Pathophysiologie der „Muskelverkürzung“

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Pathophysiologie der „Muskelverkürzung“
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Stand: 9. Jan. 2006
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(2 Seiten insgesamt)
Aus der Sportphysiologischen Abteilung des Fachbereichs Sport
der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Pathophysiologie der „Muskelverkürzung“
– morphologische oder funktionelle Genese?
Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin
der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
dem Fachbereich Medizin vorgelegt, von
Sabine Hamburger
aus Nürnberg
Mainz, 2005
Dekan: Univ.-Prof. Dr. Dr. R. Urban
1. Gutachter: Prof. Dr. H.-V. Ulmer, 2. Gutachter: Prof. Dr. J.-D. Rompe
Tag der Promotion: 13.12.2005
Hamburger Sabine Diss 2005.doc
Einleitung
Die sog. „Muskelverkürzung“ gehört zu den häufig gestellten Diagnosen von Orthopäden und Physiotherapeuten. Sie wird fast immer dann angegeben, wenn die Patienten einen eingeschränkten Bewegungsumfang ihrer Gelenke aufweisen. Einige
Patienten klagen über Muskelsteifigkeit, andere über sich krampfartig kontrahierende
Muskeln nach einer sportlichen Aktivität.
http://www.uni-mainz.de/FB/Sport/physio
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Da in der gesichteten Literatur kaum Angaben zur Pathogenese einer „Muskelverkürzung“ bzw. keine experimentellen Beweise für die Definitionen ihrer Synonyme zu
finden waren, sollen in dieser Arbeit mittels EMG-Analyse Patienten mit „Muskelverkürzung“ der Wadenmuskulatur untersucht werden.
Dabei stellt sich auch die Frage, inwiefern der sehr allgemein gefaßte Begriff der
“Muskelverkürzung” im Sinne einer Längenänderung als Diagnose berechtigt ist.
Anhand der erhobenen Daten soll letztendlich versucht werden, den Pathomechanismus zu definieren sowie mögliche, daraus resultierende Therapiemöglichkeiten
bezüglich ihrer Wirksamkeit zu diskutieren.
Zusammenfassung
In dieser Arbeit war das Phänomen der „Muskelverkürzung“, welche häufig in physiotherapeutischen Kreisen diagnostiziert wird, zu untersuchen. Eine „Verkürzung“ setzt
eine Längenänderung im Muskel voraus – eine Reduktion der Distanz zwischen Muskelursprung und -ansatz. In der Literatur waren zu diesem speziellen Begriff kaum
Angaben zu finden, es existieren jedoch viele synonym gebrauchte Bezeichnungen,
die eine eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit beschreiben. Zu untersuchen war, ob
eine „Muskelverkürzung“ erkennbar durch eine eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit
oder aufgrund von reflektorischen bzw. morphologischen Veränderungen zustande
kommt. Die Untersuchungen an 25 Probanden mittels EMG-Analyse konnten demonstrieren, daß beide Mechanismen an einer „Muskelverkürzung“ beteiligt sind, die
reflektorische Genese einer „Verkürzung“ jedoch deutlich überwiegt.
Erwartungsgemäß zeigte sich bei den „reflektorischen Verkürzungen“ der Tonus des
M. soleus, der als tonischer Muskel häufig zu dieser Reaktion neigt, erhöht. Ebenso
konnte der elektromyographische Grundtonus des M. gastrocnemius pars lateralis,
im Gegensatz zum M. gastrocnemius pars medialis, als stark erhöht erkannt werden,
was eine „funktionelle Kompartimentierung“ nahe legt. Die morphologisch verkürzten
Muskeln weisen keinen erhöhten elektromyographischen Grundtonus auf, ebenso
steigt ihre EMG-Aktivität in Gelenkendstellung nicht gravierend an.
Die Therapie einer „Muskelverkürzung“ besteht, gemäß der allgemeinen Meinung,
aus Dehnübungen. Ob dies tatsächlich den gewünschten Nutzen bringt, bleibt fraglich. Wenn die Mehrheit der therapierten „Verkürzungen“ reflektorischer Genese ist,
liegen keine Längen-, sondern Spannungsprobleme vor, bei denen Dehntherapie
keinen belegten Nutzen bringt.
Es wird klar, daß man eine „Muskelverkürzung“ auf ihre Entstehungsmechanismen
hin untersuchen sollte, bevor man dem Patienten zur differenzierten Therapie rät. Zur
besseren Definition der „Muskelverkürzung“ erscheint es der Autorin daher sinnvoll
und notwendig, die Begriffsvielfalt innerhalb der verschiedenen medizinischen Disziplinen zu präzisieren.
http://www.uni-mainz.de/FB/Sport/physio