Predigt über Matthäus 5, 13-16 20.9.2009 – 15. S. n. Trinitatis
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Predigt über Matthäus 5, 13-16 20.9.2009 – 15. S. n. Trinitatis
Predigt über Matthäus 5, 13-16 20.9.2009 – 15. S. n. Trinitatis – Nicolaikirche Lemgo, zum Tag der Gossner-Mission Kanzelgruß: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen 13 Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. 14 Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. 15 Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. 16 So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. Liebe Nicolaigemeinde, liebe Freunde der Gossner Mission! Zunächst möchte auch ich Sie herzlich begrüßen und mich für die Einladung zu diesem Gottesdienst besonders bei Ihnen, lieber Bruder Schmelter, bedanken. Ich bin gerne hierher gekommen: Lippe ist ja ein wichtiges „Stammland“ der Gossner Mission! „Mission: Um Gottes willen – der Welt zuliebe“: so lautet das Motto der Kampagne, die die EKD und mit ihr 24 Missionswerke, darunter natürlich auch „unsere“ Gossner Mission, im Frühjahr dieses Jahres gestartet haben. Und da mag es manchen geben, der im Stillen sagt: Mission? ‚Um Gottes willen’, bloß das nicht! ‚Der Welt zuliebe’ sollten nicht nur das Christentum, sondern am besten alle Religionen auf Mission verzichten. – Und dann noch so ein hochtrabender Text: Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. Ihr seid die Stadt auf dem Berge. Hat nicht diese Art von Sendungsbewusstsein genug Unheil angerichtet? Man kann solche Einwände und Empfindlichkeiten nicht einfach vom Tisch wischen. Sie kommen ja nicht von ungefähr, das wissen wir alle. Dennoch lohnt es sich vielleicht, gerade im Kontext eines solchen Tages und auf dem Hintergrund dieser Kampagne noch einmal genau hinzuschauen und hinzuhören: Wovon ist hier die Rede? Immerhin ist es Jesus selbst, der zu Beginn der Bergpredigt, gleich nach den Seligpreisungen, diese Worte sagt. Und stellen wir uns ruhig einen Augenblick das Publikum vor, dem er sie sagt. Von überall her sind sie gekommen: Gesunde, aber auch viele Kranke. Ein paar Reiche, aber deutlich mehr Arme. Hochgestellte Persönlichkeiten? Mag sein. Aber überwiegend einfache Leute. Der „Am ha’aretz“, das Volk der Erde, des Landes. Die sind gemeint. Später im Matthäusevangelium heißt es dann: Und als er das Volk sah, jammerte es ihn, denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben (Matthäus 9, 36). – Und dann sind auch die ersten vier Jünger dabei, die er in seine Nachfolge gerufen hat; auch sie einfache Leute, Fischer von Beruf. Denen allen also sagt er: Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. Ihr seid die Stadt auf dem Berge. Ich beschränke mich in dieser Predigt auf das erste Bildwort, das vom Salz, weil es uns genug zu schmecken gibt. Salz der Erde. Salz steckt in jedem von uns wie in jedem, der damals da stand und Jesus zuhörte. Salz gehört zu uns, wie Fleisch und Blut und Knochen und Zellen. Wie das Wasser, aus dem wir auch bestehen. Kein „Stoff, aus dem die Träume sind“, sondern Stoff, aus dem die Tränen sind und der Schweiß: „Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen“, heißt es nach dem Sündenfall. Im Schweiß und in den Tränen kommt -2das Salz zutage, das in uns ist. Nichts Fremdes also; ganz und gar menschlich und kreatürlich. Salz ist heute spottbillig. Die Ärzte warnen vor zu viel Salz, aber die Nahrungsmittelindustrie mischt es munter in die Fertiggerichte, damit alles besser schmeckt. Heute ein Allerweltsgewürz. Damals eine Kostbarkeit, hoch besteuert. Salzrechte wurden verliehen. Salz war wertvolles Zahlungsmittel. In Israel hatte Salz kultische Bedeutung: es galt als Symbol des Bundes zwischen Gott und seinem Volk. Ein Salzbund sei das, steht an einigen Stellen. Damit ist gemeint: Ein ewiger Bund, denn Salz konserviert, bewahrt vor Fäulnis, hat reinigende Kraft. Neugeborene Kinder wurden mit Salz abgerieben und so gesäubert. Aber vielleicht steckte auch ein Wunsch darin: Liebes Kind, lange sollst du leben. Und schließlich wird in der rabbinischen Literatur die Tora, die Weisung Gottes, der Weg ins Leben also, als Salz bezeichnet. Salz würzt die Speisen und macht sie schmackhaft. Unsere Großmütter wussten: auch an süße Speisen gehört eine Prise Salz. - Brot und Salz überbringen wir, wenn jemand neu einzieht: Das heißt: Beides soll dir nicht ausgehen; du sollst haben, was du zum Leben brauchst. Salz ist elementar und unentbehrlich. Aber für sich allein genommen ist Salz wertlos. Es entfaltet seine Kraft nur in Verbindung mit anderen Substanzen und nur, indem es sich in ihnen auflöst. - Kann Salz „dumm“ werden, wie es im alten Luthertext hieß, also unbrauchbar? Unser heutiges reines Salz nicht. Aber damals schnitt man am Toten Meer Salzsteine und verwendete sie zum Würzen. Und wenn sie ihre Würzkraft verloren hatten und nur noch der ausgelaugte Gips übrig geblieben war, dann warf man ihn auf die Straße. Salz ist elementar und unentbehrlich, aber keineswegs großartig. Alltäglich, aber kein Sattmacher wie Brot. Nur eine Beigabe. Ein Stoff, den wir aus der Tiefe der Erde holen: Vergangenes Leben wird gegenwärtig. Und: Salz hat noch eine Eigenschaft, die wesentlich ist: Salz beißt. Es ist aggressiv. Salz in einer Wunde brennt, aber es reinigt auch. Schließlich: Salz ist nur in Maßen erträglich. Was versalzen ist, taugt nichts mehr. Ihr seid das Salz der Erde. Interessant, dass Jesus nicht sagt: Ihr habt das Salz der Erde. Das Salz ist kein Besitz und kein Machtmittel, mit dem wir etwas erreichen und über das wir verfügen können. Erst recht können wir von uns selber nicht sagen: Wir sind das Salz der Erde. Und Jesus befiehlt auch nicht: Seid Salz der Erde! Er spricht denen, die ihn hören – und das sind ja auch wir, jetzt, in diesem Moment – etwas zu, eine Qualität, die wir ohne seinen Zuspruch nicht haben. Er gibt uns einen neuen Namen: Salz. Einen neuen Beruf: Salz. Was will er sagen? Ich übersetze das, was ich höre, mal in eine Christusrede an uns Heutige: „Ihr Salzleute, ich brauche euch, damit das Leben auf dieser Erde wieder genießbar wird. Euer Vorhandensein als Menschen, die sich von Gott etwas sagen lassen und ihm zutrauen, dass er diese Welt zum Guten wandeln kann und wird, hebt die düstere Decke der Hoffnungslosigkeit von dieser Erde und macht sie wieder zum Land Gottes. Ohne euch, die Salzkörner der Hoffnung und des Vertrauens in seine Verheißung, bleibt die Erde ein fader Ort. Ohne euren Dienst fault das Leben, weil es sich nicht reinigen und erfrischen lassen kann durch die Kraft Gottes, durch das Evangelium, das ihr ausruft bis in die fernsten Ecken der Erde. Ich habe die Trauernden, die Einfachen, die Hungrigen und Durstigen nach Gerechtigkeit, die Sanftmütigen, die Barmherzigen, die Friedensstifter selig genannt. Ich bitte euch: ruft es mir nach in die Ohren und Herzen derer, die es hören müssen, damit sie nicht vor die Hunde gehen, sondern aufleben wie das Gras in der Wüste nach einem Regen. „Ihr Kleinen, ihr Armen, ihr Geschundenen: ihr seid die Geliebten Gottes!“ Sagt das weiter an alle, die es hören müssen, damit sie wieder den Blick zum Himmel heben und an- -3fangen zu hoffen. Ihr seid Salz, indem ihr sie an meinen „Selig!“-Ruf erinnert. Ihr seid das Gewürz der Seligpreisungen. Das Neue fängt jetzt an. Ihr seid nicht Brot, sondern Salz. Kein Hauptnahrungsmittel, sondern eine unauffällige Beigabe. Es ist nicht so wichtig, dass ihr euch immer behauptet. Es ist nicht einmal gut, wenn ihr auf eure Sicherheit, euren Fortbestand, auf eure trockene Aufbewahrung in einem sicheren Salzfass bedacht seid. Mischt euch unter die Menschen, und ihr werdet staunen, was passiert. Verlasst das Salzfass der Angst um euch selber. Ihr seid nur tauglich in der Suppe, die andere kochen; ja, ihr braucht kein eigenes Süppchen zu kochen. Ich werde darauf achten, dass ihr am Ende Gott schaut, auch wenn euch hier alles nach Ende und Verlust und Untergang schmeckt. Ihr seid das Salz der Erde. Wenig Salz genügt, um diese Erde zu bewahren; wenig Salz, das pfiffig und mit Witz diese Welt würzt. Was träumt ihr von Bataillonen, die ihr sein müsstet? Wollt ihr die ganze Welt versalzen? Ich erwarte nicht, dass ein paar Salzkörner die ganze Welt verändern. Das wird am Ende Gott tun. Ein Salzkorn hat einen begrenzten Wirkungsradius. Aber sehe ich es recht: ihr zieht euren Radius oft genug enger, als ihr müsstet. Ihr backt und klebt zusammen in eurem kuscheligen Salzstreuer, und wenn euch jemand schüttelt, weil er euch braucht, dann kommt vor lauter Klumperei nichts aus den Löchern. Vielleicht habt ihr zu nah am Wasser gebaut; bedauert und beweint euch selber und macht euch Sorgen. Dann ist es kein Wunder, wenn ihr klumpig und ein bisschen unbeweglich werdet! Ich habe doch eine Freudenbotschaft für diese Welt! Warum also weint ihr? Was ich auch nicht will, das ist eine religiös und klerikal versalzene Gesellschaft. Wem soll die schmecken! Aber auch das andere ist nicht gut: wenn ihr nicht mehr kenntlich seid als Gottes Salz an der Erde. Wenn ihr in allem und jedem aufgeht und euch jedem andient und niemand mehr merkt, dass ihr etwas Besonderes seid, ein göttliches Gewürz. Seid deutlich und klar schmeckbar, und zwar als Salz. Das wird allen gut tun. Wo ist euer Biss? Seid ihr Salz oder Sahne? Seid ihr Salz, das Wunden spürbar macht, in ihnen brennt, sie reinigt und so heilen lässt – oder seid ihr Sahnehäubchen, die obenauf schweben und vortäuschen, darunter sei alles frisch und lecker? Ich habe euch dazu berufen Salz zu sein, also auch dazu, an verborgene und verdrängte Wunden auf der Erde zu rühren. Da ist das unvergleichliche Wunder Schöpfung, der Lebensraum für alles, was Gott geschaffen hat. Aus dem Wunder Schöpfung ist die wunde Schöpfung geworden. Sie eitert und blutet aus vielen schmerzenden und stinkenden Wunden. Haltet den Schmerz darüber wach. Erinnert mit eurem Salzbiss daran, dass hier nichts verdrängt und vergessen werden darf. Brennt euch ein in das Gewissen der Menschen. – Da ist die verletzte Würde der Armen und ganz besonders der Frauen fast überall auf der Welt. Auch das stinkt zum Himmel. Glaubt denn jemand, Gott sei ein Garant für Männermacht und Gewalt? Ist es denkbar, dass in der neuen Welt, die Gott schaffen will, Bürgerrechte erster, zweiter und dritter Klasse vergeben werden, je nach Klasse, Geschlecht und Rasse oder Wohnort auf dieser Erde? Seid heilsames, beißendes Salz, indem ihr an diese Wunde erinnert. – Und da sind die unendlich vielen Menschen, die unterwegs sind als Flüchtlinge, die nichts haben, wo sie ihr Haupt hinlegen können. Dass Menschen nicht wissen wohin; dass sie ihr Brot nicht finden, das muss eine schmerzende Wunde sein, die sich tief ins Gewissen aller brennt. Wenn das Salz beißt, dann wird auch zurück gebissen. Es ist mein Weg, den ihr geht. Ich kann euch nur den Weg zeigen, den ich gegangen bin. Ihr werdet weinen und leiden, wenn ihr euch aus dem schützenden Salzfass der frommen Gemeinschaft heraus wagt. Aber ihr werdet auch sehr lebendig sein. Tränen sind eine Gabe des Lebens. Wer weint, ist lebendig und nicht erstarrt. Wer die Tränen anderer wahrnimmt, der wird auch Ohren haben zu hören, was ich sage: Selig ihr Weinenden. Ihr werdet lachen.“ -4Liebe Gemeinde, so weit die erdachte Christusrede an uns Heutige. Es geht nicht darum, was Missionare und die Kirchen vergangener Zeiten an Gutem und auch an weniger Gutem getan haben. Wir müssen heute danach fragen, was unsere Mission heute ist. Sie ist bescheidener, unauffälliger, ja, demütiger, als wir es vielleicht erwartet haben. Aber sie verbindet uns mit allen Menschen auf der Erde. Sie ist universal, weil Gott alle meint und liebt. Das Bild von der Stadt auf dem Berge überstrahlt am Ende alles und zieht unsere Blicke an. Wir sehen sie, aber wir sind es nicht, die sie bauen. Sie ist Gottes Werk. Aber was für eine Verheißung: gemeinsam mit allen in ihr wohnen zu dürfen, in der Stadt Gottes, in der er selber eine Hütte hat, „die Hütte Gottes bei den Menschen“, von der die Offenbarung spricht. Und das ist keine Zweitwohnung, in der er nur selten anzutreffen ist. - Dahin unterwegs zu sein mit vielen anderen, sie nicht missionieren im negativen Sinn, wohl aber motivieren, also in Bewegung bringen auf das gemeinsame Ziel einer bewohnbaren Stadt der Menschen: das ist eine Mission, die ich nicht missen möchte. Ich hoffe, wir treffen uns auf dem Weg! Kanzelsegen: Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen Landessuperintendentin i.R. Oda-Gebbine Holze-Stäblein Quedlinburger Weg 13 30419 Hannover 0511-7636530 Mail: [email protected]