Ältere Menschen in der Schweiz sind mit ihrem Leben zufrieden und

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Ältere Menschen in der Schweiz sind mit ihrem Leben zufrieden und
FORSCHEN UND HANDELN FÜR DAS ALTER
STIFTUNG
Nr. 5 · 2010
NEWS
11 Jahre TERTIANUM-Stiftung
Ältere Menschen in der Schweiz sind mit ihrem Leben zufrieden und
fühlen sich glücklich. Eine neuere Befragung bringt es an den Tag.
In allen Epochen wollten Menschen zum Glück
finden und haben dies als Streben nach Glückseligkeit, nach einem guten Leben oder nach
Daseinserfüllung zum Ausdruck gebracht. Die
römische Glücksgöttin Fortuna wurde dargestellt
als Spenderin von Gaben, oder sie wurde zusammen mit dem Glücksrad gezeichnet oder gemalt.
Das Glücksrad, das sich dreht und plötzlich
stillsteht, galt als Zeichen für die Zufällig- und
Schicksalhaftigkeit jeden Glücks. Welches Ziel
man im Streben nach Glück auch anvisiert, es
wird begleitet von Ungewissheit, Vergeblichkeit,
Enttäuschung: Fortuna ist eine eher launische
Göttin.
Drei Formen des Glücks
In der modernen bürgerlichen Gesellschaft haben
sich besonders drei Glücksformen herausgebildet:
das emotionale oder sinnliche Glück
(Liebe, Freundschaft)
das materielle Glück (Besitz, Vermögen)
das soziale Glück (Erfolg, soziale Anerkennung).
Die Suche nach dem Glück finden wir im bekannten Märchen „Hans im Glück” oder in dem
Kunstmärchen „Gockel und Hinkel” (1811/1838)
von Clemens von Brentano. Die Spannung im
„Gockel”-Märchen entsteht durch den mehrfachen totalen Umschwung der Verhältnisse. Angetrieben wird die Handlung durch einen Zauberring
(rund wie ein Glücksrad), auf den alsbald eine
Jagd einsetzt, denn er ermöglicht die Annullierung
der herrschenden Ordnung, weil mit seinem Besitz
nicht nur das Wunderbare, „Jugend, Reichtum,
Glück und alle Güter der Welt” gewünscht, sondern auch das Schreckliche herbeigerufen werden
kann. Das Märchen erweist sich zu guter Letzt als
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11 Jahre TERTIANUM-Stiftung
eine Schule des rechten Wünschens. Es bleibt die
Frage, ob der Mensch glücklich wird durch die Erfüllung seiner Wünsche.
Wie steht es heute um das Glück?
Sind die Menschen heute glücklicher als früher?
Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung (European Value Survey, Round 4 [2008/09]) stellt fest,
dass Menschen im Alter von 65 und mehr in der
Schweiz sich als sehr glücklich bezeichnen. Nur
in Dänemark wird die Frage nach der allgemeinen Lebenszufriedenheit und dem Glücksgefühl
mit einer höheren Punktzahl bewertet. Auf einer
Punkteskala von 0 bis 10 qualifizieren die befragten Personen in der Schweiz ihre Lebenszufriedenheit mit 8,4 und ihr Glücksgefühl mit 8,2.
Die Däninnen und Dänen stufen ihre Lebenszufriedenheit mit 8,6 ein, ihr Glücksgefühl mit 8,4.
Die Finninnen und Finnen entscheiden sich für
einen ähnlich hohen Wert (7,9 für beide Kategorien). Die schlechtesten Einschätzungen ihrer
eigenen Zufriedenheit findet man bei den älteren
Menschen in Bulgarien (3,9 bzw. 4,4) und in der
Ukraine (3,6 bzw. 4,5).
Eine bemerkenswert grosse Diskrepanz zwischen
Lebenszufriedenheit und Glücksgefühl finden wir
neben der Ukraine und Bulgarien auch in Griechenland (5,6 und 6,1), in Portugal (5,1 und 5,7)
und in Frankreich (6,1 und 6,9). In diesen Ländern
fühlen sich die Menschen doch mässig glücklich,
obwohl sie mit ihrem Leben weniger zufrieden
sind, während in den Ländern mit höheren Werten (wie Schweiz, Dänemark, auch Norwegen) die
Ziffern umgekehrt sind: Der Wert für die Lebenszufriedenheit liegt höher als der für das Glücksgefühl.
Was zeigen diese Daten?
Unzweifelhaft unterscheiden sich die Lebensbedingungen der älteren Menschen in den genannten Ländern auch heute noch dramatisch.
Gerade die Zahlen aus der Ukraine, aber auch
aus Frankreich lassen darauf schliessen, dass es
wohl sehr davon abhängt, welches Bild sich die
Menschen von einem glücklichen Leben machen.
Dieses nährt sich von regionalen Traditionen, dem
Vergleich mit der Vergangenheit und von persönlichen Kriterien wie Lebensgefühl, Lebenseinstellung, Eingebundensein in eine Religion oder in
eine Gemeinschaft. Nicht nur materielle und soziale Werte, sondern auch Gefühle und sinnliche
Wahrnehmungen tragen zu Glücksvorstellungen
bei.
Über Glück denken die Philosophen seit Jahrtausenden nach und finden immer neue Definitionen.
Epikur stellte fest, dass das Glück des Menschen
vor allem in Schmerzfreiheit, in der Pflege von
Freundschaften und in der Furchtlosigkeit gegenüber dem Schicksal und der göttlichen Mächte
bestehe. Die Stoiker sahen in der Gelassenheit
und Leidenschaftslosigkeit die Voraussetzungen
für Glück. Hegel meinte pessimistisch mit Blick
auf die Geschichte, dass die Seiten des Glücks im
Buch der Weltgeschichte leer seien. Irritierend ist
vielleicht Montaignes Auffassung: Nur wer sterben gelernt hat, kann auch glücklich leben. Letztlich kann aber nur der einzelne sagen, was Glück
für ihn persönlich bedeutet.
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TERTIANUM Bildungsinstitut ZfP: Neues Seminarangebot
Das TERTIANUM Bildungsinstitut ZfP, Partner der TERTIANUM-Stiftung, hat zusammen mit dem
Schweizerischen Institut für Psychotraumatologie (SIPT) ein neues Seminarangebot zur Ausbildung
zum Fachberater für „Psychotraumatologie im Alter” entwickelt.
In den Medien ist angesichts von Kriegsereignissen
und Naturkatastrophen häufig die Rede von traumatisierten Menschen. Die Psychologie beschreibt
die Traumatisierung als eine von aussen einsetzende Verletzung der seelisch-psychischen Integrität eines Menschen. Das Alter(n) als sensible Phase
mit einer zunehmenden Wendung nach innen und
zur Vergangenheit und weniger Ablenkung durch
berufliche Aktivitäten kann die Erinnerung an
traumatische Ereignisse noch begünstigen.
Fallbeispiel
Herr K. ist ein 82-jähriger Bewohner, im 2. Weltkrieg wurde er kriegsversehrt (Amputation), und
bei ihm wurde eine beginnende Demenz diagnostiziert. Er hatte bereits seit drei Jahren in einem
Pflegeheim ohne Zwischenfälle gelebt. Kürzlich
jedoch wurde das Personal beunruhigt, als Herr K.
versuchte, andere Patienten anzugreifen, indem
er sich auf sie warf. Das Personal machte sich
Sorgen über die Selbst- und Fremdgefährdung
des Patienten. Während eines Interviews mit dem
Psychologen zeigte Herr K. keine psychiatrischen
Leiden. Er erschien ruhig, sozial angemessen und
aktiv, obwohl sein Kurzzeitgedächtnis stark eingeschränkt war. Der Psychologe erfuhr, dass Herr K.
im 2. Weltkrieg Sanitäter gewesen war. Während
einer besonders schrecklichen Serie von Bombenangriffen auf dem Gefechtsfeld, als er sich um
Verwundete kümmerte, entschied er sich dafür, die
verwundeten Soldaten mit seinem eigenen Körper
abzudecken. Dies war ein verzweifelter Versuch,
die Verwundeten möglichst frei von Splittern zu
halten.
Das Pflegeheim wurde damals renoviert, wobei
die Bauarbeiten ziemlich laut waren. Es gab gele-
gentlich explosive Geräusche, die an Bombeneinschläge erinnerten. Was dem Pflegepersonal als
Angriffsverhalten erschien, war tatsächlich das erneute Nachspielen seiner heldenhaften Handlung
– Ausdruck einer traumatisierten Befindlichkeit.
Da Traumatisierungen in jeder Lebenssituation
möglich sind und diese die Biographie entscheidend prägen, ist es erforderlich, die vorhandenen und hilfreichen Therapien in einem eigenen
Seminarangebot für zukünftige Fachberater
zusammenzufassen.
Informationen
Infos über die Weiterbildung, die im
Oktober 2010 in Zürich starten wird, unter
www.zfp.tertianum.ch oder
[email protected]
Telefon 052 762 57 57
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11 Jahre TERTIANUM-Stiftung
Was gibt es Neues? Interessante Neuigkeiten für Sie GrossmütterRevolution
Die neuen Grossmütter, sogenannte Babyboomer
(zwischen 1946 und 1964 geborene Frauen),
stossen das alte Bild vom Grosi vom Sockel und
wollen sich in ihrer Vielfalt einbringen auf der
Bühne unserer Gesellschaft.
Die Chance, Grossmutter zu werden, werde kleiner, stellt Pasqualina Perrig-Chiello, Honorarprofessorin und Generationenforscherin an der
Uni Bern, fest. Und belegt statistisch, dass 51%
der Grossmütter heute regelmässig ihre Enkel
hüten, dafür 100 Millionen Stunden aufwenden,
was der Gesellschaft zwei Milliarden Franken
pro Jahr einbringt. Zudem fehlen in der Schweiz
50’000 Krippenplätze. Die Grossmutter ist nach
den Eltern die wichtigste Person, sie müsse vor
allem da sein, erklären die Enkel in einer Umfrage.
Finanzielle Zuwendungen spielen kaum eine Rolle.
Die Grossmutter sei eine strategische Akteurin
auf der Bühne des sozialen und reproduktiven
Geschehens, und es wäre wohl falsch, diese wichtigste Person abzuschaffen, so Perrig.
Weitere Besprechungen folgen am 8. und am 16.
September 2010 im Limmathaus in Zürich. Im
nächsten Jahr wird eine zweite Tagung durchgeführt. Informationen unter www.grossmuetter.ch.
Brigitte Poltera, Redakteurin bei Seniorweb,
Ressortleiterin Politik und Gesellschaft
Jetzt bewiesen:
Nach fünfzig geht’s bergauf...
Die mit der TERTIANUM-Stiftung freundschaftlich
verbundene Stiftung spirit.ch legt eine Studie zum
Thema Reife(nde) Lebensqualität vor. Mit Analysen vorhandener spirit.ch-Daten sowie mit einer
eigenen Umfrage zum Thema „Reife Lebensqualität” wurde ausgelotet, wie sich Lebensqualität
und ihre unterschiedlichen Facetten im Verlaufe
der Lebensphasen entwickeln. Das erfreuliche
Ergebnis: Reife Lebensqualität existiert! Und die
Idee der bis ins hohe Alter reifenden Lebensqualität kann tatsächlich das eröffnen, was der
Untertitel der Studie verspricht: Unterwegs zu
einer neuen Sicht des Älter-Werdens. Die Ergebnisse der Studie sind vollständig im Internet
publiziert: www.spirit.ch
Zukunftswerkstatt für engagierte Grossmütter
Mit der GrossmütterRevolution eröffnet das
Migros-Kulturprozent eine Zukunftswerkstatt für
engagierte Grossmütter und gibt ihnen eine Plattform, um eigene Ideen einzubringen und regionale
Netzwerke aufzubauen. An einigen Themen aus
der Tagung im Kiental wird weitergearbeitet.
Partner der TERTIANUM-Stiftung
Zürcher Kantonalbank, Helvetia Versicherungen, TERTIANUM-Gruppe, V-Zug, Permed, Neuroth, Universität Zürich (Zentrum für Gerontologie), TERTIANUM Bildungsinstitut ZfP, seniorweb.ch, Sanitas Troesch
TERTIANUM
Stiftung
Seestrasse 78
8267 Berlingen
Tel. 052 762 57 47
Fax 052 761 12 06
[email protected]
www.stiftung.tertianum.ch
Bankverbindung
Thurgauer Kantonalbank
8570 Weinfelden · PC 85-123-0
Konto-Nr. 19 20 425.910-09
FÜR GENERATIONENVERTRÄGLICHE LÖSUNGEN

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