Predigt zu Markus 8,31-36 zum Faschingssonntag

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Predigt zu Markus 8,31-36 zum Faschingssonntag
Pfarrer Stefan Scholpp
Was wir beginnen, wird zerrinnen
Predigt zu Markus 8,31-36 zum Faschingssonntag
gehalten am Sonntag Estomihi, dem 7. Februar 2016, in der Christuskirche zu Mannheim
Und Jesus fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und
Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. 32 Und er redete das Wort
frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren. 33 Er aber wandte sich um, sah seine Jünger
an und bedrohte Petrus und sprach: Geh weg von mir, Satan! denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was
menschlich ist.
34 Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich
selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. 35 Denn wer sein Leben erhalten will, der wird‘s verlieren;
und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird‘s erhalten. 36 Denn was hülfe
es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden?
31
Ihr lieben Leut‘ im Gotteshaus,
„Fällt heut der Gottesdienst wohl aus?“
So fragte mich vor Langem gar
ein Konfirmand, der ratlos war,
ob er zur Kirche sollte eilen,
wenn anderswo die Narren weilen.
„I wo“, sagt‘ ich ihm ernsthaft dann,
„der Gottesdienst ist immer dran!“
Nicht ahnend, dass der Predigttext
Für diesen Sonntag grad das setzt
Als wohlbekannt bei uns voraus:
Gefeiert wird im Gotteshaus
In jeder Woch‘, jahrein, jahraus.
Ja: jeden Tag wir Christenleute
Soll’n uns verkleiden, nicht nur heute.
Am Ende sind wir Narren gar,
wenn alle andren, das ist wahr,
der Alltag wieder streng regiert.
Ein Christ den Narrhut nie verliert!
Wie das wohl zugeht, sagt uns nun
Das heut’ge Evangelium.
wie sie am Scheidewege steh’n.
Wohin soll nun die Reise geh’n?
Die Jünger sahen Jesus eilen
von Ort zu Ort, Kranke zu heilen,
den Armen Rettung zu verkünden
und zu vergeben alle Sünden.
Sie hörten, wie von Gott er sprach
und Tausenden die Brote brach.
Sie sah’n ihn Sturmeswellen stillen:
Die Schöpfung selbst war ihm zu Willen.
In Gleichnissen erzählt‘ er ihnen,
dass Gottes neue Welt erschienen,
in der ganz andre Maße gelten
als sonst in unsren alten Welten.
Der Petrus war’s, der das verstand,
und hat den Christus frei bekannt.
Er brachte all das auf den Nenner:
„Du, Jesus, bist der Gott-Erkenner,
Du bist der Christus, Gottes Sohn,
gesandt zu uns vom Himmelsthron,
um uns, die Menschen, zu erlösen
von Leiden, Tod und allem Bösen.“
I
Die Szene, sie ist schnell beschrieben.
Wir sehen Jesus, seine Lieben,
Und Jesus widerspricht dem nicht.
Doch sagt den Jüngern ins Gesicht:
„Jetzt folgt eine Kurskorrektur.
Mein Weg ist kein Triumphzug nur.
Wir wenden uns zur Hauptstadt hin.
Nach Zion hin geht mir der Sinn.
Jerusalem, dir gilt mein Streben.
Dort ende ich mein irdisch’ Leben.
Der Menschensohn muss viel erleiden
von Mächt’gen und von Frommen. Beiden
ist nämlich ganz sein Weg verhüllt:
Ein Weg, der doch die Schrift erfüllt.
Er führt ins Leiden, in den Tod.
Er scheut keine menschliche Not.
Nur so ihn dann, am dritten Tag,
Gott auferwecken mag.“
Das sagte Jesus frei und offen.
Und alle schwiegen, tief betroffen.
Bloß Petrus, ach, man kennt den Alten,
er kann die Klappe halt nicht halten,
zieht Jesus kurz am Ärmelsaum,
geht mit ihm in ‘nen andren Raum
um die Leviten ihm zu lesen.
„So sagst du denn, dies wär’s gewesen?
So willst du opfern die Erfolge
Deiner Mission im ganzen Volke?
So gibst du Recht am Ende gar
der Lästerer und Mörder Schar?
Was sollen all die Kranken denken,
die ihre Hoffnung auf dich lenken?
Was all die Armen, Ausgezehrten?
Und: was ist mit den Unbekehrten?
Mit denen, die noch nie gehört
von Gottes Welt und ihrem Wert?
Du bist zu wichtig, bist zu gut,
um auszuliefern dich der Wut
all derer, die die Botschaft hassen
von Gottes Reich auf unsern Straßen.
O Jesus, wolle doch bedenken,
was du der Welt noch könntest schenken!“
Sprach Petrus laut, und war der Meinung,
beeindruckend sei die Verneinung.
II
Wir halten hier ein wenig inne,
bevor wir Jesu Antwort hören,
denn seine Antwort muss verstören
gerad die feinen, frommen Sinne,
die sie schon hundertmal gehört
und die bereits von ihr betört.
Hat er nicht Recht, der gute Mann?
Kommt Dir nicht auch das komisch an:
Welch starker Anfang, welch Beginn!
Aus heitrem Himmel – wirft er hin.
Beim ersten Angriff sich ergeben:
So woll’n wir Helden nicht erleben.
Das ist kein Stoff, draus Retter sind.
Das weiß doch heut ein jedes Kind.
Wir inszenieren Helden anders.
Denkt nur an einen Held des Landes,
das hierzulande jeder kennt:
den am’rikan’schen Präsident.
War mal ein Star, Barak Obama.
Vor seiner Wahl: ein Rettungs-Drama!
Ein Außenseiter, Kind armer Leute,
ein Schwarzer gar, der Retter heute!
Er lachte, strahlte, packte an,
weil er die Krisen meistern kann.
So dachte man, und wählte ihn.
Er zieht mit starker Hand empor.
So stellen wir uns Helden vor!
„Wer immer strebend sich bemüht,
den können wir erlösen“
von allem, was das Herz betrübt,
von allem, was uns droht vom Bösen.
Durch Gutes, das wir selbst getan,
bringen wir flugs die Welt voran.
Solcher Natur die Helden sind.
Das weiß doch heute jedes Kind.
Ganz anders Jesus. Dieser Mann
vertraut sich selbst dem Elend an.
Er gibt sich in die Hand der Welt,
mit ihrer Politik und Geld,
mit ihrer Religion und Macht,
und wird am Ende umgebracht.
Wo bleibt da die Erlösung nun?
Kann Gott nicht mehr, nicht Bessres tun?
Der Menschensohn: ein Sprücheklopfer?
Der Gottessohn: er selbst ein Opfer?
Ach, ich verstehe Petrus gut,
der Jesus hier bereden tut,
er solle sich’s doch überlegen
und gibt den Heilsplan-Großstrategen.
Denn Petrus redet menschlich hier
Und wünscht nach menschlicher Manier,
dass Jesus Unrecht richten möge
und grad macht alle krummen Wege,
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dass er wegfegt mit Leidenschaft,
was andren Menschen Leiden schafft.
Das ist die Hoffnung, ist die Tröstung,
die wir gern nennen „Heil“, „Erlösung“.
Und Jesus weiß das alles wohl.
Trotzdem er Petrus rügen soll.
Er sagt zu ihm ein hartes Wort,
wie wohl getroff‘ne Hunde bellen.
In Petrus‘ Ohren wird es gellen:
„Hinweg, du Satan! Heb dich fort!
Denn menschlich ist dein Tun und Dichten.
Gott will was Anderes verrichten.
Ihr werdet durch mein Leben froh?
Mein Sterben hättet ihr bereut?
Die Welt wird nicht durch Macht befreit.
Denn mit dem Leben ist es so:
Was wir beginnen, wird zerrinnen.
Wer sich verliert, wird sich gewinnen.“
Das ist das Wort, das Jesus gibt
dem, der die starken Helden liebt.
Was wir beginnen, wird zerrinnen.
Wir halten nichts vor Gott in Händen.
Wer sich verliert, wird sich gewinnen.
Im Leiden will sich Gott verschwenden.
III
Nun wär’s ’ne nette Anekdote,
gar bald vergessen, wenn der Bote,
wenn Jesus nur zu Petrus spräche,
wenn das Präsens dem Wort gebräche,
wenn er’s nur dort und damals sagt‘
und heut‘ kein Schwein mehr danach fragt.
Doch nein, er nimmt auch heut das Wort!
Christus spricht auch an diesem Ort.
Was wir beginnen, wird zerrinnen.
Wer sich verliert, wird sich gewinnen.
Er sagt’s dem Mann, der plant und schafft,
der Gut um Güter an sich rafft,
den’s nicht mehr juckt, durch wessen Leid
das Geld entsteht, des er sich freut,
der leben kann in Saus und Braus,
jedoch nicht weiß, wofür das Haus,
das Boot, das Pferd, die Frau,
die er sich anschafft, ganz genau
denn nütz‘ sein soll’n; zu welchem Ende
er rastlos füllt die gier‘gen Hände.
Ach, wenn er doch nur dies verstünde:
Geiziges Brennen,
unchristliches Rennen
Ist durch und durch verstockte Sünde.
Und wenn er auch die Welt gewönne:
Sein‘ Seel‘ er so nicht retten könne.
Was wir beginnen, wird zerrinnen.
Wer sich verliert, wird sich gewinnen.
Er sagt’s dem Kirchgemeinderat,
der ruh- und rastlos tagt und tagt
um die Gemeinde gut zu leiten
und in die Zukunft zu geleiten,
der Pläne macht, modern zu gelten,
und Altes hochhält, liebt zu schelten
auf neue Zeiten, alte Zöpfe
auf ehrenamtlich sture Köpfe.
Auch hier, an Christus, gebt fein acht,
auch hier geht es zu oft um Macht.
Doch Christus, der sucht nicht sein Recht.
Wer solches tut, versteht ihn schlecht.
Und wenn wir hier, um was zu gelten
In Mannheims säkularen Welten
Ganz auf Kultur und Kunst dann setzen,
uns Denkmalorgelklangs ergötzen,
die theolog’sche Richtigkeit
pflegen statt Herzensheiterkeit:
haben wir damit schon verstanden
den, dessen Wege nicht versanden
wo Menschenwege enden werden
auf dieser unsrer schönen Erden?
Der, dessen Name dies Haus trägt,
am Ende nicht nach Wohlklang frägt,
nicht nach Kultur und Lebensart,
und nicht nach Sätzen von Karl Barth.
Er, den Petrus den Christus nannt‘,
wird in den Mühsel’gen erkannt.
Drum aufgepasst in diesen Räumen,
wenn wir vom Dom von Mannheim träumen,
dass nicht der Größenwahn regiert
in diesen selten heil’gen Hallen.
Ja, aufgepasst, wenn wir hier wallen,
dass Christus nicht gar uns negiert,
dass wir nicht Peters-Dom uns schreiben,
Sondern die Christus-Kirche bleiben.
Was wir beginnen, wird zerrinnen.
Wer sich verliert, wird sich gewinnen.
Das sagt er der, die einsam liegt
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im Bett im Altersheim und kriegt
‘nen froh‘n Gedanken nicht zu fassen:
Der Schmerz hat sie erstarren lassen.
Er sagt’s auch denen, die versuchen
an ihrem Bett sie zu besuchen
um ihr das Essen darzureichen:
„Sie ist mein Bild, ihr will ich gleichen!“
Auch wenn das Selbstbewusstsein fehlt,
bis zur Unkenntlichkeit entstellt
ein Menschenwesen vegetiert:
Geschöpfes Würde es nicht verliert.
Das sollen alle nicht vergessen,
die dieser Tage ganz besessen
nach England schauen, wo gerad
embryonalem Erbgut ward
erlaubt manipuliert zu werden,
um auszuschalten Krankheitsherden.
Der Mensch, der Menschen will verbessern,
gleicht Petrus; Christus zu verwässern,
der grad im Schwachen wird erkannt,
soll nicht gescheh’n in unserm Land.
Denn Leid und Krankheit auszumerzen,
gelingt uns nicht, liegt Gott am Herzen.
Was wir beginnen, wird zerrinnen.
Wer sich verliert, wird sich gewinnen.
Ja, Christus, ew’gen Gottes Sohn,
Sagt’s einer ganzen Nation.
Die Werte, die ihr aufgebaut
und denen ihr angeblich traut,
die Werte schützt ihr nicht mit Schüssen
auf Menschen, die herfliehen müssen
aus einem Leben unerträglich.
Was für ’ne Vorstellung. Unsäglich!
Ihr schimpft euch christlich Abendland?
Ja, Christus, zorn- und wutentbrannt,
nennt Petrus einen Satan gar:
Diabolus, und das ist wahr,
Verwirrer, Lügner ohne Klarheit,
Verdreht die ganze Gotteswahrheit.
Meint ihr im Ernst, ihr habt verdient,
dass rings um euch der Wohlstand grünt?
Habt ihr vergessen, wie so gar
es am’rikan’sche Freundschaft war,
die nach dem großen Krieg, dem letzten,
euch half, in Wohlstand euch zu setzen?
Und nun, da ihr die Reichsten seid
In Europa weit und breit,
fällt euch nichts Bess‘res ein als schießen
um euren Wohlstand zu genießen?
Gewiss, es wird nicht einfach werden
bei uns die Leut‘ zu integrieren.
Viel müssen wir da investieren!
Drum werde ich mich nicht gebärden
als wüsst‘ ich selber, wie es geht.
Doch dieses weiß ich: Christus steht
am Grenzzaun auf der andern Seite.
Bittet um Einlass. Sucht das Weite,
sucht Offenheit, sucht Schutz im Land.
Im Fremden Christus wird erkannt.
Wer das verleugnet und vergisst,
nennt sich zu Unrecht einen Christ.
Was wir beginnen, wird zerrinnen.
Wer sich verliert, wird sich gewinnen.
Er sagt’s dem jungen Mann, der ratlos
sein Zeugnis in der Hand hält, fraglos
schlechte Chancen am Arbeitsmarkt.
Sagt’s Raucherbein und Herzinfarkt.
Er sagt’s der Wirtschaftsweisen Schar,
er sagt’s dem Präsidenten gar:
Zerbröselt quasi über Nacht
ist fast das ganze Heilsversprechen
mit dem es dir gelang zu brechen
den Weg ins Weiße Haus dort drüben.
Er sagt’s den Bösen, sagt’s den Lieben,
er sagt’s den Lauen, sagt’s den Frommen,
sagt’s all’n, die nie zur Kirche kommen.
Er sagt es dir und sagt es mir.
„In Glück und Unglück, siehe hier:
Was wir beginnen, wird zerrinnen.
Wer sich verliert, wird sich gewinnen.“
IV
Was wir beginnen, wird zerrinnen.
Das wissen wir, und kennen’s nun.
Das Zweit‘ hat damit nichts zu tun!
Wer sich verliert, wird sich gewinnen.
Das ist nicht einfach die Umkehrung
Des ersten Satzes der Entbehrung.
Denn dieser Satz, das merkt euch fein,
Der fällt dem Mensch von selbst nicht ein.
Dass unser Gut wir einst verlieren,
das kann man jedem demonstrieren.
Jedoch: dass wir uns selbst gewinnen,
wenn wir uns im Verlieren üben,
mit andren mitzuleid’n beginnen,
dass Leid ein Leben nicht nur trüben,
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sondern es herrlich machen kann –
das kommt der Ratio seltsam an.
Und doch ist dies des Pudels Kern –
des Pudels Christi, unsres Herrn!
Und dies der andre Pudel glatt
und gänzlich missverstanden hat:
Das Leid hat Platz in Gottes Rat!
Wir wissen nicht – wir glauben fest,
dass Gott den Himmelsthron verlässt,
um unsre Armut anzunehmen,
wozu wir uns nicht gern bequemen,
damit wir find’n in seinem Bild
den Quell, aus dem das Leben quillt.
Drum gib dich auf, um Gottes Willen:
Christ kann den Lebenshunger stillen.
Wer Jesus folgt und seinem Zug,
und kriegt vom Leben nicht genug –
nach Jesu Worten findet er
am Schluss sich selbst und noch viel mehr:
Des Lebens Fülle steht bereit
in Gottes reicher Herrlichkeit.
***
Das ist das Evangelium.
Das macht uns Christen frei und frumm.
Drum hebt die Hände zum Himmel,
kommt, lasst uns fröhlich sein.
Wir glauben zusammen,
und keiner ist allein.
Das gilt’s zu feiern, heut und immer,
Drum fällt kein Gottesdienst aus, nie und nimmer.
Dem ist nichts gleich, nichts vorzuziehen,
dass Gott herbeieilt, uns zu dienen,
dass er in Glück- und Unglückstagen
nicht zögert, uns zu hindurchzutragen.
Die Welt, sie mag uns Narren schelten,
weil wir komplett verrückt ihr gelten,
weil wir angeblich, die „Erlösten“,
nichts tun als Opfer zu vertrösten.
Die Faschingszeit, sie geht vorbei.
Am Ende bleiben wir die Narren,
die Jesu Christi Wege fahren.
Drum ist uns völlig einerlei,
ob wir in Ehr und Anseh’n steh’n.
Es wird der Glanz der Welt vergeh’n.
Was wir beginnen, wird zerrinnen.
Wer sich verliert, wird sich gewinnen!
So sei’s für uns, die wir heut kamen.
So ist‘s für alle Menschen. Amen.
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