Französische Gebietskörperschaften

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Französische Gebietskörperschaften
Helaba Volkswirtschaft/Research
Länderfokus
5. Oktober 2012
Französische Gebietskörperschaften
Autor:
Viola Julien
Telefon: 0 69/91 32-47 30
[email protected]
Redaktion:






Kontrollierte Dezentralisierung
Kompetenzen überschneiden sich
Überwiegende Finanzierung aus Steuermitteln
Geringe Bedeutung des Finanzausgleichs
Niedriges Verschuldungsniveau
Ausblick: Straffung der territorialen Strukturen bei steigender Kreditnachfrage
Barbara Bahadori
1 Kontrollierte Dezentralisierung
Herausgeber:
Dr. Gertrud R. Traud
Chefvolkswirt/Leitung Research
Landesbank Hessen-Thüringen
In Frankreich gibt es mit 27 Regionen, 101 Départements und rund 36.800 Kommunen grundsätzlich drei Ebenen von lokalen Gebietskörperschaften (collectivités territoriales oder auch
collectivités locales). Ferner existieren Gebietskörperschaften mit Sonderstatus sowie fünf
collectivités d’outre-mer.
MAIN TOWER
Neue Mainzer Str. 52-58
60311 Frankfurt am Main
Organisation des politischen Systems in Frankreich
Parlament
Präsident der Republik
Direkte Wahl
Telefon: 0 69/91 32-20 24
Telefax: 0 69/91 32-22 44
Nationalversammlung
Regierung
(Minister)
Direkte Wahl
Senat
Gewählt von den Räten
der Gebietskörperschaften
Beeinflusst die Autonomie
durch Gesetzgebung
ernennen
Regionaler Präfekt
Präfekt des wichtigsten
Departements der Region
Präfekt
(Vertreter des Staates)
keine öffentliche
Parteizugehörigkeit
Nachträgliche
Legalitätskontrolle
der Verwaltungsakte
Nachträgliche
Legalitätskontrolle
der Verwaltungsakte
27 Regionen
(21 auf dem Festland + Korsika + 5 in Übersee)
Regionalrat („conseil régional“, direkte Wahl)
Der Präsident des Regionalrates übt die Exekutivgewalt aus.
101 Departements
(davon 5 in Übersee)
Generalrat („conseil général, direkte Wahl)
Der Präsident des Generalrates übt die Exekutivgewalt aus.
Die Publikation ist mit größter Sorgfalt
bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich
unverbindliche Analysen und Prognosen zu
den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf
Quellen, die wir für zuverlässig halten, für
deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie
dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für
Anlageentscheidungen verstanden werden.
36 812 Kommunen (davon 3 Städte – Paris, Lyon, Marseille – mit Sonderstatus, unterteilt in Bezirke)
Kommunalrat („conseil municipal“, direkte Wahl)
Der Bürgermeister übt die Exekutivgewalt aus und ist gleichzeitig lokaler Vertreter des Staates.
Quellen: INSEE, Helaba Volkswirtschaft/Research
Mit dem Dezentralisierungsgesetz der Mitterand-Regierung von 1982 setzte der französische Zentralstaat einen bedeutenden Kompetenztransfer an die lokalen Gebietskörperschaften in Gang und
verabschiedete sich von einer rein zentralistischen Steuerung. Die Verfassungsänderung bekräftigte 2003 das Prinzip der Selbstverwaltung durch die Gebietskörperschaften – insbesondere bezüg-
Länderfokus Frankreich: Collectivités territoriales
lich des Budgets und der Steuereinnahmen. Dadurch soll der Eingriff des Zentralstaates in ihre
eigenständige Verwaltung als Ausnahme gelten.
Die von den gewählten Gremien (conseil régional und conseil général) und deren Präsidenten
entschiedenen Verwaltungsakte werden inzwischen nur noch nachträglich durch den Präfekten
(préfet – lokaler „Statthalter“ des Gesamtstaats) im Rahmen einer Legalitätskontrolle (contrôle de
légalité) überwacht. Sollten die Entscheidungen mit den Interessen des Zentralstaates kollidieren,
werden sie dem Verwaltungsgericht vorgelegt und können nicht mehr vom Präfekten alleine außer
Kraft gesetzt werden. In der Praxis kommen solche Fälle allerdings nur selten vor: Von jährlich
über 6 Millionen Verwaltungsakten werden etwa 1.500 negativ beurteilt. Als zusätzliches Kontrollorgan fungieren die regionalen Rechnungshöfe, die ebenfalls ein nachträgliches Prüfungsrecht
besitzen (Ordnungsmäßigkeit der Konten, Effizienz der Verwaltung) und darüber hinaus die laufende Kontrolle der formalen Budgetvorschriften zusammen mit dem Präfekten ausüben.
2 Kompetenzen überschneiden sich
Staat überträgt zahlreiche Kompetenzen an die
Gebietskörperschaften
Mit dem Prozess der Dezentralisierung wurden zahlreiche fiskalische und administrative Rechte
und Ämter an die Regionen, Départements und Kommunen übertragen. Die Kompetenzen der
collectivités territoriales werden vom Gesetzgeber definiert und umfassen Aufgaben und Investitionen in verschiedenen Zuständigkeitsbereichen. Die Themen Transport und Bildung liegen dabei
maßgeblich in den Händen der Regionen (mehr als 60 % der Gesamtausgaben). Hauptaufgabenfeld der Départements ist dagegen das Sozialwesen. So entfielen im Jahr 2011 fast 50 % der Gesamtausgaben der Départements auf Leistungen im Rahmen der sozialen Mindestsicherung (RSA)
und andere soziale Unterstützungszahlungen. Den Kommunen obliegen unter anderem die Stadtplanung und die Kinderbetreuung. In vielen Fällen sind die Kompetenzbereiche nicht exklusiv,
sondern überlagern sich auf den verschiedenen Ebenen der Gebietskörperschaften.
Die wichtigsten Aufgaben der collectivités territoriales
Gebietskörperschaft
Kompetenzen
Wirtschaftliche Entwicklung, Bildung (gymnasiale Oberstufe, Berufs-
Regionen
bildung); Kultur und Soziales (u.a. Kulturerbe, Sport, Tourismus);
Raumplanung; Umwelt (u.a. Regionalparks, Wasser); Transport (regionaler Schienenverkehr); Wohnungswesen
Kultur und Soziales (u.a. soziale Mindestsicherung „RSA“); Bildung
(gymnasiale Mittelstufe); Raumplanung; Umwelt (u.a. Wasser); Trans-
Départements
port (Straßenverkehr außerhalb von Städten); Wohnungswesen;
wirtschaftliche Entwicklung; Sicherheit (Verkehrssicherheit, Brandschutz)
Bildung (Grundschulen); Gesundheit; Kultur und Soziales (u.a. Kinderbetreuung, Sport, Tourismus); Raumplanung (Stadtplanung);
Kommunen
Umwelt (u.a. Wasser, Energie); Transport (Stadtverkehr); Wohnungswesen; wirtschaftliche Entwicklung; Sicherheit (Verkehrssicherheit,
Parken)
Quellen: Direction de l’information légale et administrative, Helaba Volkswirtschaft/Research
3 Überwiegende Finanzierung aus Steuermitteln
Die unabhängige Rechtspersönlichkeit der Gebietskörperschaften wird durch die französische
Verfassung garantiert, ebenso wie das Recht auf eigenständige Verwaltung, auf Ausübung eigener
Helaba Volkswirtschaft/Research · 5. Oktober 2012 · © Helaba
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Länderfokus Frankreich: Collectivités territoriales
Kompetenzen und auf entsprechende Finanzmittel. Das allgemeine Gesetzbuch der Gebietskörperschaften (code général des collectivités territoriales – CGCT) führt alle betreffenden Verordnungen und Gesetze zusammen.
Steuereinnahmen als
wichtigste Ressource
Steuereinnahmen und Abgaben stellen den größten Anteil an den Gesamteinnahmen der Gebietskörperschaften dar. Es wird unterschieden zwischen direkten Steuern – ca. 75 % der gesamten
Steuereinnahmen – (Wohnungssteuer, Grundsteuer, sowie die neu geschaffenen Steuern zur Kompensierung der in 2010 abgeschafften Gewerbesteuer) und indirekten Steuern (z.B. Mineralölsteuer, Grunderwerbsteuer). Um die Abhängigkeit von den staatlichen Zuweisungen zu reduzieren,
dürfen eigene Ressourcen einen gewissen Anteil an den gesamten Einnahmen der Gebietskörperschaften nicht unterschreiten: Das Niveau von 2003 wurde als Schwellenwert für die finanzielle
Autonomie festgelegt (41,7 % für die Regionen, 58,6 % für die Départements und 60,8 % für die
Kommunen). Im Jahr 2010 beliefen sich diese Quoten auf 55,6 %, 68,1 % bzw. 64,7 %.
Finanzierung der Gebietskörperschaften zur Hälfte aus Steuern
Anteil an den Gesamteinnahmen in %, 2010
Sonstige Investitionsressoucen
2,3%
Fremdmittelaufnahme
7,5%
Steuern (direkt u. indirekt)
Sonstige
und Abgaben
laufende Einnahmen
50,6%
9,5%
Zuweisungen des Staates
für laufende Kosten und
Investitionen
30,0%
Quellen: Direction générale des collectivités locales, Helaba Volkswirtschaft/Research
Als zweitwichtigste Ressource ergeben sich die Zuweisungen des Staates. Im Zuge der Dezentralisierung wurden nämlich nicht nur Steuern an die Gebietskörperschaften transferiert, sondern sie
erhalten jährlich staatliche Zuweisungen, um ihre laufenden Kosten bei tendenziell zunehmenden
Kompetenzen zu decken. Die Gebietskörperschaften können über diese Ressourcen frei verfügen,
das heißt, sie sind nicht zweckgebunden. Im Wesentlichen handelt es sich bei diesen staatlichen
Transfers um die DGF (dotation globale de fonctionnement). Sie wird jedes Jahr gesetzlich festgelegt und machte 2010 rund 63 % der staatlichen Zuweisungen und 19 % der gesamten Einnahmen
der französischen Gebietskörperschaften aus. Die sonstigen Zuweisungen bestehen aus Investitionszuschüssen und Kompensationen für staatlich entschiedene Steuerbefreiungen oder zusätzlichen Kompetenztransfer.
Die Aufnahme von Fremdmitteln bildet die dritte wesentliche Ressource der Gebietskörperschaften. Seit Inkrafttreten des ersten Dezentralisierungsgesetzes aus dem Jahr 1982 können Gebietskörperschaften ohne Zustimmung des Präfekten neue Darlehen aufnehmen. Diese Mittel dürfen
jedoch ausschließlich für Investitionszwecke verwendet werden, das heißt weder zum Ausgleich
eines Defizits im Betriebsbudget noch zur Deckung des Kapitaldienstes dienen. Ebenso wie bei
den von den Gebietskörperschaften entschiedenen Verwaltungsakten behält der Präfekt ein nachträgliches Kontrollrecht.
Eine Aufteilung der Einnahmen auf Ebene der Regionen, Départements und Kommunen zeigt die
tendenziell höhere finanzielle Unabhängigkeit der Départements vom Zentralstaat: Im Vergleich
zu den Regionen ist der Anteil der staatlichen Zuweisungen deutlich niedriger und der Anteil der
steuerlichen Eigenressourcen deutlich höher.
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Länderfokus Frankreich: Collectivités territoriales
Unterschiedlich hohe Steuerfinanzierung der Regionen, Départements und Kommunen
Anteil an den Gesamteinnahmen in %, 2010
Sonst. Investitionsressourcen
Fremdmittel
0,9%
10,2%
2,9%
Sonstige laufende Einnahmen
Zuweisungen des Staates für
laufende Kosten u. Investitionen
39,6%
Steuern (direkt und indirekt)
und Abgaben
46,4%
Regionen
0,7%
7,0%
9,0%
3,7%
6,9%
11,5%
24,2%
29,8%
59,1%
Departements
48,1%
Kommunen
Quellen: Direction générale des collectivités locales, Helaba Volkswirtschaft/Research
Keine uneingeschränkte
Autonomie
Insgesamt genießt die Autonomie der collectivités territoriales zwar den Schutz der französischen
Verfassung, die Höhe der staatlichen und steuerlichen Ressourcen und die übertragenen Kompetenzen sind aber nicht verfassungsrechtlich abgesichert, sondern unterliegen der zentralstaatlichen
Gesetzgebung. Es besteht eine gewisse Abhängigkeit der collectivités territoriales von staatlichen
Eingriffen oder Gesetzesänderungen. Beispielsweise wurde die bedeutendste der staatlichen Zuweisungen – die dotation globale de fonctionnement (DGF) – aufgrund der angespannten Haushaltslage für die Jahre 2011 bis 2013 auf dem Niveau des Jahres 2010 eingefroren. Die Einnahmen
der Gebietskörperschaften wurden dadurch faktisch beschränkt.
Die Reform des lokalen Steuerwesens (Steuerumverteilung zwischen den Gebietskörperschaften,
Abschaffung der Gewerbesteuer taxe professionnelle; siehe Tabelle) ist ein weiteres Beispiel. Der
entsprechende Einnahmeausfall wurde zwar von neu implementierten Steuern sowie vom Transfer
weiterer Steuern und zentralstaatlichen Zuweisungen in voller Höhe kompensiert, diese neuen
Ressourcen sind aber – im Gegensatz zur ehemaligen Gewerbesteuer – nur noch teilweise von den
Kommunen modifizierbar. Vor allem die Regionen haben damit einen wichtigen Hebel verloren,
nämlich die Bestimmung der Besteuerungsgrundlage sowie des Steuersatzes bei einer bedeutenden
Steuer. Sie besitzen seit der Abschaffung der Gewerbesteuer nur noch eine sehr geringe steuerliche
Autonomie, die sich auf kleinere, indirekte Steuern beschränkt.
Wichtigste direkte Steuereinnahmen vor und nach der Steuerreform 2011
Regionen
Durch Steuerreform
verlorene
Einnahmen
Départements
Gewerbesteuer
Grundsteuer (bebaute und
unbebaute Grundstücke)
Neue Steuerein-
Kommunen
Gewerbesteuer
Grundsteuer (unbebaute
Grundstücke)
Wohnungssteuer
CVAE* (25 %)
CVAE* (48,5 %)
CVAE* (26,5 %)
IFER**
Grundsteuer (bebaute
Grundsteuer (unbebaute
nahmen nach
Reform (ab 2011)
Grundstücke)
Grundstücke)
IFER**
Wohnungssteuer
IFER**
CFE***
Quellen: Ministère de l’Economie et des Finances, Helaba Volkswirtschaft/Research
*Abgabe auf die Wertschöpfung von Unternehmen
** Steuer für ausgewählte Infrastruktur- und Telekommunikationsunternehmen
***Grundsteuer für Unternehmen
Helaba Volkswirtschaft/Research · 5. Oktober 2012 · © Helaba
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Länderfokus Frankreich: Collectivités territoriales
4 Geringe Bedeutung des Finanzausgleichs
Finanzausgleich soll
Wohlstandsunterschiede
reduzieren
Grundsätzlich ist ein Finanzausgleich (perequation financière) zugunsten finanzschwacher Gebietskörperschaften in der französischen Verfassung verankert. Demnach gibt es gesetzliche Bestimmungen für Maßnahmen, die Wohlstandsunterschiede reduzieren und somit die Gleichheit
zwischen den lokalen Gebietskörperschaften fördern sollen. Die Bedeutung und das Volumen des
Finanzausgleichs sind in Frankreich jedoch äußerst gering. Anders als in Deutschland ist die regionale Spreizung – gemessen am Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt – in Frankreich wesentlich geringer. Lässt man regionale „Ausreißer“ wie die deutschen Stadtstaaten oder die durch Paris besonders leistungsstarke Ile-de-France außer Acht, liegt das Pro-Kopf-BIP des reichsten Bundeslandes
Hessen 75 % über dem finanzschwächsten Land Mecklenburg-Vorpommern. Für die französischen Regionen beträgt diese Differenz nur 32 % (Region Rhône-Alpes im Vergleich zur
Picardie).
Regionale Wirtschaftskraft relativ ausgeglichen
BIP pro Kopf in Euro, 2010
Ile-de-France
48.378
Rhône-Alpes
30 055
Frankreich
Alsace
Provence-Alpes-Côte d'Azur
Midi-Pyrénées
29.784
27.986
27.720
26.718
Aquitaine
26.625
Pays de la Loire
26.550
Champagne-Ardenne
Haute-Normandie
26.262
25.601
Bourgogne
25.451
Centre
25.238
Corse
24.979
Bretagne
24.780
Nord-Pas-de-Calais
24.344
Auvergne
24.050
Poitou-Charentes
23.785
Franche-Comté
23.714
Languedoc-Roussillon
23.670
Lorraine
23.439
Basse-Normandie
23.309
Limousin
23.018
Picardie
22.727
Quellen: INSEE, Helaba Volkswirtschaft/Research
Der Finanzausgleich erfolgt entweder horizontal (von den finanzstärkeren zu den finanzschwächeren Gebietskörperschaften innerhalb einer Ebene), oder vertikal in Form von Transfers zwischen
dem Zentralstaat und den Gebietskörperschaften. Dabei gilt zu beachten, dass die Zuweisungen
des französischen Zentralstaates an die Gebietskörperschaften (z.B. die dotation globale de
fonctionnement DGF) im Wesentlichen zusätzliche Kompensationen für den Transfer von Kompetenzen im Rahmen der Dezentralisierung sind und deswegen nicht als reiner vertikaler Finanzausgleich für schwächere Gebietskörperschaften zu sehen sind (siehe Tabelle). Im Rahmen der Gewerbesteuerabschaffung soll der horizontale Finanzausgleich in Frankreich an Bedeutung gewinnen und von geplanten 250 Mio. Euro in diesem Jahr auf 1 Mrd. Euro im Jahr 2015 erhöht werden,
jedoch vornehmlich zugunsten der Kommunen.
Helaba Volkswirtschaft/Research · 5. Oktober 2012 · © Helaba
5
Länderfokus Frankreich: Collectivités territoriales
Finanzausgleich
Französische
Gebietskörperschaften
Deutsche
Gebietskörperschaften
Rechtliche Grundlage
Art. 72-2 der Verfassung (Verfassungsänderung vom 28. März 2003)
Art. 106/107 des Grundgesetzes, Maßstäbe- und Finanzausgleichgesetz 2005
Ausgleichsmechanismen
Zuweisungen zur Förderung der
Gleichheit zwischen den Gebietskörperschaften
Mehrstufiges Verfahren (Steuerumverteilung) zur Annäherung der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder
 Horizontaler Finanzausgleich:
Ausgleichsfonds im Rahmen der Abschaffung der Gewerbesteuer (wirksam
seit 2011)
 Horizontaler Finanzausgleich:
- Umsatzsteuervorwegausgleich
- Länderfinanzausgleich (von reicheren
Bundesländern geleistete Ausgleichszahlungen)
 Vertikaler Finanzausgleich:
- Bundesergänzungszuweisungen (BEZ
und SoBEZ) zur ergänzenden Deckung
des allgemeinen Finanzbedarfes
 Vertikaler Finanzausgleich:
Bestandteil der Zuweisungen des
Staats (geringer Anteil der DGF: 15 %
bei den Départements und <3 % bei
den Regionen)
Volumina
Vertikal: Insgesamt nur 6,6 Mrd. EUR
im Jahr 2009 (ca. 0,4 % des BIP)
Sehr marginal für Regionen. Größte
Empfänger sind Kommunen.
Horizontal: Volumen nur marginal,
Bedeutung auch nach Abschaffung der
Gewerbesteuer gering
Erhöhtes Volumen seit Miteinbeziehung
der neuen Bundesländer.
Finanzausgleich 2009 ca. 28 Mrd. EUR
(1,2 % des BIP)
Vertikal: ca. 13,5 Mrd. EUR (0,57 %
des BIP)
Horizontal: ca. 14 Mrd. EUR (0,63 %
des BIP)
Insolvenzfähigkeit
Keine Haftung des Zentralstaates.
Bei Zahlungsunfähigkeit wird das Budget unter die operative Kontrolle des
Präfekten gestellt (bis heute noch nie
vorgekommen).
Insolvenzfähigkeit gesetzlich ausgeschlossen. Insolvenzverfahren sind
über das Vermögen eines Bundeslandes oder einer Körperschaft nicht zulässig (§12 Insolvenzordnung und
§45 AGGVG)
Quellen: Ministère de l’Economie et des Finances, Bundesfinanzministerium, Helaba Volkswirtschaft/Research
5 Niedriges Verschuldungsniveau
Verschuldung der
collectivités territoriales
vergleichsweise gering
Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass die französischen Gebietskörperschaften relativ gering
verschuldet sind. Im Gegensatz zum föderalen Deutschland sind die Spuren der zentralistischen
Steuerung in Frankreich noch deutlich zu sehen. Während der Schuldenstand der französischen
Gebietskörperschaften in Relation zum BIP im letzten Jahrzehnt mit Werten um 8 % relativ stabil
geblieben ist, stieg er in Deutschland von 23 % im Jahr 2002 auf knapp 30 % 2010. Auch gemessen an der gesamten Staatsverschuldung liegen französische Gebietskörperschaften mit einem
Anteil von 10 % unter ihren deutschen Pendants mit 37 %.
Schuldenstand 2010
Gebietskörperschaften*
Gebietskörperschaften*
Gesamtstaat
(% BIP)
(% Staatsverschuldung)
(% BIP)
EU (27 Länder)
12,1 %
15,2 %
80,0 %
Euroraum (17 Länder)
14,6 %
17,2 %
85,3 %
Deutschland
30,3 %
36,7 %
83,0 %
Frankreich
8,3 %
10,1 %
82,3 %
Vereinigtes Königreich
4,8 %
6,1 %
79,6 %
Italien
8,2 %
6,9 %
118,6 %
Spanien
14,8 %
24,1 %
61,2 %
Quellen: Eurostat, Helaba Volkswirtschaft Research
Helaba Volkswirtschaft/Research · 5. Oktober 2012 · © Helaba
*gesamte lokale Verwaltungsorgane im Sinne von Maastricht
6
Länderfokus Frankreich: Collectivités territoriales
Für die gesamten lokalen Verwaltungsorgane Frankreichs, von denen die Gebietskörperschaften
mit rund 90 % den größten Anteil einnehmen, ergab sich im Zeitraum 2002 bis 2011 ein Anstieg
von 104 Mrd. Euro auf 167 Mrd. Euro (+61 %). Nichtsdestoweniger ist der Schuldenstand der
lokalen Gebietskörperschaften in Relation zum französischen BIP vergleichsweise konstant geblieben, während der Anteil an der gesamten französischen Staatsverschuldung im Laufe der letzten 30 Jahre stark gesunken ist (9,7 % im Jahr 2011).
Entwicklung der Verschuldung der lokalen Gebietskörperschaften (GK)*
%
Mrd. EUR
180
40
35
160
Verschuldung der GK (r.S.)
Anteil GK/Staatsverschuldung (l.S.)
140
30
120
25
100
20
80
Verschuldung GK
(% des BIP, l.S.)
15
60
10
40
5
20
0
0
1978
1982
1986
1990
1994
1998
2002
2006
2010
*GK im Sinne von Maastricht – inkl. sonstige lokale Verwaltungseinheiten, die in Frankreich keine GK sind
Quellen: INSEE, Helaba Volkswirtschaft/Research
Allerdings ist die Gesamtverschuldung des Staats, d.h. aller zentralen und regionalen Gebietskörperschaften zusammen, in Frankreich und Deutschland inzwischen mit 82 % bzw. 83 % etwa
gleich hoch. Da der BIP-Anteil der regionalen Gebietskörperschaften konstant geblieben ist, resultiert daraus, dass der französische Zentralstaat in größerem Umfang als die regionalen Gebietskörperschaften seine Verschuldung ausgeweitet hat. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch der
über die letzten 30 Jahre stark gesunkene Anteil der regionalen Gebietskörperschaften an der gesamten französischen Staatsverschuldung.
Der Schuldenstand der verschiedenen Gebietskörperschaften ist nicht homogen: Die Kommunen
wiesen für das Jahr 2010 eine relativ hohe Verschuldung in Höhe von 59,3 Mrd. Euro aus, was gut
80 % ihrer laufenden Einnahmen entspricht. Die Regionen registrierten eine Verschuldung von
16,9 Mrd. Euro (77 %), während die Schulden der Départements 30 Mrd. Euro oder 50 % der
jährlichen laufenden Einnahmen ausmachten.
Auszug aus dem Budget der französischen Gebietskörperschaften
in € Mrd.
2006
2007
2008
2009
2010
Gesamteinnahmen ohne Aufnahme von Fremdmitteln
172,1
181,7
186,9
195,9
199,0
- Gesamtausgaben ohne Rückzahlung von Schulden
175,2
189,4
195,2
202,2
200,7
-3,1
-7,7
-8,3
-6,3
-1,7
= Budgetsaldo
Aufnahme von Fremdmitteln
17,1
17,6
19,1
19,3
16,0
- Rückzahlung von Schulden
12,4
11,2
11,6
12,0
12,0
= Netto-Fremdmittelaufnahme
4,7
6,5
7,5
7,3
4,0
Verschuldung per Jahresende
98,6
105,2
112,7
120,0
124,3
Quelle: Direction générale des finances publiques, Helaba Volkswirtschaft Research
Der Finanzierungsbedarf der französischen Gebietskörperschaften war im letzten Berichtsjahr
(2010) leicht rückläufig. Die Aufnahme von Fremdmitteln belief sich auf 16 Mrd. Euro, nach 19,3
Mrd. Euro im Vorjahr. Dies lässt sich in erster Linie auf höhere Steuereinnahmen bei gleichzeitig
gesunkenen Investitionen zurückführen.
Helaba Volkswirtschaft/Research · 5. Oktober 2012 · © Helaba
7
Länderfokus Frankreich: Collectivités territoriales
6 Ausblick: Straffung der territorialen Strukturen
bei steigender Kreditnachfrage
Aufgrund der relativ kleinteiligen Struktur der französischen Gebietskörperschaften wurden 2010
unter Nicolas Sarkozy Reformen beschlossen, die die territoriale Organisation vereinfachen sollen.
Ab 2014 sollten etwa die aktuell rund 6.000 Regional- und Generalratsmitglieder (conseillers
régionaux und conseillers généraux) auf 3.500 sogenannte Territorialabgeordnete (conseillers
territoriaux) verringert werden, die gleichzeitig in beiden lokalen Parlamenten sitzen. Frankreichs
neuer Präsident François Hollande hat jedoch mehrfach versichert, diese Regelung außer Kraft zu
setzen. Der entsprechende Gesetzentwurf wird bis Ende dieses Jahres erwartet.
In einem anderen Bereich wird das neue Recht derzeit aber umgesetzt. So besteht die Möglichkeit,
dass sich eine Region und ihre Départements zu einer neuen, einzelnen Gebietskörperschaft
(collectivité territoriale unique) zusammenschließen. Alle Kompetenzen der fusionierten Gebietskörperschaften werden von der neuen Einheit ausgeübt. Eine solche Fusion muss sowohl von den
jeweiligen Generalräten der Départements und dem Regionalrat als auch von der Bevölkerung (per
Referendum) genehmigt werden. Derzeit befindet sich die Region Alsace zusammen mit den
Départements Bas-Rhin und Haut-Rhin in diesem Prozess. Das entsprechende Referendum soll
voraussichtlich Anfang 2013 stattfinden.
Das Kreditangebot für französische Gebietskörperschaften wird derzeit durch die Zerschlagung
des belgisch-französischen Bankkonzerns Dexia beeinträchtigt, da somit einer der bedeutendsten
Kreditgeber nicht mehr zur Verfügung steht. Zwar wurde Gebietskörperschaft-Kreditgeschäft
teilweise durch ein Konsortium aus der Caisse des Dépôts et Consignations und der Banque
Postale übernommen, doch berichteten einzelne Gebietskörperschaften bereits über angebotsbedingte Finanzierungsengpässe.
Ein gewisses Maß an Unsicherheit für die künftige Finanzierungsplanung der collectivités territoriales ist auch die bereits erwähnte Abschaffung der taxe professionnelle im Jahr 2010, mindert sie
doch die Flexibilität der Einnahmen vor allem für die Regionen. Diese Maßnahme verdeutlicht,
dass die Autonomie der Gebietskörperschaften durch Eingriffe des Zentralstaates modifiziert und
auch beschränkt werden kann.
Um das französische Haushaltsdefizit 2013 auf die geplanten 3 % zu senken, sind gesamtstaatliche
Einsparungen vonnöten, die auch die Gebietskörperschaften betreffen werden. Dies ist besonders
relevant vor dem Hintergrund der europäischen Staatsschuldenkrise und der damit verbundenen
wirtschaftlichen Unsicherheiten, die sowohl die Einnahmenseite der Gebietskörperschaften betreffen (geringere Steuereinnahmen und/oder staatliche Zuwendungen) als auch die Ausgabenseite
erhöhen könnten (antizyklische Ausgaben und/oder erhöhte Aufgabenübertragung durch den Zentralstaat). Dies setzt den finanziellen Spielraum der collectivités territoriales unter Druck, sodass
notwendige Neuinvestitionen über die Aufnahme von Fremdmitteln finanziert werden müssten.
Der Finanzierungsbedarf dürfte sich daher in den nächsten Jahren wieder erhöhen.
Der Zentralstaat übernimmt keine Haftung für die Verschuldung der regionalen Gebietskörperschaften. Bei Zahlungsunfähigkeit wird das Budget unter die operative Kontrolle des Präfekten
gestellt. Auf derartige Maßnahmen musste aber seit den neunziger Jahren nicht mehr zurückgegriffen werden. Externe Ratings werden nur für vereinzelte französische Gebietskörperschaften erstellt. Die gerateten Regionen, Départements und Großstädte erfreuen sich durchweg guter bis
bester Bonität.
Helaba Volkswirtschaft/Research · 5. Oktober 2012 · © Helaba
8
Länderfokus Frankreich: Collectivités territoriales
Rating-Übersicht: FitchRatings und Standard & Poor´s
Standard & Poor´s*
FitchRatings*
Gebietskörperschaften
Long
Term
Long
Term
Outlook
Short
Term
AA-
stable
A-1+
Boulogne-Billancourt (City of)
AA-
pos.
A-1+
Cannes (City of)
AA
stable
Champagne-Ardenne (Region of)
AA-
stable
Outlook
Short
Term
Auvergne (Region of)
AA
Bas-Rhin (Department of)
AA
Colmar (City of)
neg.
stable
F1+
A-1+
F1+
Communaute d'Agglomeration de
Grenoble-Alpes Metropole
A-1+
Communaute d'Agglomeration de SaintQuentin-en-Yvelines
A+
stable
Communaute d'Agglomeration Tours Plus
A+
stable
Dordogne (Department of)
AA-
stable
Dunkirk (Urban Community of)
A+
stable
AA
stable
BB+
stable
AA+
neg.
Limousin (Region of)
AA
stable
Lyon (City of)
AA
pos.
A-1+
A
stable
A-1
Meuse (Department of)
A+
stable
A-1+
Nord Pas De Calais (Region of)
AA-
neg.
A-1+
AA+
neg.
A-1+
AA
stable
A-1+
AA-
stable
A-1+
AA
Essonne (Department of)
stable
F1+
French Polynesia (Overseas Country of)
Guadeloupe (Department of)
AA-
stable
F1+
Ile-de-France (Region of)
AAA
neg.
F1+
A+
Marseille (City of)
Paris (City of)
AAA
stable
neg.
F1+
F1+
Pays de La Loire (Region of)
Picardy (Region of)
AA-
stable
F1+
Provence-Alpes-Cote d'Azur (Region of)
AA
stable
F1+
Puy-de-Dome (Department of)
AA
stable
F1+
AAA
neg.
F1+
A+
stable
F1
Rhone-Alpes (Region of)
Saint-Quentin-en-Yvelines (Metropolitan
Community of)
Seine-et-Marne (Department of)
Strasbourg (City of)
AA+
stable
F1+
Strasbourg (Urban Community of)
AA
stable
F1+
Val d'Oise (Department of)
AA-
stable
F1+
A-1
A-1+
A-1+
A-1+
*FitchRatings, Stand: 28.9.2012; Standard and Poor´s, Stand: 1.10.2012
Quellen: FitchRatings, Standard and Poor´s, Helaba Volkswirtschaft/Research
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Helaba Volkswirtschaft/Research · 5. Oktober 2012 · © Helaba
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