erfahrungsbericht-paris-12_13-2 - Germanistik, vergleichende
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Erasmus-Erfahrungsbericht Paris 2012/2013 – Daniel Warwel Ich habe mich 2011 beim Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft der Universität Bonn für einen Erasmus-Aufenthalt an der Université Paris-Sorbonne (Paris IV) beworben und den Platz auch erhalten. Im Vorhinein fanden Vorstellungs- bzw. Bewerbungsrunden und Einzelgespräche statt, bei denen wir über Einzelheiten des Ablaufes und der Vorbereitung aufgeklärt wurden. Die Bewerbung an der Sorbonne fand online statt, auf Rückmeldung muss man allerdings etwas länger warten, da die Bewerbungsfristen anders liegen. Da ich vor dem verrückten Pariser Wohnungsmarkt schon vorgewarnt wurde, habe ich mich gleichzeitig bei der Maison Heinrich Heine in der Cité Internationale Universitaire de Paris beworben. Die Cité ist der größte Komplex an Studentenwohnheimen in Paris; die meisten von ihnen sind einzelnen Nationen zugeordnet und der Großteil wird von Studenten dieser Nationalität bewohnt. So sind im Deutschen Haus der Cité, der Maison Heinrich Heine, hauptsächlich Deutsche untergebracht, aber auch ein großer Teil internationaler Studenten aus anderen Häusern. Das Bewerbungsverfahren ist sehr umfangreich und man benötigt verschiedene Dokumente wie Motivationsschreiben (auf Französisch), Lebenslauf, ärztliches Attest oder Empfehlungsschreiben. Dennoch lohnt es sich: die Zimmer sind bezahlbar und gut ausgestattet, das Haus und die Cité bieten ein reiches kulturelles Angebot und die Hausbewohner oftmals eine eigene Gemeinschaft. Trotzdem hat es auch Nachteile: Da man ständig unter Deutschen ist, spricht man weniger Französisch. Außerdem ist die Cité ein eigener Mikrokosmos, aus dem man ausbrechen muss. Sonst bekommt man vom „echten“ Paris nicht so viel mit. Diejenigen, die darauf also sehr viel wert legen, sollten lieber nicht in die Cité ziehen. Bei mir war es jedoch einfach eine finanzielle Frage. Das Studium in Paris ist sehr anders als man es von deutschen Universitäten gewohnt ist – das wusste ich allerdings durch mein Romanistikstudium schon vorher. Gerade an der Paris 4 (die Pariser Universitäten werden im Alltag in der Regel nur mit ihrer Nummer benannt) ist Frontalunterricht die Regel – egal ob Vorlesung oder Seminar. Fragen werden gebilligt, aber keinesfalls eine Diskussion gefördert. Das französische System verlangt eigentlich nur das Aufnehmen und Reproduzieren des Stoffes. Gerade in der Literaturwissenschaft war das für mich irritierend, da ich es gewohnt war, nah am Text zu arbeiten und ergebnisoffen über ihn zu diskutieren. Die Unterrichtssprache ist uneingeschränkt Französisch. Die Kommilitonen sind in der Regel jünger als man selbst, da in Frankreich früher mit dem Hochschulstudium begonnen wird und Unterbrechungen der Ausbildung zwischen Bac (Abitur) und Studium bzw. zwischen Licence (Bachelor) und Master zur Ausnahme gehören. Außerdem muss man sich vor Augen führen, dass die Pariser Universitäten Massenuniversitäten sind – Anschluss finden ist sehr schwierig, gerade für Erasmus-Studenten und besonders für Leute, die nur ein Semester bleiben. Deswegen und natürlich auch generell würde ich auch besonders empfehlen immer zwei Semester zu gehen. Es stimmt, was überall steht und gesagt wird: Man braucht ein Semester, um sich zurecht und Freunde und einen Alltag zu finden. Ab dem zweiten Semester kann man sich dann schon viel eher als „echter Pariser“ fühlen. Obwohl die Paris 4 sehr viele Erasmus-Studenten hat und die Verwaltung mit ihrer Betreuung alle Hände voll zu tun hat, verlief bei mir alles reibungslos und alle Mitarbeiter waren trotz des Stresses immer ausgesprochen freundlich und hilfsbereit (was in Paris leider alles andere als selbstverständlich ist). Dieselben Erfahrungen habe ich auch mit den Dozenten gemacht; ich würde dabei (ob per Mail oder in Persona) immer sagen, dass man Erasmus-Student ist, denn dann wird man nicht so streng behandelt wie die französischen Studenten. Universitär habe ich mich allerdings nicht so gefordert gefühlt, wie ich es mir gewünscht hätte: Oft entsprach das Niveau meiner (Master-)Kurse nicht dem, was ich an der Universität Bonn gelernt habe/hätte. Warnen muss man allerdings vor der französischen Administration, die die Absurditäten der deutschen Bürokratien bei weitem übersteigt. Ständig muss man unzählige unverständliche Dokumente ausfüllen und einreichen – und sei es nur für das Imagine-R, das Pariser Studententicket für Métro & Co, das zwar einiges pro Monat kostet, dennoch aber sehr empfehlenswert ist. Die Kür ist dabei zweifelsohne die Caf, das französische Wohngeld, das jeder beantragen kann, der einen Mietvertrag hat und eine Unterkunft mit einer bestimmten Mindestgröße. Da die administrativen Mühlen in Frankreich sehr langsam mahlen, sollte man sofort nach seiner Ankunft mit solchen Dingen beginnen. Die erste Station ist sicherlich das Eröffnen eines französischen Kontos, da das für die meisten Administrativa unerlässlich ist (die Caf bekommt man z. B. nur auf französische Konten ausgezahlt). Wichtige Dokumente sollte man immer parat haben und nur in Kopien herausgeben. Vor Abreise empfiehlt es sich übrigens sich eine internationale Geburtsurkunde von seinem Geburtsort ausstellen zu lassen, da man diese für die Caf benötigt. Paris ist teuer. Sehr teuer. Alles, was man über den schrecklichen Wohnungsmarkt in Paris hört und gehört hat, ist wahr. Die Mieten sind horrend und dafür bekommt man oft noch nicht einmal ein Mindestmaß an Komfort geboten. Frühzeitig mit der Wohnungssuche beginnen ist daher ratsam – obwohl es oft gerade schwierig für Erasmus-Studenten und dann nochmal besonders für diejenigen, die nur ein Semester bleiben, ist, da Vermieter Zimmer nur ungern an diese vermieten. WGs gibt es in Paris zwar auch, aber sie sind nicht so verbreitet und üblich wie in Deutschland. Man sollte sich also schnell von der Vorstellung verabschieden in einer günstigen WG in Paris mit lauter Franzosen zu leben. Lebensmittel und vor allem solche Produkte wie Shampoo, Deodorant etc. sind viel teurer als in Deutschland, es empfiehlt sich also, wenn möglich, sich damit von Deutschland aus einzudecken. In jedem Falle sollte man sich vorher genauestens Gedanken über seine finanzielle Situation machen und sich ggf. um Stipendien bewerben bzw. Geld ansparen oder gewillt sein sich ggf. in Paris einen Job zu suchen. Ich kenne mehrere Personen, die ihren Aufenthalt in Paris früher als geplant abbrechen mussten, weil sie die finanzielle Belastung im Vorhinein unterschätzt haben. Genauso ist das Pariser Nachtleben natürlich teurer, aber nicht zwingend. Fragt am besten Kommilitonen oder einheimische Studenten, wo sie ausgehen: dort ist es meistens auch bezahlbar und nicht touristisch überlaufen. Man sollte in jedem Falle jedoch früher aufbrechen, denn die meisten Bars und Clubs schließen um 2 Uhr morgens, außerdem fährt die Métro bzw. der RER (Pariser Pendant zur S-Bahn) meist nur bis maximal 1 Uhr morgens. Sollte man länger bleiben wollen, empfiehlt es sich, sich im Vorhinein über die Nachtbusverbindungen (Noctilien) zu informieren. Zuletzt noch einige Bemerkungen zur Sprache: Französischkenntnisse sind unerlässlich. Mit Englisch kommt man höchstens an Touristen-Hotspots weiter und außerdem stimmt es, was man sagt: Der Franzose an sich spricht ungern Englisch – außerdem ist es um die Englischkenntnisse der meisten nicht so gut bestellt. Möchte man sich also wirklich in Paris zu Hause fühlen, muss man Französisch reden wollen! Vor dem Aufenthalt oder währenddessen sind Sprachkurse deshalb sicher nicht verkehrt; allerdings hier auch die Warnung: Das gesprochene Alltagsfranzösisch ist sehr anders als das Französisch, das man in solchen Kursen oder an der Universität lernt. Es ist also völlig normal, wenn man in den ersten Wochen nichts versteht, wenn Franzosen untereinander sprechen. Mein Fazit fällt gemischt aus: Positiv ist natürlich die Erfahrung ein Jahr im Ausland und in einer Stadt wie Paris gelebt, viele neue Menschen kennen gelernt und sein Französisch verbessert zu haben. Allerdings hat Paris auch seine Schattenseiten, die man in der Regel erst dann kennenlernt, wenn man dort wohnt. Man sollte sich also von seinem Paris-Bild, das einem Kurztrips und die Medien präsentieren, verabschieden und versuchen Stadt und die Menschen unabhängig davon kennen zu lernen.