Michael Schumacher – eine Legende geht in Rente
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Michael Schumacher – eine Legende geht in Rente
SPORT Mannheimer Morgen Dienstag, 12. September 2006 9 Michael Schumacher – eine Legende geht in Rente Ein weiterer Rekord für die Ewigkeit? Der scheidende Ferrari-Star führt mit 90 Grand-Prix-Siegen die Bestenlisten an. Karriere-Stationen ● 25. August 1991: Michael Schumacher gibt in Spa am Steuer eines Jordan-Ford sein Formel-1-Debüt. Nach nur einem Rennen wechselt er zu Benetton-Ford. ● 4. September 1991: Beim ersten Rennen im neuen Auto in Imola wird Schumacher Fünfter und holt zwei WM-Punkte. ● 30. August 1992: In Spa gelingt der erste Grand-Prix-Sieg. Am Ende seiner ersten kompletten Saison wird er Dritter. ● 1. Mai 1994: Schwarzes Wochenende in Imola: Ayrton Senna rast in eine Betonmauer und stirbt im Krankenhaus. Das Rennen wird fortgesetzt und endet mit einem Schumacher-Sieg. ● 28. August 1994: Der Sieg beim Grand Prix in Belgien wird Schumacher aberkannt. Grund: bei einer Kontrolle nach dem Rennen waren an einer Holzplatte am Unterboden seines Benettons Abschleifungen festgestellt worden. Erstmals taucht der Begriff „Schummel-Schumi“ auf. ● 13. November 1994: Jubel trotz Unfall: In Adelaide kommt es zur Kollision der Titelaspiranten Schumacher und Damon Hill. Da beide ausscheiden, wird der Deutsche erstmals Weltmeister. ● 16. Juli 1995: „Schumi“ holt seinen zweiten Titel. ● 26. Oktober 1997: Schumacher fährt seinem Konkurrenten Jacques Villeneuve in die Seite. Villeneuve holt den Titel, der Kerpener wird wegen Unsportlichkeit aus der WM-Wertung gestrichen. ● 11. Juli 1999: In Silverstone rast Schumacher wegen eines Bremsdefekts in einen Reifenstapel und bricht sich das rechte Schien-und Wadenbein. ● 10. September 2000: Tränen in Monza: Schumacher gewinnt seinen 41. Grand Prix und holt damit in der ewigen Rangliste Ayrton Senna ein. ● 8. Oktober 2000: Schumacher siegt in Suzuka und holt den dritten WM-Titel. ● 10. Juni 2001: Familien-Erfolg: In Montréal wird Schumacher hinter Ralf Zweiter. Erstmals stehen in der Formel 1 zwei Brüder oben auf dem Treppchen. ● 19. August 2001: Schumacher siegt in Ungarn und macht den vierten WM-Titel vier Rennen vor dem Saisonende perfekt. ● 12. Mai 2002: In Spielberg überlässt Barrichello seinem Teamkollegen den Sieg, es gibt Pfiffe von den Rängen. ● 21. Juli 2002: Sechs Rennen vor Schluss rast Schumacher zum fünften WM-Titel. ● 12. Oktober 2003: Mit seinem sechsten Titel überholt Schumi in der ewigen Rangliste Fangio. ● 29. August 2004: Ein zweiter Platz in Spa bringt vorzeitig den siebten Titel. ● 22. Mai 2005: Bruderzwist in Monaco: Michael Schumacher versucht, seinen Bruder noch auf der Ziellinie zu überholen, um Sechster zu werden. Ralf tobt. ● 27. Mai 2006: Im Qualifying in Monaco sorgt Schumacher mit einem „Park-Manöver“ für Wirbel. dpa Bild: dpa Nicht nur Lauda glaubt an Schumis Rückkehr ABSCHIEDSSAISON: Rekordweltmeister will mit achtem Titel aufhören / Einbruch bei Fernseh-Quoten befürchtet Fast-Rentner Michael Schumacher war auch am Tag nach seinem Befreiungsschlag von Monza noch tief bewegt. „Ich bin dankbar, dass ich mit einem Sieg meinen Abschied verkünden durfte“, erklärte der Ferrari-Star. Der 37-Jährige gab sich am Montag aber auch kämpferisch: „Wir haben noch drei Rennen zu fahren, und diese drei Rennen wollen wir nutzen. Wir haben den Rückstand fast aufgeholt, in der Konstrukteurswertung haben wir Renault schon überholt. Beide Titel sind greifbar nahe. Von nun an gilt nur noch die WM.“ Der Kerpener ging noch einmal auf seine Beweggründe für den Rücktritt ein: „Ich werde auch nicht jünger, und ich muss einfach in Frage stellen, ob ich auch im nächsten Jahr die Energie, die Kraft und die Motivation aufbringen könnte, um den Aufwand zu betreiben, den man an der Spitze einfach betreiben muss. Natürlich bin ich noch fit, natürlich bin ich noch konkurrenzfähig, aber wäre ich das dann auch in den nächsten Jahren? Einfach nur mitzufahren, ist nie mein Anspruch gewesen. Das ist nicht mein Stil.“ Nach einer kleinen „Abschiedsfeier“ mit seinen Freunden im Fahrerlager nahm sich der scheidende König der Formel 1 zwei Tage Zeit für die Familie in Vufflens, anschließend stehen zwei Testtage in Le Castellet auf dem Programm. Kaum hatte Schumacher alle Spekulationen um seine Zukunft als Rennfahrer beendet, begannen neue Gedankenspiele über die Zeit danach. „Er wird weiter bei Ferrari involviert sein und Verantwortung übernehmen. In welcher Funktion wird erst nach der Saison besprochen“, kündigte Teamchef Jean Todt an. „Ich werde noch viel Zeit mit Michael verbringen“, fügte er vieldeutig hinzu. „Ich habe immer gesagt, dass ich nach meinem Rücktritt eine Zeit lang gar nichts machen werde. Dann werde ich sehen, wie ich mich fühle und was passieren soll“, sagte Schumacher. „Ich werde weiter Teil der Ferrari-Familie bleiben. Was es genau wird, werden wir zum Jahresende bekannt geben.“ Den Posten des Teamchefs, mit dem Schumacher zum Boss seiner Nachfolger Kimi Räikkönen (Vertrag bis Ende 2009) und Felipe Massa (Vertrag bis Ende 2008) aufsteigen könnte, schließt Manager Willi Weber aus. Vielleicht kehrt er noch einmal als Fahrer nach Maranello zurück. Montezemolo: „Für Michael steht immer ein Auto bereit. Ich hatte ohnehin gehofft, dass er noch ein Jahr dranhängt.“ Derweil wird über eine Formel 1 ohne Schumacher philosophiert. Vor allem in Deutschland bedeutet sein Abschied eine Zäsur. „Ich glaube, wir haben sehr viele und gute deutsche Rennfahrer. Nick Heidfeld zeigt ja gerade, was er mit einem guten Auto leisten kann. Wir haben mit Sebastian Vettel einen neuen Nachwuchsfahrer“, sagte der 37-Jährige. Seinen Bruder Ralf bei Toyota und Williams-Pilot Nico Rosberg erwähnte er nicht. Ohne Lokalhelden mit Titelchancen wird es auch für den übertragenden deutschen Free-TV-Sender RTL schwer, die Einschaltquoten zu halten. Zahlen wie am Sonntag, als 8,40 Millionen Zuschauer erst Schumachers Sieg und noch 7,71 Millionen die Rücktrittserklärung verfolgten, wird es 2007 wohl kaum noch geben. Im kommenden Jahr läuft der Vertrag aus. Derweil hat Weber Schumachers Rücktritt vom Rücktritt bereits im Hinterkopf und die neuen Weltmeister-Käppis längst 䉴 Mehr unter www.morgenweb.de Facetten einer Sportlerkarriere: Der König der Formel 1 gemeinsam mit seiner Frau Corinna als Ferrari-Zwerg. Im Kart fühlte sich der gelernte Kfz-Mechaniker genauso wohl wie auf dem Fußballplatz oder auf der Skipiste. Bilder: dpa Briatore: Schiebung zu Schumis Gunsten VERSCHWÖRUNGSTHEORIE: Ehemaliger Teamchef des Kerpeners zeigt sich als schlechter Verlierer Michael Schumacher denkt sich seinen Teil zu den Schummelvorwürfen. Bild: dpa in der Planung. „Das wird die Final Edition mit acht Sternen. Beim letzten Rennen am 22. Oktober in Brasilien gibt es in jedem Fall eine große Feier. Wenn er da mit dem achten Titel abtritt, wird er nicht der König, sondern der Kaiser sein.“ Allerdings hält der gewiefte Manager seinem Schützling eine Hintertür für die Rückkehr ans Lenkrad offen: „Momentan nimmt er erstmal eine Auszeit. Wenn es ihm langweilig wird, werden wir weitersehen. Ich werde jedenfalls ans Telefon gehen, wenn Teamchefs anrufen. Nichts ist unmöglich.“ Niki Lauda erklärte Schumacher zu einem „zu 110 Prozent Comeback-gefährdeten Champion“ und Mercedes-Sportchef Norbert Haug, der schon 1998 gern die Traumehe mit Schumi perfekt gemacht hätte, hält die Diskussion über eine Rückkehr des Champions für logisch. Selbst Schumacher hielt die Frage nach dem Comeback für berechtigt, macht sich darüber aber momentan noch keine Gedanken: „Ich würde nicht jetzt eine Entscheidung treffen, wenn ich wüsste, dass ich nächsten Monat wieder einsteigen werde.“ dpa/sid Im Endspurt des Formel-1-Titelrennens mit Michael Schumacher fühlt sich Weltmeister Fernando Alonso verschaukelt, sein Teamchef Flavio Briatore spricht sogar offen von Manipulation. Das sei eine WM, die am Grünen Tisch entschieden werde, polterte der Renault-Boss in einem Interview mit dem italienischen Fernsehsender RAI los und stellte den AutomobilWeltverband (FIA) an den Pranger: „Wir haben verstanden, wie die Dinge laufen. Es ist schon alles entschieden. Sie haben entschieden, den Titel an Schumacher zu geben, und so wird es passieren“, meinte Briatore und verglich die Situation mit dem Manipulationsskandal mit italienischen Fußball. Der 56-Jährige beschwerte sich darüber, dass die Rennkommissare beim Großen Preis von Italien Alonso wegen einer angeblichen Behinderung von Ferrari-Pilot Felipe Massa vom fünften auf den zehnten Startplatz zurückstuften. Bereits beim Ungarn-Grand-Prix war der Spanier wegen zweier Vergehen strafversetzt worden. In beiden Rennen schied er danach aus. „Was am Sonntag passiert ist, das ist nicht das Problem. Das, was vor dem Rennen passierte, das ist komisch“, meinte Briatore, der seine Äußerungen später als Witz verstanden wissen wollte. Die FIA kündigte umgehend eine Untersuchung der Manipulationsvorwürfe an. „Wir haben die Aussagen zur Kenntnis genommen und werden sie untersuchen“, erklärte ein FIA-Sprecher. Dem RenaultTeam droht eine Anhörung vor dem WorldCouncil der FIA. Nach den FIA-Regularien können drakonische Strafen ausgesprochen werden, wenn man „den Sport oder die FIA in Misskredit bringt“. Der Strafenkatalog beinhaltet Sanktionen, die bis zum Ausschluss von der laufenden WM reichen können. „Es ist schwer, so um eine WM zu kämpfen. Wenn du siehst, wie die Ferraris beim Rennstart in der Türkei machen können, was sie wollen – und wir werden hier für so etwas bestraft . . .“, sagte RenaultTechnikchef Pat Symonds. Auch dem sonst so coolen Alonso war nach seiner Strafversetzung der Kragen geplatzt. „Wenn das so weitergeht, wie sollen wir da in Zukunft noch Rennen fahren? Ich halte das nicht mehr für einen Sport“, schimpfte der Renault-Pilot. Damit zog er sich den Unmut von Ferrari-Teamchef Jean Todt zu: „Wenn er keine Lust mehr hat, soll er halt aufhören“, sagte der Franzose. FIA-Präsident Max Mosley verteidigte die höchst umstrittene Entscheidung und wies eine Bevorzugung von Schumachers Ferrari-Team zurück: „Die Daten zeigen eindeutig, dass Massa behindert wurde.“ Allerdings hatte diese „unabsichtliche Behinderung nach Artikel 116“ außer der FIA und Ferrari keiner gesehen. „Offensichtlich haben alle vergessen, worum es beim Racing geht. Vielleicht führen wir in Zukunft noch Blinker an den Formel-1-Autos ein“, sagte Symonds. sid Hockenheimring kämpft um 2007 Auch nach dem verkündeten Karriere-Ende von Michael Schumacher arbeiten die Verantwortlichen des Hockenheimrings daran, im kommenden Jahr den Großen Preis von Deutschland auszutragen. „Wir sind nach wie vor im engen Kontakt mit verschiedenen Verhandlungspartnern. Bis Ende September soll und muss eine Entscheidung fallen“, erklärt Hartmut Tesseraux, Pressesprecher der Hockenheimring GmbH. Er ist sich aber bewusst, dass es im Jahr 1 nach Schumi schwer wird: „Einen Helden wie Michael Schumacher zu ersetzen, ist wahnsinnig schwierig. Man kann nur hoffen, dass sich ein anderer deutscher Pilot ins Rampenlicht katapultieren kann. Vielleicht wird das Sebastian Vettel sein.“ jako