Mit Galileo zum Jupiter

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Mit Galileo zum Jupiter
Galileo
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Mit Galileo
zum Jupiter
Schon während der Pioneer-Flüge
gab es bei Amerikas Raumfahrtbehörde über das Voyager-Projekt hinaus Studien für eine Raumsonde zu
dem Riesenplaneten, die in eine Satellitenbahn um den Jupiter eintreten
und eine Meßkapsel in dessen Atmosphäre entlassen sollte. 1976 faßte die
NASA diverse Projekte unter dem
Kürzel ‚Jupiter Orbiter Probe‘ (JOP)
zusammen, wobei das federführende
‚Jet Propulsion Laboratory‘ in Pasadena bei Los Angeles den Orbiter und
das ‚Ames Research Center‘ bei San
Francisco die technisch sehr schwierige Eintrittskapsel bauen sollten.
Beide NASA-Zentren hatten gerade
die Arbeiten an vorangegangenen
Raumsondenprojekten beendet, im
JPL waren die Voyager-Sonden fast
startbereit, und im ARC hatte man die
Pioneer-Kapseln für die Venus-Atmosphäre fertiggestellt. So waren noch
zahlreiche Wissenschaftler und Techniker für eine neue Mission bereit und
mit der Materie vertraut, es war also
eine gewisse personelle Kontinuität
für den Beginn der Arbeiten an JOP
gewahrt – ein wichtiger Sicherheitsund Kostenfaktor. Einige Expertenteams blieben fast unverändert zusammen, wenn ihr für Voyager gebautes Instrument auch für den Galileo-Orbiter akzeptiert worden war.
Doch es bildeten sich natürlich auch
zahlreiche neue Gruppen von Fachleuten zum Bau völlig neuer Sensoren
und Systeme.
Zunächst aber mußten die US-amerikanischen Politiker von der wissenschaftlichen Notwendigkeit dieses
Projekts überzeugt werden. Nach diversen Anhörungen in Washington
kam schließlich einige Monate vor
den Voyager-Starts die positive Entscheidung auch für die JOP, die beiden Projekte kreuzten sich in gewisser Weise. Ohne daß die Politiker die
fantastischen Erfolge der VoyagerSonden kannten, waren sie schon für
die Bewilligung weiterer Gelder für
das Nachfolgeprojekt bereit. Am
Mit der Galileo-Sonde begann die systematische, längerfristige Erforschung des riesigen Planeten Jupiter, seiner großen und kleinen Monde sowie des Ringsystems.
Quelle: DLR
01.07.1977 war offizieller Beginn,
und die neue Jupiter-Sonde erhielt
den klangvollen Namen Galileo nach
dem italienischen Universalgelehrten.
Dieser hatte 1610 wohl als erster
Mensch mit einem selbst gebauten
Fernrohr den Jupiter und seine vier
großen Monde gesehen und sie wegen der raschen Positionsveränderungen als Trabanten des großen Planeten erkannt.
Doch die anfänglich sehr positive
Stimmung für das Galileo-Projekt
wurde auf viele harte Proben gestellt,
technische, finanzielle und vor allem
politische Probleme setzten dem
Raumfahrtunternehmen stark zu,
mehrfach stand es vor dem Abbruch.
Die erste Krise kam mit der Amtsübernahme von Ronald Reagan, der
1980 neuer Präsident wurde. Seine
Regierung war auf das SDI-Projekt
fixiert und hatte keinen Sinn für Planetenforschung, sie wollte das bekannte JPL in Pasadena ganz in den
Dienst der Raketenabwehr im Weltraum stellen oder schließen, niemand
im Weißen Haus hatte Interesse an
Galileo. Doch nun formierte sich unter der Leitung prominenter Wissenschaftler eine Bürgerbewegung, die
für die neue Mission der NASA warb
und große Teile der Bevölkerung für
das Projekt interessierte.
Galileo überlebte die politischen
Attacken, und der Start der Sonde
wurde auf Mitte 1986 terminiert.
Doch nun kam die Challenger-Katastrophe im Januar jenes Jahres dazwi-
schen, die sieben Astronauten das Leben kostete und die ganze amerikanische Raumfahrt zum Erliegen brachte. Mühsam erholte sich auch das
Galileo-Projekt von diesem Schock,
hilfreich war dabei auch, daß die
Hardware und die Flugplanung zu
90 % fertiggestellt waren. Auch der
als Teilnehmer gewonnene deutsche
Partner drängte auf die Realisierung
des Projekts. Aufgrund eines Vertrags
zwischen der Regierung in Washington und Bonn hatte Deutschland den
Bau des wichtigen Antriebsmoduls
übernommen und die Lieferung von
zwei wissenschaftlichen Sensoren sowie die Beteiligung an fünf anderen
Instrumenten zugesagt.
Politisch-finanzielle Probleme
Nun aber gab es im Nachspiel zur
Challenger-Katastrophe Probleme mit
dem Start von Galileo, weil die eigentlich dafür geplante Träger-Kombination Raumtransporter und hochenergetische Centaur-Stufe aus Sicherheitsgründen nicht mehr fliegen
durfte. Beim Start mit der stattdessen
gewählten schwächeren IUS-Oberstufe verlängerte sich die GalileoFlugzeit zu Jupiter aber auf fast sechs
Jahre. Die Raumsonde mußte außerdem zur Steigerung der Geschwindigkeits zweimal an der Erde und einmal
an der Venus vorbeifliegen.
Als Trost für die lange Reisezeit ergab sich andererseits, daß Galileo auf
dem weiten Weg zu Jupiter an zwei
Asteroiden vorbeifliegen und erst-
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mals solche Körper aus der Nähe erforschen konnte – auch eine wichtige
Premiere. Doch viele Techniker und
Wissenschaftler in USA und Deutschland waren frustiert angesichts der
insgesamt 10-jährigen Verspätung des
Galileo-Projekts. Manche Experten
gehörten den Teams schon gar nicht
mehr an, sie waren in Pension gegangen oder verstorben – und ihre Erfahrung fehlte.
Noch ein drittes ernstes Problem
gab es für Galileo, diesmal mit dem
Antriebsmodul aus Deutschland, denn
bei Praxistests hatten MBB-Techniker 1987 festgestellt, daß die 10-NDüsen zur Überhitzung neigen und
auch völlig ausfallen können. Also
mußte das Antriebsmodul noch einmal zurück zum Hersteller, wo neue
haltbare Triebwerke eingebaut wurden. Andernfalls hätte es sicher Probleme mit der Lagekontrolle und
Bahnänderungen der Raumsonde gegeben, und die Galileo-Mission hätte
wohl ein vorzeitiges Ende gefunden –
peinlich für das Ansehen der deutschen Raumfahrtindustrie. Trotzdem
waren die neuen kleinen 10-N-Motoren sehr empfindlich und durften nur
intervallweise aktiviert werden, was
etwas mehr Treibstoff verbrauchte
und längere Manöver erforderte.
Trotzdem wurde die Galileo-Raumsonde in den 80er Jahren von Experten gern als ‚Rolls Royce‘ unter den
Raumsonden bezeichnet. So eine
komplexe elektronische Maschine
war noch nie zuvor für die Planetenforschung gebaut worden, sie enthielt
22 Mikroprozessoren und 85.000
Computer-Bauteile, die dem Äquivalent von 46 Mio. Transistor-Funktionen entsprachen. Das lag auch über
der Komplexität der Voyager-Sonden,
obwohl deren elektronisches Innenleben bereits dem von 2000 Farbfernsehern entsprach.
Das Management des Galileo-Projekts hatte die NASA dem ‚Jet Propulsion Laboratory‘ in Pasadena
übertragen. Dort konzentrierte sich in
jenen Jahren bei der Betreuung vieler
erfolgreicher Planetensonden besondere organisatorische und fachliche
Kompetenz – und bei dem GalileoProjekt vor allem auch viel Geduld.
Im JPL wurde der Jupiter-Orbiter ge-
Jupiter – Großplanet mit Monden • Jupiter-Raumsonden
Die Galileo-Konstruktion enthielt neben Antenne, Elektronik, Sensoren und RTGEnergie erstmals auch eine Kapsel zur direkten Erkundung der Jupiter-Wolkenhülle.
Quelle: DLR
baut und die Mission jahrelang vorbereitet, überwacht und gesteuert. Die
Entwicklung der Atmosphärenkapsel
übertrug das JPL an das ‚Ames Research Center‘ bei San Francisco, das
den Bau des Hitzeschildes und der inneren Meß-Ausrüstung an die Firma
Hughes delegiert hatte, wo auch die
Pioneer-Kapseln für die Venusforschung gebaut wurden.
Die Kosten für das Galileo-Projekt
betrugen insgesamt ca. 1,5 Mrd. $,
wesentlich mehr als geplant, was aber
bei den vielen Änderungen, Unterbrechungen und Verspätungen nicht verwundert. Große Summen mußten
auch für die Umrüstung der Sonde
und den Wärmeschutz aufgebracht
werden, als die neue Flugbahn festgelegt wurde, die Galileo auch zur Venus, also viel näher an die Sonne heranführen sollte als geplant. Ursprünglich war die Galileo-Konstruktion auf
die Vermeidung zu großer Abkühlung
und Wärmespeicherung ausgelegt,
nun mußte sie auch Aufheizungen ertragen, ohne Schaden zu nehmen. Die
1977 beschlossene deutsche Beteiligung mit dem Antriebsmodul für Galileo, einer längeren Unterstützung
der Mission und mit dem Bau dreier
Meßgeräte hat das Bonner Forschungsministerium ca. 220 Mio. DM
gekostet.
Galileo-Konstruktion
Diese amerikanische Planetensonde
hatte den Auftrag, Jupiter und seine
Monde über längere Zeit aus sich laufend ändernden elliptischen Umlaufbahnen zu erkunden. Gleich zu Beginn der Mission sollte Galileo erstmals eine Eintauchkapsel in die
Atmosphäre von Jupiter entsenden,
um deren Beschaffenheit direkt zu
messen. Der Entwurf der GalileoRaumsonde und ihr elektronisches
Betriebssystem sowie die Sensoren
waren auf jahrelange Missionszeit
ausgelegt und bildeten einen Kompromiß zwischen zahlreichen technischen und wissenschaftlichen Anforderungen. Diese waren:
• lange Lebensdauer von 10 Jahren;
• Redundanz wichtiger Systeme;
• Schutz vor harter Strahlung in den
Strahlengürteln nahe Jupiter;
• Betreuung der Atmosphärenkapsel
während des Transferflugs und beim
Eintritt in Jupiters Atmosphäre;
• laufend rotierende Plattform für
Partikel- und Feldsensoren;
• voll stabilisierte Plattform für
Fernerkundungsexperimente, speziell die SSI-Kamera.
Die beiden letzten Anforderungen
führten zu einer konstruktiven Besonderheit mit einer voll stabilisierten
und einer sich ständig drehenden
Galileo
Raumsonden-Abteilung (Spun und
Despun Section), die beide je fünf
Meßinstrumente enthielten und über
eine Scharnier-Konstruktion mit gegenläufigem Entdrallmotor miteinander verbunden waren. Die GalileoSonde war im technischen Konzept
eine Kombination aus Pioneer- und
Voyager-Entwurf. Ein Teil der Sensoren konnte fest auf Jupiter und seine
Monde gerichtet werden, die anderen
Instrumente drehten sich laufend auf
der Spun Section mit 3 U/m um die
Hochachse, was ihnen einen sog.
‚Rundum‘-Blick gewährte.
Neu war dagegen für diese JupiterSonde die gepanzerte Eintrittskapsel,
die nach der Abtrennung vom Orbiter
mit sechs Instrumenten erstmals in
die Wolkenhülle des Riesenplaneten
eintreten sollte, um die Zusammensetzung, den Druck und die Temperaturen direkt in den oberen Wolkenschichten zu messen. Der Aufbau des
Galileo-Orbiters ähnelte der VoyagerKonstruktion. Das galt auch für die
meisten Betriebssysteme und die
Elektronik für die Wissenschafts-Instrumente, die sich im Zentralkörper
der laufend rotierenden Sektion des
Orbiters unter dem Teller für die
Hauptantenne befanden.
Daraus ragten die Partikel- und
Feldsensoren PSI, PWS, MAG, DDS
und EPD heraus, wie z.B. das Magnetometer an dem 13 m langen
‚boom‘. Auch alle Triebwerke, der
größte Teil der Bordelektronik und
die RTG-Batterien sowie die leider
nicht ganz entfaltete, ganz oben montierte Hauptantenne drehten sich. Die
seitlichen RTG-Elemente waren abgeschirmt, damit ihre Strahlung die
sensiblen Galileo-Sensoren nicht
schädigte.
Zur lagestabilisierten Sektion von
Galileo gehörten neben den fünf
Punktsensoren PPR, UVS, SSI,
NIMS und RS die Kreisel für das Lagekontrollsystem sowie der Sonnenund Canopus-Sensor und die Düsen
des Antriebssystems sowie die Sekundärantenne für den Empfang der
Landekapsel-Daten. Die Instrumente
waren großenteils auf einer Plattform
kombiniert, die beim Anpeilen der jeweiligen Motive weitgehend gedreht
und geschwenkt werden konnte.
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Das Ingenieur-Modell von Galileo offenbart Konstruktions-Details mit Zentralkörper, Antenne und RTG-Elementen
sowie in der Mitte das deutsche Antriebsmodul.
Quelle: JPL
Unter diesem war in der Mitte die
Atmosphärenkapsel mit den Sensoren
ASI, NMS, HAD, NEP, NFR und
LRD/EPI montiert. Erst als die Eintrittskapsel abgetrennt war, konnte
das Haupttriebwerk für größere Kursänderungen gezündet werden. Auf
gleicher Höhe befand sich das voll
stabilisierte Sensormodul mit den
Punktinstrumenten, die exakt auf Planeten, Monde, Ringe und Asteroiden
ausgerichtet werden konnten. Die Galileo-Sonde war 4,5 m hoch, mit Antenne 4,8 m breit und wog beim Start
insgesamt 2550 kg. Die ‚Trockenmasse‘ der Raumsonde betrug 1575 kg,
wovon 148 kg auf ihre Sensornutzlasten entfielen; dazu kamen 925 kg an
Treibstoff, während die Eintrittskapsel für die Jupiter-Wolken 338 kg auf
die Waage brachte.
Galileo-Computer
Voraussetzung für den Erfolg der anspruchsvollen Galileo-Mission bei
Jupiter war eine leistungsfähige Steuerelektronik mit ‚Command and Data
Subsystem‘ (CDS). Die Prozessoren
der 8-bit-Rechner liefen mit 1,6 MHz
und entsprachen in der Leistung den
Mikroprozessoren, die in den 70er
Jahren in den Apple-II-Computern
eingesetzt wurden. Galileo arbeitete
also mit relativ einfachen Rechnern.
Schon die nächste Generation
von Computern wäre um den Faktor
200 leistungsfähiger gewesen, aber
trotz mehrjähriger Verspätung des
Projekts sahen sich die Konstrukteure
nicht in der Lage, die Datenarchitektur von Galileo kurzfristig zu ändern.
Das hätte hohe Mehrkosten verursacht und das Projekt weiter verzögert.
Die Datenverarbeitung im ‚Gehirn‘
von Galileo arbeitete mit 19 Mikroprozessoren bei 320 kbytes RAM und
41 kbytes ROM. Diese Systeme waren nicht sehr leistungsfähig, aber
speziell für dies Raumfahrtprojekt
qualifiziert und deshalb zuverlässig –
und viel weniger störanfällig als einer
unserer heutigen Personalcomputer.
Unerläßlich für den Betrieb der Galileo-Sonde allgemein und vor allem
der CCD-Kamera war das Magnetband zur Speicherung der Daten mit
einer Kapazität von 900 Mbit bzw.
200 Bildern.
Wegen der nicht entfalteten Hauptantenne und der deshalb fehlenden
Direktübertragungskapazität
der
Raumsonde mußten alle Bilddaten
und andere Messungen der zehn Sensoren zunächst aufgezeichnet werden,
um sie später langsam zur Erde übermitteln zu können. Zwar gab es erhebliche Probleme mit dem Magnetband, es war an manchen Stellen verklebt und nur teilweise nutzbar,
außerdem drohte es zu reißen. Aber
mit genauer Analyse der Pannen und
viel Raffinesse bei ihrer Behebung
oder Umgehung konnten die Bodentechniker das empfindliche Speichersystem bis zum Ende der Mission
nutzen. Eine Weitwinkelkamera und
das zweite Speichergerät waren in einem frühen Stadium der Galileo-Planung gestrichen worden.
Ursprünglich sollte für die Kommunikation von Galileo mit der Erde
eine 4,8 m große ‚Regenschirm‘-Antenne mit Datenraten von 115 und
134 kbps im S- oder X-Band eingesetzt werden. Die Sendeleistung betrug max. 15 W. Da sich diese filigrane Hauptantenne aber nicht entfaltete,
blieb nur die kleine Notantenne für
die Verbindung mit der Erde, die aber
eine Datenrate von bestenfalls
100 bps zuließ. Leider war auch die
1 m große Relaisantenne zum Empfang der Sonde-Daten nicht für die
Übertragung von Meßwerten zur Erde
nutzbar. Das änderte den Ablauf der
Galileo-Mission völlig und reduzier-
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Jupiter – Großplanet mit Monden • Jupiter-Raumsonden
te die Übertragung wissenschaftlicher
Informationen und vor allem von
Bildmaterial zur Erde ganz drastisch.
Antriebsmodul (RPM)
Eine Schlüsselrolle beim Galileo-Programm spielte das Lagekontroll- und
Bahnänderungssystem, auch für den
Einschuß der Raumsonde in die Jupiter-Umlaufbahn war es unerläßlich.
Dafür mußte die Geschwindigkeit der
Sonde mit etwa einer Tonne Treibstoff stark abgebremst werden. Dieses
‚Retro Propulsion Module‘ (RPM)
war ein komplexes, eigenständiges,
separat integrierbares und testbares
Bauteil, das ein zentrales, lasttragendes Element der ganzen Konstruktion
bildete, wie die Fachleute sagten. Es
handelte sich um ein Raketenantriebssystem mit großen und kleinen
Triebwerken, die in unterschiedlicher
Kombination für diverse Anforderungen in größeren Zeitabständen sekunden-, minuten- und auch stundenlang
gezündet werden konnten.
Die RPM-Treibstoffe waren 595 kg
Stickstoff-Tetroxid (mit noch 1 %
Stickoxid) und 364 kg MonomethylHydrazin, die in vier je 75 cm großen
Kugeltanks mitgeführt wurden. Die
Förderung der beiden Substanzen in
die Triebwerke erfolgte mit 2,8 kg
komprimiertem Helium als Druckgas.
Dieses Antriebsmodul der GalileoSonde verfügte über ein Haupttriebwerk mit 400 N Schub und zwölf
kleinere Motoren mit je 10 N Schub,
die an zwei je 2 m langen Auslegern
befestigt waren.
Insgesamt konnte das RPM-System
Geschwindigkeitsänderungen
von
1600 m/s, Abbremsungen, Beschleunigungen und direkte Kursänderungen leisten. Das wichtigste Manöver
für das Antriebsmodul nach diversen
Bahnänderungen während des Transferfluges war aber sicher der Bremsimpuls zum Einsetzen der GalileoSonde in den Jupiterorbit. Dazu kamen viele andere Manöver zur laufenden Optimierung der Schleifenbahnen für die Mond-Vorbeiflüge –
und nicht zu vergessen die unzähligen
Lageregelungsmanöver.
Die Verbrauchsprognosen für das
Antriebssystem auf Galileo gingen
von folgenden Werten aus: Der große
Das Antriebsmodul von Galileo wurde in
Deutschland gebaut und diente speziell
dem Einschuß der Sonde in die JupiterUmlaufbahn sowie diversen Kurskorrekturen.
Quelle: MBB-ERNO
400-N-Motor brauchte 377 kg Treibstoff für das Bremsmanöver zum Einschuß in die Jupiter-Umlaufbahn und
187 kg für das Anheben des Perigäums dieses Orbits. Die kleinen 10-NDüsen verbrauchten 321 kg Treibstoff
für zahlreiche kleinere Manöver und
zur Lagekontrolle. Zum ‚Attitude and
Articulation Control Subsystem‘
(AACS) für die Lagekontrolle gehörten noch Sternen- und Sonnensensoren zur Bestimmung der Galileo-Lage
im dreidimensionalen Raum. Das Antriebssystem RPM von der westdeutschen Firma MBB-DASA (heute
EADS-Astrium) beeindruckte die
Amerikaner mit seiner hohen Zuverlässigkeit über fast 15 Jahre und mit
der einfachen Handhabung. Für folgende Manöver wurde es eingesetzt:
• Einschuß des Orbiters in eine erste
Umlaufbahn um den Jupiter;
• Anheben der Bahn von Galileo
nach einem halben Umlauf;
• ständige Lageregelungsmanöver;
• Geschwindigkeitsänderungen;
• Spinkontrolle der ‚spun section‘;
• Manöver zum Ändern des Kurses
des Galileo-Orbiters nach Abtrennung der Eintrittskapsel;
• ständige Justierung des Orbits bei
einigen Dutzend folgenden nahen
Mond-Vorbeiflügen.
RTG zur Energieversorgung
Wie schon die Pioneer- und VoyagerSonden zur Erforschung des äußeren
Planetensystems, so wurde auch der
Jupiter-Orbiter Galileo mit RadioNuklid-Batterien zur Energieversorgung ausgerüstet. Sie verwandeln die
Wärme des normalen radioaktiven
Zerfalls von Plutonium-Dioxid (Pu238) in elektrischen Strom. Es wird
aber in ‚Radioisotopen Thermoelektrischen Generatoren‘ keine Kernspaltung angeregt, wie sie in Kernreaktoren zur Energieerzeugung üblich
ist. Außerdem ist diese Form des Plutoniums nicht für Waffen tauglich,
doch es ist sehr giftig. Die beiden auf
Galileo mitgeführten RTG-Elemente
entwickelten zu Beginn der Mission
eine Leistung von 580 W und nach 14
Jahren Einsatz noch etwa 450 W.
Auch der Galileo-Start wurde wegen der Radioisotopen-Elemente von
Umweltschutzaktivisten stark attakkiert. Doch die NASA sieht keine Alternative zu dieser Art der Energieerzeugung für Raumsonden hinaus ins
äußere Planetensystem. Bei Jupiter
kommt das Sonnenlicht nur noch mit
4 % der Intensität an, wie wir sie auf
der Erde empfangen. Wollte man die
500 W elektrische Leistung für die
Galileo-Sonde mit Sonnenzellen erzeugen, hätte der Solargenerator eine
Fläche von 190 m2 und würde 500 kg
wiegen, dazu käme noch das Gewicht
für Speicherbatterien. Die beiden
RTG-Elemente auf Galileo wogen
nur 60 kg, also etwa ein Zehntel.
Der größte Teil des RTG-Gewichts
entfällt auf die Schutzhülle, die bei
einem Startunfall den Austritt des gefährlichen Plutoniums in die Umwelt
verhindern soll. Das Plutonium ist dafür in Keramik-Tabletten eingegossen, die von einem Schutzmantel aus
Iridium und Graphit umgeben sind,
der wieder in Graphit-Hüllen steckt.
Nach dem Challenger-Unfall unternahm die NASA diverse Tests und
versicherte, daß die RTG-Elemente
auch eine Explosion des Shuttles oder
der Rakete überstehen würden. Bisher gab es noch keinen Zwischenfall
bei der Handhabung solcher Plutonium-Batterien, die seit Jahrzehnten in
Sonden eingesetzt werden. Dennoch
muß jeder Start einer Mission mit
RTG-Elementen nach einem strengen
Prüfverfahren vom US-Präsidenten
persönlich freigegeben werden.