Jedem sein kleines Paradies

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Jedem sein kleines Paradies
KULTUR
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Schauspieler
Hans Diehl (75,
Foto: dpa) ist
unzufrieden mit
den Fähigkeiten
vieler Film-Regisseure. „Die
meisten Regisseure, mit
denen ich gearbeitet habe, haben
wenig Ahnung von Schauspielerei.
Da muss man sich alles selbst zurechtbasteln“, sagte Diehl, Vater
von Schauspieler August Diehl (40).
Die mangelnde Qualität der Regisseure sei ein großes Manko für
den deutschen Film. In Bad Hersfeld wird Diehl in der Inszenierung
„Hexenjagd“ von Regisseur Dieter
Wedel bei den Theater-Festspielen
auf der Bühne stehen. Diehl springt
in Bad Hersfeld für Hans Peter
Hallwachs (77) ein, der aus gesundheitlichen Gründen sein Engagement aufgab. (dpa)
Eine ungläubige Laura Tonke war mit zwei Lolas die erfolgreichste Schauspielerin bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises.
FOTO: DPA
Zwei Lolas für Laura Tonke
Regina Ziegler mit Ehrenpreis ausgezeichnet
BERLIN (dpa) - Gleich zwei Lolas
durfte Laura Tonke am Freitagabend
bei der Verleihung des 66. Deutschen
Filmpreises in Berlin entgegen nehmen: als beste Haupt- und als beste
Nebendarstellerin. Peter Kurth erhielt die goldene Lola als bester
Hauptdarsteller. Der 59-jährige
Theater- und Filmschauspieler
nahm die Trophäe für seine Rolle eines an ALS erkrankten Ex-Boxers in
dem Film „Herbert“ entgegen. Die
Produzentin Regina Ziegler erhielt
die Ehren-Lola.
Laura Tonke (42) bekam eine Lola
für ihre Hauptrolle in dem Film „Hedi Schneider steckt fest“. Zuvor hatte
Tonke bereits den Preis als beste Nebendarstellerin in „Mängelexemplar“ geholt. Elyas M’Barek (33)
nahm die goldene Lola für die Komö-
die „Fack ju Göhte 2“ entgegen, der
als Film mit den meisten Zuschauern
im Kino ausgezeichnet wurde. M’Barek entschuldigte Regisseur Bora
Dagtekin: „Er kann heute nicht hier
sein, er macht sein Abi nach.“
Lars Kraumes Politthriller „Der
Staat gegen Fritz Bauer“ wurde unter
anderem in den Kategorien bestes
Drehbuch, bestes Kostümbild und
bester Nebendarsteller ausgezeichnet. Ronald Zehrfeld (39) erhielt die
Lola in dem Drama als bester Nebendarsteller. „Above and Below“ von
Nicolas Steiner wurde als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet. Auch
den Preis für die beste Kamera gab es
für „Above and Below“. Bei der Lola
für den besten Kinderfilm setzte sich
die Neuverfilmung von „Heidi“ von
Alain Gsponer durch.
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Jedem sein kleines Paradies
Leute
Der Journalist
Matthias Matussek (62, Foto:
dpa) und der
Medienkonzern
Axel Springer
haben sich geeinigt und das
Vertragsverhältnis beendet. Der Verlag hatte
sich im November 2015 von Matussek getrennt. Dieser hatte nach den
Terroranschlägen in Paris auf Facebook geschrieben, er schätze, der
Terror werde „auch unsere Debatten
über offene Grenzen und eine Viertelmillion unregistrierter junger
islamischer Männer im Lande in
eine ganz neue frische Richtung
bewegen“. Dahinter setzte er ein
Smiley. Der damalige Chefredakteur
von „WeltN24“, Jan-Eric Peters,
distanzierte sich daraufhin von
Matussek. Gegen die sofortige Freistellung hatte dieser geklagt. (dpa)
Schwäbische Zeitung
Das Zürcher Museum Rietberg widmet sich dem Garten als Sehnsuchtsort
Von Jasmin Off
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ZÜRICH - Der Garten, ein Ort, an
dem es grünt und blüht, ist seit Jahrhunderten ein Ort der Sehnsucht.
Und zugleich einer der irdischen Bedürfnisse: Im Garten wird gegessen,
geschlafen, geliebt, hier können wir
riechen, schmecken, tasten, hören.
Die Eindrücke aus der Natur in den
Räumen eines Museums greifbar zu
machen, dieser Herausforderung hat
sich das Museum Rietberg in Zürich
nun gestellt. Die Ausstellung „Gärten der Welt“ zeigt nicht nur, was sie
verspricht – Gartenkunst aus allen
Teilen der Erde – sondern auch die
Darstellung des Gartens in der
Kunst.
Der biblische Garten Eden bildet
den Anfang der Ausstellung, denn es
ist die Abbildung von Adam und Eva,
die Künstler aller Epochen zur Auseinandersetzung mit dem Garten inspirierte. Auf welch unterschiedliche Weise, zeigen Albrecht Dürers
„Adam und Eva“ ebenso wie ein
ägyptisches Kalksteinrelief mit
Baumgöttinnen und Fotocollagen japanischer Zen-Gärten.
Ausgehend von den ägyptischen
Gärten am Nil wandelt der Besucher
chronologisch durch die Gärten Persiens, Japans, Chinas und Europas,
und schnell wird klar: So sehr sich
die Bedeutung des Gartens als spiritueller Ort in den Kulturen der Welt
ähnelt, so unterschiedlich sind Nutzung und Gestaltung. Perser bevorzugen den Blick auf die Gartenpracht
von einem schattigen Plätzchen aus,
westliche Gartenliebhaber wollen
sich im Grünen vor allem bewegen.
In China dient der Garten als Rückzugsort für Wohlhabende, in Europa
gibt es Schrebergärten für Jedermann.
Spaziergang durch die Zeiten
Die Engländer legen im 17. Jahrhundert Irrgärten und Labyrinthe an, sie
verstehen den Garten als einen Ort,
an dem sich der Betrachter verliert.
Im absolutistischen Frankreich hingegen dominiert die Klarheit. Pflanzen in Form zu schneiden wird als
demütiger Gestus interpretiert, der
das Schönste in der Natur zum Vorschein bringt. Geometrische Betrachtung als höchste Form der
Schönheit, die Gartenkunst als Inbegriff der Mathematik. Ein erster
Schritt hin zur „begehbaren Pflanzenenzyklopädie“, dem heutigen Botanischen Garten.
Im 18. Jahrhundert gerät die Gradlinigkeit an ihre Grenzen. Das
Schloss ist nicht mehr Zentrum des
Parks, sondern rückt an den Rand.
Die Unendlichkeit der Natur in der
Literatur und in der Malerei zu fassen, ist das Ziel. Der Garten selbst
soll jetzt mannigfaltig statt geometrisch sein, hinter jedem serpenti-
Ein Blick über den Zaun wagt der Thurgauer Maler Adolf Dietrich: Der Garten seines Nachbarn bietet für ihn eine
höchst reizvolle Vorlage.
FOTOS: RIETBERG MUSEUM
nenartigen Weg findet der Besucher
ein neues Abenteuer.
So ist es auch in der Zürcher Ausstellung. 30 Kapitel zu den „Gärten
der Welt“ schlängeln sich durch das
Museum Rietberg, am Ende des Labyrinths wird der Besucher ins Freie,
entlassen: Der Rieterpark, in dem
das Haus seinen Sitz hat und der als
einer der schönsten Landschaftsgärten der Schweiz gilt, dient als zweite
Ausstellungsfläche. Die Stadt Zürich
hat einen Teil neu bepflanzen lassen,
die Loggia der Villa Wesendonck ist
erstmals zugänglich. Dazu verleiht
das Museumscafé Decken und Körbe
für ein Picknick im Park.
Liebermanns Garten im Livestream
Wer Gartenkunst also sowohl in natura als auch im Museum vollends
genießen will, muss für die „Gärten
der Welt“ Zeit mitbringen. Doch die
Ideen der Macher sind äußerst origi-
Der Garten als Ort der Liebe: Das erste Zusammentreffen des Gottes
Krishna mit dem Hirtenmädchen Radha (Indien, 1775).
nell, die Exponate hochkarätig. Bilder der Gartenliebhaber Claude Monet und Paul Klee sind ebenso ausgestellt wie Skulpturen von Ai Weiwei.
Die Leihgaben stammen unter anderem aus dem Louvre und dem Metropolitan Museum of Art in New York.
Ein Film widmet sich dem Mythos der Hängenden Gärten von Babylon, eine Videoinstallation versetzt den Besucher mittels einer 3DBrille in eine antike Parkanlage. Ein
Livestream aus Berlin gewährt Einblick in den Garten des Künstlers
Max Liebermann. Einen Blick über
den Zaun wagte auch der Thurgauer
Künstler Adolf Dietrich aus Berlingen am Untersee. Am liebsten malte
er den Garten seiner Nachbarn – für
ihn sein eigenes kleines Paradies.
Die Ausstellung „Gärten der Welt“
im Museum Rietberg in Zürich ist
noch bis zum 9. Oktober 2016 zu
sehen. Öffnungszeiten: Dienstag
bis Sonntag 10-17 Uhr, Mittwoch
bis 20 Uhr. Der Eintritt kostet für
Erwachsene 18 Franken, Jugendliche bis 16 Jahre sind gratis. Im
Rahmen des „Gartenjahrs 2016“
gibt es zahlreiche Sonderveranstaltungen im Museum und im
Rieterpark. Mehr Informationen
gibt es unter www.rietberg.ch
Ein später Star
Debakel mit Ansage
Der Schriftsteller Guntram Vesper wird 75
Bei der Sanierung der Staatsoper gab es laut Untersuchungsausschuss eklatante Fehlentscheidungen des Parlaments
Von Christina Sticht
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GÖTTINGEN (dpa) - Ein Debüt im
Rentenalter? Guntram Vespers Roman „Frohburg“ war die Überraschung des Bücherfrühlings: Das
mehr als 1000-seitige Werk verwebt
persönliche Erlebnisse, Reflexionen
und Anekdoten mit der deutsch-deutschen Geschichte. Für sein beeindruckendes Panorama erhielt er im März
den Preis der Leipziger Buchmesse.
Am Samstag feiert der Göttinger
Schriftsteller seinen 75. Geburtstag.
In den 1960er-Jahren war Vesper
zunächst furios als Lyriker und Ver-
Guntram Vesper in seinem Garten
in Göttingen.
FOTO: DPA
fasser lyrischer Prosa gestartet. Seitdem veröffentlicht er kontinuierlich
Gedichte, Erzählungen und Hörspiele, allerdings weitgehend unbeachtet
vom Literaturbetrieb. Der Ruhm kam
erst wieder mit „Frohburg“.
Wenn Vesper erzählt, ist sein
sächsischer Tonfall unüberhörbar.
Dabei verließ er mit 16 Jahren seine
Heimat Frohburg, eine Kleinstadt
südlich von Leipzig. „Meine Eltern,
mein Bruder und ich waren dieses
Doppelzünglertum leid: Draußen so
reden, wie es verlangt wird, und zu
Hause anders.“ Doch trotz des Neuanfangs im Westen war die sächsische Heimat immer präsent.
Der Göttinger Verleger Thedel
von Wallmoden, Gründer des Wallstein Verlags, sieht bei „Frohburg“
Ähnlichkeiten zu zwei Klassikern
der Nachkriegsliteratur: Uwe Johnsons „Jahrestage“ sowie Walter Kempowskis „Das Echolot“. Ihn habe an
Vespers Roman besonders die Verschaltung von Innen- und Außenwelt fasziniert, sagt von Wallmoden.
Gefordert seien geduldige Leser.
„Wenn man 1000 Seiten geschrieben hat, könnte man aber auch wieder an einen Gedichtzyklus denken“, sagt Vesper. Mit Gedichten
präsentierte er sich schon 1967 bei
der letzten Tagung der legendären
Gruppe 47.
BERLIN (dpa) - Zeitdruck und ein untätiges Parlament – für das Baudebakel an der Berliner Staatsoper nennt
ein Bericht jetzt die Gründe. Der Opposition reicht das nicht aus. Sie
wirft CDU und SPD Vertuschung
vor.
Bei der Sanierung der Berliner
Staatsoper sind Mehrkosten von fast
160 Millionen Euro angefallen, jahrelang hat sich der Bau verzögert. Der
nun vorgelegte Bericht des 2015 eingesetzten Untersuchungsausschusses unter Vorsitz von Wolfgang Brauer (Linke) stellt in seinem Bericht
nun fest, dass das Parlament der
Hauptstadt früher die Notbremse
hätte ziehen müssen. Doch politischer Druck und gravierende Planungsmängel hätten das Debakel geradezu beschleunigt. „In der Summe
verhängnisvoll“, nannte Brauer am
Freitag die Entscheidungszwänge
und den Zeitdruck, dem das Projekt
unterlag.
Nach gut einem Jahr, 17 Sitzungen
und der Befragung von 33 Zeugen
wollte der Ausschuss am Freitag
über den Abschlussbericht abstimmen. Das rund 200 Seiten starke Dokument soll dem Parlament am 23.
Juni vorgelegt werden. Doch Grüne
und Piraten lehnen den Bericht in
seiner derzeitigen Form ab, kündigten Minderheitsvoten an. Sie werfen
der Mehrheit von SPD und CDU vor,
die politische Verantwortung für das
Debakel während der Amtszeit des
2014 abgetretenen Regierenden Bürgermeisters und Kultursenators
Klaus Wowereit (SPD) unter den
Tisch kehren zu wollen.
Die Kernaussage des Berichts
werde verfälscht und vertuscht, sagte die Grüne Sabine Bangert. Statt in
der „kollektiven Verantwortungslosigkeit“ von Senat und Verwaltung
werde der Grund für den Skandal unter anderem in der überraschend maroden Bausubstanz des Gebäudes gesucht, sagte Wolfgang Pries von den
Piraten. Die Einflussnahme des Vereins der Freunde der Staatsoper, die
30 Millionen Euro für die Sanierung
in Aussicht gestellt hatten, habe den
Druck verstärkt.
„Das Parlament hätte das Projekt
so nicht genehmigen dürfen“, sagte
Brauer. Die Mittel seien ohne ausrei-
Frühestens 2017 wird es in der Staatsoper Unter den Linden wieder Aufführungen geben. Geschlossen ist sie seit 2010.
FOTO: DPA
chende Planungsunterlagen freigegeben worden. Weder Ziele, Kosten
noch Risiken seien benannt worden.
Spätestens 2011 sei deutlich geworden, dass das Projekt „aus dem Ruder
läuft“. Schon damals hätte das Parlament über Optionen nachdenken
sollen.
Druck der Kulturszene
Für die SPD-Politikerin Ülker Radziwill war die Entscheidung für die historische Rekonstruktion „verhängnisvoll“. Kein Politiker habe die Kosten dafür geahnt, sagte Radziwill. Sie
sprach von einem enormen Druck
der Kulturszene zugunsten der historisch gerechten Sanierung.
Ursprünglich hatte der Architekt
Klaus Roth den Wettbewerb für einen
modernen Zuschauersaal gewonnen.
Wowereit hatte nach Protesten das
Projekt gekippt und eine Neuplanung
angeordnet. Verteuert wurde das Vorhaben auch durch den sumpfigen
Baugrund für den unterirdischen Verbindungstrakt zwischen Magazingebäude und Opernhaus.
Die von Daniel Barenboim geführte Staatsoper, die zur Zeit im
Schiller-Theater spielt, sollte 2013
wieder eröffnet werden. Jetzt ist 2017
geplant. Die Kosten sind von 239 Millionen auf mehr als 400 Millionen
Euro gestiegen.
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Samstag, 28. Mai 2016