Können wir Hotel-Preislisten bald vergessen?

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Können wir Hotel-Preislisten bald vergessen?
Können wir Hotel‐Preislisten bald vergessen? „Bei einem Walliser Hotel haben wir eine Online‐Umsatzsteigerung von 500% erreicht!“, so Martin Werlen und Oliver Zurwerra von Hotelpartner. Im Interview mit Hoteliers sowie Dozenten am BL‐
Lehrgang „Online Marketing“ erklären die letztjährigen Milestone‐Gewinner, dass Hotel‐Preislisten der Vergangenheit angehören. Die Zukunft gehöre stündlich wechselnden Preisen, die sich Angebot und Nachfrage anpassten. Guten Tag allerseits. Martin Werlen und Oliver Zurwerra. Ihr habt letztes Jahr mit Hotelpartner den Milestone Nachwuchspreis geholt. Kann einer von euch kurz schildern, was das junge Unternehmen eigentlich macht? Wir verwalten für Hoteliers die grossen Online Buchungsportale mit einem modernen und dynamischen Preiskonzept, welches sich täglich dem Markt und Angebot‐Nachfrage anpasst. Ziel ist es, Online‐Umsätze zu steigern und zu optimieren. Stichwort: Yield Management. Kannst du uns kurz Yield Management erklären? Das Yield Management, häufig mit Ertragsmanagement übersetzt, ist ein Instrument zur simultanen und dynamischen, meist rechnergestützten Preis‐ und Kapazitätssteuerung. Ich bin Hotelier ‐ was bringt mir Hotelpartner konkret? Es geht darum, die Nachfrage über den richtigen Preis zum richtigen Zeitpunkt zu steuern. An einem Tag starker Nachfrage können wir höher als zum Listenpreis verkaufen und haben so einen besseren Tagesabschluss. An einem Tag schwacher Nachfrage müssen wir tiefer als zum Listenpreis verkaufen und bekommen dadurch Buchungen, die wir sonst nicht bekommen hätten, also wieder einen besseren Tagesabschluss. An einem Tag Mehrumsatz durch höheren Preis, am anderen Tag Mehrumsatz durch mehr Buchungen. Diese tägliche Beurteilung und Anpassung an die Nachfrage führt zu deutlichen Umsatzsteigerungen. Bei einem Walliser Hotel haben wir gerade kürzlich berechnet, dass wir eine Online‐Umsatzsteigerung von 500% erreicht haben. Vergleich Vorher/Nachher. Es geht hier um 6‐stellige Umsätze. Ist Yield Management für jedes Hotel geeignet ‐ egal wie gross es ist, ob in der Stadt oder in einem Ferienort? Ja, da jedes Hotel im Internet aktiv sein sollte und das gleiche Ziel hat: Seine Zimmer möglichst vollständig zu verkaufen. Unser kleinster Partner hat 15 Zimmer. Ich kann selber mit booking.com und anderen Portalen zusammen arbeiten. Was für einen Zusatznutzen bringt mit Hotelpartner? Es geht nicht nur darum Zimmer zu öffnen und zu schliessen, sondern darum, durch ein marktgerechtes und dynamisches Preiskonzept den Mehrumsatz zu erreichen. Alleine um Zimmer zu öffnen und zu schliessen würde ich eine Zusammenarbeit mit Hotelpartner nicht empfehlen. Bei den Buchungsplattformen geht’s ums harte Business. Da wird nichts gratis gemacht. Wie viel muss ich als Hotelier „abliefern“, wenn ich eine Buchung will? Das kommt auf das jeweilige Portal drauf an. Online Buchungsportale verlangen eine Provision zwischen 10 % (z.B. STC) bis 25% (z.B. Expedia). Der Durchschnitt liegt aber bei 12‐15% wie etwa HRS und booking.com. Und was kostet es, wenn man noch Euer Yield Management dazurechnet? Wir verrechnen dem Hotelier eine Kommission von 5% auf den Nettoumsatz der Portale, welche von uns verwaltet werden. Netto bedeutet abzüglich der Kommission vom jeweiligen Portal. Verstehe ich das richtig: Wenn ich mit Hotelpartner zusammen arbeite, dann macht ihr alles für mich. Ich muss mich selber um nichts kümmern? Mit anderen Worten: Ich kann mich voll und ganz um den Gästeempfang kümmern? Neben der Pflege von Preisen und Verfügbarkeiten aller wichtigen Online‐Portale kümmern wir uns auch um die gute Darstellung auf den jeweiligen Portalen (Text und Fotos) und kontrollieren dies mehrmals jährlich für alle unsere Partner. ... und die Gefahr besteht, dass in Zukunft auch die Stammgäste über dieses System buchen und ich plötzlich 12 Prozent weniger Einnahmen habe. Wie kann ich das vermeiden? Indem man den Stammgästen einen Anreiz gibt über die eigene Buchungsmaske zu buchen, beispielsweise indem man dem Stammgast einen Rabatt oder eine kostenlose Zusatzleistung bietet. Rund 17 Prozent weniger Einnahmen, wenn ich über Euer Portal buche. Dies ist für die wertschöpfungsarme Hotellerie eine ernsthafte Knacknuss, da rinnt mir der Gewinn buchstäblich durch die Finger. Gibt es keine bessere Lösung? Doch, indem man seine eigene Website stärkt. Website‐Buchungen sollten provisionsfrei sein. Deshalb sollte der Hotelier in die eigene Website investieren, wie zum Beispiel Google Marketing, Layout, etc. Zudem wird die teilweise starke Abhängigkeit zu den verschiedenen Online‐Portalen kleiner. Mich stören 17% eigentlich nicht ‐ wenn ich 20% mehr Umsatz mache! Wie sieht es damit aus? Was kann Hotelpartner bei einem schon einigermassen gut verlinkten Hotel herausholen? Dies ist abhängig von der momentanen Auslastung und der Bereitschaft, ein dynamisches Konzept zuzulassen. Also möglichst eine grosse Spanne zwischen Mindest‐ und Maximumpreis. Nochmals zurück zur Stärkung der Website. Wie steht das konkret im Zusammenhang mit den Online Portalen? Booking.com mit Werbung ist im Ranking sowieso vor mir. Die Website muss von Anfang an so konzipiert sein, dass sie möglichst gut von Google, etc. referenziert werden kann. Dann bedarf es einer fortlaufenden Optimierung. Es gibt wenige Agenturen, die dieses Know‐How haben und meistens führt kein Weg über das Erstellen einer komplett neuen Website vorbei. Es geht aber auch darum, die Stammgäste im Hotel aktiv auf die Möglichkeiten der eigenen Website hinzuweisen. Ganz wichtig ist es, dass der Preis auf der eigenen Website nie höher ist als auf den anderen Portalen, ansonsten wird der Stammgast misstrauisch. Zurück zur eigenen Website‐Buchung, die ich als Hotelier anbieten soll. Das ist ein guter Tipp ‐ aber dieser Tipp arbeitet eigentlich gegen Hotelpartner. Denn bei euch klingelt die Kasse, wenn der Gast über ein Portal bucht? Hotelpartner pflegt bei den meisten Kunden auch die Website. Hier verrechnen wir 5% Provision. So ist es das gemeinsame Ziel von Hotelpartner und dem Hotelier, die eigene Hotel Website zu stärken und die Abhängigkeit von den Online‐Portalen kleiner zu machen. Wenn der Stammgast mehr bezahlt als der Portalgast, wird dann nicht der Stammgast böse? Und ich verliere ihn unter Umständen sogar? Die Preise auf der Website dürfen nie höher sein als die Preise auf den Portalen. Die Rezeptionistin sieht die Preise, welche Hotelpartner auf die Portale setzt, anhand einer Rezeptionsmaske. Sie sollte daher bei einer telefonischen Buchung auch keine höheren Preise verlangen als diejenigen von Hotelpartner. Die Realität ist doch anders: booking.com will den besten ‐ sprich tiefsten ‐ Preis? Nein, booking.com will den gleich guten Preis. Dies fordern in der Zwischenzeit alle Portale. Dann müssten ja die Preise auf der Website auch automatisch an diejenigen von Hotelpartner angepasst werden? Auf jeden Fall müssen die Preise der Website auch täglich angepasst werden. Das Internet bringt Transparenz. Anderseits gibt es auch einige lustige Szenarien. Ich denke hier beispielsweise an http://www.hotelpreise.com. Da erscheinen bei einigen Hotels Texte, die nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Was mache ich in dieser Situation? Durch viele Verträge mit Tour Operatern, Internetportalen und GDS Providern kann der Hotelier meist nicht mehr kontrollieren, auf welchen Portalen er online ist. Macht er beispielsweise mit dem Portal Laterooms einen Vertrag, ist er gleichzeitig auch auf Tui, Easyjet und Asia Rooms buchbar. Hier hat der Hotelier aber keinen direkten Zugang mehr und kann die Texte und Fotos nicht mehr selber abändern. Deshalb macht es Sinn, dass der Hotelier ab und zu googelt um zu schauen, wo und wie sein Hotel auf den Portalen präsentiert wird. Sollte der Hotelier Fehler in Texten oder Fotos sehen, sollte er direkt das jeweilige Portal kontaktieren. Ich bin hartnäckig: Ein Gast hat vor 4 Wochen gebucht und CHF 20 mehr bezahlt. Dann müsste ich dem Gast nun diese CHF 20 zurück geben? Es ist wichtig ein Preiskonzept zu entwickeln, dass auf mögliche Schwachstellen eine Antwort hat. Es ist aber schon vorgekommen, dass ein Gast storniert und wieder bucht, weil der Preis sich verändert hat. Dies kommt aber in der Praxis selten vor. Sehe ich das richtig ‐ wir gehen in Richtung der Tour Operator, die keine Preislisten mehr veröffentlichen? In der Tat entwickelt sich die Tendenz dahin, dass unsere Partner die Preisliste nicht mehr öffentlich kommunizieren und dass die Rezeption auch mit unseren Preisen arbeitet. Gibt es infolge des Yield Managements Probleme bezüglich der Kundenzufriedenheit? In der Praxis hatten wir diesbezüglich noch nie Probleme. Der Kunde akzeptiert unterschiedliche Preise immer mehr, da er dies auch schon von den Airlines gewöhnt ist. Ich habe Ähnliches schon vor Jahren in London erlebt ‐ bei einigen Hotels konnte ich nach der Buchung nicht mehr stornieren, dafür war der Preis tiefer. Geht's in diese Richtung? Dies ist bei vielen Kettenhotels tatsächlich der Fall: Nicht stornierbare Raten, dafür gewähren diese einen zusätzlichen Rabatt bis 20%. Ich versetze mich jetzt mal in die Rolle des Gastes. Wenn ich im Internet nach einem Hotel suche und dann auf dessen Website gehe, möchte ich dort doch vor allem die Preise sehen. Das ist doch eine Leistung am Gast? Die Kunden benutzen je länger je mehr die Direktbuchungsmaske der Website als Preisliste und machen einen konkreten Preischeck der effektiven Aufenthaltsdaten. Wir haben aber gesehen, dass viele dann trotzdem zum Buchen im Hotel anrufen. Daher ist es wichtig, dass die Rezeption auch mit unserer Preismaske antwortet und nicht einen anderen Preis kommuniziert als die Homepage. Aber in der Ferienhotellerie ‐ da läuft das doch anders. Im Flugzeug frage ich meinen Nachbarn kaum, wie viel er bezahlt hat. Auch nicht in der Stadthotellerie. Aber in den Ferien rede ich mit den anderen Gästen und dann passiert es ‐ der Stammgast ist unzufrieden und ich verliere ihn! Aus Erfahrung kann ich nur bestätigen, dass es mit den Gästen eigentlich wenig Probleme gibt. Man muss als Hotelier die verschiedenen Preise nur vernünftig begründen können. Ein sinnvolles und verständliches Preiskonzept kann man dem Gast gut erklären. Wie schon gesagt: Die Gäste sind Preisunterschiede gewohnt. Auch betonen wir nicht den unterschiedlichen Preis, sondern die unterschiedlichen Angebote. Verschiedene Preise sind auch sonst überall üblich: 1 Büchse Tomaten kostet CHF 1, 5 Büchsen CHF 3. Was für Prognoseverfahren wendet Hotelpartner an? Könnt ihr auch in Gegenden vernünftig arbeiten, wo ihr nicht sehr viele Hotels vertretet? Ja. Die verschiedenen Faktoren werden mit dem Hotelier besprochen. Also die Erfahrung des Hoteliers und unsere Erfahrung in Synergie. In verschiedenen Tourismusregionen wird der Ruf nach einem "Channel‐Manager" laut. Was ist ein Channel‐Manager? Ein Channel Manager ist eine Software für den Hotelier, mit der er die Portale aus einem Programm bedienen kann: öffnen/schliessen und Preisänderungen, etc. Also ersetzt ein Channel Manager Hotelpartner? ...oder Hotelpartner einen Channel Manager? Dem Channel Manager fehlt das Know‐How, was die Preiskonzepte angeht. Auch fehlt ihm der Anschluss an das Hotelprogramm (Front‐Office). Es ist daher umgekehrt. D.h. heisst wenn ich einen Channel Manager habe sitze ich dauernd vor dem PC, anstatt mich um meine Gäste zu kümmern? Mit einem Channel Manager hast du natürlich einen kleineren Aufwand als ohne, weil du nicht in die einzelnen Portale mehr einsteigen musst. Aber in der Tat musst du die Arbeit selber machen. Kann ein Channel Manager auch eine Person sein? Nein, ein Channel Manager ist immer eine Software, meistens auf der Basis monatlicher Miete. Booking.com hat ein interessantes Anreizsystem: Wer booking.com mehr Kommissionen abgibt, der wird besser platziert. Beginnen jetzt die Hoteliers damit, einander „abzuschiessen“? Diese Gefahr besteht. Wenn alle Hotels einer Destination zum Beispiel anstatt 12% nun 15% Kommission bezahlen, bringt die Erhöhung für den einzelnen Hotelier keinen Nutzen mehr. So liegt es nahe, dass die ersten Hoteliers die Kommission nochmals erhöhen, damit sie wiederum einen Vorteil haben. Dies kann zu einem Teufelskreis führen, da die Abhängigkeit von Portalen wie booking.com bei den Hoteliers teilweise sehr stark ist. In Mailand beispielsweise liegt die Kommission bereits bei bis zu 38%. Wie kann diese Problematik umgangen werden? Diese Problematik kann nur umgangen werden, indem Hoteliers ihre eigene Website stärken und selber Portale ins Leben rufen. Aber es fehlt den Tourismusvereinen und vor allem den regionalen Verbänden sowohl das Know‐How wie auch die Motivation, selber im Online‐Markt Fuss zu fassen. Du spricht von Portalen ‐ an was für Portale denkst du, die für Hoteliers interessant sein könnten? Eigene Portale, die noch entwickelt werden müssen. Das verstehe ich jetzt nicht? Eigene Portale? Bitte konkreter ‐ sollen die Hoteliers eigene Portale entwickeln? Der Walliser Hotelierverein diskutiert zurzeit darüber, ob ein Walliser Buchungsportal (kommissionsfrei) für alle Hotels aufgebaut werden soll. Wir können nur hoffen, dass es nicht beim Diskutieren bleibt. Ist das realistisch ‐ wenn ich höre, was booking.com allein in die Adwords‐Werbung investiert ‐ dann hat so ein Portal doch keine Chance, vor booking.com referenziert zu werden. In der Tat ist die Marktposition von den Grossen sehr stark. Daher ist ein solches Vorhaben schwierig. Die Hoteliers müssten diese Arbeit aus eigener Motivation machen. Schauen wir, was Wallis Tourismus tun wird. Im Interview‐Chat mit Schraffl haben wir viel über Hotelbewertungen gelesen. Spürt ihr dies bei Hotelpartner ‐ wie wichtig ist die Bewertung durch die Gäste? Bewertungen werden immer wichtiger. Bewertungen sind bares Geld wert. Durch bessere Bewertungen kann der Hotelier auf den Portalen höhere Preise erzielen. Das Interview entstand in einem Chat mit Martin Werlen und Oliver Zurwerra von www.hotelpartner.ch. Werlen Martin und Oliver Zurwerra sind Spezialisten im Bereich Yield Management für die Hotellerie und Gründer der Firma Hotelpartner, welche für das Yield Management von über 80 Hotels schweizweit verantwortlich ist. Im letzten Jahr gewannen sie den Milestone Nachwuchspreis. Die Fragen stellten die Hoteliers Markus Schmid und Karin Bittel sowie Dozenten und Mitarbeiter der HES‐SO Wallis und von ritzy*.