Höherwertige Dienste im Carrier-Ethernet

Transcription

Höherwertige Dienste im Carrier-Ethernet
Netzmanagement
Höherwertige Dienste Jens Bartels
im Carrier-Ethernet managen
Der Wandel von TDM- zu IP-Netzen ist auch bei kleinen und
mittleren Netzbetreibern in vollem Gange. Wo bisher die
SDH-Technik mit über Jahren gewachsenen und ausgefeilten
OAM-Komponenten für Betrieb, Verwaltung und Wartung für
verlässliche Dienste im Netz sorgten, bauen heute viele
Betreiber die aus der LAN-Welt kommende Ethernet-Technik
mit deutlich eingeschränkten Managementfunktionen auf.
Gravierende Nachteile bei den Betriebskosten, der Fehlersuche
und dem Serviceangebot sind die Folge.
Die Mehrzahl der Dienste, die Netzbetreiber und Dienstanbieter aktuell nutzen, sind Ethernet-Dienste wie der hochbitratige Internetzugang oder Standortvernetzungen von Unternehmen –
bei weiter sinkenden Preisen. Die Übertragung von Sprache spielt beim Volumen in der Abrechnung eine immer
geringere Rolle. Zusätzlich entwickeln
sich neue Geschäftsfelder, wie VPNDienste, LAN-LAN-Kopplungen, Business-Disaster-Recovery-Dienste oder
unternehmensspezifische Daten-, Telepräsenz- und Videoanwendungen. Weiterhin zeigt sich bei Unternehmen ein
Trend, die Verwaltung und den Betrieb
der Netze und Netzanwendungen an
Dienstanbieter
Internet
Dienstanbieter als „Managed Services“
zu übertragen.
Um sich im zunehmenden Wettbewerb der Netzbetreiber besser zu positionieren, spielen künftig ein erweitertes Diensteportfolio und differenziertere
Dienstemerkmale eine große Rolle. Viele Wettbewerber haben ihr Angebot bereits an die immer internationaler aufgestellten Unternehmenskunden angepasst. Diese erwarten neben günstigen
Preisen differenzierte und dokumentierte Qualitätsvereinbarungen (SLA, Service Level Agreements). Um bei sinkenden Preisen auch weiterhin erträgliche
Margen zu erzielen, setzen deshalb immer mehr Netzbetreiber vermehrt auf
Kunde
Kunden-Netzmanagement
(CNM)
NMS-Client
VPN
Ethernet (LAN)
NMS-Server
Ethernet (LAN)
CNM-Host
Unternehmenskunden erhalten von ihrem Netzbetreiber ein NMS-Konto, um selbst die
Leistung zu überprüfen, einzelne Ports zu konfigurieren oder an- und auszuschalten
22
N90638Yst ntz 6 2009 Bartels Seite 22
höherwertige Ethernet-Dienste. Dafür
sind jedoch Carrier-Ethernet-Systeme
mit ausgefeilten OAM-Funktionen erforderlich.
Betriebskosten
bestimmen die Marge
Nach den Erfahrungen von Quante
Netzwerke entscheiden die Betriebskosten letztendlich darüber, wie effizient
ein Carrier sein Netz betreiben kann,
denn neben den Investitionskosten bestimmen die laufenden Betriebskosten
Auf einen Blick
Unternehmen können im
Wettbewerb den Carrier auswählen, der neben günstigen
Preisen differenzierte Service-Level-Agreements (SLA)
anbietet und deren Einhaltung auch garantieren und
nachweisen kann. Um bei
sinkenden Preisen auch
weiterhin erträgliche Margen zu erzielen, setzen immer mehr Carrier deshalb
auf höherwertige EthernetServices mit ausgefeilten
OAM-Funktionen.
zu über 70 % die Gesamtkosten eines
Carriernetzes. Die Netzbetreiber können
Transport- und Zugangsnetze also nur
dann betriebswirtschaftlich effizient betreiben, wenn die Systemtechnik und der
laufende Betrieb auf ihre Bedürfnisse
optimiert sind. Das Problem: Trotz der
dominierenden Ethernet-Dienste werden in den nächsten Jahren weiterhin
TDM-Dienste angeboten und nachgefragt. Dafür werden Ethernet- und TDMSysteme oft parallel betrieben, mit erhöhten Betriebskosten. Um dieser Kostenfalle zu entgehen, ist eine rechtzeitige
Migration der Systemtechniken erforderlich – oder ein Carrier-Ethernet-System
mit automatisiertem Verschalten von
Diensten.
Heft 6/2009 •
Netzmanagement
Der einfache Weg: Sind beim Netzbetreiber bereits moderne SDH-Systeme
mit IP-fähigen Next-Generation-Netzknoten im Einsatz, die SDH oder WDM
als Transportnetz benutzen (sogenannte
MSPP, Multi Service Provisioning Platforms), bietet sich eine direkte kostenoptimierte Migration an. Wenn dann reine
MPLS-Knoten im Netz hinzukommen,
werden diese im gleichen Netzmanagementsystem betrieben, wie zuvor das
MSPP-System.
Der Weg für ältere SDH-Systeme: Sie
verfügen noch über keine MSPP-Plattform. Hier bleibt dem Netzbetreiber
nichts anderes übrig, als das CarrierEthernet-System zunächst parallel aufzubauen. Die Ende-zu-Ende-Verschaltung läuft dann jeweils über das TDModer Ethernet-System. Das Carrier-Ethernet-System sollte auch TDM-Schnittstellen übertragen können, weil langfristig die SDH-Technik Schritt für Schritt
überbaut wird, da wenig neue TDMDienste dazu kommen werden.
Generell muss die Migration sicherstellen, dass die TDM-Dienste noch über
mehrere Jahre parallel betrieben werden
können. Für einen effizienten Betrieb
sollten die IP- und TDM-Anwendungen
über ein gemeinsames Netzmanagement
mit einer grafischen Netzoberfläche verwaltet werden, denn die Carrier sind
darauf angewiesen, ihre Netze mit immer
weniger Betriebspersonal zu betreiben,
das zudem oft nicht über tiefe Spezialkenntnisse für MPLS- oder Routertechnik verfügt. Deshalb setzen sich CarrierEthernet-Systeme durch, die z. B. eine
komplexe MPLS-Technik für die Verkehrssteuerung (Traffic Engineering) nutzen und dem Betriebspersonal trotzdem keine tiefen Spezialkenntnisse für
die Konfiguration abverlangen, weil dies
von einem grafischen und komfortablen
• Heft 6/2009
Per „Point to Click“ wird im Carrier-Ethernet ein Ende-zu-Ende-Management realisiert; über
eine grafische Ansicht können Dienste eingerichtet und verwaltet werden
Netzmanagementsystem übernommen
wird.
Anforderungen
an das Netzmanagement
Im Übergang von TDM zu IP haben
einige Netzbetreiber bislang einfache
LAN-Technik benutzt, um EthernetDienste einzurichten. Solange die Netzauslastung nicht zu hoch wird und die
Netzstruktur sehr übersichtlich ist, ist
der Betrieb für routinierte IT-Administratoren gut beherrschbar. In der Praxis
wächst die Nachfrage nach EthernetDiensten allerdings kräftig. Die Auslastung der Netzknoten steigt und die
Anforderungen werden komplexer, von
Punkt-zu-Punkt- hin zu Mehrpunkt-Verbindungen, von einfachen LAN-Kopplungen zu virtuellen Standleitungen mit
erhöhten Anforderungen an die Dienstgüte (QoS, Quality of Service). Im Unterschied zur LAN-Welt sind die Carrier-
N90638Yst ntz 6 2009 Bartels Seite 23
netze aus Sicherheitsgründen weiter verzweigt und stärker vermascht mit alternativen Wegeführungen. Hier reichen bei
Störungen im Netz einfache Alarmmanagementfunktionen einfach nicht mehr
aus. Unternehmenskunden erwarten außerdem einen Nachweis über die vereinbarten Qualitätsparameter (SLA).
Im Standard-Ethernet wird das Netz
per CLI (Command Line Interface) verwaltet. Die sich inzwischen am Markt
etablierten immer differenzierteren QoSMerkmale werden per CLI nur mit hohem zeitlichen Aufwand unterstützt
und sind bei vermaschten Netzen nur
noch von teuren Systemspezialisten zu
handhaben – spätestens bei vermaschten
Netzen reicht ein CLI-System für die
Verschaltung von Diensten nicht mehr
aus, da die Funktionen und die grafische Unterstützung fehlen, um im Netz
die beste Wegeführung zu erkennen oder
zu sehen, wie viele Kapazitäten bereits
Netzmanagement
verbraucht sind. Hier führen CLI-Systeme zu erhöhten Betriebskosten. Sie bieten außerdem keine ausreichende Dokumentation über eingerichtete Dienste,
um in vermaschten Netzen schnell und
zuverlässig Fehler zu lokalisieren und
zu beheben.
Jens Bartels ist Leiter Projektmanagement bei Quante Netzwerke in Hannover.
E-Mail: ((nur auf Wunsch, nicht
info@...))
Grafisches Ende-zu-EndeNetzmanagement
Netzbetreiber sind von modernen SDHSystemen ein äußerst komfortables Endezu-Ende-Management gewohnt. Soll eine
Verbindung von einem Punkt A zu einem Punkt B geschaltet werden, müssen lediglich die beteiligten Ports am
Endknoten A und Endknoten B angewählt werden. Die Verbindung über die
unabhängigen Knoten wird automatisch
konfiguriert und das System sorgt selbstständig für die Einhaltung der eingegebenen Qualitätsparameter.
Inzwischen haben einige Carrier-Ethernet-Systeme in diesem Punkt aufgeholt.
Per „Point to Click“ wird auch hier das
Ende-zu-Ende-Management realisiert.
Dabei werden im grafischen Netzmanagementsystem der Anfangs- und der Endpunkt angeklickt und die erforderlichen
QoS-Merkmale wie Dienstgüte, Mindest-
Topologie,
Links und Ports
Elemente,
Gruppen und Netze
verwalten
Sicherheit
Fehlermanagement
wichtige
OAM-Funktionen
Bereitstellung
(MPLS, Tunnel
usw.)
Leistungsüberwachung und
Wartung
Für Netzbetreiber sind ein erweitertes Diensteportfolio, differenziertere Dienstemerkmale
und Qualitätsvereinbarungen (SLA) immer wichtiger – dafür sind Carrier-Ethernet-Systeme
mit ausgefeilten OAM-Funktionen erforderlich
bandbreiten, die garantierte Übertragungsgeschwindigkeit (CIR, Committed
Information Rate) usw. definiert. Je nach
QoS-Merkmal können auch weiter differenzierte Qualitätsstufen vorgegeben
werden. Nach der Eingabe wird vom
System ein Weg durch das Netz vorgeschlagen. Kriterien für den möglichst optimalen Weg sind die notwendigen Kapazitäten für die definierten SLA. Der
kürzeste Weg ist für die Bandbreitenauslastung dabei oft der wirtschaftlichste. Wird der vorgeschlagene Weg bestätigt, werden die Vorgaben auf alle beteiligten Netzelemente automatisch eingetragen und dokumentiert. Per Verkehrssteuerung kann jetzt jederzeit überprüft
werden, welche Dienste über welche Netz­
elemente transportiert werden (wie in
der klassischen TDM-Welt). Auch die
Einbindung in übergeordnete Alarmsysteme und die Weiterleitung von Alarmen z. B. über SNMP ist inzwischen Standard.
SLA und Anforderungen
durch die Dienste
Mit dem Netzmanagementsystem wird im EthernetNetzstatus grafisch angezeigt, wo Spanning Tree
gerade aktiv ist und welcher Weg im Netz genutzt wird
24
Verkehrssteuerung
Mit der steigenden Vernetzung
von Unternehmensstandorten
und der zunehmenden Internationalisierung wachsen auch die
Anforderungen an die zu garantierende Dienstgüte – von definierten Latenzzeiten für Videound VoIP-Dienste bis zu Echtzeit-Anwendungen. Ähnliche Anforderungen gelten auch für synchrone IP- oder für TDM-Dienste.
Auch Versorgungsunternehmen
stellen ihre Netze auf IP um und
N90638Yst ntz 6 2009 Bartels Seite 24
benötigen schnelle Umschaltzeiten z. B.
für die Übertragung von Steuerdaten.
Im täglichen Netzbetrieb müssen die
CE-Knoten die Umsetzung der vereinbarten SLA gewährleisten. Dafür werden die zu transportierenden Datenpakete hinsichtlich ihrer Dienste-Anforderungen analysiert und priorisiert – nach
dem Prinzip: Normale Datenpakete erhalten eine mindere Priorität, Dienste
mit höheren Anforderungen wie Sprachpakete werden höher eingestuft. Zur
Umsetzung haben sich dafür CarrierEthernet-Systeme mit MPLS (Multiprotocol Label Switching) durchgesetzt, da
dem Standard-Ethernet mit TC/IP dafür
eine ausreichende Granularität an Prioritätsstufen fehlt. MPLS bietet hier weitergehende, standardisierte EngineeringMöglichkeiten, um Dienste differenzierter abzustufen. Wo einfachere Protokolle
z. B. nur eine vierstufige Priorisierung
ermöglichen, bietet MPLS zwei Kaskaden mit jeweils acht Prioritätsstufen an,
was eine bessere Auslastung des Netzes
und effektivere Buchungen erlaubt.
Zusätzlich müssen in einem Netz die
Dienste für unterschiedliche Kunden
sicher getrennt und durch sogenannte
Dienstmarkierungen (Tag) eindeutig gekennzeichnet werden. Wo beispielsweise
in einem IP-DSLAM je Endnutzer ein
Tag vergeben wird, reichen einfache Systeme mit der Möglichkeit von üblichen
bis zu 4 096 Tags nicht mehr aus. Moderne Carrier-Ethernet-Systeme mit MPLS
haben dagegen zehntausende TaggingMöglichkeiten, die gebraucht werden,
um auch je Kunden immer mehr Dienste
unterscheiden zu können.
n
Heft 6/2009 •