7 Peer Review – wie wir Qualität verbessern lernen

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7 Peer Review – wie wir Qualität verbessern lernen
7 Peer Review – wie wir Qualität
verbessern lernen
Oda Rink und Maria Eberlein-Gonska
7.1 Hintergrund – Peer Review
im Kontext der externen und
internen Qualitätssicherung
Die externe Qualitätssicherung entspricht einer Quali-
tätsbewertung von Gesundheitseinrichtungen
anhand anonymisierter Daten durch externe Institutionen (Benchmark) und ist in der Medizin
schon lange ein bewährtes und akzeptiertes Instrument der internen Qualitätssicherung. Dies
belegen die Ergebnisse der Perinatalstudie aus
den 70er Jahren (Selbmann 1978). Durch die kontinuierliche krankenhausübergreifende Erfassung von qualitätsrelevanten Daten konnte gezeigt werden, dass die Überlebenschance insbesondere sehr kleiner Frühgeborener mit einem
Geburtsgewicht unter 1.000 bzw. 1.500 Gramm
in dem dafür besonders eingerichteten bzw. in
der Behandlung erfahrenen Perinatalzentrum
und Schwerpunktkrankenhaus vor Ort sehr viel
größer war als in den übrigen Einrichtungen.
Innerhalb weniger Jahre erfolgte eine Konzentration der Hochrisikoentbindungen, die zu
einer erheblichen Abnahme der perinatalen
Mortalität insbesondere bei den Kindern mit
einem Geburtsgewicht unter 1.500 Gramm
führte. Durch das alleinige Aufzeigen der Ergebnisse externer Vergleiche und ohne jeglichen Druck durch die zuständige Landesregierung ist es gelungen, eine freiwillige Verhaltensänderung der Leistungserbringer mit einer
messbaren Qualitätsverbesserung zu erreichen.
Damit wurde über die Ergebnisse externer Qualitätsvergleiche die Versorgungslandschaft aktiv gestaltet, Patientenströme bewusst gelenkt
und zur Regionalisierung beigetragen.
In der weiteren Entwicklung der gesetzlich
verbindlichen externen Qualitätssicherung gemäß § 137 SGB V ist dieser Vergleich anhand
anonymisierter Daten um ein wichtiges Werk-
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zeug, den sogenannten Strukturierten Dialog, ergänzt worden. Diesen hat die ehemals vom Gesetzgeber beauftragte Bundesgeschäftsstelle
Qualitätssicherung (BQS) gemeinsam mit den
Geschäftsstellen auf Landesebene als Stufenschema zur Einleitung und Überprüfung von
Verbesserungsmaßnahmen entwickelt. Es
wurde erkannt, dass ein bei einem Qualitätsindikator auffälliges Ergebnis weitere Analysen und vor allem Maßnahmen erfordert. Außerdem muss als erstes geprüft werden, ob die
Auffälligkeit auf ein echtes Qualitätsproblem
zurückzuführen ist oder ob z.B. Besonderheiten im behandelten Patientenkollektiv eine
Rolle spielen. Liegt ein Qualitätsproblem vor,
muss ein Konzept erarbeitet werden, welche
Verbesserungsmaßnahmen notwendig sind
und wie diese am effektivsten umgesetzt werden können. Die erforderlichen Schritte sind
in ein strukturiertes Peer Review Verfahren integriert. So werden zunächst aufwandsarm strukturierte Stellungnahmen von den auffälligen
Krankenhäusern bzw. deren Abteilungen eingeholt und bei Bedarf persönliche Gespräche
zwischen Vertretern der auffälligen Krankenhäuser und den Fachgruppen vereinbart.
Schließlich besteht die Möglichkeit einer Begehung vor Ort, um auch Strukturen und Abläufe direkt begutachten zu können. Diese Visitationen erfolgen auf der Grundlage eines
strukturierten Kriterienkatalogs, nach dem sowohl generelle wie auch fachgebietsspezifische Struktur- und Prozessmerkmale evaluiert
werden. Die Durchführung obliegt so genannten Peers, d.h. „Ebenbürtigen“, die sich als externe und damit unabhängige Experten auf
„Augenhöhe“ begegnen und eine Bewertung
über die Güte bzw. Qualität des Unternehmens
abgeben.
Der Blick zurück in die Geschichte zeigt, wie alt und
bewährt das Ärztliche Peer Review Verfahren
ist. So reichen seine Wurzeln bis in das 11. Jahrhundert zurück, und auch international hat es
Akzeptanz und Wertschätzung als ein etabliertes und akzeptiertes Instrument nicht nur der
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Qualitätskontrolle und -sicherung, sondern
insbesondere des strukturierten und systematischen Ansatzes zur Verbesserung erfahren.
In Deutschland hat diesen Nutzen das Fach
der Pathologie frühzeitig erkannt und bereits
im Jahr 1991 mit der Veröffentlichung des Positionspapiers des Arbeitskreises „Pathologie“
des Ausschusses „QS ärztlicher Berufsaus-
übung“ der Bundesärztekammer Zeichen gesetzt. Der Arbeitskreis rief dabei zur Ausübung
einer interinstitutionellen Qualitätskontrolle
auf freiwilliger Basis auf und hat den Grundstein des seit 1999 im Freistaat Sachsen fest
etablierten und von der Sächsischen Landesärztekammer begleiteten und in Form einer
vom Vorstand beschlossenen Richtlinie Peer Review Verfahren Pathologie gelegt. Diese Richtlinie
trägt das Votum aller beteiligten Pathologen
im Zuständigkeitsbereich der Sächsischen
Landesärztekammer als konsentierten Beschluss.
In den letzten Jahren wurde in Deutschland
das Peer Review Verfahren nun auch in verschiedene Selbst- und Fremdbewertungsverfahren wie
KTQ (Kooperation und Qualität im Gesundheitswesen, www.ktq.de) und QEP (Qualität
und Entwicklung in Praxen, www.kbv.de) aufgenommen. Im Fokus steht regelmäßig die
Überprüfung der Einhaltung von Standards mit
dem Ziel der Qualitätsverbesserung.
!
Die Basis des Dialogs bilden dabei Fachkompetenz, Genauigkeit, Fairness und Respekt.
Mit Ausnahme dieser Grundmaximen kann
die methodische Vorgehensweise im jeweiligen Verfahren variieren, so dass es ratsam ist,
sich über den Ablauf im Vorfeld genau zu informieren.
Dieser Beitrag legt den Fokus auf die Ziele,
den Aufbau und den Ablauf des Peer Review
Verfahrens der Initiative Qualitätsmedizin als
eine der drei tragenden Säulen der Grundphilosophie von IQM.
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7.2 Ziel der Review Verfahren
Klares Ziel der Review Verfahren bei IQM ist es,
analog des bekannten PDCA-Zyklus einen kontinuierlichen internen Verbesserungsprozess in
den Kliniken zu etablieren und eine offene Fehler- bzw. Sicherheitskultur sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern.
Das Peer Review Verfahren bei IQM ist ein essentieller Baustein des Qualitätsmanagement
Systems und eine ursprünglich ärztliche Aufgabe. Ziel dieses Verfahrens ist es zunächst,
statistische Auffälligkeiten im Datenpool zu
analysieren und im Hinblick auf qualitätsrelevante Fragestellungen zu bewerten bzw. zu
identifizieren. Die Analysefälle werden zentral
von fachkompetenten und erfahrenen Ärzten
ausgewählt. Durch diese retrospektive Analyse
ist es möglich, nicht nur fachspezifische Fragestellungen, sondern vor allem auch interdisziplinäre Prozesse und Schnittstellen zu durchleuchten. Die Ergebnisse der Reviews und die
Optimierungsvorschläge werden ebenfalls interdisziplinär und kollegial als wesentliche Erfolgsfaktoren des Peer Review Verfahrens bei
IQM erarbeitet.
Die Reviews bei IQM stützen sich auf die auf
Routinedaten basierten Qualitätskennzahlen.
Analog zu einer Vorgehensweise, wie sie Walter Deming in seinem PDCA (= Plan-Do-CheckAct)-Zyklus beschrieben hat, dienen die Qualitätskennzahlen auch der nachfolgenden Erfolgsmessung der aus den Review-Verfahren
abgeleiteten Qualitätsverbesserungsmaßnahmen (s. Abb. 1), wie dies auch im HELIOS Jahresbericht 2005 veröffentlicht wurde (Mansky
u. List 2005).
Statistische Daten allein können zunächst
einmal nur ernstzunehmende Hinweise auf
mögliche Qualitätsprobleme liefern. Der tatsächliche Nachweis von Qualitätsmängeln
und das Erkennen von Optimierungsmöglichkeiten in den Behandlungsabläufen erfordert
jedoch die kritische Analyse realer Abläufe.
Unterschiede zwischen Kliniken hinsichtlich
Datenanalysen, Ergebnismessung
Behandlung/
Prozessqualität
Ergebnisqualität
(z.B. Sterblichkeit)
Peer Review
Abb. 1 PDCA Zyklus aus
dem HELIOS Jahresbericht 2005
der Qualitätskennzahlen müssen auf klinisch
fassbare Qualitätsunterschiede überprüft werden.
Definition Peer Review IQM
Konkrete Fälle bei statistischen Auffälligkeiten
in einer Klinik werden von medizinischen Experten kritisch und nach einer klar festgelegten
Vorgehensweise analysiert. Diese Peers sind
selbst Chefärzte oder Leitende Ärzte einer Abteilung und daher mit den täglichen Problemen
in den Routineabläufen einer Klinik bestens
vertraut. Außerdem sind sie anerkannte Fachexperten ihres jeweiligen Fachgebietes. Aus
Gründen der Praktikabilität erfolgt eine solche
Fallbetrachtung durch retrospektive Aktenanalysen, wohl wissend, dass im Nachhinein mit
der Kenntnis des weiteren Verlaufs u.U. Entscheidungen zur Diagnostik und Therapie ggf.
anders getroffen würden. Die Reviews betreffen
in der Regel eine Abteilung und eine Erkrankung oder Therapieentität wie zum Beispiel
Herzinfarkt oder Kolonresektionen oder auch
langzeitbeatmeten Patienten.
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I IQM – Ziele, Methoden, Ergebnisse
7.3 IQM Fachausschuss Peer Review
Der Fachausschuss Peer Review organisiert die
Review Verfahren bei IQM. Das bedeutet inhaltlich:
nnPlanung und Durchführung des Peer Review
Verfahrens für IQM-Mitglieder
nnFestlegung der Standards und Regeln zum
Ablauf der Reviews bei IQM
nnDiskussion und Aufarbeitung der Ergebnisse
aus den Reviews bei IQM
nnBenennung und Schulung der Reviewer
Zunächst wurde eine Einigung über die Grundsätze des Verfahrens herbeigeführt, an die sich
alle beteiligten IQM Mitgliedskliniken verbindlich halten müssen. Diese lauten:
nnKlärung statistischer Auffälligkeiten
(keine Repressalien)
nnChefarztsache/VWL (Durchsetzung)
nnzentrale Auswahl der zu reviewenden Abteilung (Treffsicherheit)
nnzentrale Fallauswahl
nnakzeptierte Analysekriterien (Rating)
nngemeinsame Review Teams/Schulungen
nnklare Regeln zum Ablauf (Verlässlichkeit)
nnVorgaben zum Protokoll (Lösungsvorschläge)
nnstrukturierte Auswertung (Transparenz
versus Datenschutz)
nnBefragung der Abteilungen nach den
Reviews (Evaluation)
Die Kriterien für die Analyse, die gemeinsamen
Grundlagen der Beurteilung der Fälle sowie die
Struktur der Protokolle wurden gemeinsam erarbeitet und konsentiert. Der Ablauf des gesamten Prozesses wurde festgelegt und Strategien zur Kommunikation dargestellt bzw. festgelegt. Inzwischen sind von allen Gründungsmitgliedern Peers benannt worden, die in zen-
tralen Schulungsveranstaltungen mit den
Einzelheiten des Verfahrens vertraut gemacht
wurden. Bis Ende 2010 werden 90 ausgebildete
Peers für die IQM Review Verfahren zur Verfügung stehen. Ein einvernehmlicher Beschluss
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lautet, dass für die Peer Review Verfahren IQM
nur ausgebildete Peers zur Verfügung stehen
und sich diese ausschließlich aus Chefärzten
rekrutieren (eine Vertretung ist nicht möglich).
7.3.1 Begleitung durch
die Bundesärztekammer
Die Ärztekammer Berlin und die Bundesärztekammer unterstützen IQM von Beginn an und
werden sich insbesondere bei den Review Verfahren aus folgenden Gründen engagieren:
So ist im Kontext der internen und externen
Qualitätssicherung die ärztliche Analyse von
Fällen ein großer Schritt in die richtige Richtung, da die Beurteilung der Behandlungsqualität eine urärztliche Aufgabe ist und künftig
bleiben soll bzw. von niemandem ersetzt werden kann. Die Beurteilung des Gesamtprozesses angefangen von der stationären Aufnahme
bis zur Entlassung im Hinblick auf Diagnostik,
Indikation zu diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen oder Intensivtherapie sowie
die Einhaltung von Standards und Leitlinien
kann nur von geschulten erfahrenen Ärzten erfolgen, die auch selbst aktiv im klinischen Alltag tätig sind.
Die Bundesärztekammer (BÄK) hat zunächst
die Pilotprojekte von IQM im Jahr 2009 begleitet
und wird sich in der Weiterentwicklung des
Verfahrens mit ihren Experten an den bestehenden QS Verfahren konstruktiv kritisch
einbringen. Eine mittelfristige Perspektive
wird die Einbindung der BÄK in die Ausbildung
und Schulung der Peers im Sinne der Erarbeitung eines Curriculums Peer Review sein, zu
dem bereits eine konstituierende Sitzung stattgefunden hat. 2010 wird deshalb eine kontinuierliche Begleitung der Reviews durch die Bundesärztekammer erfolgen.
Das besondere Problem des Datenschutzes
im Gesamtverfahren wurde gemeinsam mit
den Juristen der Bundesärztekammer beraten
und bearbeitet. Hier gibt es den Beschluss des
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Fachausschusses Peer Review, eine Einwilligungserklärung von allen Patienten aller IQM
Kliniken im Aufnahmeprozess unterschreiben
zu lassen, damit hier zukünftig klare juristische Verhältnisse bestehen. Weiterhin wurde
eine Vertraulichkeitserklärung für die Reviews
entwickelt, die in den Kliniken von allen Peers,
die ein Review durchführen, unterzeichnet
werden muss.
Die besondere Einbindung der Bundesärztekammer wird daran deutlich, dass sie einen
ständigen Gaststatus im IQM Fachausschuss
Peer Review hat, sodass hier eine völlige Offenheit und Transparenz erreicht wird.
7.3.2 Verantwortlichkeiten
Alle IQM Mitgliedskliniken und Träger sind dafür
verantwortlich, einen Vertreter/In in den Fachausschuss zu entsenden, der die Ergebnisse und
Informationen in die eigenen Strukturen weitervermittelt. Die Notwendigkeit dieser kontinuierlichen Information und Einbeziehung hat
sich in den vergangenen Monaten bestätigt,
dass der Top Down Prozess für eine Teilnahme
an IQM zwar oftmals sicher gestellt ist, allerdings ist die notwendige Information und Integration der im Verfahren praktisch teilnehmenden Chefärzte oftmals nicht zufriedenstellend.
Aus diesem Grund stehen zahlreiche Informationen und Präsentationen zur Erleichterung
dieser Aufgabe zur Verfügung, die über die IQM
Geschäftsstelle angefordert werden können.
7.3.3 Entscheidungsgremien
Profil der Fachausschussmitglieder
nnMitglieder der Lenkungsgruppe des Fach-
ausschuss: 1 Qualitätsmanager und 1 Chefarzt pro Trägergruppe
nnMitglieder des Fachausschusses: 1 Qualitätsmanager und 1 Chefarzt pro Träger
nnFachgruppe Peer Review: alle Chefärzte, die
als Peers benannt sind
Fachausschuss (FA)
Der Fachausschuss ist das alleinige Entscheidungsorgan für die Auswahl der Reviews. Die
vom FA verabschiedete Liste der Reviews ist gültig und die benannten Kliniken sind zur Teilnahme verpflichtet. Sollten stichhaltige Argumente gegen ein Review Verfahren vorliegen –
wie zum Beispiel Chefarztwechsel in einer Abteilung – muss dies vor der Entscheidung des FA
vom jeweiligen Vertreter des Trägers oder der
Klinik deutlich gemacht werden. Daher ist die
Teilnahme an den FA Sitzungen für alle Mitglieder essentiell. Die Mitglieder werden vom
IQM Vorstand berufen.
Lenkungsgruppe
Die Lenkungsgruppe hat die Aufgabe, die
Arbeit im Fachausschuss vorzubereiten und zu
strukturieren. Dafür stehen in dieser Gruppe
jeweils zwei Vertreter der vier Trägergruppen
(private Träger, freigemeinnützige Träger, öffentlich-rechtliche Träger, Universitäts­klinika)
zur Verfügung. Es hat sich bewährt, diesbezüglich Kolleginnen und Kollegen aus der Ärzteschaft und dem Qualitätsmanagement zu gewinnen, um verschiedene methodische und
inhaltliche Aspekte gleichermaßen abzudecken.
Fachgruppe Peer Review (alle Peers)
Die Peers werden von den zuständigen Mitgliedern im FA für die einzelnen Kliniken benannt.
Dafür wurde das folgende Anforderungsprofil
definiert:
nnfachliche Akzeptanz
nnDurchsetzungsfähigkeit
nnWille zur Veränderung
nn„Überzeugte“ des Verfahrens
nnhohe soziale Kompetenz
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I IQM – Ziele, Methoden, Ergebnisse
Die fachlichen Ausrichtungen der Peers sollen
zum jetzigen Zeitpunkt der Aufbauphase von
IQM zunächst vorwiegend Internisten, Chirurgen, Intensivmediziner und Neurologen sein.
Sicher werden zukünftig auch andere Fachgebiete für Reviews in Frage kommen, zunächst
aber wird mit Themen der genannten Fachgebiete begonnen.
Neben der fachlichen Expertise sind die
„Soft Skills“ der Peers von entscheidender Bedeutung für den Erfolg und die Akzeptanz des
Verfahrens insgesamt. Daher sollte dieser
Punkt bei der Auswahl und Benennung der
Peers besonders in den Mittelpunkt gerückt
werden.
Der Zeitaufwand soll in der Ausbildung wie
auch in der jährlichen Belastung für die Peers
möglichst klein gehalten werden, damit die
Chefärzte nicht vor Ort in ihren Kliniken zu
lange Abwesenheiten monieren müssen. Pro
Peer sollen maximal zwei Review Tage und je
ein Treffen zur Initialisierung der Reviews sowie zu den Ergebnissen aus den durchgeführten Reviews – also vier Arbeitstage pro Jahr –
nicht überschritten werden.
Eine finanzielle Vergütung der Peers ist
nicht vorgesehen und wäre der Grundidee des
interkollegialen Austausches mit beiderseitigem Nutzen für Peer und gereviewter Klinik abträglich. Hinzu kommt, dass jeder Peer auch
einmal selbst in seiner Klinik einem Review
Verfahren unterzogen werden soll, damit das
Verfahren von beiden Seiten erlebt werden
kann und Sorgen und Probleme der jeweils anderen Seite besser eingeschätzt werden können. Die anfallenden Reisekosten werden von
der Klinik getragen, die dem Review unterzogen wird, da hier der primär größte Nutzen erwartet wird.
7.3.4 Treffen und Ergebnisse
Die Lenkungsgruppe des Fachausschusses trifft
sich viermal jährlich und berichtet an den IQM
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Vorstand. Die Mitglieder sammeln einerseits
Wünsche und Anregungen aus den Mitgliedskliniken und informieren diese andererseits
über den Zwischenstand der FA Arbeit. Der
Fachausschuss wird verbindlich einmal jährlich im Frühjahr tagen, und zwar um die geplanten Review Verfahren festzulegen. Ein weiteres Treffen zu den Ergebnissen der Reviews
im Herbst ist ebenfalls wichtig. Für die Peers
sind hingegen beide Veranstaltungen (die Initialisierung der Reviews im Frühjahr und das
Ergebnistreffen im Herbst) Pflichtveranstaltungen. Die regelmäßige Teilnahme der Peers
wird erwartet und ist bindende Voraussetzung
für die Tätigkeit als Peer für IQM.
7.4 Auslöser eines Review Verfahrens
7.4.1 Auswahl der Klinik/Abteilung
Grundlage der Auswahl sind die von 3M nach
den IQM Indikatoren ausgewerteten Daten der
einzelnen Kliniken. In diesen Tabellen werden
zur Zeit 30 Krankheitsbilder mit 140 Kennzahlen abgebildet und mit Ziel- oder Erwartungswerten risikoadjustiert nach Alter und Geschlecht (wo sinnvoll und möglich) pro Klinik
dargestellt.
Auswahlkriterium 2010: Kennzahl über dem Erwartungswert, Kennzahl über dem Zielwert.
Die Vertreter der jeweiligen Träger im Fachausschuss werden sich in gemeinsamer Diskussion abstimmen und Besonderheiten der einzelnen Kliniken berücksichtigen. Die Peer Review Verfahren für das jeweilige Jahr werden
festgelegt.
Die ausgewählten Kliniken sind zur Teilnahme verpflichtet.
In Zukunft können weitere Auswahlkriterien hinzukommen, z.B. Kennzahl weit unter
Erwartungswert. Es werden im Fachausschuss
Indikatoren zukünftig weitere Kennzahlen entwickelt, die immer mehr Auswahlmöglichkeiten für die Review Verfahren bieten werden.
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7 Peer Review – wie wir Qualität verbessern lernen
Tab. 1 Beispiel aus der Ergebnistabelle mit Anzahl der Fälle für das Review Verfahren
Qualitätsindikatoren
IQM Zielwert
Quelle
Rate KH
Zähler
Nenner
05.06 – Hirninfarkt (ICD I63, Alter >19), Anteil Todesfälle,
aufgetreten
< Erwartungswert
StBa 2007
12,23%
34
278
Hirninfarkt (ICD I63, Alter >19), Anteil Todesfälle, erwartet
(Bund 7,7%)
StBa 2007
8,84%
7.4.2 Fallselektion, Erstellung der Falllisten
Die Überschreitung der Zielwerte wird in den
Tabellen automatisch mit einem gelben Feld
gekennzeichnet. Je nach Größe der Abteilung
und ja nach Kennzahl können sich dahinter
unterschiedlich große Fallzahlen verbergen. In
einem Review können aber maximal 20 Fälle
sorgfältig von den Peers innerhalb eines Tages
analysiert werden. Es müssen also unter Umständen die Fälle auf diese Anzahl reduziert
werden (s. Tab. 1).
Von den 34 aufgetretenen Todesfällen werden z.B. die 20 jüngsten Patienten identifiziert
und in die gültige Fallliste aufgenommen. Auf
diese oder ähnliche Weise werden konkrete
ano­nymisierte Fälle definiert, die alle in dem
Verfahren beurteilt und analysiert werden
müssen. Die Rückidentifizierung der ano­
nymisierten Fallnummern kann ausschließlich im jeweiligen Krankenhaus selber erfolgen und so die passende Patientenakte gefunden werden. Eine fehlende Akte wird als Optimierungspotenzial bewertet, um dafür Sorge
zu tragen, dass alle definierten Fälle vorgelegt
werden.
7.5 Planung der Reviews
Die sorgfältige Information aller Beteiligten
und die entsprechende Kommunikation über
Inhalte und Abläufe sind essentiell für die Akzeptanz und das Gelingen der Reviews. Folgende Schritte müssen in der zeitlichen Abfolge
eingehalten werden und entsprechen abgestimmten Verfahrensregeln bei IQM:
1. Information der Chefärzte der Klinik, die
ein Review erhält, durch die Fachausschuss-Mitglieder
2. Information der Review Teams über Ansprechpartner in der Klinik durch die FA
Mitglieder
3. Telefonische Kontaktaufnahme mit dem
verantwortlichen Chefarzt durch den
Teamleiter
4. Schriftliche Information über die Inhalte und den Ablauf der Reviews durch den
Team­leiter
5. Gemeinsame Terminfindung für das Review
mit der Klinik durch den Teamleiter
6. Interne Koordination und Vorbereitung
durch den verantwortlichen Chefarzt
7.5.1 Teamleiter und Review Team
Das Review Team besteht aus dem Teamleiter
und weiteren drei Chefärzten. Das Team ist interdisziplinär besetzt, damit unterschiedliche
Blickwinkel und interdisziplinäre Schnittstellen und Abläufe fachgerecht beurteilt werden
können. Der Teamleiter ist verantwortlich für
die Organisation des Reviews, die Moderation
des kollegialen Austausches und das Erstellen
des Protokolls. Er ist Ansprechpartner für alle
Fragen und Probleme rund um das Review und
dazu verpflichtet, alle notwendigen Informationen frühzeitig an die Klinik zu vermitteln und
die IQM Review Regeln einzuhalten. Der Teamleiter ist ein erfahrener Peer und mit den Abläufen und Fallstricken des Verfahrens bestens
vertraut. Im Team werden immer auch neue
Peers trainiert, sie gewinnen an Erfahrung und
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I IQM – Ziele, Methoden, Ergebnisse
sollen dadurch in die Lage versetzt werden, später auch als Teamleiter tätig zu werden.
!
Grundsatz
Die Kollegen vor Ort werden so behandelt, wie
man selbst bei einem Review Verfahren auch behandelt werden möchte – mit kollegialer Freundlichkeit, Fairness und Respekt.
Demzufolge wurden verschiedene Verfahrensregeln festgelegt, die den erfolgreichen Ablauf
eines Peer Review Verfahrens sicherstellen
sollen.
Pflichten der Abteilungen
Unterlagen
nnVorbereitung und Sortierung der Akten
nnfür jeden Fall liegt ein Bewertungsbogen
ausgefüllt vor.
nnVollständigkeit der Akten bei Behandlung in
mehreren Abteilungen (Intensiv/Geriatrie
usw.)
nnRöntgen/CT/MRT/Sonografien und anderes
Bildmaterial muss zugänglich sein.
nnStrom, Beamer, Zugang zu PACS, (KIS)
nnvollständig, übersichtlich, fachübergreifend
Pflichten der Review Teams
Terminkoordinierung vor Ort
nnInformationsschreiben vorab über benötigte
nndurch CA oder ÄD
Unterlagen, Falllisten, beteiligte Personen
und Kliniken
nngemeinsame Terminfindung
nnVerlässlichkeit (Termin, Beginn, Dauer)
nnVertraulichkeit wahren, Schweigepflicht
einhalten
nnzu Beginn des Tages Terminierung der gemeinsamen Falldiskussion und des Abschlussgespräches
nnSouveränität der Reviewer
nnfachlich kompetente offene kollegiale Diskussion aller Fälle
nnAbschlussgespräch gemeinsam mit dem ÄD,
GF und den beteiligten CÄ
nnProtokoll standardisiert innerhalb von einer
Woche
nnEinbeziehen aller an der Behandlung betei-
ligten Fachabteilungen
nnpünktliche Abschlussbesprechung
nnBesprechung aller Fälle
Unterbringung und Versorgung
nnsaubere, helle Räume
nnGetränke, Kaffee, Brötchen, etc.
Ansprechpartner für den Review Tag zur Verfügung
stellen
nnorganisatorisch: Sekretariat
nninhaltlich: ärztlicher Dienst
7.5.3 Kriterien und Bewertungsbogen
7.5.2 Kommunikation und Terminplanung
Der Klinik muss ausreichend Zeit für die Vorbereitung und eigene Analyse der Akten nach
den Review Kriterien eingeräumt werden. Das
bedeutet, dass der Review Termin frühestens 4
bis 6 Wochen nach dem Erhalt der Falllisten
stattfinden kann.
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Inhalt der Reviews ist neben dem Besuch durch
das Review Team vorab die Analyse und Bewertung der Fälle nach den IQM Kriterien durch die
Abteilung selbst (s.a. Bewertungsbogen unten).
Die Selbsteinschätzung und die Bewertung
durch das Review Team werden abschließend
bezüglich ihrer Übereinstimmung ausgewer-
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Tab. 2 Analysekriterien
Diagnostik und Behandlung adäquat und zeitgerecht?
nnpräoperativ/intaoperativ/postoperativ?
nndiagnostische Maßnahmen?
nnkonservative Therapie/Interventionen?
Behandlungsprozess zielführend und
zeitnah kritisch hinterfragt?
nnExistieren Arbeitsdiagnosen?
nnProblemerkennung/-lösung zeitnah?
Indikation zur OP/Intervention/Intensivtherapie inhaltlich
angemessen und rechtzeitig?
nnSchnittstellenprobleme?
nnKomplikationsmanagement?
nnManagement Risikopatient?
Wurden Behandlungsleitlinien/Standards berücksichtigt?
nnEinhaltung von LL oder begründete Abweichung?
nnerkennbare sinnvolle Therapiestandards?
Kontrollen der Behandlungsverläufe?
nndurch behandelnde Ärzte der Abteilung?
nnärztliche Übergaben?
nnOA-/ChA-Visiten?
nnKonsiliarärzte?
nnKooperation Pflege/therapeutische Teams?
interdisziplinäre Zusammenarbeit reibungslos?
nnpräoperativ/postoperativ?
nnprä-/postinterventionell?
nnIntensivmedizin/Konsiliardienste?
War die Dokumentation umfassend und schlüssig?
nnAufklärung zur OP/Intervention?
nnBehandlungsverlauf?
nnTherapieentscheidungen?
nnOP-Bericht und Verlegungsberichte?
nnKonsile?
nnTherapiebegrenzungen?
nnArztbrief inhaltlich logisch?
tet. Daher muss der Chefarzt frühzeitig mit den
Analysekriterien (s. Tab. 2) vertraut gemacht
werden und vor allem auch auf die interdisziplinäre, abteilungsübergreifende Gesamtbewertung des Falles von der Aufnahme bis zur
Entlassung hingewiesen werden.
Bewertungsbogen
Anhand der Analysekriterien jeden Fall einordnen!
Haus und Abteilung: Fall Nr. (der anonymisierten Fallliste): Alter: Reviewer: Nur eine Bewertung ankreuzen (Punkt 1 hat Vorrang vor der Einstufung nach 2):
1. Verbesserungsmöglichkeiten in Diagnostik und/oder
Therapie erkennbar
 sicher
 vermutet
2. Kodierung falsch
(es gilt die Hauptdiagnosedefinition des DRG-Systems,
nicht die der Todesursachenstatistik!)
 sicher
 vermutet
3.  Keine Auffälligkeiten
Übereinstimmung mit Selbst-Review des Hauses
(Kategorie 1, 2, 3):  ja  nein
Todesursache: Bei Zutreffen von 1. bitte stichwortartige Angaben zur Art
der Verbesserungsmöglichkeiten: 7.6 Durchführung am Review Tag
7.6.1 Fallanalysen
Die retrospektive Analyse der Patientenakten
nimmt in der Regel 4 Stunden in Anspruch. Die
Anzahl ist auf 20 Akten begrenzt, damit das Review Team sorgfältig alle Akten studieren und
analysieren kann, also 4–5 Akten pro Peer. Alle
Fälle werden im Team kurz vorgestellt und im
Hinblick auf die Bewertung vor allem auch interdisziplinär diskutiert. Die Bewertung erfolgt
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I IQM – Ziele, Methoden, Ergebnisse
einstimmig. Fehlende Patientenakten werden
als Optimierungspotenzial bewertet, um zu erreichen, dass alle Akten der Falllisten vorgelegt
werden. Die Bewertungen werden mit der
Eigenanalyse der Abteilung verglichen und die
Übereinstimmung im Protokoll festgehalten.
Alle fallbezogenen schriftlichen Bewertungen
werden nach dem Review vernichtet.
7.6.2 Falldiskussion
Die Falldiskussion mit der Abteilung ist das
Kernstück des Review Tages und entscheidet
über Wirkung und Akzeptanz des Verfahrens
insgesamt. Daher müssen alle Fälle gemeinsam besprochen werden und auf Art und Weise
der Kommunikation großer Wert gelegt werden. Je nach Fällen und Situation sind auch
hierfür 3–4 Stunden einzuplanen. Der Teamleiter ist der Moderator dieses Gespräches. Die
Teammitglieder stellen jeweils ihre Analysen
vor und treten in die fachliche Diskussion ein.
Im Grundsatz muss das Protokoll die Ergebnisse dieses Gespräches widerspiegeln.
7.6.3 Information ÄD und GF
Neben einleitenden Bemerkungen und den
Dank an alle Beteiligten ist hier besonders die
Zusammenfassung von Lösungen bei systematischen Problemen der wichtigste Punkt. Themen können sein: Schnittstellen, Standards,
Leitlinien, Dokumentation, Abläufe. Personaldiskussionen und Strukturthemen sollten
nicht im Mittelpunkt stehen.
7.6.4 Protokoll
Das Protokoll ist standardisiert und sollte möglichst bereits am Ende der Fallanalysen durch
das Review Team in den wichtigsten Punkten
erstellt werden. Die enthaltenen Tabellen sol-
68
len gemeinsam ausgefüllt werden, da diese die
Grundlage der späteren Gesamtauswertung der
Review Verfahren sind. Besonders wichtig erscheint die Einigung des Review Teams auf
konkrete Punkte, die verbessert werden sollen
sowie auf konkrete Vorschläge, wie diese Verbesserungen zu erreichen sind. Fallbezogene
Einzelbeschreibungen sind nicht Inhalt des
Protokolls. Lösungsmöglichkeiten sollen der
Klinik Ansatzpunkte zu konkretem Handeln
bieten. Die Verantwortung für die Umsetzung
liegt bei dem Chefarzt vor Ort, die Kontrolle der
Umsetzung obliegt dem ÄD und der GF der jeweiligen Klinik.
7.6.5 Feedback Fragebogen
Der Feedback Fragebogen bietet den teilnehmenden Kliniken die Möglichkeit, sich zum
Verfahren zu äußern. Ziel ist vor allem die Akzeptanzsteigerung durch Kommunikation und
Transparenz und die weitere Optimierung des
Verfahrens. Es werden jeweils fünf Fragen zu
Organisation, kollegialer Falldiskussion, Atmosphäre und Ergebnissen gestellt, zusätzlich
besteht die Möglichkeit, persönliche Bemerkungen anzufügen.
7.7 Ergebnisse und Nachhaltigkeit
Der Erfolg jedes Managements in allen Branchen, auch im Gesundheitswesen, steht und
fällt mit der Umsetzung der Konzepte und der
nachhaltigen Sicherung in der Praxis. Dabei
werden unterschiedliche Strategien diskutiert:
zum einen die „Bombenwurf- oder Revolutionsstrategie“ und zum anderen die „Evolutionsstra-
tegie“. Letztere folgt den Prinzipien des Qualitätsmanagements und beteiligt, d.h. involviert,
die betroffenen Mitarbeiter an den Veränderungsprozessen. Das Peer Review Verfahren IQM
setzt eindeutig auf diese Strategie und folgt damit folgenden drei wesentlichen Grundsätzen:
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7 Peer Review – wie wir Qualität verbessern lernen
nnBetroffene zu Beteiligten machen (Involve-
ment)
nnLernen durch Erfahrung
nnHilfe zur Selbsthilfe
Ein kritischer Erfolgsfaktor für Nachhaltigkeit
im Krankenhaus ist die ausdrückliche Unterstützung der Leitung als Vorbildfunktion. Dabei gilt der Satz von Seneca: „Wer nicht weiß, wo-
hin er segeln will, für den ist kein Wind der richtige“.
Eine klare Strategieformulierung ist damit im
Krankenhaus von essentieller Bedeutung. Vision und Strategie erfüllen dabei keinen
Selbstzweck für die Klinikleitung, sondern
sind Eckpfeiler für zielgerichtetes Handeln.
Aus diesem Grund erklärt sich die hohe Anbindung an die medizinische und organisatorische Leitung im Rahmen des Peer Review Verfahrens bei IQM, das den Fokus auf nachhaltige Verbesserung und damit Veränderung setzt.
Die Leitung muss dabei selbst bereit sein,
einen Status Quo kritisch zu hinterfragen und
ggf. aufzugeben sowie sich in die Gestaltung
neuer Prozesse aktiv einzubringen.
nnÜberprüfbarkeit
durch Messung und Bewertung der
Qualität auf der Basis von Routinedaten
nnTransparenz durch verbindliche Veröffentlichung der
Ergebnisse für alle
nnVerbesserung/Aktives Qualitätsmanagement durch das
Peer Review Verfahren zur Beseitigung von Schwachstellen
Durch diese Verknüpfung ist dieses Verfahren besonders
geeignet, zur tatsächlichen Verbesserung medizinischer
Qualität beizutragen. Die beteiligten Kliniken und Peers
lernen voneinander und pflegen den kollegialen interdisziplinären Austausch als Ausdruck einer gelebten Qualitätskultur wie sie ursprünglich unter dem Begriff des
„Qualitätsmanagements“ verstanden worden war.
Dazu ist es – besonders bei weiter wachsender Mitgliederanzahl bei IQM – dringend erforderlich, die Fortbildung der Peers sehr gut zu strukturieren und die besonderen Anforderungen zu berücksichtigen. Dies wird IQM
gemeinsam mit der BÄK in einem Fortbildungscurriculum
abbilden. Eine Arbeitsgruppe zusammen mit allen am Review Verfahren interessierten Institutionen wurde bereits
etabliert und nimmt die Arbeit auf. Bis Ende des Jahres soll
das Curriculum „Ärztliches Review Verfahren“ fertig gestellt sein.
Ausblick
Literatur
Die IQM Review Verfahren dienen dem Ziel, in den beteiligten Kliniken einen kontinuierlichen internen Verbesserungsprozess zu initiieren und nachhaltig umzusetzen.
Grundlage bilden die drei wesentlichen Säulen von IQM:
Mansky T, List S (2005) Medizinischer Jahresbericht HELIOS 2005,
HELIOS Kliniken GmbH, S. 156–157
Selbmann H-K (1978) Qualitätskontrolle in der Perinatologie.
Münchner Medizinische Wochenschrift 120: 595–596
Jahrbuch Qualitätsmedizin 2010 (Hrsg.: R. Kuhlen | O. Rink | J. Zacher).
© Initiative Qualitätsmedizin IQM und MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
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I IQM – Ziele, Methoden, Ergebnisse
Dr. med. Oda Rink
Nach Medizinstudium in Marburg und Frankfurt Ausbildung zur Fachärztin für Chirurgie
in Bad Wildungen und Wuppertal. 1986 Anerkennung Fachärztin für Chirurgie, ab 1989
Ausbildung zur Fachärztin für Gefäßchirurgie. 1992–2008 Chefärztin der Abteilung für
­Chirurgie am St. Josefs Hospital in Bochum Linden, Aufbau der Fußchirurgie im HELIOS
Konzern. 1994 Gründung des Medizinischen Beirates der HELIOS Kliniken, 1999 Aufbau des
Peer Review Verfahrens in den HELIOS Kliniken, seit 2008 Leiterin des IQM Fachausschusses
Peer Review.
PD Dr. med. habil. Maria Eberlein-Gonska
Seit 2000 Leiterin Zentralbereich Qualitätsmanagement am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden. Fachärztin für Pathologie. European Master in Quality Management,
akkreditierte KTQ-Visitorin, leitende Systemauditorin im Gesundheitswesen, EFQM-Assessorin und Mitglied im Akkreditierungsbeirat QEP (Qualität und Entwicklung in ­Praxen).
Lehraufträge an der Medizinischen Fakultät Dresden, der Dresden International University
und der Technischen Universität Kaiserslautern. Vorsitzende des Ausschusses Qualitätssicherung in Diagnostik und Therapie der Sächsischen Landesärztekammer und Mitglied
Ständige Konferenz Qualitätssicherung der Bundesärztekammer. Seit 2007 Vorsitzende
der Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung e.V. (GQMG).
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Jahrbuch Qualitätsmedizin 2010 (Hrsg.: R. Kuhlen | O. Rink | J. Zacher).
© Initiative Qualitätsmedizin IQM und MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.