Zur Kritik an der Ultimo

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Zur Kritik an der Ultimo
UnterstützerInnen der Infobroschüre des Bielefelder
Bündnis für diskriminierungsfreie Medienkultur
- AStA der Fachhochschule Bielefeld
- Hochschulgruppe :uniLinks! der Universität Bielefeld
Zur Kritik an der Ultimo
- Blauschwung e.V. Verein für freie Bildungskultur
- AStA Uni Bielefeld
- SchwuR - Autonomes Schwulenreferat Uni Bielefeld
- Antifa-AG der Universität Bielefeld
Infobroschüre des
Bielefelder Bündnis
für diskriminierungsfreie Medienkultur
- KRat-OS - KollegiatInnenrat am Oberstufen-Kolleg Bielefeld
- Internationales Begegnungszentrum (IBZ) e.V.
- Nigerian Union of Students Bielefeld e.V.
- Eritreische Gemeinde Bielefeld e.V.
- AKE-Bildungswerk, Vlotho (Arbeitskreis Entwicklungspolitik)
- AK Asyl
Liebe LeserInnen und Inserierende
des Bielefelder Stadtmagazins Ultimo,
- AJZ Bielefeld
- Frauenkulturzentrum e.V.
im November 2008 kursierte in Bielefeld ein Offener Brief an alle NutzerInnen
der Ultimo, mit welchem über aktuelle Auseinandersetzungen mit Verantwortlichen des Stadtmagazins informiert werden sollte. Anstoß der öffentlichen
Debatte war der rassistische Sprachgebrauch in der ‚Ultimo’-September-Ausgabe 20/08. Auf anschließende Kritik von verschiedenen Personen und Grup-
Das Bielefelder Bündnis für diskriminierungsfreie Medienkultur hat sich im
pen1 reagierte die Ultimo vielfach in beleidigender Weise und hielt auch in
Dezember 2008 gegründet. Wir sehen unsere Aufgabe darin, öffentlich darauf
nachfolgenden Ausgaben an rassistischer Sprache fest. Die Beleidigungen gip-
aufmerksam zu machen, wenn Medien in Bielefeld und Umgebung durch dis-
felten in einem „Totalausfall von Redakteur und Geschäftsführung des Biele-
kriminierende (z.B. rassistische, sexistische und antisemitische) Inhalte auf-
felder Stadtmagazins“2. Im Anschluss an diese Geschehnisse hat sich aus
fallen. Damit verbinden wir das Ziel, zu einer kritisch-aufmerksamen Medien-
engagierten Privatpersonen, kritischen KulturkonsumentInnen und Vertrete-
kultur beizutragen.
rInnen unterschiedlichster lokaler Institutionen das „Bündnis für diskriminierungsfreie Medienkultur Bielefeld“ gegründet, das an dieser Stelle Positi-
Für den Inhalt des Textes ist das Bündnis verantwortlich.
on beziehen und die Bielefelder Öffentlichkeit ausführlich über die Ereignis-
se in Sachen Ultimo informieren möchte. Dabei wollen wir uns nicht nur auf
– fern von ihrem eigentlichen Bestimmungszweck. Hierdurch trägt die Ultimo
die Kritik am Rassismus beschränken, sondern auch andere diskriminierende
ihren Teil zur Verharmlosung der Bundeswehr bei. Unter der Hand wird somit
Medieninhalte thematisieren.
die immer stärkere Akzeptanz von Krieg und Ausbeutung als Mittel der Politik und „Konfliktlösung“ unter-stützt.
Phänomene wie Rassismus, Sexismus oder Militarismus sind weithin verbreitet
und werden durch nahezu alle Medien (re-)produziert. Dies gilt es nach unse-
Was wir fordern
rer Auffassung ganz allgemein und umfassend zu kritisieren. Die Ultimo bildet
Wir fordern daher die Medienschaffenden im Allgemeinen und die Bielefelder
also keine Ausnahme; für Spiegel, FAZ oder Westfalenblatt gilt dies ganz
Ultimo im Besonderen dazu auf, rassistischen Sprachgebrauch und jede ande-
genauso - um nur ein paar beliebige Beispiele zu nennen. Dennoch gibt es zwei
re Form von Diskriminierung in ihrem Magazin einzustellen und einen reflek-
Gründe aus denen wir die genannten Phänomene speziell bei der Ultimo kriti-
tierten, kritisch bewussten Journalismus zu pflegen, der seinen LeserInnen
sieren wollen.
diskriminierungsfreie Informationen zur Verfügung stellt. In diesem Sinne
werden wir uns auch weiterhin öffentlich zu Wort melden, wenn lokale und
Warum ausgerechnet die Ultimo kritisieren?
regionale Medien diskriminierende Inhalte publizieren. Genauso sehen wir es
Erstens wird die Ultimo vor allem aufgrund ihres Veranstaltungskalenders gele-
als Aufgabe aller MediennutzerInnen und Kulturschaffenden an, einen auf-
sen und repräsentiert damit in gewisser Weise das kulturelle Leben in der
merksamen Umgang mit Medien zu praktizieren und ihre Möglichkeiten der
Stadt. Gleichzeitig ist die Ultimo aber wie kein anderes Bielefelder Medium von
Einflussnahme wahrzunehmen.
eben diesem kulturellen Leben abhängig. Keine Veranstaltungshinweise –
keine Ultimo. So einfach ist das. Als Bündnis für diskriminierungsfreie Medienkultur ist es uns ein zentrales Anliegen, auf den Veranstaltungen, die wir
März 2009, Bündnis für diskrimierungsfreie Medienkultur Bielefeld
anbieten und die wir besuchen, jede Form von Diskriminierung zu unterbin-
Kontakt:
den, um allen Menschen in gleicher Weise den Genuss von Kultur zu ermögli-
mail: [email protected]
chen. Dies bedeutet für uns, dass wir auch von der Ultimo, in der unsere Kulturveranstaltungen bisher angekündigt und beworben wurden, einfordern auf
Bielefelder Bündnis für diskriminierungsfreie Medienkultur:
Sexismus, Rassismus und Militarismus in jeder Form zu verzichten.
Hermannstr. 61, 33602 Bielefeld
Zweitens haben wir vor genau diesem Hintergrund im informellen Austausch
1 Nachzulesen z.B. auf www.ibz-bielefeld.de
festgestellt, dass die Ultimo auf an sie gerichtete Kritik nicht selten in belei-
2 http://blog.derbraunemob.info/2009/01/06/moegen-dich-deutsche-schaeferhunde-vergewaltigen-
digender und selbstherrlicher Weise reagiert. Dies wollen wir nicht länger hin-
totalausfall-von-redakteur-und-geschaeftsfuehrung-des-bielefelder-stadtmagazins-ultimo/
nehmen. Offensichtlich meinen die Ultimo-MacherInnen, dass sie im Umgang
3 Zur Verwendung des N-Wortes vgl. http://www.derbraunemob.info/shared/download/warum_nicht.pdf
mit Kritik ihre Machtposition als bisher einziger relevanter Veranstaltungska-
4 Vgl. www.m-strassse.de/speech_and_violence/who_defines/index.html
lender in Bielefeld ausspielen können und keine Konsequenzen zu erwarten
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http://www.ultimo-bielefeld.de/homepage.htm,
haben. Den bisherigen Höhepunkt dieses Verhaltens bilden Reaktionen der
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Sexismus
Ultimo auf die von verschiedener Seite geäußerte Kritik an der Verwendung
Immer mal wieder findet sich auf der Rückseite der Ultimo sexistische Werbung
des rassistischen ‚N-Wortes’3 in der Ausgabe 20/08. Auf geäußerte Kritik rea-
des Erotikhandels Novum. Zwar ist Sexismus gerade in der Werbung ein verbrei-
gierten ‚Setzer’ und der Chefredakteur der Ultimo mit kaum zu glaubenden
tetes Phänomen, das es zu kritisieren gilt, aber selten findet die Herabwürdi-
Beleidigungen und Beschimpfungen. So heißt es in der Antwort des ‚Setzers’
gung von Menschen, insbesondere von Frauen, so offensichtlich und so dra-
auf eine E-Mail, in der Kritik geäußert wurde: „wenn du mein ‚n’-wort tat-
stisch statt, wie in manchen Werbeanzeigen von Novum. Wenn wir hier die
sächlich als ausdruck von rassismus deuten möchtest – ach gottchen: mögen
Werbung des „Erotikfachmarktes“ Novum angreifen, dann geht es uns explizit
dich deutsche schäferhunde vergewaltigen“.
nicht darum, Lustfeindlichkeit zu signalisieren und Sex-Shops oder Sexspielzeug als solche abzulehnen. Nach dem Motto „have Sex, hate sexism“ kritisie-
Wir haben uns entschieden, das Verhalten der Ultimo öffentlich zu machen.
ren wir aber, wenn Menschen in der Novum-Werbung als willfährige Sexobjek-
Auf diese Weise wollen wir der Ultimo und der Bielefelder Zivilgesellschaft
te abgebildet und auf ihren Körper und sexuelle Attribute reduziert werden.
deutlich machen, dass es möglich ist, sich zu solchem Verhalten öffentlich zu
Wir empfinden es als untragbar, wenn Werbedarstellungen Menschen als stän-
positionieren und deutliche Kritik zu üben. Durch die Art und Weise wie die
dig sexuell verfügbare und passive Objekte zeigen. Darüber hinaus wenden wir
Ultimo veröffentlicht, trägt sie ihren Teil zur Militarisierung der Gesellschaft
uns gegen Heteronormativität und setzen uns für sexuelle Vielfalt ein.
und zur Reproduktion und Stabilisierung von rassistischen und sexistischen
Vor diesem Hintergrund kritisieren wir, dass die Ultimo immer wieder Platz für
Strukturen bei. Diese veröffentlichten Inhalte stehen konträr zu unserer Vor-
sexistische Novum-Werbung bietet und wünschen uns, dass Novum auf sexisti-
stellung von gesellschaftlichem und kulturellem Zusammenleben. Deshalb
sche Darstellungen in der Bewerbung ihrer Produkte verzichtet. Solange dies
haben wir uns dagegen entschieden, weiterhin in der Ultimo zu werben und
nicht geschieht, sollte ihr auch kein Raum gegeben werden.
unsere Veranstaltungen anzukündigen. Außerdem fordern wir die LeserInnen
und InserentInnen der Ultimo auf, einen kritischen und bewussten Umgang
Militarismus
mit der Medienkultur zu praktizieren und daher zu überlegen, ob sie weiter-
Neben der wiederkehrenden sexistischen Werbung bietet die Ultimo in einer
hin dieses Magazin unterstützen und lesen wollen.
der Juni-Ausgaben 2008 auch der Bundeswehr unter der Rubrik ‚Ausbildung’
Gelegenheit zur Werbung für ihre ‚Truppe’. In unseren Augen ist die Bundeswehr aber keine ArbeitgeberIn wie andere auch. Vielmehr handelt es sich um
eine global handelnde Interventionstruppe, die weltweit in Kriege verwickelt
ist und neo-koloniale Besatzungsaufgaben übernimmt, welche auch explizit
der Kontrolle von Rohstoffvorkommen und ihren Transportwegen zur Durchsetzung sog. ‚deutscher Interessen’ dienen.
Während sich der ‚Setzer’ in seinen „Abenden“ abfällig über die Kriegspolitik
der USA äußert, legt die Rubrik „Ausbildung“ die Bundeswehr als Ausweg aus
der Arbeitslosigkeit nah. Das heißt parallel zur Kritik möglicher Kriegsinteressen der USA, erscheint die Bundeswehr als vermeintlich normale ArbeitgeberIn
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Unsere Kritik im Detail
Rassismus
Anlass für die Kritik am rassistischen Sprachgebrauch der Ultimo waren zwar
Die Ultimo bietet Raum für sexistische und militaristische Werbung.
redaktionelle Beiträge in der Ausgabe (20/08), eine kurze Google-Recherche
Die Ultimo ist nach eigenem Verständnis eine Stadtillustrierte, die Bielefeld
auf den Online-Seiten des Magazins zeigt aber schnell auf, dass das N-Wort
„mit Terminen, Kritiken, Kleinanzeigen sowie Lokal-Geschichten“ versorgt
auch in anderen Exemplaren immer wieder Verwendung findet. Deshalb lässt
und „kostenlos an allen wichtigen Kulturorten der Stadt“ zu finden ist5. Da
sich im Grunde schon (fast) von typischem Alltagsjargon des Heftes sprechen,
die Ultimo den Bielefelder BürgerInnen ihren Service kostenlos anbieten
der uns zu kritischen Überlegungen angeregt hat. Daran ändert auch der
möchte, ist die Redaktion gezwungen ihre entstehenden Kosten über Werbung
Umstand nichts, dass die Ultimo gelegentlich gern rassistische Berichterstat-
in ihrem Heft abzudecken. An dieser Stelle möchten wir jedoch auch darauf
tung in anderen Medienerzeugnissen kritisiert und ihren eigenen Gebrauch von
hinweisen, dass Werbung der gezielten und bewussten Beeinflussung der Men-
Rassismen als ironisch bzw. satirisch legitimiert. Denn „diese Umdeutung ras-
schen dient. Mittels emotionaler oder informierender Botschaften werden
sistischer Sprache ist allerdings aus einer weißen Position heraus nicht mög-
potenzielle KonsumentInnen angesprochen, um bei ihnen bestimmte Hand-
lich, [da] die verletzende Wirkung des Sprechaktes nicht gebrochen werden
lungen hervorzurufen. Werbeabhängige Medienerzeugnisse wie die Ultimo
kann. […] Rassistische Sprache kann nicht angeblich ironisch eingesetzt wer-
sollten sich unserer Meinung nach deswegen über die Werbung, die sie in
den“4. Der Gebrauch rassistischer Sprache führt zu einer weiteren Gewöhnung
ihrem Produkt abdrucken, Gedanken machen. Denn Werbung transportiert
an Rassismus im Alltag. Das ‚N-Wort’, wie der von der Ultimo verwendete
bestimmte Bilder, bietet Identifikationsangebote und ist damit wichtiger
Begriff seit Jahren von Schwarzen Organisationen ablehnend betitelt wird, hat
Bestandteil kultureller Bedeutungsaushandlungen. Auch wenn finanzielle
eine dominante Erzähltradition mit kolonialem und rassistischem Hintergrund.
Notwendigkeiten die Ultimo zwingen, sich in die Abhängigkeit von Werbung
Dieser Bedeutungshintergrund bleibt in jedem Verwendungskontext bestehen
zu begeben, trägt sie dennoch Verantwortung für die Werbe-Inhalte, deren
und lässt sich, Ironie und Satire hin oder her, auch nicht weglachen. Hinzu
öffentliche Wahrnehmbarkeit sie erst ermöglichen. Und so sollte eine Illu-
kommt, dass auch an den Reaktionen von bestimmten Ultimo-Mitarbeitern auf
strierte, die in gewisser Weise die kulturelle Szene ihrer Stadt repräsentiert,
Kritik am rassistischen Sprachgebrauch mehr als deutlich wird, dass es mit der
dies nicht mit sexistischer und militaristischer Werbung rahmen.
von ihnen in Anspruch genommenen Ironie nicht weit her sein kann. ‚Setzer’
und Geschäftsführer der Ultimo reagierten auf geäußerte Kritik mit wüsten
Beschimpfungen (mit Statements wie „euch dummbatzen“, „verstockter
dummheit“, „die neuen nazis“, „ihr deppen“) statt auf die inhaltliche Kritik
einzugehen. Am deutlichsten wird die abwertende Haltung der Ultimo-MacherInnen aber wohl in der bereits einleitend erwähnten Antwort des ‚Setzers’ auf
einen Leserbrief, in der er der sich beschwerenden Person wünscht, vergewaltigt zu werden. Damit hat sich die Ultimo als Forum des kulturellen Bielefeler
Lebens endgültig disqualifiziert.
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