PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs - IGeL

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PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs - IGeL
PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs
Evidenzsynthese 1.0 - Erstbewertung
Datenlage:
Es wurden mehrere systematische Reviews zu unserer Fragestellung nach dem Nutzen- und
Schadenspotenzial des PSA-Screenings identifiziert, in denen die Evidenz aus 5 großen RCTs
(teilweise in Teilstudien betrachtet) dargestellt wird. Ergänzende Evidenz, z.B. zur Prognose von
Prostatakrebs in frühen Stadien, wird aus Kohortenstudien abgeleitet. Relevant für die
zusammenfassende Bewertung der Datenlage ist, in wie weit die vorliegenden RCTs (bzw. die
„Substudien“ der ERSPC-Studie) als einheitlich oder qualitativ unterschiedliche Studien betrachtet
werden. Insbesondere der schwedische Arm der ERSPC-Studie hat bei der zusammenfassenden
Bewertung eine Sonderstellung, da nur hier eine geringe Kontamination des Kontrollarms durch
„Graues Screening und ein langes Follow-up stattgefunden hat.
Evidenz zum Nutzen:
Gar keine Effekte zeigen die Studien bei Betrachtung der Gesamtmortalität. Übergreifende
metaanalytische Auswertungen der RCTs sowie die Langzeitergebnisse der PLCO-Studie erbringen
ebenfalls keinen statistisch signifikanten Nutzennachweis des PSA-Screenings. Die übergreifende
Auswertung der einzelnen Screening-Studien ist jedoch insofern kritisch einzuschätzen, da sich die
Studien in ihrem Design und Teilergebnissen teils stark unterscheiden. Nur die gesonderte
Betrachtung der ERSPC-Studie bzw. des schwedischen Arms („Göteborg-Studie“) weist mit
(statistisch signifikanten) Ergebnissen auf einen Nutzen des PSA-Screenings hin. Dies sind die
separaten Ergebnisse für die im ERSPC-Projekt a priori definierte „Core age group“ von Männern
zwischen 55 und 69 Jahren in der ERSPC-Studie (RR: 0,80) bzw. die separate Auswertung der
Langzeitergebnisse (medianes Follow-up 14 Jahre) in der ERSPC-Schweden-Studie (RR: 0,56).
Die übergreifende Bewertung der Datenlage lässt keinen Schluss auf belegten Nutzen zu. Die
positiven Ergebnisse der ERSPC-Studie bzw. die schwedischen Langzeitergebnisse können jedoch
Hinweise auf einen geringen Nutzen liefern.
Evidenz zum Schaden:
Das Schadenspotenzial durch falsch-positive Screening-Tests („Fehlalarme“, negativ in der
Anschlussdiagnostik) und induzierte Behandlungen ist gut belegt. Je nach Effekt- bzw.
Inzidenzschätzungen leiten sich hierfür aus den einzelnen Reviews bzw. Studienergebnissen jeweils
leicht variierende Raten ab. In der ERSPC-Studie standen statistisch betrachtet in der Gruppe der
Männer zwischen 55 – 69 Jahren einem durch die Krebserkennung und Behandlung verhinderbaren
Prostatakrebs 47 Prostatakrebs-Diagnosen bzw. Behandlungen gegenüber, die mit keinem
Überlebensvorteil einhergehen. Hinter solchen Behandlungen stehen vermutlich vor allem solche
diagnostizierten Tumore, die ohne ein Screening niemals klinisch auffällig geworden bzw. zu einer
gesundheitlichen Beeinträchtigung geführt hätten (Überdiagnosen). Die Behandlungen beim
Prostatakrebs bergen aber selber das Risiko, schwere Gesundheitsschäden wie Inkontinenz und
Impotenz auszulösen. Die Qualität dieser Schäden ist erheblich. Über das quantitative Ausmaß dieser
Schäden liegen allerdings keine Daten vor.
Weitere geringere Schäden durch den Screening-Test bzw. die Anschlussdiagnostik sind zu erwarten
(psychologische Beeinflussung; Komplikationen bei Abklärungsuntersuchungen).
Anhand der Datenlage sind Schäden belegt und weitere erwartbar. Quantitativ werden sie von uns,
letztlich auch aufgrund mangelnder Daten zur Häufigkeit, als (mindestens) „gering“ eingestuft.
Fazit:
Für den PSA-Test liegt eine ungewöhnlich hohe Zahl randomisierter Studien mit im Wesentlichen
negativen Ergebnissen vor. Deutlich wird anhand der verfügbaren Datenlage vor allem, wie unsicher
und höchstens gering ein potenzieller Nutzen eines PSA-Screenings ist, und welch große Rolle der
potenzielle Schaden bei der Gesamtbewertung spielt. Zusammenfassend können wir trotz
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widersprüchlicher Ergebnisse und einem fehlendem Nutzenbeleg aus Argumenten, die für eine
gesonderte Betrachtung der positiven Ergebnisse der ERSPC-Studie bzw. des schwedischen Arms
der Studie sprechen, Hinweise auf einen geringen Nutzen einer PSA-basierten Früherkennung
ableiten. Die Hinweise beziehen sich allerdings nur auf eine potenzielle Senkung der Prostataspezifischen Mortalität, für die Gesamtmortalität finden sich keinerlei Hinweise. Schäden durch
induzierte Therapien müssen als belegt angesehen werden.
Zusammenfassend bewerten wir den PSA-Test zur Früherkennung des Prostatakrebses in unserer
Nutzen-Schaden-Abwägung daher als „tendenziell negativ“: Trotz widersprüchlicher Ergebnisse
verfügbarer RCTs sehen wir in ihnen zwar Hinweise auf einen geringen Nutzen. Daneben liegen aber
deutliche Belege für einen (mindestens) geringen Schaden vor, vor allem durch induzierte invasive
Therapien.
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PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs
Ergebnisbericht 1.0 - Erstbewertung
Recherche
Datum der Suche: 08.03.2011
PICO-Fragestellung:
Population: Männer ohne besondere Einschränkungen
Intervention: PSA- (Prostata-spezifisches Antigen-) Blut-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs; ggf.
ergänzt durch weitere Verfahren (DRE: Digital-Rektale Untersuchung; TRUS: transrektaler Ultraschall)
Kontrolle (Control): kein Test; nur anderer Test (Ultraschall, Abtasten)
Zielgröße (Outcome): Sterblichkeit an Prostatakrebs, unerwünschte Ereignisse
Erläuterung der PICO-Fragestellung: Allein die richtige Entdeckung (früher) Krebsfälle („gute
Testgenauigkeit/Treffsicherheit“) stellt keinen Nutzen dar. Ein Nutzen des Tests läge in der Senkung der
Sterblichkeit an Prostatakrebs bzw. der Gesamtmortalität (Zielgrößen) dadurch, dass mit dem Test
Krebsfälle erkannt werden, die ohne den Test unerkannt bleiben würden, und für die eine Therapie
verfügbar ist, die bei diesen zusätzlich gefundenen Krebsfällen wirksam ist.
Kommentar:
Aktuelle Studien:
Review-Sichtung und die Medline-Recherche nach aktuellen randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs)
zeigten, dass insbesondere zwei große internationale und methodisch gute Studien maßgebliche Evidenz
zur Frage nach dem Nutzen und den Risiken des PSA-Tests als Screeningmaßnahme liefern (PLCOStudie: „Prostate-, Lung-, Colorectal- and Ovarian Cancer Screening Trial“ und ERSPC-Studie: „European
Randomized Study of Screening for Prostate Cancer“), deren Ergebnisse 2009 und 2010 publiziert worden
sind. Wir haben Reviews, die die PLCO- und ERSPC-Studien nicht berücksichtigen konnten, als „veraltetet“
eingestuft und in unserer Auswertung nur dann berücksichtigt, wenn sich darin Informationen zu
spezifischen Fragestellungen fanden, für die eine Evidenzsichtung zum Zeitpunkt vor 2009 sinnvoll
erscheint (s.u.).
Eine derzeit noch laufende englische Studie („CAP-Study“: „Comparison Arm for ProtecT [„Prostate testing
for cancer and Treatment study“]) konnte nicht berücksichtigt werden. Erste Ergebnisse werden
voraussichtlich erst 2014 publiziert.
MDS-Info-Flyer:
Zur IGeL „PSA-Screening“ gibt es eine Stellungnahme des MDS. Die vorliegende Evidenzsynthese ist
unabhängig von dieser Stellungnahme aufbereitet worden.
Suchbegriffe:
deutsch: PSA-Test
englisch: PSA testing
Datenbank
IQWiG
(Berichte)
Cochrane
(Reviews)
gefundene Dokumente
3 Treffe: nicht relevant (andere
Themen)
3 Treffer: 1 verwendet,
2 nicht relevant (andere Themen)
G-BA
10 Treffer: keiner relevant (andere
Themen)
Kein relevanter Treffer mit dem
Suchbegriff und erweiterter Suche mit
Suchwort „Prostatakarzinom“.
Suche unter „Leitlinien nach Fächern“,
dort Urologie: S3-Leitlinie
Prostatakarzinom (verwendet)
1 Treffer (klinische Leitlinie), nicht
AWMF
(S2e und S3)
NICE
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verwendete Dokumente
0
Ilic D, et al.: Screening for prostate
cancer. Cochrane Database Syst Rev,
2006, 11. Art. No.: CD004720 (Update
2009, Edited 2010)
0
Deutsche Gesellschaft für Urologie:
Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3
zur Früherkennung, Diagnose und
Therapie der verschiedenen Stadien des
Prostatakarzinoms. 2009; Version 1.00
0
www.igel-monitor.de
(Guidance
documents)
CRD
(DARE und HTA)
AHRQ /USPSTF
(Index-Suche)
relevant (kein Screening)
15 Treffer: 1 verwendet (s.o. Cochrane)
16 nicht relevant (veraltet, andere
Themen)
1 Treffer: verwendet
0
Agency for Healthcare Research and
Quality: Benefits and harms of prostatespecific antigen screening for prostate
cancer: an evidence update for the U.S.
Preventive Services Task Force. 2008;
Evidence Synthesis Number 63
Eingeschlossene Dokumente: Beschreibung, Qualitätsbewertung, Extraktion
Verwendete Reviews
Verwendetes
Review
Ilic D, et al.:
Screening for
prostate
cancer.
Cochrane
Database
Syst Rev,
2010, 11. Art.
No.:
CD004720
Reviewqualität
1. Methodik der
Recherche/
Literaturauswahl
systematisch?
2. Ende des
Suchzeitraums?
3.Ergebnis
präsentation
ausführlich?
1. ja
2. Juli 2010
3. ja
Einschlusskriteri
en für
Studienauswahl,
Evidenz
Design und
ggf. PICOErläuterung
Design: RCT
Intervention/Kontro
lle: Screening
(PSA-Test
und/oder DRE
und/oder TRUS)
vs. no-Screening
Es wurden 5 RCTs identifiziert, darunter die
beiden aktuellen Studien ERSPC (ohne
Langzeitergebnisse des schwedischen Arms)
und die PLCO-Studie, sowie weitere
(„Norrköping-Studie“, „Stockholm-Studie“ und
„Quebec“- bzw. „Labrie-Studie“) und in MetaAnalysen zusammenfassend ausgewertet. Die
Intervention bestand in allen Studien aus dem
PSA-Test, jedoch teilweise ergänzt durch eine
DRE (Quebec; teilweise Norrköping, teilweise
ERSPC) sowie einmal durch TRUS
(Stockholm).
Evidenz zum Nutzen:
1. Prostataspezifische Mortalität: Die
gemeinsame Auswertung der Daten aller
Studien ergibt keine signifikante Reduktion (RR
(Relatives Risiko): 0,95, 95%-KI [0,85 – 1,07]).
Da nur die ERSPC- und die PLCO-Studie als
qualitativ hochwertig eingeschätzt wurden,
wurden deren Ergebnisse in einer gesonderten
Analyse separat betrachtet, deren Ergebnis
jedoch qualitativ gleich ausfiel (Punktschätzer
für das RR unter 1, kein signifikantes
Ergebnis). Nur in 1 Studie der 5 Studien
(ERSPC) zeigt sich in einer
Subgruppenanalyse nach Altersgruppen in
einer bestimmten Altersgruppe (Männer
zwischen 55-69 Jahre) ein signifikantes
Ergebnis (RR: 0,80).
Der beobachtete Effekt (Mortalitätssenkung) in
der ERSPC-Studie zeigte sich durchschnittlich
erst nach 10 Jahren, woraus im
Umkehrschluss abgeleitet werden kann, dass
der Test höchstens für Männer Nutzen haben
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kann, die eine Lebenserwartung von über 10
Jahren haben.
2. Gesamtmortalität: Nur in wenigen Studien
finden sich Daten zur Gesamtmortalität (ERSP,
Stockholm-Studie). Aus diesen lässt sich kein
Hinweis auf einen Effekt ableiten (RR: 1,00,
95%-KI [0,98 – 1,02]).
Evidenz zum Schaden:
Daten zu Schäden werden im Review nicht
gesondert aufbereitet, sondern aus den
Überlegungen zum Umfang überflüssig
stattfindender Therapien, da sie nicht zu einem
verbesserten Überleben führen
(„Übertherapien“), abgeleitet. Zur Abschätzung
des Ausmaßes von Übertherapien wird das
Verhältnis aus der in der ERSPC-Studie durch
die Früherkennungsmaßnahme in hohem
Ausmaß gesteigerten Inzidenz (Entdeckung
zusätzlicher Tumore) und der im nur im
geringeren Maß gesenkten Prostatakarzinom spezifischen Mortalität gebildet.
Anstieg der Inzidenz im Verhältnis zur
prostatatspezifischen Mortalitätssenkung: Die
zusammenfassende Auswertung der Daten der
ERSPC-, Norrköping-, PLCO- und StockholmStudien ergeben einen Anstieg der ProstataCA-Inzidenz durch die intensivierte
Früherkennung um ca. 35% (RR: 1,35, 95%-KI
[1,06 - 1,72]) Eine Gegenüberstellung der
zusätzlich diagnostizierten Krebsfälle und der
Mortalitätssenkung führt statistisch auf ein
Verhältnis von 48 zusätzlichen Diagnosen, die
in Behandlungen münden, pro verhindertem
Prostatakrebs-Tod. Die Möglichkeiten der
Behandlungsformen bei Prostata-Ca und deren
direkte Auswirkungen und Risiken werden nicht
gesondert ausgeführt. Potenzieller Schaden
durch (Über-) Therapie wird aus der PLCOStudie abgleitet (Infektionen, erektile
Dysfunktion und Inkontinenz). Schäden durch
die notwendige Diagnostik werden aus
Auswertungen der PLCO- und der ERSPSCStudie abgeleitet. In diesen fanden sich
Hinweise auf Komplikationsraten insbesondere
bei Biopsien (Hämatospermie, Hämaturie,
Schmerz, Fieber).
Methodische Aspekte: Bei der
zusammenfassenden Betrachtung der
Studienergebnisse wurde beachtet, dass sich
die Screeningstudien bereits in ihren
Screening-Protokollen unterscheiden (z.B.
Einsatz von TRUS in Stockholm-Studie), wobei
separat durchgeführte Berechnungen, die dies
berücksichtigten, keinen Einfluss auf die
Gesamtauswertung hatten. In weiterführenden
Betrachtungen der (statistischen) Heterogenität
fanden sich keine besonderen Auffälligkeiten.
Abschließend wurden dennoch inhaltliche
Gründe für die unterschiedlichen beobachteten
Effekte (der qualitativ hochwertigen Studien)
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Deutsche
Gesellschaft
für Urologie:
Interdisziplinä
re Leitlinie der
Qualität S3
zur
Früherkennun
g, Diagnose
und Therapie
der
verschiedene
n Stadien des
Prostatakarzi
noms. 2009;
Version 1.00
1. ja
2. Mai 2008, in
2009 ERSPC
und PLCO
eingeschlossen
3. ja
Keine spezifischen
Einschlusskriterien
(Ausgewertet
wurden Reviews
bis Fallserien)
Agency for
Healthcare
Research and
Quality:
Benefits and
harms of
prostatespecific
antigen
screening for
1. ja
2. Juli 2007
3. ja
Einschlusskriterien
abhängig von
definierten
Forschungsfragen
(siehe nächste
Spalte)
Zu Frage 1: RCT /.
Meta-Analysen von
RCT
Zu Frage 2:
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dargelegt, d.h. insbesondere für die
„schlechteren“ Ergebnisse der PLCO-Studie
(kein Nutzen) verglichen mit der ERSPC-Studie
(Senkung der prostataspezifischen Mortalität).
Als wichtige Aspekte, die die
Studienergebnisse beeinflussen, werden die
geringe Laufzeit (Effekt zeigt sich ggf. aber erst
spät, s.o.) und die Kontamination der
Kontrollgruppe („Graues Screening“) genannt.
Dagegen ist als Argument für ggf.
überoptimistisch „gute“ Ergebnisse der
ERSPSC-Studie zu beachten, dass den
Studienteilnehmern die Studienteilnahme
bekannt war, was mit „künstlich“ verbesserter
Versorgung der Fälle gegenüber den Fällen in
den Kontrollgruppen assoziiert gewesen sein
könnte.
Die Leitlinie stützt sich auf die aktuellen RCTs
(s.o.) sowie auf epidemiologische
Beobachtungs- bzw. Prognosestudien zu
ergänzenden Fragestellungen, sowie auf
zusammenfassende Arbeiten (Reviews,
Leitlinien).
Evidenz zum Nutzen:
Insbesondere zum Nutzen finden sich in der
Leitlinie im Wesentlichen Ergebnisse der
zusammenfassenden Auswertungen des
Cochrane-Reviews (s.o.). Aus den
Ergebnissen der ERSPC-Studie (Senken des
individuellen Risikos für Prostatakrebstod um
schätzungsweise 20% bei Männern zwischen
55-69 Jahre) und epidemiologischen
Kenntnissen zur Mortalität wird abgeleitet, dass
die Risikoreduktion in etwa einer Senkung des
individuellen Risikos für Prostatakrebstod von
3% auf 2,4% entspricht.
Die ERSPC-Ergebnisse hinsichtlich eines
„verzögerten Nutzeneintritts“ (s.o.) werden
durch weitere Ergebnisse von Prognosestudien
untermauert. Hierin wurde beobachtet, dass
70% der Patienten mit Prostata-Tumoren und
erhöhtem PSA-Wert die ersten zehn Jahre
ohne Fernmetastasen überlebten: Auch
hieraus ergibt sich ein potenzieller Nutzen
eines Screenings nur für Männer mit einer
Lebenserwartung von über 10 Jahren.
Evidenz zum Schaden:
In Bezug auf Schaden werden wiederum
Risiken durch zusätzliche Behandlungen
thematisiert. Einem verhinderten
Prostatakrebstod stehen 48 „zusätzliche“
Behandlungen gegenüber (s.o., CochraneReview).
Evidenz zur Forschungsfrage 1 („Nutzen“):
(„Führt ein PSA-basiertes Screening zur
Senkung von Morbidität und Mortalität?“) Da
das Review zu einem Zeitpunkt durchgeführt
wurde, zu dem die PLCO- und die ERSPCStudie noch nicht publiziert worden waren, sind
die entsprechenden Ergebnisse nicht relevant
bzw. werden nicht dargestellt.
Evidenz zur Forschungsfrage 2 („Schaden“):
(„Wie ist das Ausmaß (Größe, Art) des
Stand der Bewertung: Januar 2012
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prostate
cancer: an
evidence
update for the
U.S.
Preventive
Services Task
Force. 2008;
Evidence
Synthesis
Number 63
Djulbegovic
M, et al.:
Screening for
prostate
cancer:
systematic
review and
metaanalysis
of
randomised
controlled
trials. Br Med
J, 2010;
341:c4543
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Vergleichende
Studien
Zu Frage 3:
Kohortenstudien
(auch nichtvergleichende)
1. ja
2. 13. Juli 2010
3. ja
Design: RCT
Intervention/Kontro
lle: Screening
(PSA-Test mit oder
ohne DER) vs. noScreening
Schadens eines Prostatakarzinom-Screenings,
der zusätzlich zu Schäden durch
Übertherapien entsteht?“) Es wurden 3
Kohortenstudien von guter bis mittlerer Qualität
identifiziert. Sie zeigen psychische
Beeinträchtigungen nach falsch-positiven
Ergebnissen (Besorgtheit, Wahrnehmung eines
erhöhten Risikos, Probleme in sexueller
Funktion) sowie eine gesteigerte
Inanspruchnahme von wiederholten PSA-Tests
und Anschlussdiagnostik.
Evidenz zur Forschungsfrage 3 (Nutzen /
Schaden):
(„Wie entwickelt sich ein PSA-positiver, nichttastbarer, lokaler Prostatakrebs [T1c-Stadium]
normalerweise [ohne frühe Behandlung]
weiter?“) Es wurden 3 Kohortenstudien
mittlerer Qualität identifiziert. Es zeigt sich,
dass „ein Teil“ der Patienten auch 10 Jahre
nach erhöhtem PSA-Wert gute Gesundheit hat
(some men … have good health outcomes“;
keine genaueren Angaben).
In der Arbeit wurden dieselben Studien wie im
Cochrane-Review mit Ausnahme der
Stockholm-Studie (Einsatz von TRUS)
identifiziert und deren Ergebnisse
metaanalytisch zusammengefasst, wobei
einzig in diesem Review die aktuellsten
Ergebnisse des schwedischen Studienarms
der ERSPC-Studie („Göteborgstudie“)
ausgewertet wurden. Außerdem werden (im
Unterschied zum Cochrane-Review) die
Ergebnisse verschiedener Zentren der
ERSPC-Studie separat betrachtet. Somit
werden zusammenfassend die Ergebnisse aus
nominal „6 RCTs“ (ERSPC-Frankreich, /
Schweden, / „Rest“; Norrköping-Studie, PLCOStudie und Quebec-Studie) berichtet.
Evidenz zum Nutzen:
1. Prostataspezifische Mortalität: Die
gemeinsame Auswertung aller Studien ergibt
ein nicht signifikantes Ergebnis (RR: 0,88;
95%-Konfidenzintervall: [0,71 – 1,09]). Eine
separate Auswertung der ERSPC-SchwedenStudie (medianes Follow-up: 14 Jahre) ergibt
eine statistisch signifikante Mortalitätssenkung
(RR: 0,56, 95%-KI [0,39 – 0,81]).
2. Gesamtmortalität: Die Zusammenführung
der Ergebnisse aus ERSPC-Schweden,
ERSPC-„Rest“, Norrköping- und PLCO-Studie
ergeben für diesen Endpunkt keinen Hinweis
auf Nutzen (RR: 0,99, 95%-KI [0,97 – 1,01]).
Evidenz zum Schaden:
Anstieg der Inzidenz im Verhältnis zur
prostatatspezifischen Mortalitätssenkung: Aus
dem beobachtbaren Anstieg der Inzidenz durch
die Früherkennungsmaßnahme
(metaanalytische Schätzung: im Vergleich zu
„keinem Screening“ werden 20 Erkrankte mehr
pro 1000 Männer entdeckt) bei fehlendem
Nutzennachweis werden als Nachweis für
Schaden durch zusätzliche Diagnosen bzw.–
therapien, die nicht in einem Überlebensvorteil,
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aber ggf. Nebenwirkungen münden,
dargestellt. Neben diesen ohne
Überlebensvorteil diagnostizierten und
behandelten Krebsfällen sind die falschpositiven Ergebnisse der Screening-Tests zu
berücksichtigen, die sich bereits durch
Abklärung in der Anschlussdiagnostik zeigten.
Direkte Schäden durch Diagnostik: Aussagen
zu (schweren) Schäden durch die Diagnostik
lassen sich aus den RCTs nur bedingt ableiten.
Neben leichten Schäden durch den
kombinierten Screeningtest weisen die Daten
auf verschiedene medizinische Komplikationen
der Anschlussdiagnostik hin, wobei zu
berücksichtigen ist, dass diese nicht vollständig
bzw. nicht systematisch erhoben worden sind.
Daten zur (potenziell durch die medizinischen
Maßnahmen beeinträchtigten) Lebensqualität
werden in den Studien gar nicht präsentiert.
Methodische Aspekte: Auch in diesem Review
werden die inhaltliche Unterschiedlichkeit der
Screeningstudien (Unterschiede in Design und
Qualität der Studien) und qualitativ
unterschiedliche Ergebnissen auch innerhalb
unterschiedlicher Studienarme der ERSPCStudie erörtert. Klinische Heterogenität/
Designunterschiede: Die Studien bzw.
Teilstudien der ERSPC-Studie unterscheiden
sich in der Screening-Strategie (s.o., PSA
allein oder PSA+(DER)), im Altersintervall
eingeschlossener Männer, in der Länge des
Follow-ups/Zeitpunkt der Endpunktmessung
(medianes Follow-up ERSPC-Frankreich: 4
Jahre, ERSPC-Schweden: 14 Jahre; in
ERSPC-„Rest“: 9 Jahre, PLCO-Studie 11,5
Jahre, Norrköping- und Quebec-Studie: 11–15
Jahre) sowie in weiteren methodischen
Designaspekten. Eine Bewertung der
Studienqualität nach etabliertem GRADESchema (GRADE: „Grading of
Recommendations Assessment, Development
and Evaluation“) ergab methodische
Schwächen bei allen Studien, die ebenfalls
Einfluss auf die (qualitativ unterschiedlichen)
Effektschätzungen haben können (s.o.;
„Graues Screening“ von Männern im
Kontrollarm der PLCO-Studie; kurzes Followup in allen außer der ERSPC-SchwedenStudie). Insbesondere das längere Follow-up
begründet sinnvoll die separate
Berücksichtigung des schwedischen Arms der
ERSPC-Studie.
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