42 - Arznei
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zurück 80 arznei-telegramm® 2011; Jg. 42, Nr. 9 Nebenwirkungen A 4330 E Postvertriebsstück Entgelt bezahlt A.T.I. Arzneimittelinformation GmbH, Bergstr. 38 A, Wasserturm, D-12169 Berlin BETTNÄSSEN UNTER ATYPISCHEN NEUROLEPTIKA BEI ERWACHSENEN Bettnässen kann eine unangenehme und peinliche Folge der Einnahme atypischer Neuroleptika sein und die Therapietreue beeinträchtigen. Nach einer Beobachtungsstudie einer Arbeitsgruppe des neuseeländischen Pharmakovigilanzprogramms IMMP* scheint diese Komplikation häufig bis sehr häufig aufzutreten.1 In einem Fragebogen geben 41 von 606 Patienten (davon 6 bei zwei verschiedenen Präparaten) an, dass bei ihnen Bettnässen neu aufgetreten ist: Unter Clozapin (LEPONEX, Generika) 20,7% (17 von 82 Patienten), Olanzapin (ZYPREXA) 9,6% (11 von 115), Quetiapin (SEROQUEL) 6,7% (7 von 105) und unter Risperidon (RISPERDAL, Generika) 6,2% (12 von 195). Hinweise auf Bettnässen fehlen in deutschen Fachinformationen. Allerdings wird Enuresis bei Risperidon als häufige Störwirkung genannt, in den Fachinformationen anderer atypischer Neuroleptika lediglich Harninkontinenz und diese bei Clozapin3,4 als häufig, bei Olanzapin5 und Risperidon als gelegentlich und bei Quetiapin6 als selten eingestuft. „Es ist nicht zu erwarten (…), dass insbesondere meldende Patienten bei ihren Berichten zwischen den einzelnen Inkontinenzformen unterscheiden”, begründet der Olanzapin-Hersteller Lilly den fehlenden Hinweis auf Bettnässen.7 Aber selbst wenn Bettnässen der Harninkontinenz zugerechnet wird, erscheinen die Häufigkeitsangaben in den Produktinformationen angesichts der Beobachtungsstudie zu niedrig. Es empfiehlt sich, Patienten, die atypische Neuroleptika einnehmen, direkt zu fragen, ob es in Verbindung mit der Therapie zu Bettnässen gekommen ist. Als Behandlungsstrategie kommt neben Flüssigkeitsrestriktion am Abend Dosisreduktion oder ein Wechsel auf einen anderen Wirkstoff in Betracht. Unter konventionellen Neuroleptika werden Enuresis und Harninkontinenz anscheinend seltener berichtet. Allerdings finden wir für diese keine gezielte Studie zu der Fragestellung, –Red. 1 2 3 4 5 6 7 HARRISON-WOOLRYCH, M. et al.: Br. J. Psychiatry 2011; 199: 140-4 Janssen-Cilag : Fachinformation RISPERDAL, Stand März 2011 Novartis: Fachinformation LEPONEX, Stand Apr. 2010 Pfizer: Fachinformation ELCRIT, Stand Jan. 2010 Lilly: Fachinformation ZYPREXA, Stand Nov. 2010 Astra-Zeneca : Fachinformation SEROQUEL, Stand Apr. 2011 Lilly: Schreiben vom 23. August 2011 QT-VERLÄNGERUNG UNTER CITALOPRAM (CIPRAMIL, GENERIKA) Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat die Anwendung des selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmers (SSRI) Citalopram (CIPRAMIL, Generika) eingeschränkt: Das Antidepressivum darf nicht länger in Dosierungen über 40 mg/Tag eingenommen werden. Bislang waren bis zu 60 mg täglich erlaubt, obwohl sich in Studien für Dosierungen über 40 mg kein zusätzlicher Nutzen sichern lässt.1 Hintergrund der Dosisbegrenzung sind Berichte über QT-Verlängerung und die lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung Torsade de pointes in Verbindung mit Citalopram sowie die Ergebnisse einer randomisierten plazebokontrollierten Cross-over-Studie mit 119 gesunden Erwachsenen, in der das SSRI das korrigierte QT-Intervall dosisabhängig verlängert: Unter 20 mg/Tag nimmt es gegenüber Scheinmedikament im Mittel um 8,5 Millisekunden (ms; 90% Konfidenzintervall [CI] 6,2-10,8) zu, unter 60 mg/Tag um 18,5 ms (90% CI 16,0-21,0). Für 40 mg täglich errechnet die Behörde eine Verlängerung um 12,6 ms (10,9-14,3).1,2 Beim Vergleich der EKG von 802 Patienten unter Citalopram und 241 unter Plazebo aus früheren Studien fällt bei 1,9% in der SSRI* IMMP = Intensive Medicines Monitoring Programme Warenzeichen in Österreich und Schweiz (Beispiele) Citalopram: SEROPRAM (A, CH) Clozapin: LEPONEX (A, CH) Olanzapin: ZYPREXA (A, CH) Gruppe eine Zunahme des QT-Intervalls um mehr als 60 ms gegenüber dem Ausgangswert auf (Plazebo 1,2%). Bei 0,5% werden absolute Werte über 500 ms gemessen (Plazebo 0%).2 Patienten mit angeborenem langen QT-Syndrom dürfen Citalopram künftig gar nicht mehr einnehmen. Für über 60Jährige, Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion oder bei bekannter verringerter Verstoffwechselung über CYP 2C19 wird die Höchstdosis auf 20 mg begrenzt. Eine bestehende Hypokaliämie oder Hypomagnesiämie ist vor Therapiebeginn zu korrigieren und während der Behandlung regelmäßig zu kontrollieren. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz oder Bradyarrhythmie sowie bei gleichzeitiger Einnahme weiterer Medikamente, die das QT-Intervall verlängern, werden regelmäßige EKG-Kontrollen empfohlen. Alle Anwender müssen über Warnsignale der lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörung aufgeklärt werden und bei Auftreten eines unregelmäßigen Herzschlags, von Luftnot, Schwindel oder nach einem Ohnmachtsanfall sofort ärztliche Hilfe suchen.1 Hierzulande darf die Dosis von Citalopram derzeit noch individuell auf bis zu 60 mg täglich gesteigert werden.3 QTVerlängerung wird beim Originalpräparat CIPRAMIL unter den Nebenwirkungen gelistet,3 bei verschiedenen Generika (z.B. CITALOPRAM HEUMANN4) dagegen lediglich als „theoretisch” möglich erwähnt. Die Firma Lundbeck teilt auf Anfrage mit, dass „so schnell wie möglich” die Fachinformationen aktualisiert und eine „adäquate Kommunikation mit den Verantwortlichen des Gesundheitswesens” veranlasst werde.5 1 2 3 4 5 FDA: Drug Safety Communication vom 24. Aug. 2011 http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm269086.htm Lundbeck: US-amerikanische Produktinformation CELEXA, Stand Aug. 2011 http://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/label/2011/020822s038s040,02 1046s016s017lbl.pdf Lundbeck: Fachinformation CIPRAMIL, Stand Nov. 2010 Heumann: Fachinformation CITALOPRAM HEUMANN 30/60 mg, Stand Jan. 2010 Lundbeck: Schreiben vom 7. Sept. 2011 arznei-telegramm® (Institut für Arzneimittelinformation), Bergstr. 38 A, Wasserturm, D-12169 Berlin, Telefax: (0 30) 79 49 02 20, Email: [email protected] und [email protected] Im Internet: http://www.arznei-telegramm.de Herausgeber: A.T.I. Arzneimittelinformation Berlin GmbH Redaktion: W. BECKER-BRÜSER, Arzt und Apotheker (verantw.), U. BUCHHEISTER, Ärztin, J. HALBEKATH, Ärztin, Dr. med. M. HULVERSCHEIDT, Dr. med. A. JUCHE, Prof. Dr. med. M. M. KOCHEN, Dr. med. A. von MAXEN, Prof. Dr. med. I. MÜHLHAUSER, Prof. Dr. med. K. QUIRING, S. SCHENK, Ärztin, R. SIEWCZYNSKI, Arzt, N. TIEDE, Apothekerin, Dr. med. H. WILLE, Dr. rer. physiol. B. WIRTH Erklärung zu potenziellen Interessenkonflikten siehe Impressum im Internet. Das arznei-telegramm® (a-t) erscheint monatlich, Bezug im Jahresabonnement, Kündigung drei Monate zum Jahresende. Das a-t wird ausschließlich über die Abonnements finanziert. Jahresbezugspreis für Ärzte, Apotheker und andere Angehörige der Heilberufe 50,30 €, für Studenten (Nachweis erforderlich) 34,60 €. Für Firmen, Behörden, Institutionen mit Mehrfachlesern 100,60 €. Ausland: zzgl. 8 € Versand; bitte Zahlungen gebührenfrei für Empfänger vornehmen, ggf. anfallende Bankspesen werden nachberechnet. Die im Heft angegebenen Internet-Adressen werden am Tag der Drucklegung auf Verfügbarkeit geprüft. Die gewählten Produktbezeichnungen sagen nichts über die Schutzrechte der Warenzeichen aus. © 2011, A.T.I. Arzneimittelinformation Berlin GmbH Quetiapin: SEROQUEL (A, CH) Risperidon: RISPERDAL (A, CH)