Deutsche Hypothekenbanken expandieren in Europa
Transcription
Deutsche Hypothekenbanken expandieren in Europa
EWU-Monitor Deutsche Hypothekenbanken expandieren in Europa Der deutsche Markt für Immobilienfinanzierungen ist stark fragmentiert und hart umkämpft. Eine Vielzahl von Anbietern unterschiedlicher Institutsgruppen – vor allem Universalbanken, Versicherungen, Sparkassen und Hypothekenbanken – sind am Markt aktiv. Da der starke Wettbewerb die Ertragsmöglichkeiten auf dem Heimatmarkt schon lange vor dem Start der EWU einengte, lag es nahe, sich mit der Erschließung neuer Marktfelder in Europa zu befassen. 1) Neuzusagen deutscher Hypothekenbanken in anderen europäischen Ländern Mrd. EUR Speziell die deutschen Hypothekenbanken leiteten bereits zu Beginn der 70er Jahre eine Europäisierung ihrer Geschäftstätigkeit ein. Mit Blick auf die Schaffung der einheitlichen Währung haben Hypothekenbanken ihre Aktivitäten an den europäischen Wachstumsmärkten nochmals verstärkt. Die Europastrategie im Hypothekengeschäft wird im folgenden am Beispiel deutscher Hypothekenbanken dargestellt. Die guten Ertragschancen im europäischen Auslandsgeschäft waren Triebfeder der Expansion. Aufgrund der unterschiedlichen Wettbewerbsstrukturen können in den EWU-Partnerländern teilweise deutlich höhere Margen als in Deutschland erzielt werden. Inzwischen ist das Auslandsgeschäft für die großen deutschen Hypothekenbanken der Wachstumsträger per se, d.h. die Neuzusagevolumina steigen in keinem Marktsegment stärker als im europäischen Ausland. Betrugen die Immobilienfinanzierungen im Auslandsgeschäft im Jahr 1995 noch EUR 1,2 Mrd., erreichte diese Kennzahl 1998 bereits EUR 7,3 Mrd. Freilich sind nicht alle deutschen Hypothekenbanken im Auslandsgeschäft aktiv. Bei den Instituten, die das Auslandsgeschäft forcieren, erreichen die Neuzusagen in den übrigen europäischen Ländern inzwischen Anteile von 20 bis 30 % der gesamten Neuzusagen für hypothekarische Beleihungen. In Ausnahmefällen liegt der Auslandsanteil noch höher. Der Branchendurchschnitt liegt bei 10 %. Länder- und objektspezifische Portfoliostruktur im Auslandsgeschäft Inzwischen sind deutsche Institute vermehrt auch in Spanien und Frankreich aktiv. In Frankreich wurde der Markteintritt durch die Zurückhaltung der nationalen Institute bei der Vergabe von Immobillienfinanzierungen begünstigt - eine Folge der schweren Rezession auf den französischen Immobilienmärkten Anfang der 90er Jahre. Insofern konnten die deutschen Hypothekenbanken hier erfolgreich eine vorübergehende Marktlücke besetzen. Zusätzlich beflügelten zuletzt der Aufschwung des Pariser Immobilienmarktes und die deutliche Senkung der französischen Grunderwerbsteuer die gewerblichen Immobilientransaktionen. Dies hatte natürlich eine positive Ausstrahlung auf die Nachfrage nach Hypothekenfinanzierungen. Die Analyse des Bestands deutscher Hypothekenbanken an gewerblichen EU-Hypothekendarlehen (insgesamt rund EUR 11 Mrd.) verdeutlicht, daß nahezu die Hälfte der Bestände auf Großbritannien entfällt. Als weitere wichtige Auslandsmärkte folgen die Niederlande, Spanien und Frankreich. 8 Economics 1995 1996 1997 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1998 1) Nur Immobilienf inanzierungen Quelle: Verband deutscher Hypot hekenbanken Marktanteile im Auslandsgeschäft Gewerbliche Hypothekendarlehen von deutschen Hypothekenbanken in anderen europäischen Ländern Anteile am 31.12.1998 sonstige Länder Großbritannien 14% Frankreich 11% Spanien 44% 11% 20% Niederlande Quelle: Verband deut scher Hypot hekenbanken EWU-Monitor Die Zusagevolumina im Hypothekengeschäft für Europa 1998 zeigen, daß der französische Markt die höchsten prozentualen Steigerungen verbuchen konnte. Hier haben sich die Neuzusagen deutscher Hypothekenbanken gegenüber dem Vorjahr auf EUR 1,2 Mrd. nahezu verdreifacht. Spanien verzeichnete ein relativ starkes Wirtschaftswachstum mit deutlichen Impulsen für die Bauwirtschaft. Mit Neuzusagen im Hypothekarkreditgeschäft von EUR 0,7 Mrd. konnten deutsche Hypothekenbanken den Wert des Vorjahres mehr als verdoppeln. Auch in Italien wird – ausgehend von Neuzusagen in Höhe von rund EUR 200 Mio. im Jahre 1998 – in der Zukunft mit interessanten Geschäften gerechnet. Frankreich und Spanien sind Wachstumsmärkte Der Schwerpunkt der Beleihungen von Immobilien im europäischen Ausland liegt auf großvolumigen gewerblichen Objekten, vor allem Büros und Einzelhandelsflächen. Die Anforderungen der deutschen Hypothekenbanken an die Qualität der zu beleihenden Objekte sind hoch, da sie sich auf das risikoarme Kreditgeschäft spezialisiert haben. In der Regel werden bereits fertiggestellte und langfristig vermietete gewerbliche Immobilien an guten Standorten finanziert. Bei Projektentwicklungen wird üblicherweise vom Investor erwartet, daß er mit einem signifikanten eigenen Mitteleinsatz ins Risiko geht. Fokus auf große gewerbliche Objekte Wohnwirtschaftliche Finanzierungen im europäischen Auslandsgeschäft werden nur in geringem Maße vorgenommen. Die Relation von gewerblichen zu wohnwirtschaftlichen Immobilienfinanzierungen betrug 1998 – gemessen am Bestand – nach Angaben des Verbandes Deutscher Hypothekenbanken 11 zu 1. Das “kleinteilige” Geschäft – wie beispielsweise die Finanzierung von Ferienwohnungen in anderen EWUStaaten – ist in den meisten Fällen nicht Gegenstand der Geschäftspolitik der Hypothekenbanken, da der hiermit verbundene Administrations- und Personalaufwand im Vergleich zum gewerblichen Geschäft zu hoch ist. Zudem können diejenigen Hypothekenbanken, die als Tochtergesellschaften großer deutscher Banken operieren, in der Wohnungsfinanzierung die Ressourcen von lokalen Konzerngesellschaften durch Kooperationsvereinbarungen nutzen. Wenig Wohnungsbaufinanzierungen Gezielte Vertriebsstrategien im Europageschäft Im europäischen Wettbewerb kommt den deutschen Hypothekenbanken zum einen der mit dem Pfandbrief-Privileg verbundene Refinanzierungsvorteil zugute. Zum anderen besitzen sie dank der Spezialisierung auf die Kerngeschäfte Immobilienfinanzierung und Kommunalgeschäft auch umfassendes Know-how in den Bereichen Immobilienbewertung und Portfoliopolitik. Langfristige Immobilienfinanzierungen mit einem festen Zinssatz haben im Zuge der Euro-Einführung auch in den Partnerländern verstärkt Anklang gefunden, denen das Produkt Festzinshypothek aufgrund strukturell höherer Inflationsraten und Zinssätze in der Vergangenheit nicht geläufig war oder nicht zur Verfügung stand. Hier haben die deutschen Hypothekenbanken, die über eine langjährige Erfahrung mit diesen Finanzierungen verfügen, einen produktbezogenen Wettbewerbsvorteil. Spezialisierung auf Kerngeschäfte Deutsche Hypothekenbanken haben ihre Marktpräsenz in Europa durch die Gründung neuer bzw. den Ausbau bestehender Repräsentanzen und Niederlassungen sukzessive verstärkt. Mit europaweiten Vertriebsnetzwerken können die Institute auch global operierende Investoren als Kunden gewinnen, beispielsweise Fonds aus den USA, die europäische Immobilien-Portfolios erwerben. Auch deutsche offene Immobilienfonds gehören zur Zielgruppe. Vom Gesamtvolumen der deut- Ausbau lokaler Marktpräsenz Economics 9 EWU-Monitor schen gewerblichen Investitionen in europäische Immobilien dürften 1998 nach Untersuchungen des Maklerunternehmens Jones Lang Lasalle etwa zwei Drittel auf die offenen Fonds entfallen sein. Mit der einheitlichen Währung, die zweifelsohne die Transaktionskosten für europäische Immobilieninvestitionen senkt, besteht noch keine Konvergenz der steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Immobilieninvestitionen und -finanzierungen zwischen den einzelnen nationalen Märkten. Die für die Geschäftstätigkeit der Hypothekenbanken wichtigen Regelungsbereiche, etwa beim Grundbuch-, Konkurs- und Vollstreckungsrecht, erfordern den Aufbau von individuellem Know-how für einzelne Ländermärkte. Dies erklärt auch das schrittweise Vorgehen der Branche beim Erschließen neuer Zielmärkte. Unterschiede bei steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen Pfandbrief-Refinanzierung im Aufwind Mit Blick auf die Einführung des Euro ist die Refinanzierung von Hypothekenkrediten auf eine breitere Basis gestellt worden. Insbesondere haben sich die Refinanzierungsbedingungen deutscher Hypothekenbanken aufgrund des 1995 etablierten Jumbo-Pfandbriefmarktes deutlich verbessert. Dieses junge Marktsegment hat inzwischen ein Volumen von knapp EUR 270 Mrd. und ist alleine 1998 um über 80% gewachsen. Alle Jumbo-Pfandbriefe wurden Anfang 1999 auf Euro umgestellt. Ihr Erfolg basiert vor allem auf der hohen Liquidität und Transparenz dieses Marktes. Dadurch wurde die Attraktivität für internationale Investoren nachhaltig gesteigert. Dies schlägt sich in engen Spreads der Jumbo-Pfandbriefe gegenüber Bundesanleihen nieder. Jumbo-Pfandbriefmarkt etabliert Im Zuge der Einführung des Euro haben auch einige Partnerländer dem Instrument des Pfandbriefs mehr Beachtung geschenkt. In Frankreich und Luxemburg wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Begebung von Pfandbriefen geschaffen, um eine zinsgünstige langfristige Refinanzierung von Hypothekendarlehen zu ermöglichen. Auch in Spanien wurde mit der Emission einer großvolumigen pfandbriefähnlichen Anleihe im Mai 1999 ein wichtiger Schritt getan, um die Refinanzierung von Hypothekenkrediten zu erleichtern. Pfandbrieffinanzierung auch in Partnerländern Auslandsgeschäft bleibt Wachstumsträger Bisher erstreckt sich der geographische Tätigkeitsraum der Hypothekenbanken aufgrund der Vorgaben des Hypothekenbankgesetzes (HBG) im Hypothekarkreditgeschäft schwerpunktmäßig auf die Staaten der EU bzw. des EWR und der Schweiz. Mit dem Inkrafttreten des dritten Finanzmarktförderungsgesetzes im Jahre 1998 können unter bestimmten Voraussetzungen auch Beleihungen in Polen, Ungarn und Tschechien vorgenommen werden. Die Geschäftstätigkeit in den mitteleuropäischen Staaten erfolgt bisher noch mit einer gewissen Zurückhaltung, die im wesentlichen daraus resultiert, daß die rechtlichen Rahmenbedingungen nur teilweise den Anforderungen der deutschen Hypothekenbanken entsprechen. Diese Bedingungen dürften sich allerdings langfristig – mit Blick auf den angestrebten EU-Beitritt dieser Länder – günstiger gestalten. In Zukunft wird die Tätigkeit von deutschen Hypothekenbanken in den übrigen EU-Ländern immer stärker von rechtlichen Bestimmungen der EU beeinflußt werden. Dazu gehören u.a. die geplante Fernabsatzrichtlinie für Finanzdienstleistungen und der Verhaltenskodex für Hypothekarkreditgeber. 10 Economics Geschäftsschwerpunkt in der EU EWU-Monitor Als Wachstumsträger dürfte das europäische Auslandsgeschäft weiterhin einen hohen Stellenwert in der Geschäftspolitik von Hypothekenbanken einnehmen. In Zukunft wird der Erfolg im Europageschäft vor allem davon abhängen, ob ein Institut auf ein breites länderspezifisches Know-how zurückgreifen kann und hinsichtlich der Kapitalkraft eine kritische Masse erreicht, um das Wachstum im Ausland zu finanzieren. Ein Beispiel für die Bündelung der Kräfte in Euroland ist die Fusionsstrategie der Deutschen Bank, die ihre Hypothekenbanken unter dem Dach der Eurohypo AG vereinigt hat. Hoher Stellenwert des europäischen Auslandsgeschäfts Bernhard Funk, Eurohypo, +49 69 29898-336 ([email protected]) Economics 11