Kapitel 3

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Kapitel 3
INSTITUTIONENGESCHICHTE
(RÖMISCHES P RIVATRECHT)
SOMMERSEMESTER 2015
PROF. DR . JOHANNES PLATSC HEK
III.
1. Freie und Sklaven
Kaser, RPR § 15.1-3
Gai. 1,9
„Die oberste Einteilung des Rechts der Personen ist diejenige, dass alle Menschen entweder Freie
oder Sklaven sind.“
D. 1,5,4 (Florent. 9 inst.)
„Die Freiheit ist die natürliche Möglichkeit das zu tun, was einem gefällt, es sei denn es wird durch
Gewalt oder das Recht verhindert.
(1) Die Sklaverei ist eine Einrichtung des ius gentium, nach der jemand dem Eigentum eines
anderen gegen die Natur unterworfen wird.
(2) Servi werden die Sklaven deshalb genannt, weil die Feldherrn Kriegsgefangene verkaufen und
dadurch retten (servare) und nicht töten.
(3) Mancipia werden sie genannt, weil sie mit Gewalt (manu) aus den Reihen der Feinde genommen
werden (capi).“
2. Begründung des Sklavenstatus
Kaser, RPR § 15.15-18
D. 1,5,5 (Marcianus 1 inst.)
„Die Rechtslage der Sklaven ist einheitlich. Von den freien Menschen aber sind die einen
Freigeborene (ingenui), die anderen Freigelassene (libertini, liberti).
(1) Die Sklaven aber kommen in unser Eigentum etweder nach Zivilrecht oder nach ius gentium:
Nach Zivilrecht, wenn jemand, der älter als 25 Jahre ist, sich verkaufen lässt, um am Kaufpreis
teilzuhaben; nach ius gentium gehören die Sklaven uns, wenn sie in den Reihen der Feinde
gefangen werden oder von unseren Sklavinnen geboren werden.
(2) Freigeboren ist, wer von einer freien Mutter geboren ist. Es reicht nämlich aus, dass sie zu dem
Zeitpunkt frei ist, wenn das Kind geboren wird, auch wenn sie es als Sklavin empfangen hat. Wenn
sie es umgekehrt als Freie empfangen hat und danach als Sklavin zur Welt gebracht hat, sieht man
das Kind als frei geborenes an (es kommt auch nicht darauf an, ob sie es in einer anerkannten Ehe
empfangen hat oder außerhalb), weil das Unglück der Mutter nicht dem Kind in ihrem Leib schaden
soll.
(3) Infolgedessen wurde gefragt, ob, wenn eine Sklavin während der Schwangerschaft freigelassen
wurde, danach wieder Sklavin wurde ..., und schließlich das Kind zur Welt brachte, ob sie dann
einen Freien oder Sklaven zur Welt bringt. Und es wurde als angemessener gebilligt, dass ein
Freier geboren wird und es für das Kind im Leib ausreicht, dass es zumindest in einer Zwischenzeit
eine freie Mutter hatte.“
3. Freiheitsprozesse: vindicatio in servitutem / in libertatem
Kaser, RPR § 15.14
Aug. res gest. 1
„Mit neunzehn Jahren habe ich aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten ein Heer aufgestellt, durch
welches ich den Staat, der von Gewaltherrschaft einer politischen Gruppierung niedergedrückt worden war,
in die Freiheit vindiziert habe (in libertatem vindicavi).“
D. 40,12,36 (Pap. 12 resp.)
„Der Sklaveneigentümer, der obsiegt, wird, wenn er seinen Sklaven wegführen will, nicht
gzwungen werden, statt des Sklaven den Schätzwert entgegenzunehmen.“
LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN
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4. Zivile Freilassungsformen
Kaser, RPR § 16.1-4
* Gai. 1,17.20
„Denn in wessen Person diese drei Voraussetzungen sich vereinen: dass er älter als 30 Jahre ist,
im quiritischen Eigentum seines Herrn steht und durch anerkannte und rechtmäßige Freilassung
befreit wird, das heißt mit dem Stab, im Zensus oder durch Testament, der wird ein römischer
Bürger. Fehlt eine davon, wird er Latiner.
[Bei Sklaven unter 30 Jahren muss in einem Verfahren ein besonderer Grund dargelegt werden.]
"Sklaven über 30 Jahre aber pflegen jederzeit freigelassen zu werden, ja sogar im Vorbeigehen
werden sie freigelassen, zum Beispiel, wenn der Prätor oder Prokonsul gerade ins Bad oder ins
Theater geht.“
** D. 40,2,23 (Herm. 1 iur. epit.)
„Die Freilassung (manumissio vindicta) wird heutzutage für gewöhnlich durch die Amtsdiener
(lictores) unter Schweigen des Eigentümers vollzogen, und gleichwohl die feierlichen Worte nicht
gesprochen werden, werden sie doch als gesprochen angenommen.“
Beschränkungen: Lex Fufia Caninia (2 v. Chr.); lex Aelia Sentia (4 n. Chr.)
*** Gai. 1,46
„Denn auch wenn die Freiheit gegeben worden ist, indem die Sklaven im Testament in Kreisform
geschrieben wurden, wird, weil sich keine Reihenfolge der Freilassung feststellen lässt, keiner frei,
weil die lex Fufia Caninia alles, was zu ihrer Umgehung geschieht, für nichtig erklärt.“
**** H. Heine, Die Harzreise (1824)
„Im Wirtshause zu Nörten traf ich die beiden Jünglinge wieder. Der eine verzehrte einen Heringsalat, und
der andere unterhielt sich mit der gelbledernen Magd, Fusia Canina, auch Trittvogel genannt. Er sagte ihr
einige Anständigkeiten, und am Ende wurden sie handgemein.“
5. Prätorische Freilassung - manumissio inter amicos
Kaser, RPR § 16.9
* Gai. 1,44
[Für die testamentarische Freilassung gelten Mengenbegrenzungen.]
„Deshalb ist es denen, die mit dem Stab oder im Zensus oder unter Freunden freilassen erlaubt,
ihr gesamtes Gesinde zu befreien, natürlich nur, wenn kein anderer Grund der Freiheit
entgegensteht.“
** FIRA III 11 - manumissio inter amicos (221 n. Chr.)
„Marcus Aurelius Ammonion, Sohn des Lupergos, Enkel des Sarapion, die Mutter ist Terheuta,
aus dem altehrwürdigen und strahlenden Hermupolis Maior
hat seine hausgeborene Sklavin Helene,
ungefähr 34 Jahre alt, unter Freunden freigelassen und sie frei zu sein geheißen und für ihre Freiheit erhalten von
Aurelius Ales, Sohn des Inaroutes aus dem Dorf Tisicheos
im Hermopolitanischen Nomos an kaiserlichen Drachmen zweitausendzweihundert, die Ales Inaroutis Helene,
der oben genannten Freigelassenen geschenkt hat.
Geschehen zu Hermupolis ...im 4. Jahr des Imperator Caesar
Marcus Aurelius Antoninus Pius Felix Augustus ...“
*** Gai. inst. epit. 1,1,2
„Bürger latinischen Rechts sind diejenigen, die entweder durch Brief oder unter Freunden oder
durch Beiziehung zur Tischgemeinschaft freigelassen werden” (so gen. Latini Iuniani, aus lex
Iunia, 19 v. Chr.).
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6. peculium - adjektizische Haftung
Kaser, RPR § 15.7; § 49.1-11
* Varro rust. 1,2,17
„... den Sklaven das peculium, denen es die Eigentümer geben, auf dass sie es weiden ...“
** D. 15,1,5,3 (Ulp.29 ed.)
„Peculium heißt es, weil es eine kleine Geldmenge (pecunia) oder ein kleines (pusillum) Vermögen
ist.“
Klage gegen Schuldner
(zB aus Kauf: actio empti)
Klage gegen procurator
(zB aus Kauf
des Freien Titius)
actio quod iussu
(zB aus Kauf
des Sklaven Stichus)
actio de peculio
vel de in rem verso
„Was das betrifft, dass Aulus
Agerius
„Was das betrifft, dass Aulus
Agerius
„Was das betrifft, dass Aulus
Agerius
dem Numerius Negidius,
dem Titius,
eine Toga verkauft hat,
worum es hier geht,
eine Toga verkauft hat,
worum es hier geht,
„Was das betrifft, dass Aulus
Agerius
auf Geheiß (iussu) des
Numerius Negidius
dem Stichus,
als dieser in der Gewalt des
Numerius Negidius war,
eine Toga verkauft hat,
worum es hier geht,
was auch immer deshalb
Numerius Negidius,
was auch immer deshalb
Titius,
dem Aulus Agerius geben
oder tun muss aufgrund der
guten Treue,
dem Aulus Agerius geben
oder tun muss aufgrund der
guten Treue,
was auch immer deshalb
Stichus,
wenn er ein Freier nach dem
Recht der Quiriten wäre,
dem Aulus Agerius geben
oder tun müsste aufgrund der
guten Treue,
was auch immer deshalb
Stichus,
wenn er ein Freier nach dem
Recht der Quiriten wäre,
dem Aulus Agerius geben
oder tun müsste aufgrund der
guten Treue,
dazu, Richter, sollst du den
Numerius Negidius
zugunsten des Aulus Agerius
verurteilen;
dazu, Richter, sollst du den
Numerius Negidius
zugunsten des Aulus Agerius
verurteilen;
dazu, Richter, sollst du den
Numerius Negidius
zugunsten des Aulus Agerius
verurteilen;
wenn es sich nicht erweist,
dann sprich ihn frei!“
wenn es sich nicht erweist,
dann sprich ihn frei!“
wenn es sich nicht erweist,
dann sprich ihn frei!“
dazu, Richter, sollst du den
Numerius Negidius
zugunsten des Aulus Agerius
verurteilen
bis zur Höhe des peculium
(dumtaxat de peculio)
oder auf das, was aus dem
Geschäft in das Vermögen
(in rem) des Numerius
Negidius gelangt (versum) ist;
wenn es sich nicht erweist,
dann sprich ihn frei!“
dem Stichus,
als dieser in der Gewalt des
Numerius Negidius war,
eine Toga verkauft hat,
worum es hier geht,