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STAFETTE Stafette: Beat Sigg vom Eden au Lac in Zürich + Beat Sigg ist mit der Stadt Zürich eng verbunden. Eines der historisch eindrucksvollsten Kulturdenkmäler der Limmatstadt ist das Hotel Eden au Lac, das mit seiner harmonisch gegliederten Fassade ein aristokratisch-französisches Flair vermittelt. «Kreativität und Fernweh haben mich geleitet!» Eigentlich strebte der Arztsohn Beat Sigg eine Karriere als Diplomat an, merkte aber bald, dass seine Kreativität im Korsett einer Diplomaten-Lauf- Text: Marianne Kürsteiner Bilder: zvg bahn allzu sehr eingeengt worden wäre. Die Entscheidung, eine Hotelier-Laufbahn in Angriff zu nehmen, hat der auf viele Erfolge zurückblickende Hotelier bis heute nie bereut. Beat Sigg und Zürich sind eng miteinander verbunden. In Zürich hat Sigg den Umbau des Widder Hotel, das er sieben Jahre als Hotelier leitete, zusammen mit Tilla Theuss geprägt. Und auch beim kürzlich erfolgten Umbau des Dolder Grand hat er entscheidend mitgewirkt. So wird es wohl keinen verwundern, wenn auch das Eden au Lac in nächster Zukunft einer Metamorphose unterzogen wird, wie Sigg dem Hotelier verraten hat. Als Zunftmeister einer Zürcher Zunft und Verwaltungsratsmitglied der 62 8/2008 Dolderbahn Zürich, des Zürcher Zoos und des Kongresshauses Zürich ist Beat Sigg auch gesellschaftlich und kulturell mit der Limmatstadt verbunden und bestrebt, seinen Teil dazu beizutragen, dass Zürich die Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität bleibt. EIN DEUTSCHKURS IN DEUTSCHLAND Als dominierenden Faktor, weshalb er zuerst Diplomat und später Hotelier werden wollte, gibt Sigg an, dass ihn das Ausland schon immer gereizt habe. Er habe in die Welt hinaus gewollt. Zuerst studiert er im Hinblick auf eine Diplomaten-Karriere Jura. Im Gespräch mit arrivierten Diplomaten erkennt er jedoch schnell, dass die Etikette des Corps Diplomatique der Entfaltung eigener Kreativität im Wege steht und schwenkt deshalb auf den Beruf des Hoteliers um. Nach der Hotelfachschule in Lausanne folgen verschiedene Ausland-Erfahrungen. Insgesamt 14 Jahre verbringt Sigg in Paris, London, Frank- Schon beim Eintreten ins Eden au Lac empfängt den Gast eine entspannte, clubähnliche Atmosphäre. + Die Lobby und BarLounge strahlen zu jeder Tageszeit eine unterschiedliche Ambiance aus. Jeden Donnerstag werden hier stimmige JazzAbende dargeboten. furt, Stockholm und Zypern. «Mancher mag denken, Deutschland sei ja gar kein richtiges Ausland. Doch ich musste mich eines Besseren belehren lassen. In Deutschland wird man als Schweizer belächelt und nicht ernst genommen. So wie Deutsche in der Schweiz Schweizerdeutsch-Kurse besuchen, um akzeptiert zu werden, habe ich einen Kurs besucht, um den Frankfurter Dialekt richtig zu lernen ...», erzählt Beat Sigg. «Frankfurt war für mich überhaupt sehr lehrreich, sowohl menschlich wie fachlich. Ich musste mir da meinen Platz hart erkämpfen.» In Frankfurt sind auch seine beiden Söhne geboren und fünf Jahre später, bevor die Reise nach Stockholm weiterging, war Beat Sigg Vize-Direktor des Intercontinental. «In Stockholm hat man besonders als Familie eine erstklasige Lebensqualität. Diese Zeit haben wir sehr genossen», fügt Sigg rückblickend auf die sorglose Zeit in Schweden an. WECHSELBAD DER EMOTIONEN Zwei Jahre später wurde ihm der Posten als General Manager im Sheraton Hotel and Resort Limassol auf Zypern angeboten. «Ich trat meine Stelle am 1. August 1990 an, und am 2. August fand die Invasion Saddam Husseins in Kuwait statt. Dies hatte zur Folge, dass wir einen massiven Einbruch bei den Übernachtungen zu verkraften hatten. Obwohl Zypern über 600 Kilometer von Israel entfernt ist, waren viele Gäste der Ansicht, es könnte im Falle einer Bombardierung Israels Giftwolken nach Zypern rüberwehen. Hier habe ich wirklich die schlimmsten Momente meines Hotelier-Daseins erlebt. Was es heisst, Mitarbeitern aufgrund der Wirtschaftslage kündigen zu müssen – im Bewusstwein, dass es in Zypern kein soziales Auffangnetz wie in der Schweiz gibt. Ich hatte manchmal ganze Familien-Clans in meinem Büro, die mich baten, ihre Angehörigen nicht zu entlassen. Am 15. Januar 1991 waren sage und schreibe drei Gäste im Hotel untergebracht, und das bei 350 Zimmern und 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zwei der Gäste waren Korrespondenten von Tageszeitungen und zählen heute zu meinen Freunden.» Nach dem Krieg war Beat Sigg Mitglied der Taskforce, die das Sheraton in Zypern wieder hoch bringen sollten. Aber nicht nur den grössten Tiefschlag seiner Karriere erlebte Beat Sigg auf Zypern, auch das absolute Highlight seiner Hotelierlaufbahn fand dort statt. Die 1992 abgehaltene CommonwealthKonferenz mit 48 Staatspräsidenten tagte eine Woche lang im Hotel Sheraton auf Zypern. «Innenpolitisch sorgte der Zuschlag ans Sheraton für viel Sprengstoff. Ausgerechnet dem einzigen nichtzypriotischen Hotel auf der Insel, das erst noch von einem Schweizer geführt wurde, wurde diese Ehre zuteil. Doch schliesslich klappte die Zusammenarbeit mit den Behörden und den Sicherheitsbeauftragten hervorragend.» BERUFUNG HOTELIER 1994 kehrte Sigg dann in sein geliebtes Zürich zurück. Zuerst sieben Jahre lang als General Manager ins Widder Hotel, dann als Chief Executive Officer der Dolder Hotel AG, wo er sich fünf Jahre lang mit viel Herzblut engagierte. «Leider gab es bezüglich der Organisation der Wie8/2008 63 Im Feinschmecker-Restaurant führt der mit 15 Gault-MillauPunkten prämierte Küchenchef Ludovic Pitrel das kulinarische Zepter. dereröffnung unterschiedliche Ansichten. Aus diesem Grund entschied ich mich 2007, die Dolder Hotel AG zu verlassen und später das Angebot als Verwaltungsrat der Victoria Jungfrau Connection und den Direktionsposten im Hotel Eden au Lac (eine 100-prozentige Tochter der Victoria Jungfrau Connection) anzunehmen.» Man darf also gespannt sein, was in den nächsten Jahren mit dem «schönsten Kulturdenkmal an der Seepromenade Zürichs» passieren wird. Soviel sei schon verraten: Neben den notwendigen Renovationen der Sanitäranlagen, der Heizung, Technik, Lüftung und der Küche sollen auch die Zimmer ein Revival erleben und auf den neusten Stand gebracht werden. Wie schafft man es, angesichts so grosser Projekte das Privatleben nicht zu vernachlässigen? «Mir ist es wichtig, mich in meiner wenigen Freizeit vom Beruf abzugrenzen und Hobbies und Familie zu pflegen. Meine Söhne sind zwar mittlerweile erwachsen, aber zusammen mit meiner Familie treibe ich intensiv Sport wie Tennis, Joggen und Skifahren und pflege Beziehungen zu Freunden und Bekann64 8/2008 ten. Hotelier ist wie der Arztberuf meines Vaters eine Berufung. Umso mehr muss man aufpassen, dass man am Tag der Pensionierung auch noch andere Lebensinhalte hat», räsoniert Sigg. Da er selbst 14 Jahre lang als Ausländer lebte, hat er auch Verständnis für seine Mitarbeiter, die aus insgesamt 14 verschiedenen Nationen stammen. «Was es heisst, stundenlang auf dem Konsulat zu verbringen, ist mir bekannt und ich kann es gut nachfühlen». Trotzdem betitelt er seinen Führungsstil als streng, aber fair. Sein 65-köpfiges Team setzt sich aus einer gesunden Mischung langjähriger und neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen. «Zum Teil sind sie mit mir gekommen, so schlimm kann demnach mein Führungsstil nicht sein», lacht er. PERSÖNLICHKEIT WIRD GROSS GESCHRIEBEN Beat Siggs Büro liegt direkt neben der Rezeption und bleibt meistens offen. So erfährt er auch sofort, wenn ein Gast ankommt oder abreist und kann diesen persönlich begrüssen. Auf eine persönliche Atmosphäre wird in dem kleinen Fünfstern-Haus mit seinen 50 Zimmern viel Wert gelegt. Das diskret geführte Refugium verbindet Tradition und Dienstleistungen der alten Schule mit zeitgemässer Ausstattung und neuen Serviceideen. Während die harmonisch gegliederte Fassade mit ihren schmiedeeisernen Balkonen, den blau-weiss gestreiften Markisen und imposanten Säulen aristokratisch-französisches Flair vermittelt, strahlt das Innere des Eden au Lac eine entspannte, clubähnliche Atmosphäre aus. Das Gefühl von Privatheit und Geborgenheit umfängt den Gast bereits, wenn er die Lobby mit ihrer angrenzenden Bar-Lounge betritt. Hohe Flügeltüren, Marmorsäulen, raumhohe Fenster, die den Blick auf den See freigeben und ein Interieur in warmen Gelb- und Blautönen schaffen ein Ambiente von entspannter Behaglichkeit. Grosse Pluspunkte des Hotels sind die herrliche Lage als einziges FünfsternHotel am See und die vielen Stammgäste. «Bei 15 bis 20 Eintritten pro Tag kann sich das gesamte Personal die Namen der Gäste gut merken. Der Gast fühlt Beat Sigg als Zunftmeister in der Zürcher Zunft zur Oberstrass. (Bilder Zunft: Alex Wydler) + Die Zimmer verfügen über eine traumhafte Aussicht auf den Zürichsee und die Glarner Alpen. sich hier wie zu Hause und so verwundert es nicht, dass viele Gäste zum Teil schon seit Generationen im Eden au Lac ein- und ausgehen.» Als Beat Sigg vor einem Jahr die Direktion übernahm, existierten noch viele Spezial-Arrangements, um die Gäste ans Haus zu binden. «Dies hatte mit mangelndem Selbstbewusstsein zu tun. Schliesslich gibt es keinen Grund, weshalb wir mit unserer Toplage unsere Zimmer 300 Franken billiger als das Widder Hotel anbieten sollten. Für 95 Prozent der Gäste war dies kein Kriterium, das Hotel zu wechseln.» So bewegen sich heute die Preise für ein Zimmer von CHF 440 bis 750. Eine Suite ist für CHF 1650 zu haben. Die 45 Einzel- und Doppelzimmer, zwei Suiten und drei Business-Suiten verteilen sich auf insgesamt fünf Etagen. Das oberste Stockwerk wurde 1981 zur Gästeetage umgebaut und beherbergt unter anderem die beiden Luxus-Suiten des Hauses, die durch angrenzende Räume auf Zwei- bis Drei-SchlafzimmerSuiten erweitert werden können, sowie eine Sauna. Von der fünften Etage führt eine Treppe zur Dachterrasse mit grandiosem Blick auf die Glarner Alpen und den Zürichsee. AUF SEINER HOHEIT AGA KHANS WUNSCH Das Interieur des Feinschmecker-Restaurants lässt mit seinen stuckverzierten Decken und Säulen, den schweren Kristalllüstern und den satten Rot- und Blautönen die Grandezza einer vergangenen Epoche wieder aufleben. Hier führt der französische, mit 15 Gault-MillauPunkten prämierte Küchenchef Ludovic Pitrel das kulinarische Zepter. Die Vielfalt der Mittelmeerregion prägt die Küche des Franzosen, in der Pitrel mit Kräutern und Gewürzen aus Nordafrika und insbesondere mit Ölen aus Marokko ganz eigene aromatische Akzente setzt. Eine bekannte Eden-au-Lac-Spezialität ist das Hors d’oeuvre chaud, dessen Entstehung dem während des 2. Weltkrieges im Eden au Lac residierenden Aga Khan zu verdanken ist. Hoheit wünschte nämlich immer, eine verlockende Auswahl verschiedener Gerichte – auf kleinen Plättchen serviert – zu kosten. Daraus entstand das Hors d’oeuvre chaud, das erste Degustationsmenü weit und breit, lange bevor es hierzulande Nachahmer fand. In der Eden Bar zählt für Jazz-Liebhaber insbesondere der Donnerstag zum Höhepunkt der Woche: «Thursday Jazz in the Bar» präsentiert erstklasige JazzMusiker, die mit ihren Klängen die Besucher verzaubern. DIE STAFETTE Im Stafettenporträt stellen wir eine Persönlichkeit der Schweizer Hotellerie vor. Welche Person porträtiert wird, bestimmen die Vorgänger. Beat Sigg überreicht den Stab an Herrn René Grüter, Direktor des Seehotels Sonne Küsnacht. 8/2008 65