1 Basel II – Darstellung des Verband deutscher Hypothekenbanken

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1 Basel II – Darstellung des Verband deutscher Hypothekenbanken
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Basel II – Darstellung des Verband
deutscher Hypothekenbanken-Projekts
„LGD-Grading“ mit Blick auf die
Wohnungs- und Immobilienwirtschaft
Dr. Christian Marburger – Leiter des Bereichs Recht, Kreditwesen und
Steuern beim Verband deutscher Hypothekenbanken e. V.
Rebecca Holter – Referentin im Bereich Immobilienwirtschaft beim Verband
deutscher Hypothekenbanken e. V.
Eine wesentliche Zielsetzung des zweiten Baseler Akkords ist die Stabilisierung der Kapitalmärkte durch eine stärkere Berücksichtigung tatsächlicher
Risiken. Die derzeit geltenden Regelungen über die Eigenkapitalunterlegung
von Krediten bieten aufgrund pauschaler Gewichtungssätze wenig Anreize
zur Prüfung individueller Kreditrisiken und zum Aufbau eines detaillierten
internen Rating-Systems. Denn es macht für das Kreditinstitut eigenkapitalmäßig derzeit keinen Unterschied, ob ein Kreditnehmer, Unternehmen wie
auch Privatkunden, eine hohe oder eine niedrige Bonität hat. Im Rahmen
von Basel II werden nunmehr die weltweit gültigen Eigenkapitalvorschriften
überarbeitet. Das aufsichtlich vorzuhaltende Kapital soll dabei dem ökonomischen Kapital, also dem individuellen wirtschaftlichen Risiko eines Kreditinstituts, angenähert werden. Welche Auswirkungen Basel II auf das jeweilige Kreditinstitut haben wird, hängt somit von den in den Kreditportfolien
vorhandenen Risiken ab.
Basel II fußt auf drei Säulen, von denen die Säule 1, die Mindesteigenkapitalanforderungen, den größten Einfluss ausüben wird.
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Künftig wird die Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung über zwei Wege
möglich sein. Der erste Weg ist der so genannte modifizierte Standardansatz, der die heutigen Regeln zur Eigenkapitalunterlegung fortführt, jedoch
die Spanne der pauschalen Risikogewichte etwas erweitert und eine Zuordnung des Kreditnehmers in eine Ratingklasse von einem externen Rating
abhängig macht. Der zweite, neue Weg ist die Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung über den internen Ratingansatz1. Hier werden die Bonität
des Kreditnehmers (IRB-Basisansatz) bzw. Bonität und erwarteter Verlust bei
Schuldnerausfall (fortgeschrittener IRB-Ansatz) bankintern und engagementbezogen geschätzt.
Zu erwarten ist, dass die bisher durch die pauschale Eigenkapitalunterlegung bedingte Quersubventionierung der „schlechten“ Kreditnehmer
durch die „guten“ Kreditnehmer mit Hilfe genauerer Messinstrumente
beseitigt wird. Letztlich bedeutet dies, dass die individuelle Bonität jedes
Kreditnehmers und die hinterlegten Sicherheiten an Gewicht gewinnen.
Abb. 2
Quelle: KfW
Bedeutung des fortgeschrittenen Ratingansatzes für die Immobilienfinanzierung
Traditionell gilt das Baufinanzierungsgeschäft als risikoarm. Zwar existiert
bisher keine kontinuierliche und einheitliche Verlustdatenerhebung für den
Realkredit. Untersuchungen, die im Folgenden kurz dargestellt werden, bestätigen aber diese Vermutung.
Eine 1999 durchgeführte Umfrage des Zentralen Kreditausschusses des
deutschen Kreditgewerbes2 untersuchte die Verlustraten von Krediten für
Wohnimmobilien sowie Kredite für Büro- und Handelsimmobilien für den
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Zeitraum 1988 bis 1998 . Die Verluste wurden in Abhängigkeit vom Beleihungsauslauf betrachtet.
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IRBA- International Ratings Based Approach
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Der ZKA besteht aus den fünf Spitzenverbänden der deutschen Kreditwirtschaft (Bundesverband deutscher Banken e. V., Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V., Bundesverband öffentlicher Banken e. V., Deutscher Sparkassen- und
Giroverband e. V., Verband deutscher Hypothekenbanken e. V.)
Die an der Erhebung beteiligten Institute repräsentiren einen Marktanteil von 80 % des
gesammten deutschen Hypothekenkreditmarktes
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Abb. 3: Verluste in % der ausstehenden Kredite
Quelle: ZKA
Abbildung 3 zeigt, dass die Verlustraten von Hypothekarkrediten deutlich
unter den Verlustraten von „Krediten insgesamt“ liegen. Als „Kredite insgesamt“ werden hier alle Immobilienfinanzierungen (inklusive Bauträger- und
Developmentfinanzierungen und Beleihungen auf sonstige Gewerbeobjekte)
sowie nicht grundpfandrechtlich besicherte Firmen- und Konsumentenkredite verstanden.
Hervorzuheben ist die Verlustrate im erststelligen Beleihungsraum bei Wohnungsbaukrediten von nur 0,03 %. Zum Vergleich: für die Kredite insgesamt wurde für den Zeitraum 1988 – 1998 eine Verlustrate von 0,26 %
ermittelt.
Ergänzend zu dieser Untersuchung wurden anhand einer Stichprobe die
spezifischen Verlustdeterminanten deutscher Hypothekenbanken untersucht. Basis dieser Studie war ein Einzelkreditdatensatz von 10.535 Krediten
aus den Portfolien von vier Hypothekenbanken.
Auch diese Analyse zeigte den engen Zusammenhang zwischen Verlustrisiko und Beleihungsauslauf auf.
Abb. 4 Geschätzte erwartete Verlustrate in
Abhängigkeit vom Beleihungsauslauf
Deutlich wird erneut, dass im Wohnungsbau äußerst geringe Verlustraten
empirisch nachweisbar sind.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die vermutete Risikoarmut
grundpfandrechtlich gesicherter Kredite, insbesondere von Wohnungsbaukrediten, gegenüber sonstigen Krediten empirisch bestätigt wird. Auch ein
enger Zusammenhang zwischen Beleihungsauslauf und Verlustrisiko ist unzweifelhaft gegeben.
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Charakteristisch für den Realkredit ist daher offensichtlich nicht die persönliche Bonität des Kreditnehmers, sondern die Kreditsicherheit, die der Kreditgeber bei Ausfall des Kunden verwerten kann und die somit den Verlust
der Bank determiniert.
Die dargestellten niedrigen Verlustraten lassen demnach erwarten, dass
durch Anwendung des fortgeschrittenen internen Ratingansatzes, also dem
Ansatz, der die genaueste Abbildung des wirtschaftlichen Kreditrisikos
erlaubt, ein positiver Effekt auf die Eigenkapitalunterlegung erzielt werden
kann.
Gefordertes regulatorisches Eigenkapital in %
Abb. 5: Regulatorisches Eigenkapital im fortgeschrittenen Ansatz
(Corporates)
Anwendung des LGD-Gradings
Nur im fortgeschrittenen Ratingansatz ist es möglich, die Immobiliarsicherheit durch Messung der Verluste bei Kreditausfall4 adäquat zu berücksichtigen. Das entwickelte LGD-Gradingmodell des VDH stellt dabei einen Grundbaustein für die Ermittlung des regulatorischen Eigenkapitals dar.
Abb. 6: Komponenten des erwarteten Verlusts
Quelle: Oliver, Wyman & Company
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Für die Bestimmung des Kreditausfall wird die Refenzdefinition für den Kreditausfall
(Default) von Basel II zugrunde gelegt. Sie enthält mehrere auslösende Momente,
praktisch relevant dürfte vor allem der 90-Tage-Verzug des Kreditnehmers mit der
Ratenzahlung sein
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Aber auch für das Kreditrisikomanagement, insbesondere Risikokontrolle
und -steuerung, sowie bei der Festlegung künftiger Geschäftsstrategien wie
auch des Kreditpricings erhoffen sich die Hypothekenbanken positive Impulse vom LGD-Grading.
Um den Mitgliedsinstituten den Einstieg in den fortgeschrittenen Ratingansatz zu ermöglichen, hat der VDH auf Verbandsebene das Projekt „LGDGrading“ initiiert, an dem sich alle Mitgliedsinstitute5 beteiligen. Wesentliches Charakteristikum ist neben der konzeptionellen Entwicklung der Aufbau
eines verbandsweiten Pools von Verlustdaten. Ein gemeinsamer Datenpool
bietet kleineren Instituten überhaupt erst die Möglichkeit, einen LGD zu
messen. Doch auch größere Institute profitieren von der verbesserten Datenbasis, die eine detailliertere Objektsegmentierung und eine höhere Aussagekraft ermöglicht. Die meisten Hypothekenbanken beabsichtigen, zum
01.01.2003 das LGD-Gradingmodell implementiert und in ihre Kreditprozesse eingebunden zu haben.
Um den erwarteten Verlust bei Kreditausfall zu messen, wurde eine Berechnungssystematik entwickelt, die es den Instituten erlaubt, einen LGD unter
Berücksichtigung gegebener Sicherheiten zu ermitteln. Hierzu werden die
ausstehenden Forderungen zum Ausfallzeitpunkt in das Verhältnis zu den
zu erzielenden Erlösen gesetzt. Die zu erzielenden Erlöse aus Sicherheiten
berechnet man, indem man den aktuellen Marktwert mittels einer Immobilienmarktprognose auf den Abwicklungszeitpunkt fortschreibt. Dieser
Marktwert „bei Abwicklung“ wird dann mit der für das jeweilige Segment
spezifischen Erlösquote multipliziert. Die so berechneten Erlöse aus Objektverwertung werden um die Abwicklungskosten und die kalkulatorischen
Zinsen geschmälert. Der Gesamtverlust ergibt sich schließlich als Differenz
der ausstehenden Forderungen und der bei Objektverwertung zu erzielenden Erlöse.
Abb. 7: Exemplarische Berechnung eines LGD bei Zwangsverwertung
Quelle: Oliver, Wyman & Company
In Abbildung 7 wird ersichtlich, dass der enge Zusammenhang zwischen
Beleihungsauslauf und Verlusthöhe sich in der LGD-Berechnung widerspiegelt. Denn auch hier wird der ausstehende Kreditbetrag, das Exposure
at Default – EAD, in Bezug zu den Erlösen aus Immobiliensicherheiten
gesetzt.
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Mitglieder im Verband deutscher Hypothekenbanken e. V.: Allgemeine HypothekenBank
Rheinboden, Bayerische Hypo-und Vereinsbank, Berlin-Hannoversche Hypothekenbank,
Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank, Deutsche Hypothekenbank (Act.-Ges.), Dexia
Hypothekenbank, Düsseldorfer Hypothekenbank, Eurohypo, Hypothekenbank in Essen,
HKB Hypotheken- und Komunalkredit-Bank , HVB Real Estate Bank, Karstadt Hypothekenbank, M. M. Warburg & Co Hypothekenbank, Münchner Hypothekenbank eG,
SEB Hypothekenbank, Westfälische Hypothekenbank, Westfälische Landschaft Bodenkreditbank, Württembergische Hypothekenbank, Wüstenrot Hypothekenbank
Neben der Zwangsverwertung kann ein Kreditengagement auch über einen
Vergleich bzw. eine Restrukturierung abgewickelt werden. Auch eine Sanierung des Engagements ist natürlich möglich. Ein Vergleich verursacht
i. d. R. einen deutlich geringeren Verlust als eine Zwangsverwertung. Unter
Sanierung wird die verlustfreie Wiedereingliederung des ausgefallenen
Engagements in das gesunde Portfolio der Bank verstanden. Je nach Abwicklungsart unterscheiden sich daher die LGDs deutlich. Sie werden
getrennt für die einzelnen Abwicklungsarten geschätzt. Die addierten LGDs
der einzelnen Abwicklungsarten ergeben den Gesamt-LGD.
Quelle: Oliver, Wyman & Company
Zwei der für die Schätzung der LGDs notwendigen Parameter werden auf
Verbandsebene ermittelt: Erlösquoten und Abwicklungsdauern. Die Erlösquoten setzen den Verwertungserlös aus Immobiliensicherheiten in Beziehung zum aktuellen Marktwert. Die Abwicklungsdauern messen den Zeitraum vom Eintritt in die Abwicklung bis zur Immobilienverwertung. Die
anderen Parameter sind institutsspezifisch.
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Zusammenfassung
Das LGD-Grading als Baustein zur Erfüllung der Anforderungen des fortgeschrittenen internen Ratingansatzes nach Basel II misst die Höhe des Verlusts im Verzugsfall objektspezifisch. Eingangsgrößen sind der ausstehende
Kreditbetrag, der prognostizierte Marktwert des Objekts sowie zu erwartende Sicherheitenerlöse im Falle der Abwicklung.
Neben der Ermittlung des LGDs ist im fortgeschrittenen Ratingansatz ein
Bonitätsrating erforderlich. Die Bonität hat einen großen Einfluss auf die
Höhe der Eigenkapitalunterlegung (siehe Abb. 5). Niedrige LGDs können
diesen Effekt mildern, nicht aber nivellieren.
Die Anwendung qualifizierter Ratinginstrumente wird dazu führen, dass
eine ungewollte Quersubventionierung zwischen „guten“ und „schlechten“
Kreditnehmern künftig nicht mehr stattfindet. Davon profitieren Kunden mit
ordentlicher Bonität und werthaltigen Sicherheiten. Umgekehrt dürften die
Konditionen für andere Kreditnehmer steigen. Ein Vorteil für den Kreditnehmer ist auch, dass er durch sein eigenes Verhalten die Konditionen seiner Finanzierung beeinflussen kann.
Mit dem LGD-Grading steht Kreditinstituten ein Instrument zur Verfügung,
das nach Ansicht des VDH sowohl in konzeptioneller als auch in statistischer
Hinsicht den Anforderungen des fortgeschrittenen internen Ratingansatzes
gerecht wird. Damit werden Kreditrisiken im Baufinanzierungsbereich messbar und Konditionen für den Kunden nachvollziehbar.
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