als fragen: Würden deine Großeltern heute noch so leben wollen wie damals? Würdest du gerne so leben wie deine Großeltern als Kinder? Wenn die Großeltern migriert sind: Würden sie lieber dort leben? Würdest du lieber dort leben? Studentische Fragen zu „Gullivers Reisen“ Kapitel 8: Wie wird sich Gulliver fühlen, als er sich von Liliput verabschieden muss? Was bedeutet für ihn Abschied und Heimkehr? Freut er sich auf seine Heimat? Wird er es schaffen, sicher nach Hause zu kommen? Kommentar von Heidi Rösch: Diese Fragen sind sicher sinnvoll und eng am Text orientiert. Gleichzeitig sind sie tendenziell darauf fokussiert, die „Heimat“ als den Herkunftstort zu idealisieren und das Leben in der Fremde zum (vorübergehenden) Sonderfall zu erklären. Da die Beantwortung der ersten und zweiten Frage aber bereits die Verbundenheit von Gulliver mit Liliput und damit seinen schmerzvollen Abschied deutlich aufzeigen wird, lässt sich daran auch die Frage aufgreifen, ob er auch in Liliput eine Heimat gefunden hat. Als Transfer auf außertextuelle Element kann diskutiert werden, ob es immer nur eine Heimat gibt, ob diese im Laufe des Lebens gleich bleibt oder sich verändert. Kinder, die bereits umgezogen oder (aktiv) migriert sind, werden sich dazu sicher differenzierter äußern als Kinder, die in ihrem bisherigen Leben immer an einem Ort gelebt haben. Es ist aber gerade auch für die letztgenannte Gruppe wichtig, einen Einblick in authentische Migrationserfahrungen ihrer Mitschüler/innen zu erhalten. Studentische Fragen zum Ausflug in die Bibliothek: Wie viele Bücher in einer fremden Sprache könnt ihr in der Bibliothek entdecken? Schreibt die verschiedenen Länder auf! Kommentar von Heidi Rösch: Die Frage und die Aufgabe zielen darauf ab, einer Sprache ein Land zuzuweisen oder umgekehrt. Das ist unsinnig, denn die meisten Sprachen werden nicht nur in einem Land gesprochen, wie schon an der Verbreitung von Deutsch leicht zu zeigen ist. Hier wäre es viel sinnvoller, den Kindern bekannte Sprachen zu sammeln und zu klären, wo diese überall gesprochen werden. Außerdem wird hier die Einsprachigkeit eines Landes als Normalfall unterstellt, was genau so leicht zu widerlegen ist, wenn wir uns unsere Migrationsgesellschaft anschauen, die sich durch lebensweltliche Mehrsprachigkeit auszeichnet. In diesem Kontext sollte man die Kinder auf Entdeckungsreise gehen lassen und zum Beispiel untersuchen lassen, in wie vielen Sprachen Zeitungen verkauft werden, in wie vielen Sprachen Informationsmaterial in Ämtern ausliegt usw. Der Besuch in der Bibliothek und die gestellte Frage gehen genau in diese Richtung. Allerdings sollen die Kinder die Anzahl der Bücher in einer fremden Sprache finden. Damit sich das nicht nur auf eine fremde Sprache (z.B. Englisch) bezieht, sollte gefragt werden: Wie viele Bücher in fremden Sprachen gibt es hier insgesamt und wie viele in jeder Sprache? Das Ergebnis würde vermutlich eine relativ geringe Zahl von Büchern in den Min- 36 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule derheitensprachen unseres Landes offenbaren. Das könnte die Kinder motivieren, die Bibliothekar/innen nach dem Grund zu fragen. Es zeigt sich, dass nahezu jede Aufgabenstellung interkulturelle Relevanz erhalten kann, wenn folgende Prinzipien berücksichtigt werden: Statt von einem monolithischen Konzept auszugehen und dieses dann durch andere Konzepte zu ergänzen, bildet Diversität den Ausgangspunkt. Das setzt ein Umdenken bezogen auf fast alle im Unterricht zu behandelnden Themen voraus. Statt den (individuellen oder familiären) Migrationserfahrungen einzelner Kinder nachzuspüren, geht es darum Migration als gesellschaftliche Erfahrung mit allen Kindern zu thematisieren. Sicher werden dabei erfahrungsbedingt unterschiedliche Sichtweisen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund einfließen. Kultur wird als problematische Kategorie zur Klassifizierung von Menschen in der Migrationsgesellschaft gesehen, denn sie birgt die Gefahr der Kulturalisierung7. Statt suggestiven Fremdzuschreibungen (durch Aufforderungen wie Erzähle, wie es in der Türkei / in deiner (türkischen) Familie ist!) sind Fragen nach der Lebenswelt an alle Kinder gleichermaßen zu stellen, um statt nationaler Stereotypen oder eines dichotomen Bildes (bei uns und den anderen) vielfältige Bilder bestimmter Kulturen an einem bestimmten Ort entstehen zu lassen. Prinzipiell ist von Kulturen im Plural auszugehen und nicht nur nach ‚exotischen‘ Kulturen zu suchen, sondern die dominante Kultur (als Variante) einzubeziehen. Werden etwa verschiedene Kulturen des Essens, Lernens, Familienlebens usw. in Karlsruhe beschrieben, wird deutlich, dass diese Kulturen hier gelebt werden und zu dieser Region gehören. Perspektivenwechsel meint nicht unbedingt, sich in die Perspektive von anderen Individuen hineinzuversetzen. Es geht um den Wechsel zwischen Selbst- und Fremdbild/ern (wie sehe ich mich, wie werde ich gesehen, wie sieht er sich, wie sehe ich ihn), zwischen Außen- und Innenperspektive vor allem bei Irritationen, denen durch den Versuch einer Innensicht entgegengewirkt werden kann, zwischen einer Mehrheiten- und einer Minderheitenperspektive, wozu gehört, dass man sich dieser historisch-politischen Dimension bewusst wird. In allen heterogenen Lerngruppen ist es wichtig mit Differenz konstruktiv umzugehen, denn es lauert die Gefahr des Othering8. Im Blick auf Kinder mit und ohne Migrationshintergrund stellt die sprachliche Dimension eine sinnvollere Differenzierungskategorie dar als die kulturelle. Doch neben spezifischen Sprachbildungsangeboten (die nicht im Fokus des Projekts standen) sollten im interkulturellen Kontext sprachliche und kulturelle Hybridisierungsprozesse zum Thema werden. 7 Kulturalisierung meint, dass Menschen aufgrund kultureller Fremd- oder Selbstzuschreibungen auf ihre Kultur reduziert werden. 8 Othering bedeutet, dass Menschen, die bestimmten Gruppen angehören oder diesen zugerechnet werden, zu „anderen“ erklärt und damit aus dem gemeinsamen Kontext ausgegrenzt werden. 37 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Interkulturell relevante Situationen Im Projekt wurden vor allem durch die Begegnung mit den literarischen Werken interkulturell relevante Lernsituationen herbeigeführt. Bei der Stadterkundung gelang dies nur bedingt. Aber auch hier schafften die Kinder immer wieder Anlässe, in denen interkulturelles Lernen dringend geboten gewesen wäre. Die Studierenden zeigten sich aber oft (noch) nicht in der Lage, diese Ad-Hoc-Situationen zu nutzen. Deshalb wurden sie nachträglich besprochen, um daraus für die Zukunft zu lernen. Beim Thema Zukunftsvorstellungen wurde schnell klar, dass die meisten Kinder ihre Zukunft in Deutschland sehen. Gleichzeitig sprachen sie dabei indirekt auch über ihr Verhältnis zum Herkunftsland der Familie: „Nach Russland will niemand zurück, wegen der Armut.“ „Es ist aber auch gut, sich nicht festzulegen, sondern viele Häuser überall zu haben und zu reisen“, kommentierte ein Mädchen diese Situation. Hier zeigt sich der Ansatz zu einer Multiperspektivität bezogen auf das Thema Entsendeländer. Sinnvoll wäre gewesen die Gleichstellung von Armut und Russland aufzubrechen und zu klären, ob in Russland alle arm, in Deutschland alle reich sind. Man hätte auch klären können, dass Armut bzw. schlechte Lebensbedingungen einen Grund für die Auswanderung (auch für Deutsche!) darstellen können, dass es aber auch andere Gründe gibt, warum Menschen auswandern: Sie sind zu Hause arbeitslos und finden an einem anderen Ort eine Arbeit, sie folgen ihrer Familie oder ihrer Liebe, sie sind begeistert von dem neuen Land, der Musik, dem Klima usw. oder haben einfach Lust, etwas Neues zu erleben. Es gibt aber auch viel dramatischere Gründe wie Krieg, Verfolgung, Erdbeben oder andere Naturkatastrophen, warum Menschen im Ausland Asyl suchen. Auch hier zeigt sich, dass Hintergrundwissen über Migration und migrationsbedingte Lebenslagen notwendig ist, um ein solches Thema zu besprechen. Zum Beispiel weigerte sich ein christlich erzogenes Kind, in eine Moschee und dort die Schuhe auszuziehen. Hier bietet sich an, mit den Kindern zunächst das Gefühl zu klären: Ist es ein unangenehmes Gefühl oder sogar Angst, wenn ja wovor: vor dem Fremden, davor, dass dort etwas Schlimmes passieren könnte oder weil man sich einfach nicht anders als üblich verhalten will. Die Strategie ist, nicht Wissen über die Moschee, den Islam oder Muslime zu vermitteln, sondern das Befremden der Kinder als solches ernst zu nehmen. Dabei kann unter Umständen auch deutlich werden, dass muslimisch erzogene Kinder ähnliche Gefühle haben, wenn sie in eine Kirche gehen (sollen). Der nächste Schritt ist die Klärung, wie man mit einem solchen „unguten Gefühl“ umgeht. Eine Sammlung bewegt sich sicher zwischen den Polen ‚gar nicht hingehen‘ und ‚einfach mal schauen‘. Neugierde bei Kindern wird vermutlich siegen, sollte aber die Zusicherung beinhalten, dass Kinder, die es trotz ernsthaftem Versuch, in der Moschee nicht aushalten, mit einem Erwachsenen gemeinsam den Ort verlassen dürfen und draußen auf die Gruppe warten. Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf die Einheit Schuluniformen: Den Kindern wurden Fotos aus dem Internet mit Kindern in Schuluniformen aus aller Welt gezeigt. In einer Gruppe zeigte ein Junge auf eine Kindergruppe und meinte: „Das bin ja ich.“ Da er keine Reaktion erhielt, wiederholte er diese Aussage, bis sich andere Kinder irritiert äußerten („Das bist doch gar nicht du! Das sind irgendwelche Kinder.“) und über ihn lustig machten. Es handelte sich um einen schwarzen Jungen, der sich mit auf den Fotos abgebildeten 38 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule schwarzen Kindern identifizierte. Die Studierende unterstützte in der Situation die Haltung der weißen Kinder und versuchte die Sache so schnell wie möglich zu beenden. Dabei wäre hier zu klären gewesen, warum gelacht wird, wenn sich ein schwarzer Junge mit schwarzen Kindern auf einem Foto identifiziert. (Kinder identifizieren sich gerne mit medialen oder auch realen Helden, so dass ein solches Verhalten keinesfalls ungewöhnlich ist.) Offensichtlich spielte hier die Hautfarbe eine zentrale Rolle und genau das hätte die Studentin aufgreifen sollen. In einem solchen Fall gilt es zunächst, die Partei des in der Situation Schwächeren zu stärken, indem man ihn zu Wort kommen lässt und ihm Gehör verschafft: „Bist du das wirklich oder findest du die Kinder auf dem Foto toll? Erzähle, was du an ihnen magst! Wie finden andere diese Kinder? Was ist an diesen Kindern besonders? Usw.“ Irgendwann wäre vermutlich die Hautfarbe thematisiert worden. Genau diese Frage scheint aber im konkreten Fall aufgrund großer Unsicherheit vermieden worden zu sein. Dennoch hätte in dieser Situation und im Interesse des Jungen, der diesen Aspekt durch seine Äußerung angesprochen hat, genau diese heikle Frage aufgegriffen werden müssen. Die Studentin hätte zu „Schwarze und Weiße“ eine Fragen-Mindmap erstellen lassen können. Vermutlich hätten die Kinder gefragt, warum Menschen schwarz oder weiß sind (aufgrund familiärer Zusammenhänge), wo Schwarze und Weiße leben (überall auf der Welt). Die Studentin hätte Fragen ergänzen können wie: Gibt es in euren Schulbüchern Weiße und Schwarze? Warum kommen (fast) nur Weiße vor? Welche Rolle spielt es, ob jemand weiß oder schwarz ist – zum Beispiel im Sport oder in der Medienbranche? Ist das eigentlich immer so klar, ob jemand weiß oder schwarz ist? Ist eine solche Unterscheidung notwendig, sinnvoll oder überflüssig? Gerade wenn Kinder solche durchaus schwierig zu behandelnden Themen einbringen, sollte unbedingt reagiert werden, denn daraus spricht der Wunsch nach Thematisierung und Erläuterung. Diese zu verweigern verstärkt unter Umständen die Diskriminierungserfahrung, die dieser Junge erleben musste. Abschließender Kommentar und Empfehlungen Wir bewerten das Projekt als sehr positiv hinsichtlich dessen, was mit den Kindern und auch den Studierenden erreicht wurde. So hat in der Wahrnehmung der Studierenden die Lesebereitschaft der Kinder deutlich zugenommen. Einer Studierenden der PestalozziSchule ist besonders aufgefallen, „dass bei zwei Kindern, die am Anfang nie vorlesen wollten die Lesebereitschaft zugenommen hat. Ab Januar haben sie sich freiwillig gemeldet und wollten, nachdem sie schon eine Passage gelesen hatten, eine weitere laut lesen. Diese Motivation hat mich sehr gefreut.“ Eine weitere Studierende schrieb dazu: „Es hat sich bei Unruhe und Konzentrationsschwierigkeiten als hilfreich erwiesen, dass jedes Kind nacheinander einen Satz vorliest. So waren alle Kinder ‚bei der Sache‘ und nur selten kam es dazu, dass sie unkonzentriert waren.“ Darüber hinaus wurde während der Schreibaufgaben beobachtet, dass regelmäßig anwesende Kinder schreibsicherer wurden. Dies bestätigte eine Studierende der Werner von Siemens-Schule, denn es ist ihr aufgefallen, dass während des ganzen Schuljahres vor allem ein Schüler große Fortschritte (auch hinsichtlich der Rechtschreibung) machte. Problematisch erwies sich in allen Lesegruppen das häufige 39 Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule Sitzen, besonders im Stuhlkreis. Hier hätten mehr Bewegungsaufgaben eingebunden werden müssen. Erfolge konnten auch beim Präsentieren und Begründen erzielt werden: „Das Präsentieren des eigenen Bildes in der Ausstellung ist sinnvoll für die Kinder, da sie so das Vortragen vor einer Gruppe üben.“ Außerdem nutzten die Kinder das Projekt, um ihre Themen zu besprechen: „Auffällig war außerdem, dass die Kinder zunehmend Veränderungen ihres Körpers bzw. die Veränderungen bei anderen wahrnehmen. So klebten sie Duschgel und Rasierklingen auf das Plakat. Sie erzählten außerdem von der Behaarung unter den Armen eines Freundes und brachten diese auch zu Papier. Außerdem ist auch das Wort ‚küssen‘ gefallen.“ Aufgrund der Tatsache, dass das Projekt aufgrund mangelnder Teilnahme vorzeitig abgebrochen wurde, empfehlen wir zukünftig eine engere Verzahnung mit dem Regelunterricht, eventuell sogar eine Integration solcher Angebote in den Regelunterricht. Sicher wird der Ausbau von Ganztagsschulen dazu führen, dass solche Angebote auch am Nachmittag verbindlicher wahrgenommen werden. Weniger zufrieden sind wir mit der angestrebten Entfaltung der interkulturellen Kompetenz bei den Kindern, was allerdings klar darauf zurückzuführen ist, dass unsere Studierenden von uns nicht ausreichend angeleitet wurden und es uns nur in Ansätzen gelungen ist, die nötige Sensibilität soweit auszubauen, dass die Studierenden interkulturell handlungsfähig sind. Dennoch bestätigen die meisten Studierenden, dass dieser Prozess in Gang gesetzt wurde. Wenn es gelungen wäre, die Studierenden über die geplanten drei Jahre im Projekt zu halten, wäre hier auch sicher ein größerer Erfolg zu verzeichnen gewesen. Sicher ist auch die Etappenplanung zu optimieren. Hier wäre es sinnvoll professionelles Material zu den Kinderbüchern zu entwickeln. Bezogen auf die außerschulischen Lernorte hat sich die Kooperation mit Museumspädagoginnen sehr bewährt, was aber auch daran lag, dass sich die Aufgaben auf mehrere Personen verteilten und sich die Studierenden zumindest im Museum ‚nur‘ um die Kinder kümmern mussten. Als sehr sinnvoll erwies sich die zunehmende Projektorientierung, das heißt, dass während der Projektphasen an einem fertigen Produkt gearbeitet wird. Das Lese- bzw. Stadttagebuch ist hier nur ein Anfang. Es wäre darüber nachzudenken, wie das Projekt in der Schule oder auch über die Schule hinaus dokumentiert werden kann. 40