10.9.2016, Gottesdienst zum Welttag der Suizidprävention Kaiser

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10.9.2016, Gottesdienst zum Welttag der Suizidprävention Kaiser
10.9.2016, Gottesdienst zum Welttag der Suizidprävention
Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
Pfarrer Martin Germer
Brücken und Geländer – Führe uns nicht in Versuchung
Liebe Gemeinde!
„Like a Bridge Over Troubled Water”. Viele werden es eben beim Orgelspiel erkannt
haben: der Nummer-eins-Hit von Simon & Garfunkel, 1970, ein richtiger Oldie also,
aber auch heute noch immer wieder gern gehört: „Wie eine Brücke über aufgewühltes Wasser“ will ich für dich da sein. So heißt es da. Wenn du erschöpft bist und niedergeschlagen. Wenn du dich ganz klein fühlst und mutterseelenallein. Wenn alles für
dich dunkel ist, wenn Schmerzen dich quälen. Dann will ich dich trösten und für dich
da sein. „Like a Bridge Over Troubled Water“. „Wie eine Brücke über aufgewühltes
Wasser“.
So singt es ein junger Mann für seine Liebste – als großes Versprechen. Ich will immer
für dich da sein. So könnte ein treuer Freund es sagen, der Freundin, dem Freund. Auf
mich kannst du dich verlassen. Auch wenn sonst alles für dich ins Wanken kommt.
Glaub mir. Lass dich drauf ein. Wie turbulent oder auch wie bedrohlich dein Leben dir
auch erscheinen mag. Ich halte zu dir. „Like a Bridge Over Troubled Water“. Und diese
Brücke soll dich tragen, wenn es darauf ankommt. Eine Brücke zum Leben.
So möchten es auch Eltern ihrem Kind gern irgendwie zu verstehen geben, wenn es
seelisch in Not geraten ist. Wir sind für dich da. Wir möchten dir helfen. Und wenn
wir es nicht sind, als Eltern, die dir jetzt helfen können, weil wir viel zu sehr verstrickt
sind mit dir und du mit uns, und weil du von uns jetzt nichts annehmen kannst: dann
lass dir doch von anderen helfen! Von Freunden, wenn es die für dich gibt. Von erfahrenen Therapeuten, von Menschen, die so etwas kennen und die damit umgehen
können. Sieh doch: da sind Brücken, die stehen für dich bereit. Die könnten dich hinausführen aus dem, was dich jetzt so gefangen hält. Die können dich wieder auf festen Boden bringen. Lass dich doch darauf ein. Bitte!
Doch dann geschieht es auch, dass jemand, der für sich selbst nicht mehr weiter
weiß, geradewegs eine Brücke ansteuert. Eine Brücke, die ein tiefes Tal überspannt.
Oder unter der weit unten das Wasser so unaufhaltsam dahinströmt. Und dann geht
es nicht mehr darum, dass diese Brücke trägt und verbindet. Sie soll dann umgekehrt
zum Ort werden, um sich in die Tiefe zu werfen, um sich aus dem Leben fallen zu lassen.
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Wenn wir das Wort Golden-Gate-Bridge hören, dann haben wir vermutlich alle gleich
das Bild vor Augen, wie sie traumschön die Bucht von San Francisco überspannt. Von
dieser wundervollen Brücke aus sind in den 80 Jahren, die es sie gibt, mehr als 1.600
Menschen in den Tod gesprungen. Zwei bis drei jeden Monat.
Dabei gibt es dort regelmäßige Patrouillen, es gibt Überwachungskameras und Krisentelefone. Und das alles hat schon sehr viel bewirkt. Die Zahl der Menschen, die
dadurch vom tödlichen Sprung abgehalten werden konnten, beträgt das Doppelte bis
Dreifache. 50 bis 80 Menschen konnten auf diese Weise Jahr um Jahr gerettet werden manchmal sogar mehr als hundert.
Das Geländer am Fußweg, mit Blick auf die Stadt, ist nur gut einen Meter hoch. Das
reicht, um Menschen vor einem versehentlichen Sturz zu bewahren. Für jemand aber,
der getrieben ist von der Vorstellung, nicht mehr leben zu können, nicht mehr leben
zu sollen, ist das nur ein sehr kleines Hindernis. Deshalb wird seit langem diskutiert,
das Geländer auf eine nur schwer übersteigbare Höhe von über zwei Metern zu bringen. Weil das aber wohl das Aussehen der Brücke stark beeinträchtigen würde, hat
man vor zwei Jahren begonnen, unterhalb der Brücke auf der Fußwegseite Fangnetze
anzubringen, um auf diese Weise Menschen vom tödlichen Sprung abzuhalten.
Auch in Deutschland gibt es solche Brücken, von denen immer wieder Menschen in
die Tiefe springen, um sich das Leben zu nehmen. Zum Teil auch hier einmal pro Monat oder öfter. Und bei etlichen dieser Brücken gibt es Bestrebungen, endlich etwas
an den Geländern zu tun. Dass sie nicht mehr 1,20 Meter hoch sind und womöglich
noch wie auf dem Foto vorn auf dem Gottesdienstblatt Querstreben haben, die das
Überklettern erleichtern, sondern dass sie deutlich erhöht werden, sodass man ohne
Hilfsmittel oder ohne große Anstrengung nicht hinüberkommt. Der Funkturm hier in
Berlin oder der Grunewaldturm haben schon vor Jahrzehnten unübersteigbare Gitter
rund um ihre Aussichtsplattform bekommen – aus gutem Grund. Bei derartigen Brücken müsste ähnliches zum Schutz geschehen. Und beim Neubau hoher Brücken
müsste es von vornherein so eingeplant werden.
Dafür setzen sich zum Beispiel Menschen aus Kiel ein, die heute unter uns sind. Aus
eigener Betroffenheit als Angehörige wollen sie andere gefährdete Menschen vor
dem tödlichen Sprung bewahren. Das von ihnen mit Fachleuten initiierte „Brückenbündnis“ tritt seit Jahren dafür ein, dass die beiden Hochbrücken, die bei KielHoltenau den Nord-Ostsee-Kanal überspannen, höhere Geländer bekommen und
dass der Zugang zur Geländer-Außenseite versperrt wird. Und nach langem Zögern
sind sie in diesem Jahr damit auch an die Öffentlichkeit gegangen.
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Zögern deshalb, weil es natürlich nicht dazu führen soll, dass womöglich gefährdete
Menschen erst recht auf diese Brücken aufmerksam gemacht werden. Mut gemacht
hat der Gruppe das Schicksal eines gut 50-jährigen Familienvaters, der aus einer
akuten Depression heraus von der 46 Meter hohen Olympiabrücke gesprungen war
und den Sturz auf die Wasseroberfläche schwer verletzt überlebt hat. Heute, drei Jahre später, nach intensiver Therapie und vielen Gesprächen ist er froh und dankbar,
überlebt zu haben. „Es lohnt sich zu leben“, kann er sagen.
Ähnliches belegt eine Untersuchung, die schon vor 40 Jahren in den USA gemacht
wurde. Man ist den Schicksalen von über 500 Menschen nachgegangen, die auf der
Golden Gate Bridge im letzten Augenblick vor dem tödlichen Sprung bewahrt werden
konnten. Nur 5 Prozent von ihnen haben sich später auf andere Weise das Leben genommen! Für alle anderen gab die Bewahrung in diesem Moment den Anstoß für
eine Rückkehr ins Leben. Bildlich gesprochen: Die Brücke konnte sie wieder tragen.
Statistische Aussagen sind immer schwierig, in diesem Bereich ganz besonders.
Trotzdem sagen Fachleute mit Überzeugung: Bauliche Maßnahmen an solchen Stellen können Leben retten. Sie sind wirksame Suizidprävention. Es ist nicht so, wie man
spontan meinen möchte: Wer an der einen Stelle seine Absicht nicht verwirklichen
kann, sucht sich dann eben einen anderen Ort oder eine andere Methode, um aus
dem Leben zu gehen.
Die allermeisten Suizide und Suizidversuche sind nicht von langer Hand geplant, sondern geschehen in einem seelischen Ausnahmezustand, in einer akuten Zuspitzung
einer Depression. Wenn dann das Gefühl übermächtig wird, nicht mehr leben zu können, dann sind es bestimmte Orte, die sich mit der verführerischen Vorstellung verbinden: Hier könntest du allem ein Ende setzen. Besonders markante und gut erreichbare Brücken gewinnen dann tödliche Faszination. Wenn man dann aber feststellen muss, dass man hier sein Vorhaben nicht so leicht verwirklichen kann, dann
wird man es mit relativ großer Wahrscheinlichkeit nicht gleich ein Stück weiter probieren. Vielmehr könnte das „Scheitern“ an dieser Stelle für den betreffenden Menschen zum Fingerzeig werden, sich doch auf therapeutische Hilfe einzulassen – oder
den mühsamen, den gerade wieder tief fraglich gewordenen Weg der Therapie weiterzugehen. „Like a Bridge Over Troubled Water“.
Darum wollen wir nachher in unserem Gottesdienst ausdrücklich für solche Initiativen
beten, die an speziell gefährlichen Orten, zum Beispiel auch in der Nähe psychiatrischer Einrichtungen, für wirksame bauliche Veränderungen eintreten. Und dass solche Argumente und solche Erfahrungen Gehör finden. Nicht weil wir meinten, dass es
nur überall hohe Zäune geben müsste, um wirksam Suizide zu verhindern. Aber weil
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wir wissen, dass wir Menschen an bestimmten Stellen Geländer brauchen, um über
Brücken gehen zu können. Wir brauchen sie schon unter ganz normalen Umständen.
Und im Zustand einer seelischen Erkrankung, wie sie jeden Menschen treffen kann,
und bei besonderen krisenhaften Zuspitzungen brauchen wir sie erst recht. Manchmal wirklich zum Schutz vor uns selbst oder, genauer noch, vor der seelischen Krankheit, die sonst übermächtig zu werden droht.
„Like a Bridge Over Troubled Water“. Leider ist mir kein Lied eingefallen, das ähnlich
schön von Geländern erzählen würde. Aber es gibt Worte, die sind für mich wie ein
solches Geländer zum Schutz vor uns selbst oder dem, was uns von innen heraus in
Gefahr bringen möchte. „Und führe uns nicht in Versuchung“, sprechen wir jedes Mal,
wenn wir das Vaterunser beten, „sondern erlöse uns von dem Bösen“.
„Führe uns nicht in Versuchung“, beten wir im Wissen, dass wir allesamt viel weniger
Herr unseres eigenen Lebens sind, als wir normalerweise oft meinen. Wir sind in vielfacher Hinsicht in Gefahr, Versuchungen zum Bösen, zum Lebensfeindlichen zu erliegen. Aus uns selbst heraus, aus eigener innerer Stärke, aus eigener Klarheit können
wir dem längst nicht immer entgehen. Wir brauchen dazu die Hilfe Gottes. Wir brauchen dazu auch Geländer, buchstäblich und im übertragenen Sinne, dass sie uns davor bewahren, solchen Versuchungen nachzugeben.
Das gilt in vielfältiger Weise. Aber da, wo es um das Leben selbst geht, da, wo Menschen in Versuchung geraten, ihr eigenes Leben als nicht mehr bewahrenswert zu
empfinden, da gilt es ganz besonders. Da, wo Menschen in Gefahr sind, den Gedanken auch an ihre Angehörigen völlig auszublenden und an das Leid, das sie ihnen zufügen, wenn sie jetzt aus dem Leben gehen. Da, wo sie in Gefahr sind, alles das für
nichts zu achten, was sie im Leben hält und was es an Hilfe geben könnte und an Brücken ins Leben, da können wir das nur mit allem Nachdruck beten: „Führe uns nicht in
Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“
Wir stehen in der Vorbereitung unserer Gottesdienste zum Welttag der Suizidprävention immer wieder vor der Frage, ob nicht auch der Satz „Suizid ist Sünde“ ein solches
Geländer sein kann, um zumindest gläubige Menschen vor der tödlichen Versuchung
zu bewahren. Hier ist eine Grenze, die sollst und die wirst du nicht überschreiten.
Bleib auf der Brücke, über die Gott dich gehen lässt – selbst wenn sie unter dir
furchtbar zu wanken scheint und du das Gefühl hast, sie könnte dich nicht mehr tragen.
„Suizid ist Sünde“ soll und darf nicht heißen: Wer selbst seinem Leben ein Ende setzt,
trennt sich damit unwiderruflich von Gott. Nein, „nichts kann uns trennen von der
Liebe Gottes“, die uns „in Jesus Christus“ geschenkt ist – so haben wir es vorhin ge4
hört – und das gilt auch und gerade hier. Und wenn wir im Psalm gebetet haben „bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du, Gott, auch da“, und unsere Seelen„Finsternis ist nicht finster bei dir“, so gilt das für alle, die durch Suizid aus dem Leben
gegangen sind, ebenso und erst recht.
Aber solange wir im Leben sind, sollen wir wissen und sollen uns dadurch auch gehalten fühlen: Dies Leben ist uns von Gott gegeben und anvertraut, für uns selbst und
für die Menschen, die zu uns gehören und auch noch darüber hinaus. Wir können
und sollen darauf vertrauen, dass er uns einen Weg finden lässt, den wir gehen können. Und sollen uns darin gegenseitig beistehen. Wir sollen uns dafür auch Hilfe suchen und sollen nicht zu stolz sein, uns Hilfe gefallen zu lassen. Den Weg aus diesem
Leben heraus zu gehen, das steht uns nicht zu. Jedenfalls solange unser Leben noch
Zukunft hat oder haben könnte. Dies Geländer haben wir nicht zu überschreiten. Und
dass wir dies nicht tun, darum beten wir: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern
erlöse uns von dem Bösen.“
Eine kleine Schlussbemerkung. „Bridge Over Troubled Water“ ist ein Lied des Vertrauens und der Ermutigung zwischen Menschen. Als solches ist es schön und kostbar, auch noch nach über 45 Jahren. Als Paul Simon den Text damals geschrieben hat,
da stand aber wohl auch die Erinnerung an ein Spiritual im Raum, bei dem es um das
Vertrauen zu Gott geht: „Mary don’t you weep“. Hier hatte ein Sänger spontan die
Zeile eingefügt: “I’ll be your bridge over deep water if you trust in me.” Zu deutsch:
„Ich werde Dir eine Brücke über tiefes Wasser sein, wenn Du mir vertraust.“
Hier ist die Brücke über tiefes Wasser ein Bild für das Vertrauen zu Gott. Dass er uns
im Leben hält und zum Leben führt. Dass er uns trägt und uns Halt gibt, auf unsichtbare Weise selbst da, wo wir Menschen das Gefühl haben, allen Halt zu verlieren.
Und dass er uns hilft, einander beizustehen und uns Hilfe gefallen zu lassen. Davon
leben wir alle. Dafür können wir ihm dankbar sein. Und darum wollen wir ihn nun
gleich auch erneut bitten, miteinander und füreinander.
Amen.
Fürbittengebet:
Unser Glaube lehrt uns, aufeinander acht zu haben und einander beizustehen. In dieser Grundhaltung der Verantwortung für unsere Mitmenschen wissen wir uns verbunden mit den Anhängern anderer Religionen und auch mit vielen Menschen ohne
religiöses Bekenntnis.
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So lasst uns nun beten, miteinander und füreinander - und für die Menschen, die unser Gebet besonders nötig haben.
Die Fürbitten werden gesprochen von betroffenen Angehörigen und von Menschen,
die in der Suizidprävention tätig sind. Wir nehmen sie auf, indem wir alle zusammen
singen: „Herr, erbarme dich!“
Gott, wir bitten dich um Hilfe für suizidgefährdete Kinder und junge Menschen. Bewahre sie davor, schon in jungen Jahren das Leben nicht mehr lebenswert zu finden;
stärke ihre seelischen Abwehrkräfte gegenüber Mobbing, Leistungsdruck und Versagensängsten.
Wo junge Menschen in seelische Krisen geraten, schicke du ihnen Menschen, die ihre
Not wahrnehmen und die darauf eingehen: Freunde, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer.
Und lass sie beizeiten professionelle Hilfe suchen.
Wir rufen zu dir:
„Herr, erbarme dich!“
Gott, wir bitten Dich für Menschen in der Lebensmitte, die drauf und dran sind, an
sich und ihren Lebensumständen zu verzweifeln.
Hilf ihnen, neuen Lebensmut zu finden. Stärke ihre Entschlossenheit, auf Probleme
aktiv zuzugehen, auch wenn sie unüberwindlich scheinen, Schritt für Schritt. Schenke
ihnen die Offenheit zum Gespräch über das, was sie umtreibt – oder auch über das,
was ihnen das Leben unerträglich erscheinen lässt; lass sie Hilfe suchen und mach sie
bereit, sich Hilfe gefallen zu lassen.
Uns und alle, die Menschen in Lebenskrisen zu helfen suchen, mach fähig, achtsam
zuzuhören, ohne selbst dem Sog der Depression zu erliegen – und lass uns gute Worte finden: um den Blick zu weiten, um das Selbstbewusstsein zu stärken, um Mut zu
machen zum nächsten Schritt.
Wir rufen zu dir:
„Herr, erbarme dich!“
Gott, wir bitten Dich für Menschen, die das Alt-Werden vor allem als bedrängenden
Verlust von Lebensmöglichkeiten empfinden. Behüte ihre Seelen, wenn die Angst
groß wird vor Leiden und vor dem Tod. Halte die Erinnerung in ihnen lebendig an Gutes, das sie in ihrem Leben erfahren durften, und lass sie auch jetzt immer wieder
Momente der Freude erleben. Erhalte sie in dem Vertrauen, dass ihr Leben auch jetzt
in deiner Hand steht und dass du sie halten und tragen willst, bis ans Ende ihrer Tage
und in Ewigkeit.
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Zugleich bitten wir dich: Sei bei allen, die alte Menschen begleiten, betreuen und
pflegen, besonders da, wo sie an Belastungsgrenzen gelangen. Bewahre uns davor,
Suizidwünsche bei älteren Menschen leichtfertig zu akzeptieren; hilf, der Versuchung
zu therapeutischem Pessimismus zu widerstehen.
Wir rufen zu dir:
„Herr, erbarme dich!“
Gott, wir bitten dich um Hilfe für die Trauernden und Hinterbliebenen, damit sie sich
in all ihrem Schmerz und ihrer Hilflosigkeit doch nicht in Verzweiflung verlieren.
Mach uns und die Menschen um sie herum fähig, ihnen einfühlsam zu begegnen,
damit sie, nach dem Verlust ihrer Lieben und Freunde, ihren eigenen Weg Schritt für
Schritt erkennen und damit sie ihn auch gehen können.
Wir rufen zu dir:
„Herr, erbarme dich!“
Gott, wir bitten dich für alle die Menschen, die sich beruflich oder ehrenamtlich um
Suizidgefährdete kümmern: Ärztinnen und Ärzte, Psychologen, Pädagogen, Seelsorger. Und die in der Öffentlichkeit um Aufmerksamkeit für suizidale Menschen werben
und auf Wege der Suizidprävention hinweisen.
Und wir bitten dich um die noch viel größere Zahl von Menschen, die in ihrem persönlichen Umfeld vor der Aufgabe stehen, Angehörigen und Freunden in seelischer
Not beizustehen.
Lass sie nicht selbst mutlos und hilflos werden. Schenke ihnen bestärkende Erfahrungen. Und erhalte in ihnen den eigenen Lebensmut lebendig, auch da, wo sie mit ihren
Bemühungen an schmerzliche Grenzen stoßen.
Wir rufen zu dir:
„Herr, erbarme dich!“
Schließlich, Gott, bitten wir dich um deinen klärenden und bestärkenden Geist auch
da, wo es darum geht, suizidgefährdete Menschen durch bauliche Maßnahmen zu
schützen. Insbesondere bitten wir dich heute für alle, die dafür zuständig sind, Brücken und hohe Bauwerke zu konstruieren und zu finanzieren:
Lass sie einsehen, dass es ihre Verantwortung und ihre Chance ist,
nicht nur den Straßenverkehr zu organisieren, sondern auch die Lage von Menschen,
die verkehrt im Leben stehen, zu bedenken.
Lass sie Fürsorge übernehmen, indem sie Geländer planen und entwerfen,
die eine wirkliche Barriere darstellen.
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Lass es geschehen, dass die Menschen, die mit dem Vorhaben auf die Brücke gekommen sind, ihr Leben fallen zu lassen, in diesen Geländern die Fürsorge anderer
erkennen.
Hilf Menschen, die dazukommen, wenn jemand beabsichtigt, von einer Brücke zu
springen, ihr Schweigen zu überwinden, das Auto anzuhalten, vom Fahrrad zu steigen
- und Hilfe anzubieten. Nimm ihnen die Angst, das Falsche zu tun.
Wir rufen zu dir:
„Herr, erbarme dich!“
Dir, barmherziger Gott, ist jeder Mensch unendlich kostbar,
jedes Leben hat vor dir seinen einmaligen Wert.
So lass auch uns immer wieder den einzelnen Menschen wahrnehmen.
Mach uns froh und dankbar für jedes Leben, dass bewahrt bleibt,
für jede Seele, in der neue Lebenskraft zu wachsen beginnt.
Und lass uns dies immer wieder neu als Ansporn und Ermutigung wahrnehmen
in allem, was wir zu tun versuchen.
Wir beten gemeinsam, so wie Jesus es uns gelehrt hat:
Vater unser im Himmel…
Literatur:
Überblick:
Suizidwillige lassen sich abschrecken, Bericht von Thomas Müller, in: Ärzte Zeitung, 27.01.2016,
http://www.aerztezeitung.de/panorama/article/902226/bauwerke-suizidwillige-lassenabschrecken.html
Ausführlich:
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen. Universitäre Psychiatrische Dienste Bern, Universitätsklinik für Psychiatrie - Th. Reisch, Dr. med.; U. Schuster, med. pract.;
C. Jenny, cand. phil.; K. Michel, Prof. Dr. med., Juli 2006
(http://www.vol.at/2011/01/Suizidpraevention_bei_Bruecken_Grundlagen.pdf)
und
Suizidprävention bei Brücken: Follow-Up. Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK / Bundesamt für Strassen (Hg.) Psychiatriezentrum Münsingen Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie Bern Th. Reisch, PD Dr. med. T. Steffen, lic. phil. N. Eggenberger, BSc M. Donzel, dipl. ing. ETH
(http://www.pzm.gef.be.ch/pzm_gef/de/index.assetref/dam/documents/GEF/PZM/de/Dokumente/
Aktuelles/2014/ASTRA_Bericht%20Web%20-Version.pdf)
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