Ist die Surveillance von Krankenhausinfektionen sinnvoll und

Transcription

Ist die Surveillance von Krankenhausinfektionen sinnvoll und
Surveillance
4/2001
Prof. Dr. Petra Gastmeier/Prof. Dr. Martin Mielke/Dr. Alfred Nassauer/
Prof. Dr. Franz Daschner/Prof. Dr. Henning Rüden
Ist die Surveillance von Krankenhausinfektionen
sinnvoll und kosteneffektiv?
Eine nosokomiale Infektion (NI) kann den Krankenhausaufenthalt enorm verlängern und entsprechende Kosten verursachen.
Durch systematische Erfassung, Analyse und Interpretation
der NI-Daten (Surveillance) lassen sich Infektionsprobleme erkennen und Präventionsmaßnahmen gezielt intensivieren. Oft
bewirkt schon die Surveillance allein eine Senkung der Infektionsrate. Als geeignete Vergleichsdaten zur Bewertung der
erhobenen eigenen Daten empfehlen die Autoren die Daten des
vom Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Krankenhaushygiene und dem Robert-Koch-Institut (RKI) etablierten Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS). Soviel steht
fest: Die Surveillance durch gut ausgebildetes Hygienefachpersonal ist nicht nur medizinisch und ethisch geboten, sondern
auch wirtschaftlich sinnvoll.
Kosten von Krankenhausinfektionen
Im Krankenhaus erworbene, das heißt nosokomiale Infektionen, sind nicht nur sehr belastende, teilweise sogar
tödliche Komplikationen der medizinischen Behandlung,
sie stellen auch einen erheblichen Kostenfaktor für das
Krankenhaus und die Kostenträger dar. Dabei ergeben
sich die zusätzlichen Kosten vor allem aus der verlängerten Verweildauer des Patienten im Krankenhaus sowie
aus der durch die Infektion erforderlich werdenden Diagnostik und Therapie. Aktuelle britische Daten zeigen, dass
ein Patient mit NI im Durchschnitt etwa 2,5-mal länger im
Krankenhaus verbringt und seine Behandlung Mehrkosten von etwa 3 000 Britischen Pfund verursacht.1)
Zahlreiche weitere Untersuchungen versuchten, den Umfang der zusätzlichen Verweiltage bei Auftreten von NI
zu bestimmen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass
Patienten mit NI häufig auch schwere Grunderkrankungen
haben. Deshalb darf die unterschiedliche Dauer des Krankenhausaufenthalts bei Patienten mit und ohne Krankenhausinfektionen nicht ohne Berücksichtigung weiterer
Faktoren gegenübergestellt werden. Entsprechende Studien müssen die unterschiedlichen Risikofaktoren und die
Verweildauer der Patienten bis zum Auftreten der Infektionen durch ein entsprechendes „Matching-Design“ beachten.2) Tabelle 1 enthält eine Übersicht über entsprechende Untersuchungen zur NI-bedingten zusätzlichen
Verweildauer für die in diesem Zusammenhang bedeutsamsten nosokomialen Infektionen Pneumonie, Sepsis
und Wundinfektion.
Es ist zu erkennen, dass sich durch nosokomiale Pneumonie und Sepsis die Verweildauer auf Intensivstationen
stark verlängert. Auch postoperative Wundinfektionen
haben längere Krankenhausaufenthalte zur Folge. Dementsprechend kommen bei Auftreten der NI schnell fünfstellige Summen für die zusätzliche Behandlung dieser
Patienten zusammen und auch postoperative Wundinfektionen bedingen erhebliche zusätzliche Kosten.
Reduktionspotenzial
Als nosokomiale Infektionen werden definitionsgemäß alle
Infektionen bezeichnet, die in zeitlichem Zusammenhang
mit der medizinischen Behandlung im Krankenhaus
stehen, also auch solche, die durch die patienteneigene
Bakterienflora hervorgerufen werden. Derartige Infektionen
treten vor allem als Folge invasiver medizinischer Maßnahmen auf und sind zurzeit teilweise noch unvermeidbar.
Immer dann, wenn bei 2 Patienten mit nosokomialen
Infektionen identische Mikroorganismen nachgewiesen
wurden, kann man davon ausgehen, dass es hier zu einer
Übertragung der Erreger von einem Patienten auf den
anderen gekommen ist. Erreger werden dann als nicht
unterscheidbar eingestuft, wenn sie nicht nur hinsichtlich
der Erregerart und des Antibiogramms, sondern auch auf
genetischer Ebene im Ergebnis von Typisierungsuntersuchungen keine Unterschiede aufweisen. Welchen Anteil
so nachgewiesene Übertragungen an der endemischen
Infektionsrate einer Station haben, wurde bisher nur in
wenigen Studien ermittelt. In diesen Arbeiten wurde ein
Anteil von 13 bis 23 Prozent festgestellt.18), 19), 20), 21)
In einer der ersten systematischen Untersuchungen zum
Präventionspotenzial bei endemischen nosokomialen
Infektionen, die Ende der 70er Jahre in den USA durchgeführt wurde (SENIC-Studie), wurde ein Anteil von 32
Prozent vermeidbaren Infektionen ermittelt.22) Für
Deutschland ergab eine kürzlich in chirurgischen Abteilungen und Intensivstationen durchgeführte Studie, dass
in den Studienkrankenhäusern 26 Prozent der NI durch
konsequentes hygienisches Qualitätsmanagement reduziert werden konnten; in den Kontrollkrankenhäusern wurde allein durch Surveillance eine Reduktion von 10 Prozent erreicht (NIDEP).23)
Wie führt die Surveillance zu einer
Reduktion der Krankenhausinfektionen?
Für die Vermeidung von nosokomialen Infektionen lassen
sich die Prinzipien des Qualitätsmanagements sehr gut
anwenden (Abbildung 1).
317
4/2001
Surveillance
Abbildung 1: Anwendung der Prinzipien des Qualitätsmanagements bei der Vermeidung
von nosokomialen Infektionen
4. Evaluation
3. Intervention
EMPFEHLUNGEN
zur Infektionsprävention,
Fortbildung
1. Problemerkennung
INFEKTIONSRATEN
Tabelle 1: Übersicht über Studien zur Verlängerung der Krankenhausverweildauer auf Grund
nosokomialer Infektionen
Studie
Untersuchungsort
Pneumonie
Craig und Connelly, 19843)
Interdisziplinäre
Intensivstation
8,0
Leu et al., 19894)
Intensivstation
9,2
Kappstein et al., 1992
Chirurgische
Intensivstation
10,0
Fagon et al., 19936)
Medizinische
Intensivstation
13,0
Baker et al.,19967)
Traumatologische
Intensivstation
5,0
Papazin et al., 19968)
Interdisziplinäre
Intensivstation
8,4
Aznar et al., 19969)
Respiratorische
Intensivstation
25,0
Heyland et al., 199910)
Multizentrische
Intensivstation
4,7
Schulgen/Kropec2)
Medizinische und
anaesthesiologische
Intensivstation
8,2
Pittet et al.11)
Chirurgische
Intensivstation
8,0
Leroyer et al.12)
Neonatologische
Intensivstation
5,2
5)
Primäre Sepsis
Wundinfektion
13)
Abdominalchirurgie
– Cholezystektomie
– Herniotomie
– Colorektale OP
Coello et al., 1989
Poulsen et al., 199414)
Chirurgie
15)
Kappstein et al., 1992
Chirurgie
(spezielle OP-Arten)
Kirkland et al., 199916)
Chirurgie
17)
Merle 2000
Abdominalchirurgie
Wichtige Elemente der Infektionsprävention sind in den
meisten Krankenhäusern die Leitlinien und Empfehlungen zu Hygienemaßnahmen, die entweder aktiv – vor
allem in Gesprächen und Weiterbildungsveranstaltungen
– oder passiv – zum Beispiel mittels Hygieneplänen und
Maßnahmenkatalogen (Hygieneordner) – in den Krankenhäusern verbreitet werden. In vielen Krankenhäusern
318
Zusätzliche Aufenthaltstage
auf der
Intensivstation
Wichtig ist das
Erkennen von
Infektionsproblemen
Diese „Black-box“-Situation
kann folgende Konsequenzen haben:
2. Problemanalyse
Infektionsart
bleibt jedoch unklar, welchen
Effekt diese Maßnahmen
tatsächlich haben, weil keine
fortlaufende, systematische
Erfassung, Analyse und Interpretation der NI-Daten
(Surveillance) durchgeführt
wurde.
insgesamt
● In Abteilungen ohne wirk-
liche Infektionsprobleme wird
ein großer zeitlicher und personeller Aufwand für die
Infektionsprävention getrieben, der über das tatsächlich
effektive Maß hinausgeht
und Kapazitäten bindet.
● In Abteilungen mit wirk-
lichen Infektionsproblemen
wird das Problem nicht erkannt und folglich zu wenig
Aufwand für die Infektionsprävention getrieben. Eine
Problemanalyse, die zur
Modifikation der unzureichenden Hygienemaßnahmen führen könnte, unterbleibt.
,
24,0
Mögliche Folgen
der „Black-box“Situation
Die Surveillance von NI soll
daher vor allem dazu führen,
dass Infektionsprobleme er9,5
12,2
kannt und die Präventions23,7
maßnahmen entsprechend
5,7
den existierenden Proble11,4
men gezielt intensiviert werden. Die besondere Stärke
6,5
der Surveillance liegt im
7,2
Erkennen „endemischer Infektionsprobleme“, die dem
daran Gewöhnten nicht mehr auffallen. Oft führt bereits die Surveillance selbst zur Senkung von Infektionsraten. Dabei kann die Reduktion der NI unter anderem
durch den so genannten Hawthorne-Effekt zustande
kommen:24) Schon die bewusste Beobachtung der
Arbeitsleistung führt häufig dazu, dass diese sich verbessert.
Surveillance
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Ziel des Infektionsschutzgesetzes im
Hinblick auf die Surveillance und
Empfehlungen des RKI für deren Umsetzung
schen rund 200 deutschen Krankenhäusern, die mit ihrer
Teilnahme an der Erhebung die Datenbasis für die Referenzdaten schaffen und so die Umsetzbarkeit der Maßnahme praktisch belegen.
In § 23 des am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Infektionsschutzgesetzes (IfSG) werden Leiter von Krankenhäusern und Einrichtungen für ambulantes Operieren
dazu verpflichtet, nosokomiale Infektionen fortlaufend
aufzuzeichnen und zu bewerten. Damit will das Gesetz
auch einen Anstoß dazu geben, die genannten Einrichtungen mit den Methoden der Surveillance vertraut zu
machen und so die Surveillance von NI mit ihren nachgewiesenen Effekten stärker zu verbreiten.
Empfehlungen zur Durchführung der Surveillance wurden
von der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am RKI erarbeitet und werden in Kürze als
Anlage zur Richtlinie für Krankenhaushygiene veröffentlicht (siehe auch www.rki.de).
Nach § 23 IfSG hat das Robert-Koch-Institut (RKI) die
aufzuzeichnenden NI in einer Liste festzulegen und zu
veröffentlichen.25) Bei der Auswahl der zu erfassenden Infektionen standen die nachfolgend aufgeführten Faktoren
im Vordergrund.
Das von 1996 an durch das NRZ für Krankenhaushygiene
und das RKI aufgebaute KISS soll Referenzdaten für das
interne Qualitätsmanagement nosokomialer Infektionen
liefern. Alle beteiligten Krankenhäuser bzw. Abteilungen
erfassen nach derselben Methode und nach einheitlichen Definitionen ihre NI bei Intensivpatienten und operierten Patienten. Vom Surveillance-Zentrum werden die
Daten gepoolt und die Orientierungs-/Referenzdaten
berechnet.26) Diese Daten werden regelmäßig veröffentlicht (www.nrz-hygiene.de) und den teilnehmenden Krankenhäusern gemeinsam mit ihren eigenen Daten übermittelt, so dass jedes Krankenhaus schnell einen Überblick
über die eigene Situation erhält und Initiativen für eine
Optimierung der Präventionsmaßnahmen stimuliert werden. Ein Beispiel für beatmungsassoziierte Pneumonien
in Intensivstationen ist in Abbildung 2 und Tabelle 2 dargestellt.
Weil das Präventionspotenzial bei nosokomialen Infektionen im Zusammenhang mit der Anwendung von
invasiven Maßnahmen unter Einsatz von Kathetern und
Tuben („devices“) sowie bei Operationen besonders hoch
ist, erfolgte eine Konzentration auf „device“-assoziierte
Infektionen und postoperative Wundinfektionen. Diese
sind gleichzeitig geeignete Indikatoren für die Qualität des
Hygienemanagements.
1
Je nach einrichtungsspezifischem Erfordernis, das
heißt identifiziertem Risikobereich, soll zunächst mindestens eine der genannten 4 nosokomialen Infektionen
pro Krankenhaus bzw. Einrichtung für ambulantes Operieren für die Surveillance ausgewählt werden:
2
● postoperative Wundinfektion (zum Beispiel bei der
häufigsten, größeren Operation),
☛ katheterassoziierte Sepsis,
☛ beatmungsassoziierte Pneumonie,
☛ katheterassoziierte Harnwegsinfektion.
Hintergrund für diese Entscheidung war, eine Aufwandsreduktion durch Einschränkung der zu erfassenden NI und
nicht durch Reduzierung der Datenqualität zu erreichen.
Surveillance-Daten sollen nicht zum statistischen Selbstzweck erhoben werden, sondern durch gute Datenqualität
und geeignete Präsentation vor dem medizinischen Personal der betreffenden Abteilungen die Grundlage für kritische Analysen sein.
Weil die im Gesetz geforderte Bewertung der erhobenen Daten geeignete Vergleichsdaten – zum Beispiel
die Daten einer Referenzdatenbank – voraussetzt, empfehlen die Autoren zur Orientierung die Daten des vom
Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Krankenhaushygiene und dem RKI etablierten Krankenhaus-InfektionsSurveillance-Systems (KISS). Um diese Hilfe sinnvoll
nutzen zu können, ist es jedoch erforderlich, die gleichen
Surveillance-Methoden anzuwenden wie in den inzwi-
3
Krankenhaus-Infektions-SurveillanceSystem (KISS)
Um bei dem Vergleich der verschiedenen Intensivstationen die unterschiedlichen disponierenden und expositionellen Faktoren der Patienten besser berücksichtigen zu
können, werden so genannte device-assoziierte Infektionsraten berechnet. Beispielsweise werden die beatmungsassoziierten Pneumonieraten als Quotient aus den
bei beatmeten Patienten aufgetretenen Pneumonien und
den Beatmungstagen auf der Intensivstation während der
Beobachtungsperiode bestimmt. Analog wird die ZVKassoziierte Sepsisrate als Quotient aus den Sepsisfällen
bei Patienten mit zentralem Gefäßkatheter (ZVK) und den
ZVK-Tagen ermittelt. Zusätzlich werden separate deviceassoziierte Infektionsraten für die einzelnen Arten von Intensivstationen berechnet, um die unterschiedlichen
Grundkrankheiten der Patienten in den verschiedenen Typen von Intensivstationen ansatzweise berücksichtigen
zu können (Tabelle 2).
Kosteneffektivität der Surveillance
am Beispiel Intensivstation
Auf Grund der KISS-Daten ist es zum Beispiel auch möglich, hochzurechnen, wie viele nosokomiale Pneumonieoder Sepsisfälle pro Jahr auf einer durchschnittlichen
Intensivstation mit 10 Betten auftreten. Unter diesen
Bedingungen muss mit durchschnittlich etwa 17 beatmungsassoziierten Pneumonien und 5 ZVK-assoziierten Sepsisfällen gerechnet werden. Entsprechend dem
skizzierten Vermeidungspotenzial ist es begründet an319
4/2001
Surveillance
Abbildung 2: Verteilung der beatmungsassoziierten Pneumonierate unter 127 teilnehmenden
KISS-Intensivstationen (06/00)
30
28
26
24
22
20
18
16
14
12
10
8
6
4
2
ten) angegeben. Der Zeitaufwand für die Surveillance
postoperativer Wundinfektionen ist sehr von der Größe
der Abteilungen, der Anzahl
der ausgewählten Indikatoroperationen und den
Möglichkeiten zur computergestützten Übernahme der
notwendigen OP-Daten abhängig. Auch hier wird jedoch im Durchschnitt ein
wöchentlicher Zeitaufwand
von 2 bis 3 Stunden genannt.
Damit ist die Surveillance von
NI nicht nur medizinisch und
ethisch geboten, sondern
auch wirtschaftlich sinnvoll.
0
01
3
5
Q1
(3,51)
7
9 11 13 15 17 19 21 23 24 27 29 31 33 35 37 39 41 · · · 73 75
Beatmungsassoziierte Pneumonierate
Median
Q3
(pro 1 000 Beatmungstage)
(8,26)
(14,18)
Tabelle 2: Beatmungsassoziierte Pneumonien nach der Art der Intensivstation (KISS 06/00)
Art der Intensivstation
Beatmungstage
Interdisziplinär (n=86)
162 330
Beatmungsassoziierte Pneumonierate
(pro 1 000 Beatmungstage)
Gepoolter
Mittelwert
Median
75. Perzentile
9,4
7,8
14,2
Medizinisch (n=36)
41 171
8,5
7,4
13,3
Chirurgisch (n=48)
106 488
12,0
9,5
17,0
15 242
12,5
10,8
13,9
328 653
10,2
8,3
14,2
Neurochirurgisch (n= 8)
Alle Intensivstationen
(n=178)
Tabelle 3: Jährlich geschätzte Ausgaben und Einsparungen für bzw. durch die Krankenhaushygiene
in einem 250-Betten-Krankenhaus (in US-$)27)
Ersparnis/Kosten
Reduktion nosokomialer Infektionen
6%
Patienten, bei denen eine NI verhindert wurde
32%
50%
42
168
262
160
640
1 000
Vermiedene Krankenhauskosten
60 000
320 000
500 000
Kosten für die Krankenhaushygiene
60 000
60 000
60 000
0
260 000
440 000
Vermiedene zusätzliche Krankenhaustage
Nettoeinsparungen für das Krankenhaus
zunehmen, dass von den insgesamt 22 Fällen 4 durch
geeignete Präventionsmaßnahmen zu vermeiden sind. So
können durch Surveillance und anschließende gezielte
Intervention bei diesen beiden Infektionen Kosten für ca.
20 bis 32 zusätzliche Behandlungstage auf der Intensivstation eingespart werden.
Dieser Kosteneinsparung steht der Personal-/Zeitaufwand
für die Surveillance gegenüber. In einer kürzlichen Erhebung unter den KISS-Teilnehmern wurde durch das Surveillance-Personal (in der Regel die Hygienefachschwestern oder -pfleger der Krankenhäuser) im Mittel eine
Zeitdauer von 2 bis 3 Stunden wöchentlich für die Surveillance auf der Intensivstation (durchschnittlich 10 Bet320
Wenzel hat in einer nationalen Untersuchung für die
USA bereits vor Jahren
nachgewiesen, dass sogar
eine geringere Reduktion der
NI von nur 6 Prozent unter
amerikanischen Bedingungen ausreicht, um die jährlichen Kosten der Krankenhaushygiene zu decken27)
(Tabelle 3).
Zusammenfassung
Gut ausgebildetes und engagiertes Hygienefachpersonal kann einen wichtigen
Beitrag zur Reduktion der NI
im eigenen Krankenhaus
leisten. Unter den Bedingungen der DRGs wird sich
dieses Reduktionspotenzial
für die Krankenhäuser noch
stärker bemerkbar machen.
Ein Verzicht auf die Beschäftigung von Hygienepersonal
ist ein Sparen am falschen
Platz.
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Anschriften der Verfasser:
Prof. Dr. Petra Gastmeier, Arbeitsbereich Krankenhaushygiene, Institut für Medizinische Mikrobiologie der
Medizinischen Hochschule Hannover,
Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover/
Prof. Dr. Henning Rüden, FU Berlin, Institut für Hygiene,
Nationales Referenzzentrum für Krankenhaushygiene,
Heubnerweg 6, 14059 Berlin/
Prof. Dr. Martin Mielke/Dr. Alfred Nassauer,
Robert Koch-Institut, Nordufer 20, 13353 Berlin/
Prof. Dr. Franz Daschner, Institut für Umweltmedizin und
Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Freiburg,
Hugstetter Straße 55, 79106 Freiburg ■
Bücher
„Privatisierungstendenzen im Krankenhauswesen und die Auswirkungen auf die Krankenhausverwaltung
– Entwicklung eines Leistungsmessungssystems für Krankenanstalten“ von Sven Reisner, Schriften
der Johannes-Kepler Universität Linz,
Reihe B: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Band 38, 2000 erschienen im Universitätsverlag Rudolf
Trauner, Linz, 351 Seiten, broschiert,
DM 40,40. ISBN 3-85487-116-3
Auf die angespannte Kostensituation
und den zunehmenden politischen
Druck, der die Krankenhäuser zwingt,
sich ökonomischer zu verhalten, ist
eine Form der Reaktion die Privatisierung. Ob eine Veränderung der
Rechtsform jedoch zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit und der
Behandlungsqualität ausreicht, bleibt
offen. Dieser Frage geht die vorliegende Untersuchung unter anderem
nach. Dabei wird von der Prämisse
ausgegangen, dass es nicht die Privatisierung an sich sein kann, die das
Spannungsverhältnis zwischen Kosten und Qualität verringert. Entscheidend für den Erfolg eines Hauses erscheinen vielmehr Lösungen für die
unterschiedlichen internen und exter-
nen Interessenkonflikte. Um der Gefahr einer ungenügenden Erfüllung
des Versorgungsauftrags vorzubeugen, ist der Aufbau eines adäquaten
umfassenden Überwachungs- und
Anreizsystems wichtig. Dieses Instrument muss von allen Ebenen des
Krankenhauses erarbeitet und getragen werden. Nur so lassen sich kontraproduktive Interessenkonflikte eindämmen. Der Autor schlägt im
Rahmen der vorliegenden Arbeit die
Entwicklung eines Leistungsmessungsverfahren vor, das eine Verknüpfung mit umfassenden Anreizsystemen zulässt. ■
321
Standardmeldebogen zur Qualitätssicherung/
Risk Management bei nosokomialen Infektionen
Nach § 23 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (BGBl 2000 I Nr. 33) ist jedes Krankenhaus zur Erfassung und Dokumentation von nosokomialen Infektionen verpflichtet.
Bei positivem mikrobiologischem Keimnachweis bitte eine Kopie des Befundberichtes beifügen.
1. Allgemeine Informationen
Raum für Patientenetikett
Erfassungsdatum ___________________________________________________
Ermittelte Diagnose (ICD) ____________________________________________
Therapie (ICPM) ___________________________________________________
Risikofaktoren
Maligne Erkrankung
Adipositas
Diabetes
Immundefizienz
Intensivtherapie
Niereninsuffizienz
Polytrauma
Alter über 65 Jahre
Andere _____________________________________________________
______________________________________________________________
Erregernachweis?
Ja
Nein
Nachweisart _________________________________________ Erreger ____________________________________________________
GISA
MRSA
VRE
gramnegative, multiresistente Erreger
n
e
welche? _______________________________________________
Antibiotikum ___________________________________________________________
Dosierung ___________________________________________________________________________
Behandlungsdauer ______________________________________________________
Infektion unter Antibiotikatherapie aufgetreten?
g
o
Ja
Nein
Name des meldenden Arztes ________________________________________________________________________________________________________________________________________
(Druckbuchstaben)
2. Wundinfektion
b
r
e
Datum des Auftretens __________________________________ OP-Art _________________________________________________ Datum des Eingriffs __________________________________
Wundkontaminationsklasse
A (sauber)
t
s
u
OP-Dauer ____________________________________ (min)
ASA-Score
1
Auftreten
während des Krankenhausaufenthaltes
3. Pneumonie
M
2
3
4
5
B (bedingt kontaminiert)
Notfall?
Ja
Nein
endoskopisch?
Ja
Nein
C (kontaminiert)
Ja
Nein
Ja
Nein
Zentraler Gefäßkatheter innerhalb von 48h vor Auftreten der Symptome
Ja
Nein
Totale parenterale Ernährung innerhalb von 48h vor Auftreten der Symptome
Ja
Nein
nach Entlassung
Datum des Auftretens _______________________________
Antibiotika-Prophylaxe?
D (septisch)
bei Wiederaufnahme
Beatmung innerhalb von 48h vor Auftreten der Symptome
4. Harnweginfektion
Datum des Auftretens _______________________________
symptomatisch
Harnwegkatheter innerhalb von 7 Tagen vor Auftreten der Symptome?
asymptomatisch
Ja
Nein
5. Primäre Sepsis
Datum des Auftretens _______________________________
6. Sekundäre Sepsis
Datum des Auftretens _______________________________
7. Sonstige Infektionen
Datum des Auftretens _______________________________
Art ______________________________________________________________________________________________________
(z.B. Gastroenteritis, Peritonitis, Bronchitis)
8. Kontrollvermerke
Ja
Nein
Benachrichtigung des Qualitätsmanagements
Ja
Nein
Kopie an:
Bestell-Nr. SMB-02-1
Datum/Uhrzeit _____________________________________________________________
Ausgefüllt von
Name/Titel
(Unterschrift)
(in Druckbuchstaben)
Qualitätsmanagement - rosa
PDL/Hygiene - grün
Original verbleibt in der Patientenakte
Hrsg.: R.W. Braun, H. Fenger, P. Gastmeier, A. Gillessen, A. Raem, Chr. Sperlich, R. Zuck
Unter wiss. Mitarbeit von: B. Badura, Chr. Bannert, F.J. Fischer, G. Grevers, F.M. Hasse, A. Kerres, W. Maier, D. Neuhaus, S. Nikol, O. Schöffski, C.J. Thaler, M. Thiede
Copyright 2001 by Deutsche Krankenhausverlagsgesellschaft mbH, Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf, Tel.: 0211-45 07 59, Fax: 0211-454 73 61
keine nosokomiale Infektion
Nachdruck und fotokopieren - auch
auszugsweise - verboten!
Gestaltung: Beck & Co, München
Benachrichtigung der Krankenhaushygiene