PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs - IGeL

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PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs - IGeL
PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs
Ergebnisbericht – aktualisierte Fassung
Recherche
Datum der Erstrecherche: 08.03.2011
Datum der Aktualisierungsrecherche: 11.06.2013
PICO-Fragestellung:
Population: Männer ohne besondere Einschränkungen
Intervention: PSA- (Prostata-spezifisches Antigen-) Blut-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs;
ggf. ergänzt durch weitere Verfahren (DRE: Digital-Rektale Untersuchung; TRUS: transrektaler
Ultraschall)
Kontrolle (Control): kein Test; nur anderer Test (Ultraschall, Abtasten)
Zielgröße (Outcome): Sterblichkeit an Prostatakrebs, unerwünschte Ereignisse
Kommentar zur Aktualisierung-Recherche:
Im Ergebnisbericht der Erstbewertung wurde beschrieben, dass insbesondere zwei große
internationale und methodisch hochwertige Studien maßgebliche Evidenz zur Frage nach dem Nutzen
und Schaden des PSA-Tests als Screeningmaßnahme liefern (PLCO-Studie: „Prostate-, Lung-,
Colorectal- and Ovarian Cancer Screening Trial“ und ERSPC-Studie: „European Randomized Study of
Screening for Prostate Cancer“), deren Ergebnisse 2009 und 2010 publiziert worden sind. Inzwischen
wurde für beide Studien über ein verlängertes Follow-up berichtet, ohne dass sich allerdings die
Kernaussagen zu Nutzen oder Schaden wesentlich geändert hätten.
Insgesamt wurden im Rahmen der Aktualisierungs-Recherche (Suchzeitraum ab Dezember 2011) in
den unten definierten Datenbanken sowie bei PubMed 6 relevante Übersichtsarbeiten identifiziert, in
denen u.a. die Langzeitergebnisse der PLCO und ERSPC Studien berichtet werden.
Die derzeit noch laufende englische Studie („CAP-Study“: „Comparison Arm for ProtecT [„Prostate
testing for cancer and Treatment study“]) konnte auch weiter nicht berücksichtigt werden. Erste
Ergebnisse werden voraussichtlich 2014 publiziert.
Suchbegriffe:
deutsch: PSA-Test
englisch: PSA testing
Datenbank
IQWiG
(Berichte)
gefundene Dokumente
3 Treffer: nicht relevant (andere
Themen)
verwendete Dokumente
0
Cochrane
(Reviews)
5 Treffer: 1 verwendet,
4 nicht relevant (andere Themen)
G-BA
AWMF
(S2e und S3)
7 Treffer: keiner relevant (andere
Themen)
6 Treffer: 1 verwendet,
5 nicht relevant (andere Themen)
Ilic D, et al.: Screening for prostate cancer.
Cochrane Database Syst Rev, 2013; 1.
Art. No.: CD004720
0
NICE
(Guidance
documents)
4 Treffer (klinische Leitlinie): keiner
relevant (1x kein Screening, 3x andere
Themen)
CRD
(DARE und HTA)
DARE: 13 Treffer: keiner relevant
(veraltet, andere Themen)
Seite 1 von 6
Stand der Bewertung: Juli 2013
Deutsche Gesellschaft für Urologie:
Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3
zur Früherkennung, Diagnose und
Therapie der verschiedenen Stadien des
Prostatakarzinoms. AWMFRegisternummer: 043-022OL
(Aktualisierung 30.09.2011)
0
0
www.igel-monitor.de
AHRQ /USPSTF
(Index-Suche)
PubMed
2 Treffer: 2 verwendet
46 Treffer: 3 verwendet,
2 im aktuellen Cochrane Review schon
berücksichtigt (Andriole et al. 2012,
Schröder et al. 2012)
41 nicht relevant (38x anderes Thema,
3x keine prospektive Studie)
Lin K, et al.: Prostate-Specific Antigenbased screening for prostate cancer: An
evidence update for the U.S. Preventive
Services Task Force. AHRQ Publication
No. 12-05160-EF-1, 2011
Chou R, et al.: Screening for prostate
cancer: A review of the evidence for the
U.S. Preventive Services Task Force. Ann
Intern Med, 2011; 155 (11) : 762-771
Ilic D, et al.: Screening for prostate cancer.
Cochrane Database Syst Rev, 2013; 1.
Art. No.: CD004720
(s. oben bei Cochrane Reviews)
Carter HB, et al.: Early detection of
prostate cancer: AUA guideline. J Urol,
2013 May 6;
http://dx.doi.org/10.1016/j.juro.2013.04.119
Basch E, et al.: Screening for prostate
cancer with prostate-specific antigen
testing: American Society of Clinical
Oncology Provisional Clinical Opinion. J
Clin Oncol, 2012; 30 (24): 3020-3025
Eingeschlossene Dokumente: Beschreibung, Qualitätsbewertung, Extraktion
Verwendete Reviews
Verwendetes
Review
Ilic D, et al.:
Screening for
prostate cancer.
Cochrane
Database Syst
Rev, 2013; 1. Art.
No.: CD004720
Seite 2 von 6
Reviewqualität
1. Methodik der
Recherche/
Literaturauswahl
systematisch?
2. Ende des
Suchzeitraums?
3.Ergebnis
präsentation
ausführlich?
1. ja
2. Juni 2012
3. ja
Einschlusskriterien
für Studienauswahl
Evidenz
Design und ggf. PICOErläuterung
Design: RCT
Intervention/Kontrolle:
Screening (PSA-Test
und/oder Digital
rektale Untersuchung
(DRE) und/oder
transrektaler
Ultraschall (TRUS) vs.
kein Screening
Stand der Bewertung: Juli 2013
Das Dokument ist eine Aktualisierung
des im Ergebnisbericht der
Erstbewertung bereits dargestellten
systematischen Reviews von 2010.
Es wurden 5 RCTs identifiziert: Die
europäische ERSPC und die USPLCO-Studie mit ihren Updates in
2012, sowie die „Norrköping-Studie“,
„Stockholm-Studie mit Update“ und
die „Quebec“-Studie. Die Updates der
ERSPC und der PLCO sind in
folgenden zwei Publikationen
veröffentlicht worden:
- Andriole et al. PLCO Project Team.
Prostate cancer screening in the
randomized Prostate, Lung,
Colorectal, and Ovarian Cancer
Screening Trial: mortality results
after 13 years of follow-up. J Natl
Cancer Inst. 2012 Jan 18;
www.igel-monitor.de
104(2):125-32. doi:
10.1093/jnci/djr500. Epub 2012 Jan
6.
- Schröder et al. ERSPC
Investigators. Prostate-cancer
mortality at 11 years of follow-up. N
Engl J Med. 2012 Mar 15; 366(11):
981-90. doi:
10.1056/NEJMoa1113135. Erratum
in: N Engl J Med. 2012 May 31;
366(22):2137.
Die RCTs wurden in Meta-Analysen
zusammenfassend ausgewertet. Die
Intervention bestand in allen Studien
aus dem PSA-Test, jedoch teilweise
ergänzt durch eine DRE (Quebec;
teilweise Norrköping, teilweise
ERSPC) sowie einmal durch TRUS
(Stockholm).
Methodisch ist anzumerken, dass die
„Norrköping-Studie“, die „StockholmStudie“ und die „Quebec“-Studie als
Studien mit hohem Verzerrungspotential eingestuft wurden. Das
Verzerrungspotential beruht u.a. auf
Verletzung des ITT (intention-to-treat)Prinzips und auf selektivem Berichten.
Evidenz zum Nutzen:
1. Prostataspezifische Mortalität: Die
gemeinsame Auswertung der Daten
aller 5 Studien ergibt keine
signifikante Reduktion (RR (Relatives
Risiko): 1,00; 95%-KI [0,86 – 1,17])
der prostataspezifischen Mortalität.
Nur in der Kern-Altersgruppe der 55 69 Jährigen (Alter zum
Randomisierungs-Zeitpunkt) zeigte
sich in der europäischen Studie ein
Nutzen nach 11 Jahren (alle
Studienregionen: RR 0,79; 95% KI
0,69 – 0,92).
Da nur die ERSPC- und die PLCOStudie als qualitativ hochwertig
eingeschätzt wurden, wurden deren
Ergebnisse in einer gesonderten
Analyse separat betrachtet, deren
Ergebnis jedoch gleich ausfiel.
Demnach zeigte sich ebenfalls keine
Senkung der prostataspezifischen
Mortalität (RR 0,96; 95% KI 0,70 –
1,30).
2. Gesamtmortalität: In vier Studien
finden sich Daten zur
Gesamtmortalität (ERSPC, PLCO,
Norrköping- und Stockholm-Studie).
Aus diesen lassen sich keine
Hinweise auf einen Effekt ableiten
(RR: 1,00; 95%-KI [0,96 – 1,03]), auch
nicht für die Kern-Altersgruppe der 5569-jährigen: (RR: 0,99; 95%-KI [0,96 –
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Stand der Bewertung: Juli 2013
www.igel-monitor.de
1,03]).
Deutsche
Gesellschaft für
Urologie:
Interdisziplinäre
Leitlinie der
Qualität S3 zur
Früherkennung,
Diagnose und
Therapie der
verschiedenen
Stadien des
Prostatakarzinoms.
AWMFRegisternummer:
043-022OL
1. ja
2. Februar 2011
3. ja
Lin K, et al.:
Prostate-Specific
Antigen-based
screening for
prostate cancer:
An evidence
update for the U.S.
Preventive
Services Task
Force. AHRQ
Publication No. 1205160-EF-1, 2011
1. ja
2. 30. Juni 2011
3. ja
Kurzfassung
daraus:
Chou R, et al.:
Screening for
prostate cancer: A
review of the
evidence for the
U.S. Preventive
Services Task
Force. Ann Intern
Med, 2011; 155
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Keine spezifischen
Einschlusskriterien
(Ausgewertet wurden
Reviews bis
Fallserien)
Keine spezifischen
Einschlusskriterien
(Ausgewertet wurden
je nach Verfügbarkeit
für die
unterschiedlichen
Fragestellungen
RCTs,
Kohortenstudien und
unkontrollierte
Beobachtungsstudien)
Fragestellungen
waren:
- Führt PSA-basiertes
Screening zu einer
Senkung der
ProstatakrebsMortalität und/oder
Gesamtmortalität?
- Welche Schäden
gehen mit dem PSAbasierten Screening
einher?
- Welche Schäden
Stand der Bewertung: Juli 2013
Evidenz zum Schaden:
Aus der ERSPC-Studie sei ein
Überdiagnose-Aufschlag von bis zu
50 % auf die ursprüngliche Inzidenz
anzusetzen, die falsch-positiv-Rate
wurde in der PLCO-Studie mit 10,4%
bzw. 15,0% angegeben für den PSATest bzw. die DRE. Medizinische
Komplikationen durch diagnostische
Verfahren nach einem positiven
Screeningergebnis waren dort mit
einer Inzidenz von 68 je 10.000 PSATests berichtet worden (überwiegend
Infektionen, Blutungen, Blutgerinnsel,
und Beschwerden beim
Wasserlassen).
Das Dokument ist eine Aktualisierung
der im Ergebnisbericht der
Erstbewertung bereits dargestellten
Leitlinie von 2009.
Die Leitlinie stützt sich nur auf die
ersten Veröffentlichungen der ERSPC
und PLCO aus 2009, nicht auf deren
Updates aus 2012. Sie bezieht bei
ihren Aussagen zu den Möglichkeiten
der Früherkennung bereits Männer im
Alter von 40 Jahren mit ein, ohne auf
einschlägige Daten zu dieser
Altersgruppe verweisen zu können:
Weder die PLCO noch die ERSPC
hatte Männer <50 Jahren rekrutiert.
Die Leitlinie bietet keine weiteren
Hinweise zu Nutzen oder Schaden, die
im Kontext über die Aussagen des
aktuellen Cochrane Reviews (siehe
oben) hinausgehen.
Das Dokument ist eine Aktualisierung
der im Ergebnisbericht der
Erstbewertung bereits dargestellten
Übersichtsarbeit von 2008.
Zum PSA-Screening wurden 2 RCTs
mit guter Qualität (ERSPC und PLCO,
noch ohne die Updates aus 2012)
identifiziert, dazu 3 weitere mit
eingeschränkter Qualität („NorrköpingStudie“, „Stockholm-Studie“, „QuebecStudie“).
Evidenz zum Nutzen:
Hinsichtlich des Nutzens liefert
das Review keine über die Ergebnisse
und
Interpretationen des oben
beschriebenen
Reviews von Ilic (2013, siehe oben)
hinausgehenden Informationen. Die
ergänzenden Informationen zum
Schaden werden im Folgenden
www.igel-monitor.de
(11) : 762-771
gehen mit einer
Therapie eines durch
Screening entdeckten
Prostatakarzinoms
oder eines
Prostatakarzinoms im
Frühstadium einher?
(Weitere in der
Evidenzsynthese
diskutierte Fragen zur
Therapie werden hier
nicht berücksichtigt.)
Carter HB, et al.:
Early
detection of
prostate cancer:
AUA guideline. J
Urol, 2013 May 6;
http://dx.doi.org/10.10
16/j.juro.2013.04.119
Seite 5 von 6
1. ja
2. 2013 (zum
genauen Datum
keine Angabe)
3. teilweise
Design: RCTs;
Modellierungsstudien
wurden
hinzugezogen, um
Lücken in der
Evidenzbasis
aufzufüllen,
insbesondere was
Daten zum Benefit
außerhalb der „core
age group“ betrifft.
Stand der Bewertung: Juli 2013
berichtet.
Evidenz zum Schaden:
In der finnischen Teilstudie der
ERSPC war bei 12% der Männer
mindestens 1 mal ein falsch-positives
Ergebnis nach 3 Screeningrunden mit
einem PSA cut-off von 4.0 μg/L
festgestellt worden. Bei 76% aller
positiven PSA-Tests in der ERSPC
war die Biopsie bezüglich Krebs
negativ (falsch positiver PSA-Test).
In der PLCO betrug das kumulative
Risiko für mindestens 1-mal ein falschpositives Ergebnis nach 4
Screeningrunden 13% bei einem PSA
cut-off von 4.0 μg/L.
Komplikationen durch eine
Prostatabiopsie wie Infektionen,
Blutungen und Beschwerden beim
Wasserlassen wurden in der PLCOStudie mit einer Inzidenz von 68 je
10.000 PSA-Tests angegeben.
Zahlen zu psychischen Schäden
wurden aus keiner der RCTs zum
PSA-Screening berichtet.
Zu Beantwortung der Frage, ob
Schäden mit einer Therapie eines
durch Screening entdeckten
Prostatakarzinoms oder eines
Prostatakarzinoms im Frühstadium
einhergehen, wurden Daten zu
Schäden nach einer Prostatektomie
oder einer Strahlentherapie aus
verschiedenen RCTs,
Kohortenstudien und unkontrollierten
Beobachtungsstudien identifiziert;
dabei lagen limitierte Informationen zu
den spezifisch angewendeten
Verfahrenstechniken vor:
Werden ca. 3 Männer mit einer
Prostatektomie oder ca. 7 Männer mit
Strahlentherapie anstelle von
„watchful waiting“ behandelt, ist in
beiden Gruppen mit 1 zusätzlichen
Fall einer erektilen Dysfunktion zu
rechnen. Werden ca. 5 Männer mit
einer Prostatektomie anstelle von
„watchful waiting“ behandelt, ist mit 1
zusätzlichen Fall einer
Harninkontinenz zu rechnen.
Die Leitlinie berichtet ausführlich über
PLCO und ERSPC mit deren Updates.
Sie liefert insgesamt keine über die
Ergebnisse des oben beschriebenen
Reviews von Ilic
hinausgehenden Informationen.
Die Autoren bemängeln, dass es
deutliche Lücken in der Evidenzbasis
gibt u.a. was
Daten zu Nutzen/Schaden in jüngeren
www.igel-monitor.de
Basch E, et al.:
Screening for
prostate cancer
with prostatespecific antigen
testing: American
Society of Clinical
Oncology
Provisional Clinical
Opinion. J Clin
Oncol, 2012; 30
(24): 3020-3025
Seite 6 von 6
1. ja
2. März 2012
3. teilweise
Neben PSA wurde
u.a. auch nach
Evidenz zum Nutzen
der DER oder
anderen Biomarkern
als PSA gesucht. Im
Ergebnis wurde der
Fokus auf das PSAScreening gelegt, da
die Evidenz zu
anderen ScreeningTests nicht
ausreichend war, um
daraus Schlüsse zu
ziehen.
Die Literaturrecherche
für die Provisional
Clinical Opinion
(PCO) setzt auf der
Evidenzsynthese des
AHRQ von 2011 (s.o.)
auf mit einer
Updaterecherche im
März 2012.
Stand der Bewertung: Juli 2013
und älteren Altersgruppen als in den
derzeitig verfügbaren RCTs betrifft.
Daten zum Schaden seien aus den
vorliegenden empirischen Daten nicht
leicht zu berechnen. Außerdem wären
Daten mit einem längeren Follow-up
nötig.
Der American Society of Clinical
Oncology (ASCO) bietet mit ihrer
Provisional Clinical Opinion (PCO)
zeitige klinische Hinweise nach
Publikation von Daten bedeutender
Studien, die möglicherweise die
klinische Praxis verändern.
Die Ergebnisse sind bereits an
anderer Stelle (siehe oben)
beschrieben. Das Review liefert daher
insgesamt keine über die Ergebnisse,
Interpretationen und
Schlussfolgerungen der
oben beschriebenen Reviews
hinausgehenden Informationen.
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