Der gute Hirte! - der St.-Markus

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Der gute Hirte! - der St.-Markus
Johannes 10,11-16 26. April 2009
St.Markus
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Der gute Hirte!
Liebe Gemeinde!
Ein Mann kam in die Seelsorge. Er wollte sich scheiden lassen.
Der Grund: Sein Sohn hatte ADHS. Seine Frau wollte dem Jungen Retalin geben lassen. Er war dagegen. Es sollte so besser
werden. – Auf die Frage, was denn nun der Scheidungsgrund
war, kam heraus. Er wollte eine perfekte Vorzeigefamilie. – Sein
Verhaltensmuster war: bei Problemen fliehen. – Wenn Wölfe
kommen, Flucht. – Wer hat auch schon gerne Problem. Es
scheint ein normales Verhalten zu sein. Jesus sagt: So verhalten
sich Leute, die nur einen Job machen, die kein inneres Interesse
an den anderen haben. Er vergleicht sich mit einem guten Hirten
und stellt dem gegenüber, wie sich Tagelöhner anders als Hirten
verhalten.
Johannes 10,11-16
11 Ich bin der gute Hirte. Der gute Hir-
te opfert sein Leben für die Schafe. 12 Ein Schäfer, der nur
für Lohn arbeitet, läuft davon, wenn er einen Wolf kommen
sieht. Er wird die Schafe im Stich lassen, weil sie ihm nicht
gehören und er nicht ihr Hirte ist. Und so greift der Wolf sie
an und zerstreut die Herde 13 Der bezahlte Arbeiter läuft
davon, weil er nur angeworben wurde und die Schafe ihm
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nicht wirklich am Herzen liegen. 14 Ich bin der gute Hirte;
ich kenne meine Schafe und sie kennen mich, 15 so wie mein
Vater mich kennt und ich den Vater. Ich gebe mein Leben
für die Schafe. 16 Ich habe auch noch andere Schafe, die
nicht in diesem Pferch sind. Auch sie muss ich herführen,
und sie werden auf meine Stimme hören; und alle werden eine Herde mit einem Hirten sein.
Drei Punkte dazu:
1. Der gute Hirte – ein Bild, Worte oder mehr?
2. Nicht nur der Hirte – mein Hirte
3. Kennzeichen des guten Hirten
Ich habe im Internet mal „Der gute Hirte“ gesucht. Als Ergebnis kamen vor allem Hinweise auf einen Film von Robert de
Niro aus dem Jahr 2006. Er handelt von Edward Wilson. Als
Student wurde er für den damaligen Geheimdienst der USA geworben Er fühlte sich dem Vaterland verpflichtet, wollte sich dafür einsetzen. Der ausgewiesene Patriot und kühle Analytiker
gehört später auch zu den Gründungsvätern der CIA. Über die
Jahre verändert die Arbeit beim mächtigsten Geheimdienst der
Welt Wilsons Wesen. Er vertraut niemandem mehr, nicht einmal
seiner eigenen Familie. Seine Frau hat er nur aus PflichtbewusstSeite - 2 -
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sein geheiratet, weil sie von ihm schwanger war. Das prägt ihre
unterkühlte Beziehung über die Zeit. Selbst der Kontakt zu seinem geliebten Sohn Edward jr. ist durch Wilsons berufliche Eigenbrötelei angespannt. – Da wollte jemand ein guter Hirte sein
und war es nicht, sondern wurde völlig verändert.
Früher hatten viele Leute Bilder vom guten Hirten in der Wohnung hängen. Der Hirte, wie er sich um die Schafe kümmerte,
war ein Bild für Hingabs und Fürsorge. Es strahlte Geborgenheit
aus. Solche Bilder vom guten Hirten gibt es nicht mehr. Das
passt nicht in die Welt der Bits und Bytes im Informationszeitalter. Selbst in der Lüneburger Heide sind kaum noch Hirten
zu sehen.
Solche kritischen Anfragen an das Bild des guten Hirten gab
es aber schon im 16. Jahrhundert. Schauen Sie sich bitte das
Bild von Pieter Brueghel an.
Auf diesem Bild ist nur ein Mensch
zu sehen. Dahinter die Weite der
flämischen Landschaft. Der Mann
läuft weg, aus dem Bild heraus.
Hinter ihm sieht man Schafe. Ein
Schaf ist von einem Wolf gerissen worden. Der Mann scheint
sich umzudrehen, aber nur halb, er sieht den Wolf so nicht. Er
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sieht die Schafe nicht. Sie laufen auseinander, die meisten wenden sich einem Hof zu, der hinten am Horizont verschwommen
sichtbar ist. Der Hirte rennt in die entgegen gesetzte Richtung,
weg vom Haus, weg von den Schafen, weg aus dem Bereich, wo
er wohl bei den Schafen war und Verantwortung hatte.
Das ist nicht der gute Hirte. Es scheint aber auch kein Tagelöhner zu sein. Die Tagelöhner bekamen sehr wenig Geld, die waren
nicht so gut gekleidet und ausgerüstet. Das ist eher ein Hirte, von
denen wir in den ersten Versen der Schriftlesung aus dem 34.
Kapitel des Propheten Hesekiel hörten. Ein Hirte der sich selber
weidet. Der nimmt seine Verantwortung nicht wahr. Er sorgt nur
für sich. Jedem ist die eigene Haut am nächsten. Das zeigt er hier
auf dem Bild. Der Mann hat Angst und flieht. Er flieht vor der
Verantwortung, er flieht vor der Gefahr, die auf dem Bild so
groß gar nicht zu sein scheint. Nur öde Angst und Leere macht
das Bild deutlich. Der Mann flieht weg von den grünen Bäumen,
hin zu den kahlen Bäumen, weg vom Leben, hin zum Tod. Er
will sein Leben retten, statt sich einzusetzen, und kann es doch
nicht selbst retten.
Er flieht nicht nach Hause, sondern in den Bereich des Todes.
Dies Bild, mit dem doch ganz ordentlich gekleideten Mann,
macht uns deutlich: Wenn Jesus von den Schäfern, die für Lohn
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arbeiten, redet, von den Tagelöhnern, dann geht es in Wirklichkeit um uns. Wenn wir meinen, wir bräuchten keinen Herrn und
Hirten, wir müssen niemandem gegenüber Verantwortung ablegen außer uns selbst, wir müssten uns auch nicht um andere Sorgen machen, sondern müssten vor allem darauf achten, dass uns
nichts passiert, dann sind wir so wie der Mann auf dem Bild. Er
ist nicht mehr selbstsicher und selbstbewusst, sondern fliehend,
getrieben, gehetzt von der Angst. Er hinterlässt eine gewisse Öde
und Kargheit, die wohl auch in ihm selber ist. Er verlässt sich auf
sich selber und ist verlassen. – Worauf bauen wir? Worauf verlassen wir uns und was verlassen wir? Wer sich auf Menschen
verlässt, der ist verlassen, so sagt man, aber wer sich nur auf sich
selbst verlässt, ist erst recht verlassen.
So sind wir Menschen all zu oft. Gerade im Kontrast wird deutlich, dass es beim Wort Jesu, nicht nur um ein schönes Bild ging,
nicht nur um Worte. Es ging um mehr. Damals wussten die Menschen noch, wie unterschiedlich die Fürsorge für die Schafe war.
Gerade auf diesen Unterschied spielt Jesus an, um deutlich zu
machen, was ihn von anderen unterscheidet und was er für uns
sein will.
Deshalb sagt Jesus uns: Ich bin der gute Hirte. Er stellt sich in
einen deutlichen Kontrast dazu. Er ist völlig anders.
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Jesus sagt: „Ich bin der gute Hirte; ich kenne meine Schafe und
sie kennen mich.“
2. Nicht nur der Hirte – mein Hirte
Beim guten Hirten geht es um die Beziehung zu den Schafen.
Das ist Jesus wichtig.
Den Hirten sollte man kennen. Jesus sagt das von seinen Schafen, dass sie ihn, den Hirten, kennen. "Meine Schafe hören meine
Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir." Es waren früher
oft mehrere Schafherden über Nacht in einem Stall. Morgens
kam der Hirte und rief nur nach seinen Schafen. An der Stimme
erkannten sie ihn und folgten ihm. So sollen wir Jesus folgen, indem wir auf seine Stimme hören. Da frag ich mich manchmal:
Bin ich dümmer als ein Schaf, wenn ich nicht gleich der
Stimme des Hirten folge? Wie kann man überhaupt die Stimme
Jesu hören?, fragen manche. Meine Erfahrung ist es, dass ich oft
nur selber innerlich oder äußerlich zu laut lebe, mit Gedanken
und Tätigkeiten beschäftigt bin und deshalb dann seine Stimme
nicht höre. Jesus hat uns versprochen, wie er den Vater kennt, so
dürfen wir ihn kennen. Das ist möglich:. Still zu werden, zu hören. Denn eine echte Beziehung ist immer zweiseitig. Jesus sagt,
dass er seine Schafe kennt. Das ist die eine Seite. Stellen Sie sich
vor, wenn Sie einen Menschen lieben, ihn beobachten, an ihm
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interessiert sind, sich auf ihn einzustellen versuchen und es
kommt keine Reaktion. Auf Dauer ist das etwas öde. Zu einer
Beziehung gehören immer zwei. Anders ausgedrückt, der Hirte,
der sogar sein Leben für die Schafe lässt, hat ein Anspruch auf
die Schafe. Es gilt nicht nur: "Der Herr ist mein Hirte", sondern auch "Der Hirte ist mein Herr!" Ihm kann ich folgen und
nicht den vielen Wölfen, die auf mich lauern. Auf ihn kann ich
meinen Blick richten, und nicht auf die Bedrohungen, auf ihn
kann ich hören. Das zeichnet das Christ Sein aus, das bietet Jesus
uns an, dass jeder eine eigene Beziehung zum Hirten, zu Jesus
hat.
Es geht nicht nur um den guten Hirten, es geht darum, dass es
dein guter Hirte ist. Damit das geschieht, musst du seine Stimme
kennen. Sei offen dafür, dass er redet. Höre nicht auf die anderen
so all zu klugen Ratschläge, die dir sagen: Jeder ist sich selbst
der Nächste! Oder: Jeder ist sein eigener Herr und schafft sich
seinen eigenen Gott. Warte darauf, dass Jesus zu dir spricht.
Horche und dann gehorche, folge ihm. Er bietet uns Gemeinschaft an, er bietet uns Führung und Leitung an. Er will dein und
mein guter Hirte sein.
3. Die Kennzeichen des guten Hirten
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Jesus macht daran deutlich, dass er der gute Hirte ist, dass er sein
Leben für die Schafe einsetzt. Jesus hat das wirklich getan. Er
riskierte alles für uns. Wir können es uns oft kaum vorstellen,
was es für Jesus bedeutete, der gute Hirte für uns zu sein.
In einem Ort bei Pforzheim haben vor etwa 6 Jahren CVJM und
Gemeinde im Gemeindehaus einen Kreuzweg aufgebaut und dekorativ gestaltet. In den verschiedenen Räumen waren verschiedene Stationen. Bei Jesu Richtstätte hatten sie ein rechtwinkliges
Brett aufgestellt, mit einer Dornenkrone und einer Papierwand
überzogen. Eine Schulklasse wurde aufgefordert, mit einer Peitsche sinnbildlich Christus zu schlagen. Das ließen sich ein Junge
nicht zweimal sagen und schlug kräftig drauf. Da die Peitsche
aber im nassen Gras gelegen hatte, wurde das Papier feucht und
eine rötliche Farbe vom Holz schien durch. Erschreckt schrie ein
Mädchen auf: das ist Menschenhaut. Der Junge ließ die Peitsche
sofort fallen. Die Klasse stand schweigend vor dem Werk. – Die
nächste Station war ein dunkler Raum mit einem Kreuz. Der
Christus am Kreuz war aus Müll gebastelt. In dem Raum sagte
ein Erwachsener, der mit dem Glauben sonst eigentlich nichts am
Hut hat, er habe das Bedürfnis, das Vaterunser zu beten.
Aus Liebe zu uns, um uns zu retten, hat Jesus so für uns gelitten. Er ist der gute Hirte, der den totalen Einsatz bringt. Das
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Kreuz Jesu macht immer wieder deutlich, dass Jesus aufrichtig
war, als er sagte. Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte opfert
sein Leben für die Schafe. Das ist das erste Kennzeichen des
guten Hirten, dass Jesus hier nennt.
Das zweite Kennzeichen ist, dass er seine Schafe kennt. Er
vergleicht es damit, wie der Vater ihn kennt und er den Vater.
Diese tiefe Liebesbeziehung des Vaters zum Sohn gibt Jesus an
uns weiter. Er will damit bei uns auch die Liebe zum Vater im
Himmel wecken. Das Wort „Kennen“ hat hier nicht etwas mit
wissen zu tun, es ist kein intellektueller Begriff, sondern ein Beziehungsbegriff. Man lernt einen Menschen erst kennen, wenn
man sich auf die Beziehung zu ihm einlässt. Das ist noch
mehr, als etwas für jemanden zu tun. In eine Beziehung sind wir
ja auch selber als Person einbezogen. Da geht es nicht um etwas
von mir, sondern um mich. So verhält sich Jesus. Er hat nicht nur
für uns etwas getan, sondern ist bereit sich ganz für uns zu öffnen und sich auf uns einzulassen. Da eine Beziehung zweiseitig
ist, sagt er dann auch, dass seine Schafe ihn kennen.
Das dritte Kennzeichen ist, dass der gute Hirte noch andere
Schafe hat und sie herführen muss. Der Blick des guten Hirten ist nicht selbstgenügsam auf seine Herde gerichtet. Sein
Blick geht weiter. Er sieht die vielen Menschen in allen VölSeite - 9 -
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kern, die Gott noch nicht kennen, die Gott aber liebt. Diese Liebe
bewegt ihn. – Diese Aussage stand damals im deutlichen Gegensatz zu den falschen Hirten, den Pharisäern und Sadduzäern, die
nur das Volk Israel als Herde Gottes verstanden. Jesus Blick geht
weit darüber hinaus, auch zu uns, auch zu all den anderen Menschen, anderer Völker und anderer Generationen. Sie sollen in
seine Herde kommen. Das bedeutet für uns ein Doppeltes: Wir
müssen uns nicht draußen fühlen. Das kann es ja geben, dass
man das Gefühl hat, irgendwie gehöre ich nicht dazu. Ich passe
hier nicht rein. – Aber Jesus will Dich dabei haben. Er meint
auch Dich. – Das zweite gilt natürlich auch, weil Jesu Blick weiter geht, müssen wir sehen, dass auch all die Christen die irgendwie so anders glauben, anders singen und beten und anders
leben, als wir, genauso zu der Herde gehören. Das Ziel Jesu ist,
dass es eine Herde unter ihm, dem einen Hirten, wird. Er ist
wirklich der gute Hirte.
Ich fasse zusammen:
1. Es geht nicht um Hirtenromantik. Jesus konfrontiert
uns mit der Wirklichkeit, dass viele Hirten nur sich
selber sehen und die Schafe ausnutzen. Das ist auch
für die Hirten eine Sackgasse. Es stellt sich für uns die
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Frage, wie wir vielleicht schlechte Hirten – auch für
uns selber sind. Jesus allein ist der gute Hirte.
2. Es geht nicht nur um den guten Hirten, es geht darum, dass es dein und mein guter Hirte ist. Deshalb ist
es wichtig auf seine Stimme zu hören.
3. Der gute Hirte gibt sein Leben für die Schafe. Er gibt
alles, er gibt sich. Er ist für uns offen, auch wenn wir
noch nicht in seiner Herde sind. Er ist offen auch für
all die anderen. Diese Liebe ist unendlich groß. Zu
diesem guten Hirten können wir immer wieder zurückkommen. Das ist eine große Gnade, ein Reichtum, ein Geschenk. Jesus ist der gute Hirte.
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