surround-hörspiel die wunschmaschinen exposé von marcus maeder

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surround-hörspiel die wunschmaschinen exposé von marcus maeder
DIE WUNSCHMASCHINEN EXPOSÉ
SURROUND-HÖRSPIEL
VON MARCUS MAEDER
NACH ANTI-ÖDIPUS – KAPITALISMUS UND SCHIZOPHRENIE I VON GILLES DELEUZE UND FELIX GUATTARI / CAST: ANTONIN ARTAUD, HELENE BARAT, IVAN
CHTCHEGLOV, GUY DEBORD, ELIZA, SIGMUND FREUD, LEOPOLD VON SACHER-MASOCH, WANDA VON SACHER-MASOCH, DER SCHIZO, DANIEL
PAUL SCHREBER, DER UNTERSCHLEIF, GEHEIMRAT WEBER / MUSIK: MARCUS MAEDER NACH NICK CAVE, KRAFTWERK, VELVET UNDERGROUND, RICHARD WAGNER
PRODUKTION: STUDIO FÜR AKUSTISCHE KUNST DES WDR UND DAS INSTITUTE FOR COMPUTER MUSIC AND SOUND TECHNOLOGY DER HMT ZÜRICH
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DIE WUNSCHMASCHINEN
SURROUND-HÖRSPIEL
VON MARCUS MAEDER
NACH ANTI-ÖDIPUS – KAPITALISMUS UND SCHIZOPHRENIE I VON GILLES DELEUZE UND FELIX GUATTARI / CAST: ANTONIN ARTAUD,
HELENE BARAT, IVAN CHTCHEGLOV, GUY DEBORD, ELIZA, SIGMUND FREUD, LEOPOLD VON SACHER-MASOCH, WANDA VON SACHER-MASOCH, DER SCHIZO, DANIEL PAUL SCHREBER, DER UNTERSCHLEIF, GEHEIMRAT WEBER / MUSIK: MARCUS MAEDER NACH
NICK CAVE, KRAFTWERK, VELVET UNDERGROUND, RICHARD WAGNER / PRODUKTION: STUDIO FÜR AKUSTISCHE KUNST DES WDR
UND DAS INSTITUTE FOR COMPUTER MUSIC AND SOUND TECHNOLOGY DER HMT ZÜRICH
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NACH ANTI-ÖDIPUS – KAPITALISMUS UND SCHIZOPHRENIE I VON GILLES DELEUZE UND FELIX GUATTARI / CAST: ANTONIN ARTAUD,
HELENE BARAT, IVAN CHTCHEGLOV, GUY DEBORD, ELIZA, SIGMUND FREUD, LEOPOLD VON SACHER-MASOCH, WANDA VON SACHER-MASOCH, DER SCHIZO, DANIEL PAUL SCHREBER, DER UNTERSCHLEIF, GEHEIMRAT WEBER / MUSIK: MARCUS MAEDER NACH
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HELENE BARAT, IVAN CHTCHEGLOV, GUY DEBORD, ELIZA, SIGMUND FREUD, LEOPOLD VON SACHER-MASOCH, WANDA VON SACHER-MASOCH, DER SCHIZO, DANIEL PAUL SCHREBER, DER UNTERSCHLEIF, GEHEIMRAT WEBER / MUSIK: MARCUS MAEDER NACH
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Die Wunschmaschinen
Anti-Ödipus
Ein Surround- Hörspiel von Marcus Maeder
Nach Anti-Ödipus – Kapitalismus und Schizophrenie I
Von Gilles Deleuze und Félix Guattari
Für den Rundfunk und als akusmatische Uraufführung für 8 Lautsprecher in
einem Kinosaal
Der Anti-Ödipus erschien 1972 als rebellischer, erster Teil von Kapitalismus
und Schizophrenie und verstand sich als Kritik an der Psychoanalyse Freuds
und Lacans. Als philosophische Reaktion auf die Mai-Unruhen von 1968
in Frankreich stellte er die Psychoanalyse und das Konzept von Ödipus
als Instrument der Aufrechterhaltung von (u. a. kapitalistischer) Dominanz
und Repression dar. Der Philosoph Gilles Deleuze und der Psychiater Félix
Guattari gingen von drei Thesen aus: Dass das Unterbewusste wie eine
Fabrik und nicht wie ein Theater funktioniert (es sich also um eine Frage der
Produktion und nicht der Repräsentation im Unbewussten handelt); dass
der Wahnsinn, das Delirium sich auf die politische, historische und soziale
Welt bezieht und nicht der Familie entspringt; und dass das Begehren als
Triebfeder unserer Interaktion mit der Welt innerhalb eines (politischen,
geografischen, gesellschaftlichen) Gefüges erzeugt wird, welches viel
komplexer ist, als das die Psychoanalyse mit der «privaten Bürokratie» des
Familiarismus (Deleuze/Guattari,1980) glauben machen wollte.
Wünschen besteht in Folgendem: Einschnitte machen, bestimmte
Ströme fließen lassen, Stromentnahmen vornehmen, die Ketten
durchschneiden, die sich den Strömen anpassen. (Kapitalismus und
Schizophrenie – Gilles Deleuze im Gespräch mit Vittorio Marchetti,
Tempi Moderni, in: Die einsame Insel, Suhrkamp, 2003)
Wir haben ein Entwöhnungstrauma der beendeten Moderne. Sie hatte
uns durch ihr Glücksversprechen der vernünftigen Welteinrichtung
absolut verpflichtet – nun herrscht Katerstimmung. (Einleitung Ruinen
des Denkens – Denken in Ruinen – Norbert Bolz und Willem van Reijen,
Suhrkamp, 1996)
Der Stoff. Das Hörspiel die Wunschmaschinen nimmt das gleichnamige, erste
Kapitel von Anti-Ödipus/Kapitalismus und Schizophrenie I als Ausgangslage,
um auf Boulevards und in Produktionshallen, durch Psychogeographien und
in Schizotopen – in Künstlerseelen, Momenten der Freiheit und Entgrenzung
bis hin zur Trübsal des Scheiterns umherzuschweifen und Deleuzes/
Guattaris Maschinen des Begehrens, Synonym für unsere immerfort
produzierende, Wirklichkeit herstellende Interaktion mit der Welt, in Betrieb
zu beobachten.
Die Umsetzung. Die Wunschmaschinen wird als Surround-Hörspiel
ambisonisch produziert. Das hat zwei Vorteile: Erstens können aus Ambisonic
die Surround-Sound Formate 7.1, 5.1 wie auch die Stereophonie gebildet
werden; zweitens gestattet Ambisonic bei entsprechender Wiedergabe
die dreidimensionale Gestaltung klanglicher Ereignisse (siehe cinéma pour
l`oreille), so dass sich die Zuhörerinnen in einem vollständig virtuellen Raum
- also mitten im Geschehen - befinden.
Die Partner. Die Wunschmaschinen sollen als Koproduktion einer
Rundfunkanstalt (Produktion), dem Institute for Computer Music and
Sound Technology der Hochschule Musik und Theater Zürich (Infrastruktur:
Aufnahme/Produktion Ambisonics) und einem Kinosaal umgesetzt werden.
Im Anti-Ödipus als erster Gemeinschaftsarbeit von Deleuze und Guattari
entwickelte sich die Arbeitsweise der beiden Autoren dahingehend,
als dass sie einen philosophischen Hypertext (eine «Maschinik») der
unterschiedlichsten Felder der Kultur (Wissenschaften, Literatur, Kunst,
Politik) zu erzeugen begannen. Ihre (Denk-) Arbeit war eine assoziative,
poetische, welche aus der Philosophie heraustrat und Zusammenhänge aus
dem größtmöglichen Gesichtsfeld betrachtete und so den Weg für Tausend
Plateaus, den zweiten Teil von Kapitalismus und Schizophrenie – eines
wahren Begriffe-Kompendiums «postmoderner» Philosophie – bereitete. Im
Anti-Ödipus wie in Tausend Plateaus thematisieren Deleuze und Guattari eine
produktive Welt, in der die Verknüpfungen von Menschen und Maschinen
die konkreten Formen sind, in denen sich das gesellschaftliche Leben
organisiert: Was in den Denkmodellen Deleuzes/Guattaris abgebildet wird,
ist die «fundamentale Mitgegebenheit der Technik in unserer Welt.» (Henning
Schmidgen, 1997)
Die Wunschmaschinen
Dem Repräsentations-«Delirium» der Psychoanalyse setzten Deleuze/
Guattari im Anti-Ödipus die Wunschmaschinen entgegen, ein maschinell
gedachtes Unbewusstes, welches – anders als in der Psychoanalyse – nicht
sprachlich/symbolisch strukturiert ist, sondern über das Begehren mit der
Umwelt interagiert. Deleuze/Guattari gehen dabei nicht vom metaphorischen
Gebrauch des Wortes Maschine aus, sondern eher von einer Hypothese über
ihre Entstehung: der Art und Weise also, wie beliebige Elemente durch ihre
Eigenart dazu gebracht werden, eine Maschine, eine Funktion, ein Gefüge zu
bilden. «Im überbordenden Maschinenvokabular des Anti-Ödipus wird alles
zur Maschine: Das Begehren, die Gesellschaft, die Sprache, der Körper, das
Leben, die Wirtschaft, die Literatur, die Phantasie, die Schizophrenie und der
Kapitalismus» (Schmidgen). Was im Vergleich des Unbewussten mit einer
Maschine zum Ausdruck kommt, sind weder psychische Automatismen
noch andere technisch-maschinelle Funktionsweisen, wie sie in der
Psychologie und Psychopathologie traditionell als Metaphern verwendet
werden, sondern eine «Organisation von heterogenen, materiellen und
körperlichen Fragmenten, die gemäß einem merkwürdigen Ideal des
Kaputten zusammen funktionieren: Maschinen des Unbewussten, die mit
dem Unbewussten der Maschinen in Verbindung stehen» (Schmidgen).
Die von der russischen, künstlerischen Avantgarde inspirierte
«Maschinenlehre» von Deleuze/Guattari besagt, dass wir/unser Unbewusstes
in Interaktion mit unserer Umwelt (und diese wiederum mit uns) «Maschinen»,
Gefüge, Ensembles bilden. Wenn sie von Wunschmaschinen sprechen, geht
es ihnen um eine «Technologie des Wunsches» (Foucault), um aufzuzeigen,
wie sehr die Welt, die Dinge und Personen in ihr Teil unserer Wünsche und
unseres Begehrens sind, und dass diese schlussendlich Weltwahrnehmung
und -Handlung konstituieren. Die Wunschmaschinen sollen sich nach
Deleuze/Guattari vom Joch des Ödipus befreien und auf konnektivistische
Weise die Politik, die Ökonomie, die Kunst, das Sozialleben zu einer anderen
Sicht der Zusammenhänge, zu einer neuen Welt verbinden; sie verkörpern
die sich gegen jede hierarchisierende Organisation wehrende Anarchie des
Wunsches.
Die Situationisten, Mai 68 und Ödipus
Der Anti-Ödipus sucht die Hintergründe der Mai-Unruhen 1968 in Frankreich
psychologisch und philosophisch zu ergründen. Eine Künstlergruppe, die
Situationistische Internationale, sorgte im Vorfeld der Revolte von 68 mit
ihrem Kampf gegen die «kapitalistische Entfremdung» in der Gesellschaft
und ihrer Forderung nach der Einheit von Kunst und Leben, respektive der
Aufhebung der Kunst und der Schaffung von neuen (Lebens-)Situationen für
Unruhe unter den Studenten in Nanterre und wenig später an der Sorbonne.
Den Beginn der Studentenunruhen und die Besetzung der Sorbonne
markierten situationistische Slogans an den Hauswänden von Paris wie
«Ne travaillez jamais» oder «Ni dieu ni maître!». Was zu Beginn ein Aufstand
gegen eine Elterngeneration war, welche sich der Besitzstandswahrung
nach dem Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg verschrieben hatte,
entwickelte sich mit dem Generalstreik der französischen Arbeiterschaft
und der Solidarität der Bevölkerung mit den Demonstrierenden schnell zu
einem generellen Aufstand gegen den konservativen Staat De Gaulles. Das
Ende dieses «Moments der Freiheit» ist bekannt – mit polizeilicher Gewalt,
ein paar Reformen im Bildungswesen und Lohnerhöhungen in den Fabriken
– erreicht durch die opportunen wie mächtigen Gewerkschaften – wurde die
Ordnung wiederhergestellt und in den darauf folgenden Parlamentswahlen
die Gaullisten mit noch größerer Mehrheit wiedergewählt. Die «barbarische
Despotenmaschine» (Deleuze/Guattari, 1972) hatte sich durchgesetzt, oder
wie Deleuze/Guattari im Vorwort der italienischen Ausgabe von Tausend
Plateaus schrieben: «Der Erfolg vom Anti-Ödipus ist von einem noch
größeren Scheitern begleitet worden; (...) die Reaktion auf 68 zeigte, wie
stark Ödipus noch in der Familie war und wie er weiterhin in der Literatur,
in der Psychoanalyse und überall im Denken sein Regime der kindlichen
Weinerlichkeit ausübte».
Die Figuren
Prototypisch für diejenigen, welche ihre Wunschmaschinen «befreit»
– freigesetzt haben, tauchen bei Deleuze/Guattari Künstler, Schriftsteller
und als entgrenzte, «universelle Produzenten» die «Schizos» auf. Sie alle
begleitet das Scheitern an den «Verhältnissen» – am Leben, am Selbst, den
Anderen, dem «despotischen Signifikanten» (Deleuze/Guattari, 1972) – am
uneingelösten Begehren nach Freiheit. Die Befreiung der Wunschmaschinen
scheint überall in Abgründen zu enden; die Freiheit (der Infragestellung
aller Werte) im «Menschenpark» (Sloterdijk, 1999) ein äußerst kurzzeitiges,
flüchtiges Gut zu sein.
Antonin Artaud
Schluss mit dem Gottesgericht – Das Theater der Grausamkeit war eines
der letzten Werke des französischen Autors und Schauspielers Antonin
Artaud vor seinem frühen Tod 1948. Es wurde als Hörspiel verfasst und für
den französischen Rundfunk produziert, welcher es jedoch kurz vor seiner
Erstausstrahlung absetzte. Das künstlerische Schaffen Artauds war immer
wieder davon bedroht, auf Zeugnisse eines Geisteskranken reduziert zu
werden, da er seine letzten Lebensjahre aufgrund einer schizophrenen
Erkrankung und seiner Drogenabhängigkeit in «Irrenanstalten» verbrachte.
Artaud wollte mit den Wort- und Lautschöpfungen seiner Poesie der
gegebenen Sprache die Kontrolle und Normierung entziehen – die Sprache
solle mit Blut geschrieben und aus Angst entstanden bzw. geboren sein. Die
Sprache des Theaters der Grausamkeit müsse brutal, zerstörerisch und so
reinigend sein: Sie solle nicht mehr dem logischen Diskurs von Autor und
Regisseur untergeordnet sein, sondern Klänge, Betonungen, Intensitäten
und Schreie als «Fleisch des Wortes» freilegen. Es war wenig verwunderlich,
dass das Hörspiel vom Leiter der Rundfunkanstalt abgesetzt wurde. In
der Folge wurde die Tonbandaufnahme von Pour en finir...» für rund 300
geladene Gäste in einem ehemaligen Kino aufgeführt.
Die Metapher des «organlosen Körpers», eines zentralen Begriffs im AntiÖdipus, stammt von Antonin Artaud. Er verfolgte damit in Schluss mit dem
Gottesgericht – Das Theater der Grausamkeit die Idee eines selbstkreierten
Körpers, welcher nicht mehr dem Physiologismus der Organe unterliegen
würde. Der so erneuerte Körper unterläge dann nicht mehr dem anatomischen
Determinismus und würde so reine Willenskraft. Der organlose Körper
korrespondiert einerseits mit Artauds Idee einer neuen Sprache, welche die
«Einheit von Denken, Geste und Handlung wieder herstellt» (Arnim Thakkar-
Scholz, 2004), andererseits reiht er sich in eine lange Reihe von CyborgMetaphern ein. Weiter repräsentieren die Organe bei Artaud wie bei Deleuze/
Guattari den funktionalen Organismus als hierarchische Organisation und
sind somit verwerfenswert: Der organlose Körper ist das unorganisierte,
präexistierende Begehren selbst (Deleuze/Guattari, 1972).
Présentation de Sacher-Masoch
Eigentlich ist nur ein Werk von Leopold von Sacher-Masoch einer breiteren
Öffentlichkeit bekannt: Die Venus im Pelz, eine Schilderung der Gefühle, die
ein Sklave mit seiner Herrin, die ihn in ihrer «Domina»-Rolle als «Venus im
Pelz» physisch und psychisch quält, erlebt. Der Psychiater und Neurologe
Richard Krafft-Ebing leitete anhand dieser und anderer Erzählungen in
Sacher-Masochs Werk den Begriff «Masochismus» als Gegenpart zum
Sadismus ab und bildete so ein korrelatives Paar in seiner «Psychopathia
sexualis», welches dann auch in der Psychoanalyse Verwendung fand.
Deleuze widersprach hingegen in seiner «Présentation de Sacher-Masoch»
(1967) der gegenseitigen Bedingtheit von Sado- und Masochismus, denn
eigentlich ist der «König Maso» (Deleuze/Guattari, 1980), immer derjenige,
der entscheidet, wie ihm mitgespielt werden soll. Sacher-Masoch schloss
zu diesem Zweck eigentliche Verträge mit seinen Peinigerinnen ab, worin Art
und Dauer der Quälereien genau beschrieben waren. Deleuze und Guattari
schreiben in Tausend Plateaus/Wie verschafft man sich einen organlosen
Körper? dazu: «Das ist kein Phantasma, sondern ein Programm: es gibt einen
wesentlichen Unterschied zwischen der psychoanalytischen Interpretation
des Phantasmas und dem anti-psychoanalytischen Experiment des
Programms. (...) Schmerzen sind Populationen, Meuten, Gewohnheiten des
König-Maso in der Wüste, die er entstehen und wachsen lässt.»
Daniel Paul Schrebers Bemühungen, unangetastet zu bleiben:
Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken.
Der an Schizophrenie erkrankte Senatspräsident Schreber, Sohn des
Schrebergarten-Schrebers, entwickelte um die Jahrhundertwende eine recht
literarische Strategie, seiner Unmündigkeitserklärung infolge Wahnsinns
entgegenzutreten. Als ehemaliger Gerichtspräsident wusste er, dass er für
ein erfolgreiches Verfahren zu seiner Reintegration in die Gesellschaft mit
Fakten belegen musste, dass er durchaus in der Lage war, sich in seinem
Wahn zu erkennen. Dazu verfasste er ein rund 400-seitiges Werk mit
Selbstbeobachtungen, die Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken, worin er
detailliert seine Visionen und Halluzinationen und das hochkomplexe System
seines Wahns beschrieb; Analysen wagte. Die Denkwürdigkeiten sind nicht
nur ein einzigartiges Dokument eines psychotischen Wahnsystems, sondern
belegen im Rückblick vor allem eines: Die Visionen und Interpretationen
Schrebers finden in den technologischen Errungenschaften sowie in der
damaligen, aufkommenden Mode des Spiritismus ihre Entsprechung. Der
Wahn Schrebers hatte nicht nur System, er war eine Produktion im Gefüge
der ihn umgebenden Wirklichkeit, er widersetzte sich durch seine eigene
Gnostik den herrschenden „Axiomen des Kapitalismus, welcher seinerzeit
von Elektrochemie, Monopolisierung und Imperialismus geprägt war.»
(Wolfgang Hagen, 2001)
Guy Débord, Ivan Chtcheglov
Der Künstler, Filmer und Autor Guy Débord war das eigentliche Mastermind
hinter der Künstlergruppe Situationistische Internationale. In seinen
Experimentalfilmen, etwa in Geheul für de Sade bezog er die Reaktionen
des Publikums wie auch den Kinosaal ins Drehbuch mit ein – minutenlange
Pausen bei weißer oder schwarzer Leinwand (für das Geheul, die Proteste
des Publikums gedacht) wurden mit aus dem Off gesprochenen Auszügen
aus Gesetzestexten und Zitaten zu Jugend und Revolution kombiniert.
Débord wollte die Kunst durch Lebenskunst ersetzt haben, wollte Situationen
schaffen, in denen die Welt und das Leben anders denk- und realisierbar
wären. Der Panegyrikus, erster und einziger Band einer Autobiographie
Débords, beginnt mit dem bezeichnenden Satz: «Mein ganzes Leben habe
ich nur unruhige Zeiten gesehen, äußerste Zwietracht in der Gesellschaft
und ungeheure Zerstörungen; ich war an diesen Unruhen beteiligt.» Einer
der letzten Filme von Débord nahm sich ein bekanntes Palindrom, den so
genannten «Vers des Teufels» In girum imus nocte et consumir igni zum Titel.
Dieser bedeutet so viel wie «Wir gehen nachts im Kreis und werden vom
Feuer verzehrt» und lässt sich vorwärts wie rückwärts lesen – die treffende
Parabel eines prekären (Künstler-) Lebens.
Gilles Ivain alias Ivan Chtcheglov verfasste 1953 als blutjunges Mitglied der
Lettristen, einer Vorläufer-Bewegung der Situationistischen Internationalen,
das Formular für einen neuen Urbanismus. Dieses inspirierte einige der
Theorien der S. I. und beschrieb bereits Phänomene und Praxis, welche
dann von den Situationisten unter dem Begriff Psychogeographie verhandelt
wurden. Chtcheglov verbrachte lange Jahre in einer psychiatrischen
Anstalt, in die er von seiner Frau eingewiesen wurde, nachdem er den
Eiffelturm sprengen wollte, da dieser ihm die Aussicht aus seiner Wohnung
versperrte.
Nebenfiguren
Der Name der Figur Eliza ist eine Reverenz an das von Joseph Weizenbaum
1966 entwickelte Computerprogramm gleichen Namens, welches die
Möglichkeiten der Kommunikation zwischen einem Menschen und einem
Computer über die Sprache aufzeigen sollte. Eliza nahm in einer «ChatSituation» die Rolle einer Psychotherapeutin an, welche mit einer realen
Testperson ein therapeutisches Gespräch führte und nach einem gewissen
Schema, welches sich an den Aussagen des Patienten orientiert, Fragen
stellte. Fast niemand von den Probanden merkte, dass er/sie sich mit
einem Computer unterhalten hatte – die Testpersonen waren sogar davon
überzeugt, dass die «Gesprächspartnerin» ein tatsächliches Verständnis für
ihre Probleme aufbrachte. Weizenbaum war erschüttert über diese Reaktionen
auf sein Programm, vor allem, weil praktizierende Psychiater ernsthaft daran
glaubten, damit zu einer automatisierten Form der Psychotherapie gelangen
zu können.
Der Unterschleif ist ein im bayerischen Schul- und Universitätsrecht
verwendeter Begriff, der die Benutzung einer unerlaubten Hilfe während
einer Prüfung bezeichnet. Unterschleif steht weiter generell für eine
Unterschlagung. Der Unterschleif verkörpert als Titelansagerin in den
Wunschmaschinen die Stimme der technischen Maschine, ist der Deus
ex Machina und ist als sprechende Computersoftware das synthetische
Pendant zu Eliza. (Beschriebe zitiert nach www.wikipedia.org, 2006)
Umsetzung
Surround: Ambisonics
Deleuze und Guattari entwickelten ihren Text in einer Art Cut-up Technik,
welche ich für die Textgrundlage des Hörspiels aufgreife. Ausgehend
von den zentralen Figuren und Themen des Anti-Ödipus – spezifisch der
Wunschmaschinen – wird ein eklektischer Cut-up (vom Cut-up ausgehend)
generiert, ein hör- und erlebbarer Hypertext erstellt, eine Maschine aus
und mit den Wunschmaschinen gebaut und in Betrieb genommen – das
Rhizom der Wunschmaschinen wird zum Weiterwuchern angeregt. Deleuze
und Guattari sagen hierzu in Tausend Plateaus/Rhizom: «Es gibt keinen
Unterschied zwischen dem, wovon ein Buch handelt, und der Art, in der es
gemacht ist. Deshalb hat ein Buch auch kein Objekt. Als Gefüge besteht es
nur in Verbindung mit anderen Gefügen, durch die Beziehung zu anderen
organlosen Körpern. Man frage nie, was ein Buch sagen will, ob es nun
Signifikat oder Signifikant ist; man soll in einem Buch nicht etwas verstehen,
sondern sich vielmehr fragen, womit es funktioniert, in Verbindung mit was
es Intensitäten eindringen lässt oder nicht, in welche Mannigfaltigkeiten es
seine eigene einführt und verwandelt, mit welchen organlosen Körpern es
seinen eigenen konvergieren lässt.»
Die Raumklangtechnologie Ambisonics wurde in den 1970er Jahren vom
britischen Mathematiker Michael Gerzon entwickelt. Ursprünglich handelte
es sich um eine besondere Mikrofontechnik, mit der eine mehrkanalige
Aufnahme erstellt wird, welche die räumliche Information des Schallfeldes
trägt und schließlich über ein Lautsprechersystem derart wiedergegeben
werden kann, dass sich der Eindruck dreidimensionalen Hörens einstellt.
Zur Wiedergabe wird ein Decoder benötigt, der die Signale für die einzelnen
Lautsprecher errechnet. Tatsächlich handelt es sich hier um eine große
Stärke, die Ambisonics gegenüber anderen Raumklangtechniken hat: Man
ist an keine fixe Lautsprecherkonfiguration gebunden. Bleibt man innerhalb
vernünftiger Grenzen, was Minimalzahl und Symmetrie angeht, ist man frei in
der Anordnung der Lautsprecher und kann sie den jeweiligen Gegebenheiten
und der Form des Raumes anpassen.
Dramaturgisch ahmt das Hörspiel das Umherschweifen der Situationisten,
den Trip des Schizophrenen durch akustische Topografien nach. Der
Hauptprotagonist – der Schizo, das Alter Ego Deleuze/Guattaris – ist
dabei nicht nur ins Spiel involvierter Begleiter und Kommentator, sondern
«Handlungsträger» im fast wörtlichen Sinn. Er trägt das Mikrofon von A
nach Z, von einem Ort des Geschehens zum nächsten: Sei dies durch die
Psychogeographie der Pariser Boulevards oder über den Kiesweg im Park
einer Klinik. Akustische Dynamik und Authentizität des «Field Recordings»
soll tragendes und den Trip unterstreichendes Gestaltungsmittel sein.
Die Hörerin, der Hörer soll direkt in das Hörspiel «involviert» sein. Die
Wunschmaschinen wird in Surround umgesetzt, das Hörspiel findet in
virtuellen und real aufgezeichneten, akustischen Räumen statt. Produzieren
in Surround bedingt eine andere Aufnahmetechnik als in der Stereophonie.
Es wird mittels eines Soundfield-Mikrofons, welches neben der Schallquelle
(Sprecher, Handlung) auch die räumlichen Informationen (Ausbreitung,
Reflektionen, Geräusche Umfeld) dreidimensional mitaufzeichnet,
aufgenommen. Das heißt, dass Teile der Handlung in realen Räumen mit
realen Aktionen der Akteure/SprecherInnen, also ähnlich einem Filmset,
aufgezeichnet werden.
Zu den weiteren vorteilhaften Eigenschaften von Ambisonics zählt die
Tatsache, dass keine Raumrichtung bevorzugt wird. Dies im Gegensatz
zu Raumklangtechniken, die im Zusammenhang mit dem Film entwickelt
wurden und eindeutig nach vorne zur Bildfläche hin ausgerichtet sind.
Ferner ist bei Ambisonics der Bereich, in dem sich das optimale räumliche
Klangempfinden einstellt – der „sweet spot“ – merklich größer als bei anderen
Formaten. In der Tat mag es für den Heimgebrauch reichen, wenn dieser
bloß einer Person Platz bietet, für öffentliche Aufführungen sollte aber auch
einer umfangreicheren Zuhörerschaft ein überall ähnlich gutes Hörerlebnis
geboten werden.
Ambisonics am Institute for Computer Music and Sound Technology
Das Institute for Computer Music and Sound Technology ICST der
Hochschule Musik und Theater Zürich HMT wurde im Januar 2005 ins Leben
gerufen. Als Folge der Gründung von Fachhochschulen in der Schweiz
wurde vom Bund an die neuen Schulen ein Forschungsauftrag gerichtet.
Forschung im Bereich der Computermusik – an der HMT schon seit Jahren
betrieben – erhielt mit dem neuen Institut ein größeres Gewicht und einen
festen Rahmen. Das Institut ist in die beiden Abteilungen Computer Music
und Sound Technology gegliedert. Ein besonderes Gewicht liegt auf
Forschungsprojekten, in welchen diese beiden Bereiche zusammenwirken.
In der Regel geht es im Bereich der Computermusik um die Entwicklung
von Werkzeugen für die musikalische Komposition, während die AudioForschung meistens von der Musikindustrie getragen wird mit dem Ziel
kommerzielle Produkte herzustellen. Das ICST ist eine der weltweit wenigen
Institutionen, die sich vorgenommen haben, diese verwandten Gebiete
näher zusammenzuführen.
Seit 1999 finden im Rahmen des Forschungsprogramms der Hochschule
Musik und Theater Zürich Arbeiten auf dem Gebiet der räumlichen
Klangprojektion für den Konzertsaal statt. Anwendungen sind entwickelt
worden zur interaktiven Kontrolle von Schallquellen im virtuellen Raum,
teilweise in Zusammenarbeit mit der Universität von York. Das Institut verfügt
über einen reichen Erfahrungsschatz in der Aufführung von ambisonischen
Konzerten. Zu erwähnen ist hier die mobile Ambisonics-Anlage, ein
Wiedergabesystem, das in seinen Möglichkeiten und seiner Flexibilität auf
die anspruchsvollen Erfordernissen ambisonischer Konzerte zugeschnitten
wurde.
Ein weiteres Forschungsgebiet des ICST, im speziellen des Leiters der
Abteilung Sound Technology und Vice President des Technical Commite
der Audio Engineering Society AES, Dr. Markus Erne, ist die mehrkanalige
Audiocodierung, wo mittels binauraler Analyse und Synthese via Internet
auf ein 5.1 Heimkinosystem gestreamt/übertragen werden kann: «Mit
Binaural Cue Coding wurde ein System entwickelt, mit dem Mehrkanalton
über eine Mono- oder Stereo-Übertragungsstrecke überragen werden
kann. Dieses Verfahren wurde kürzlich von der ISO im Rahmen der MPEGStandardisierung als MP3-Surround in den MPEG-Standard aufgenommen
und erfreut bereits großer Beliebtheit», hielt Erne kürzlich anlässlich einer
Präsentation von Binaural Cue Coding fest.
Cinéma pour l‘oreille: Akusmatische Aufführungen
Die Ursendung der Wunschmaschinen wird gleichzeitig als akusmatische
Uraufführung in einem Kinosaal geplant. Das heißt, dass neben den für die
Verbreitung über den Rundfunk aufbereiteten Stereo- und 5.1-Versionen
die «Vollversion» – also die ambisonische Surround-Aufführung für 8
Lautsprecher, die im Saal aufgestellt werden – als Uraufführung und danach
während einiger Tage im Kino gespielt wird. Für eine Aufführung/Ursendung
aus dem Kinosaal sprechen neben der fast idealen, akustischen Situation
(nicht alle haben ein 5.1-System zu Hause, der Saal ist schon für mehrkanalige
Beschallung eingerichtet) auch noch weitere Aspekte/Bezüge:
Der Begriff «Cinéma pour l’oreille» ist in den 60er Jahren in Frankreich
aufgetaucht und bezeichnete Aufführungen von elektroakustischer Musik
in einem Saal mittels Lautsprecher, also sozusagen in einem Kino ohne
Projektionsfläche. Die «kinematographische» Komposition von Klängen
oder Aufnahmen, also der Einbezug von Bewegung und Raum in der Musik
– hat eine lange Tradition, welche weit über die Elektroakustische Musik
zurückreicht; schließlich operieren viele Orchesterwerke mit räumlicher
Platzierung von Instrumenten und Instrumentengruppen.
In diesen Zusammenhang ist auch die akusmatische Musik zu stellen.
Den Begriff übernahm der französische Pionier der Musique Concrète,
Pierre Schaeffer, 1973 von François Bayle. Er wollte so die Aufführung
seiner Musik von derjenigen der Elektroakustischen Musik unterscheiden.
Elektroakustische Musik wurde auf recht «traditionelle» Weise mittels
Instrumenten (Synthesizer, Ondes Martenot, Realtime-Computersysteme) und
meistens durch Interpreten aufgeführt. François Bayle führte demgegenüber
den Ausdruck «musique acousmatique» ein, um eine Musik zu bezeichnen,
welche im Studio entwickelt worden ist, um dann in einem Saal aufgeführt
zu werden, ähnlich wie dies beim Film – im Kino – geschieht. Es handelt
sich dabei also um Kompositionen, welche auf einem Tonträger realisiert
sind (Tonband, Datenträger), so wie ein Film auf Zelluloid festgehalten
ist. Die akusmatische Musik ist Tonbandmusik – sie wird ausschließlich
über ein Lautsprecher-«Orchester» aufgeführt, ohne die Partizipation von
Instrumenten oder Interpreten/Sängern. Diese Aufführungsform trifft umso
mehr auf das Hörspiel zu, falls dieses denn woanders als in den eigenen vier
Wänden gehört wird.
Sehr wünschbar wäre natürlich, dass aus dem Aufführungs-Experiment
mit den Wunschmaschinen eine eigentliche Reihe von akusmatischen
Aufführungen von Hörspielen wie auch von Surround- Musik entstände.
Obwohl schon über 3.5 Millionen Haushalte im deutschsprachigen Raum
über ein 5.1-Heimkinosystem verfügen, über welches natürlich auch «nur»
Hörspiel oder Musik gehört werden kann, ist der öffentlichen Aufführung
nicht genug Gewicht beizumessen, um exemplarisch mit einer sehr guten
Anlage die Möglichkeiten des Surround-Hörens vorzuführen.
Das erweiterte Radio
Neben der Ausstrahlung über den Rundfunk soll für die Uraufführung ein
mehrkanaliger Livestream des Hörspiels via Internet initiiert werden. Dieser
wird im Rahmen des Webradio-Forschungsprojekts der beiden Schulen
Hochschule Musik und Theater und Hochschule für Gestaltung und Kunst
in Zürich entwickelt, aufgesetzt und getestet. Hierbei kommt Binaural
Cue Coding-Technologie zum Einsatz. Sinnvoll wäre eine Homepage
mit zusätzlichen Informationen zum Material und den Figuren der
Wunschmaschinen. Dort könnten dann später auch Podcasts der einzelnen
Kapitel zum Download angeboten werden.
Partner und Ressourcen
Erprobenswert wäre der Aufbau eines kleinen, internationalen SurroundAufführungs-Netzwerks: Veranstaltungs-/Kinosäle in anderen Städten
oder einfach die gute Stube mit ein paar Freunden zu Besuch und ein
Mehrkanal-Audiosystem plus schnelle Internet-Leitung könnten hier zu den
Subskribenten gehören. Wir möchten die Option der Teilnahme am Aufbau
eines Netzwerks auf der Homepage des Hörspiels anbieten – zusammen mit
den technischen Bedingungen/Anleitungen zum Betrieb und Empfang des
Surround-Hörspiels.
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Studio für Akustische Kunst, WDR
Gesamtverantwortung Produktion
Clearing Rechte
Engagement Autor und Schauspieler/Sprecher
Ausstrahlung Surround/Stereo
Institute for Computer Music and Sound Technology:
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Ambisonische Aufnahmen: Technologie und Personal
Ambisonische Produktion des Hörspiels
Entwicklung/Umsetzung Live-Streaming Surround
Inhaltsübersicht Hörspiel Die Wunschmaschinen
1. La psychogéographie: Etwas Theorie des Umherschweifens – Le dérive
– Die Maschinen sind überall
«Die Psychogeographie beschäftigt sich mit der Erforschung der
Gesetze und der genauen Wirkungen einer bewusst oder unbewusst
gestalteten geographischen Umwelt, welche nach den Situationisten
einen direkten Einfluss auf das Gefühlsverhalten ausübt. Gängigstes
Verfahren beim Erkunden von Wirkungen psychogeographischer Natur
ist das Umherschweifen – le dérive – durch eine urbane Topologie.
Vom Standpunkt des Umherschweifens aus haben die Städte ein
psychogeographisches Profil, bestehend aus beständigen Strömen,
festen Punkten und Strudeln, die den Zugang zu gewissen Zonen
bzw. den Ausgang daraus erschweren oder vereinfachen.» Zitiert
nach Uschi66 – Führer für alle, Berlin
2. Die Maschinen: Telefonie 1: Ivan und Eliza – Telefonie 2: Das Netz –
Wunsch Maschine (Musik)
«Die Maschinen sind immer schon da, unaufhörlich produzieren wir sie,
lassen sie laufen, weil sie Wunsch, Wunsch wie er ist, sind – obgleich
es der Künstler bedarf, ihre autonome Präsentation sicherzustellen.
Die Wunschmaschinen stecken nicht in unserem Kopf, sind keine
Produkte der Einbildung, sondern existieren in den technischen und
gesellschaftlichen Maschinen selbst. (...) Wir bevölkern die technischgesellschaftlichen Maschinen mit Wunschmaschinen, dazu und zu
nichts anderem sind wir in der Lage.» Programmatische Bilanz für
Wunschmaschinen, in: Anti-Ödipus – Kapitalismus und Schizophrenie
I – Gilles Deleuze & Félix Guattari, Suhrkamp, 1972
3. Wie schafft man sich einen organlosen Körper? Schmerzen sind
Populationen: In der Hacienda – Pavor nocturnus – König Maso – Venus in
Furs (Musik) – OrganTalk
«Der oK ist das Immanenzfeld des Begehrens, die dem Begehren eigene
Konsistenzebene (dort, wo das Begehren als Produktionsprozess
definiert wird, ohne Bezug auf irgendeine äußere Instanz, einen
Mangel, der das Begehren vertieft, eine Lust, die es erfüllt). (...) Der
Masochist hat ein ganzes Gefüge geschaffen, das Immanenzfeld des
Begehrens zugleich absteckt und ausfüllt, und das mit ihm, dem Pferd
und der Domina einen organlosen Körper oder eine Konsistenzebene
bildet.» Wie schaffen wir uns einen organlosen Körper?, in: Tausend
Plateaus – Gilles Deleuze und Félix Guattari, Merve, 2002
4. Schizotope: Anus solis – Disputatio – Das Züngeln der Flammen – Im
Seminarraum – À la poubelle – Die Fabrik und das Theater
«... Sondern eher jener von allen Formen und Ausprägungen des
Lebens ergriffene Mensch, dem selbst Sterne und Tiere zur Bürde
aufgegeben sind und der nie aufhören wird, eine Organmaschine an eine
Energiemaschine anzuschließen, oder einen Baum in seinen Körper,
eine Brust in den Mund, die Sonne in den Hintern einzuführen, ewiger
Verwalter der Maschinen des Universums.» Die Wunschmaschinen,
in: Anti-Ödipus – Kapitalismus und Schizophrenie I – Gilles Deleuze &
Félix Guattari, Suhrkamp, 1972
5. Die Produktion der Produktion: «Und», «und dann» – Maschine der
Maschine – Keins – der Tod – Chor der Apparate
«Die Regel, immerfort das Produzieren zu produzieren, dem
Produkt Produzieren aufzusetzen, definiert den Charakter der
Wunschmaschinen: (...)» Die Wunschmaschinen, in: Anti-Ödipus
– Kapitalismus und Schizophrenie I – Gilles Deleuze & Félix Guattari,
Suhrkamp, 1972
6. Die Frage stellt sich...: – Musik
«Wer bin ich? Woher komme ich? Ich bin Antonin Artaud, und wenn
ich es sage, wie ich es kann, werden sie auf der Stelle meinen jetzigen
Körper zersplittern und sich unter zehntausend notorischen Aspekten
einen neuen Körper zusammenraffen sehen, in dem sie mich nie mehr
vergessen können.» Postskriptum, in: Schluss mit dem Gottesgericht
– das Theater der Grausamkeit – Antonin Artaud, Matthes & Seitz,
2002
7. Leben mit Pop: Kapitalistischer Realismus – ... Und grüsse alle, die mich
kennen – Actualités – Das Reale ist künstlich – Zehn Tage Glück
«Das Konzept der Aktion lautet: a) Ausstellen des gesamten
Möbelhauses ohne Veränderung b) In separatem Ausstellungsraum als
Komprimierung der Demonstration: Aufstellung eines durchschnittlichen
Wohnzimmers in Funktion, d. h. bewohnt; dekoriert mit den jeweiligen
Utensilien, Speisen, Getränken, Büchern, Hauskram und den beiden
Malern. Die einzelnen Möbel werden in der Art von Plastiken auf
Sockel gestellt, ihre natürlichen Abstände von einander werden
vergrößert, um ein Ausgestelltsein zu verwirklichen. «Zur Eröffnung
am 11. Okt. 1963 um 20 Uhr fand dann die ›Demonstration‹ statt, in
deren Verlauf die Besuchern in Gruppen nach Nummer aufgerufen
und eingelassen werden. Der Fernseher zeigte dabei pünktlich zu
Beginn die Tagesschau, dann den Beitrag «Die Ära Adenauer». Leben
mit Pop. Eine Demonstration für den Kapitalistischen Realismus –
Eine Aktion von Gerhard Richter und Konrad Lueg, 1963, auf: www.
medienkunstnetz.de
8. Aus der Seele der Künstler und Schriftsteller: Lost again – am Meer
– Ausspucken – Feste – unsre Heimat ist nicht hier! (Musik)
«A b e n d r ö t h e d e r K u n s t. – Wie man sich im Alter der Jugend
erinnert und Gedächtnissfeste feiert, so steht bald die Menschheit zur
Kunst im Verhältniss einer rührenden Erinnerung an die Freuden der
Jugend. Vielleicht dass niemals früher die Kunst so tief und seelenvoll
erfasst wurde, wie jetzt, wo die Magie des Todes dieselbe zu umspielen
scheint. (...) Den Künstler wird man bald als ein herrliches Ueberbleibsel
ansehen und ihm, wie einem wunderbaren Fremden, an dessen Kraft
und Schönheit das Glück früherer Zeiten hieng, Ehren erweisen,
wie wir sie nicht leicht Unseresgleichen gönnen. Das Beste an uns
ist vielleicht aus Empfindungen früherer Zeiten vererbt, zu denen wir
jetzt auf unmittelbarem Wege kaum mehr kommen können; die Sonne
ist schon hinuntergegangen, aber der Himmel unseres Lebens glüht
und leuchtet noch von ihr her, ob wir sie schon nicht mehr sehen.»
Aus der Seele der Künstler und Schriftsteller, in: Menschliches, allzu
Menschliches – Friedrich Nietzsche, dtv, 1999
Sprecher/innen:
Sprecher 1: Der Schizo
Sprecher 2: Artaud
Sprecher 3: Ivan, Mann Paar, Student
Sprecherin 4: Eliza, Frau Paar, Studentin, Moderatorin, Chor der Apparate
Sprecher 5: Sacher-Masoch, Doktor Weber
Sprecher 6: Schreber
Sprecherin 7: Wanda, Doktor Barat, Chor der Apparate
Sprecher 8: Doktor Freud, Guy
Unterschleif: Synthetische Computerstimme
Musik:
- Mensch Maschine – Kraftwerk, Coverversion
- Venus in Furs – Velvet Underground & Nico, Coverversion
- Red Right Hand – Nick Cave and the Bad Seeds, Coverversion
- Im Treibhaus – Wagner/Wesendonck, Coverversion
Literatur
Kontakte
Artaud, Antonin: Schluss mit dem Gottesgericht, Matthes & Seitz Verlag,
2002
Bolz, Norbert/van Reijen, Willem: Ruinen des Denkens, Denken in Ruinen,
Suhrkamp, 1996
Débord, Guy: Panegyrikus, Edition Tiamat, 1997
Débord, Guy: Potlatch, Edition Tiamat, 2002
Deleuze, Gilles/Guattari, Félix: Anti-Ödipus, Suhrkamp, 1974
Deleuze, Gilles/Guattari, Félix: Tausend Plateaus, Merve, 1997
Deleuze, Gilles: Die einsame Insel, Suhrkamp, 2003
Deleuze, Gilles: Kritik und Klinik/Aesthetica, Suhrkamp, 2000
Deleuze, Gilles: Présentation de Sacher-Masoch, Les éditions de minuit,
1967
Deleuze, Gilles: Schizophrenie und Gesellschaft, Suhrkamp, 2005
Feyerabend, Paul: Wissenschaft als Kunst, Suhrkamp, 1984
Hagen, Wolfgang: Radio Schreber, VDG Verlag, 2001
Härle, Carl-Clemens: Karten zu «Tausend Plateaus», Merve, 1993
Matheus, Bernd: Die Legende des Saint Arto, in: Lettre Internationale – die
Kulturzeitschrift Europas, No. 57
Nietzsche, Friedrich: Menschliches, Allzumenschliches, Ausgabe Colli/
Montinari, dtv, 1999
Ohrt, Roberto: der Beginn einer Epoche – Texte der Situationisten, Edition
Nautilus, 1995
Von Sacher-Masoch, Leopold: Venus im Pelz, Belleville/Neue Galerie am
Landesmuseum Johanneum, 2003
Von Schlichtegroll, Carl Felix: Wanda ohne Maske und Pelz, Leipziger
Verlag, 1906
Schmidgen, Henning: Das Unbewusste der Maschinen, Wilhelm Fink
Verlag, 1997
Schreber, Daniel Paul: Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken, Kadmos,
2003
Sloterdijk, Peter: Regeln für den Menschenpark, Suhrkamp, 1999
Sloterdijk, Peter: Das Menschentreibhaus, VDG Verlag, 2001
Zizek, Slavoj: Körperlose Organe, Suhrkamp, 2005
Thakkar-Scholz, Arnim: Die Schizoanalyse von Félix Guattari und Gilles
Deleuze, Verlag die Blaue Eule, 2004
Vienet, René: Wütende und Situationisten in der Bewegung der
Besetzungen, Edition Nautilus, 1977
Marcus Maeder
Schöneggstrasse 5
CH–8004 Zürich
T/F +41 (0)1 241 59 52
Mobile +41 (0)78 841 93 68
[email protected]
www.domizil.ch/marcus_maeder
Institute for Computer Music and Sound Technology
Hochschule Musik und Theater Zürich HMT
Baslerstrasse 30
CH–8048 Zürich
+41 (0)43 305 45 05
[email protected]
www.icst.net