34 - Arznei

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34 - Arznei
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a r z n e i - t e l e g r a m m 2003; Jg. 34, Nr. 10
Warenzeichen in
Österreich
und Schweiz
(Beispiele)
GrippeImpfstoff:
INFLUVAC
(A, CH)
GrippeImpfstoff,
adjuvantiert:
FLUAD
(A)
Endstadium (!) bei 61% der Patienten zu „Wachstumsstillstand” geführt haben, bei 3% zu „totaler Ausheilung”. Das
nach „20-jähriger Forschung” entwickelte Teesystem – Tee
(Zusammensetzung im Werbematerial nicht deklariert) plus
Diätplan und Fitnessregime – soll bestehende Resistenzen gegen Zytostatika aufheben und für „Verminderung und Aufhebung der Nebenwirkungen dieser Therapien” sorgen. Gleichzeitig soll es das Immunsystem „auch bei gesunden Menschen
bestens” stärken und „hervorragende entgiftende Qualitäten”
für Leber, Nieren und Milz besitzen. Solche breiten Versprechungen stufen wir in die Rubrik „Quacksalberei” ein (s.
nachfolgenden Artikel). Patienten werden für eine Dose mit
600 g Tee 199 ! aus der Tasche gezogen.
Vorsicht: Das Mittel wird auch als „ausgesprochenes Antiallergikum”2 bezeichnet. Unverträglichkeiten wie Hautausschlag, Übelkeit, Kopfschmerz u.a. sollen nicht auf dem Tee,
sondern „gerade in der Anfangsphase” auf „zu großen Mengen an mobilisierten Giften” beruhen. Dieses seit Jahrzehnten
als falsch erkannte Konzept der angeblich heilsamen „Erstverschlimmerung” gefährdet Patienten, da Unverträglichkeiten
gezielt falsch interpretiert werden.
1
2
SCHÄFER, A.: „Das COD-Teesystem in der begleitenden Krebstherapie”, undatierte und unveröffentlichte „Übersichtsarbeit”
http://www.codtee.com, dort unter „Fragen & Antworten”, Zugang am 6.
Okt. 2003
ZEHN INDIZIEN FÜR QUACKSALBEREI
Verdacht auf Scharlatanerie bzw. Quacksalberei* wird
umso wahrscheinlicher, je mehr der folgenden Beschreibungen zutreffen. Die Methode bzw. ein Produkt
■ wird durch Hinweis auf exotische Herkunft (Regenwald,
Himalaya u.a.) interessant gemacht,
■ soll Heilung bringen, wenn Schulmedizin in auswegloser
Situation versagt,
■ soll durch umfangreiche Erfahrungen „untermauert” sein,
ohne dass nachvollziehbare Daten aus kontrollierten klinischen Studien zugänglich gemacht werden,
■ soll gegen eine Vielzahl verschiedener Erkrankungen, die
nichts miteinander zu tun haben, universell wirksam sein,
■ soll regelmäßig zum Erfolg führen, wobei Misserfolge der
Schulmedizin angelastet werden,
■ ist an einzelne Personen beziehungsweise Institutionen gebunden, die die Therapie entwickelt haben und daran verdienen (extrem hohe Preise),
■ soll keine Nebenwirkungen haben oder die Nebenwirkung
von Verfahren der Schulmedizin reduzieren oder aufheben,
■ ist kompliziert (strenge Diätvorschriften, komplizierte Anwendungsrichtlinien u.a.), sodass Misserfolge auf Anwendungsfehler zurückgeführt werden,
■ soll schon seit Jahren/Jahrzehnten verwendet werden, ohne offiziell anerkannt zu sein,
■ ist den Behauptungen zufolge so gut, dass unverständlich
bleibt, warum keine Zulassung als Arzneimittel existiert.
lungen, „über 65-Jährigen ... wegen einer möglicherweise
eingeschränkten Immunantwort Influenzaimpfstoffe mit einem Adjuvans* zu verabreichen” (Epid. Bull. 2003; Nr. 17:
133), sind nicht begründbar. Inzwischen haben sich RKI und
Ständige Impfkommission von dieser Empfehlung distanziert
(Epid. Bull. 2003; Nr. 38: 305-7), die angesichts unkontrollierter und daher unzuverlässiger Beobachtungen aus einem
Alten- und Pflegeheim ausgesprochen wurde. Ein Teil der
Heimbewohner war dort trotz Impfung mit Vakzine ohne
Adjuvans an Virusgrippe erkrankt. Belege, dass adjuvantierte
Impfstoffe besser vor Virusgrippe und lebensbedrohlichen
oder tödlichen Komplikationen schützen, liegen jedoch nicht
vor. INFECTOVAC FLU ist Konservierungsmittel-frei.
BEGRIVAC, GRIPPE-IMPFSTOFF STADA und MUTAGRIP enthalten Rückstände von Formaldehyd, FLUAD von
Formaldehyd und Cetrimoniumbromid, INFLUSPLIT SSW
Formaldehyd als Konservans sowie Thiomersal-Spuren.
GRIPPEIMPFSTOFF-RATIOPHARM und INFLUVAC
enthalten Formaldehyd als Konservans sowie Rückstände von
Thiomersal und Cetrimoniumbromid. Die preiswerteste
Vakzine GRIPPEIMPFSTOFF-RATIOPHARM ist mit
10,87 !/Packung (OP) mit einer Fertigspritze 19% billiger
als der teuerste konventionelle Impfstoff (BEGRIVAC, 13,43
!) und 30% preiswerter als die adjuvantierte Vakzine INFECTOVAC FLU (15,60 !). Bezogen auf eine OP zu 10
Fertigspritzen ist das ratiopharm-Produkt gleich teuer wie
INFLUVAC (85,89 !). Ein spezieller Kinder-Impfstoff ist
in Deutschland zwar zugelassen (MUTAGRIP KINDER), jedoch nicht im Handel (Österreich: VAXIGRIP JUNIOR;
10,30 !). In der folgenden Aufstellung werden die Kosten
(Euro) von Packungen zu jeweils einer Fertigspritze verglichen. Neben dem Anbieter geben wir in Klammern Hersteller
und Herkunftsland an:
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Handelsname
Anbieter/Hersteller
GRIPPEIMPF. RAT.
INFLUVAC
GRIPPE-IMPF. STA.
MUTAGRIP
FLUVACCINOL
INFLUVAC
SANDOVAC
INFLUSPLIT SSW
BEGRIVAC
VAXIGRIP
BEGRIVAC
ratiopharm (Biokanol; D)
Solvay (Solvay; NL)
Stadapharm (Avent. Pa.; F)
Aventis Past. MSD (Av. Pa.; F)
Stada (Avent. Pa.; F)
Solvay (Solvay; NL)
Novartis (Chiron; I)
GlaxoSKline (Sächs. Sw.; D)
Chiron Behring (Chir. B; D)
Aventis Past. MSD (Av. Pa; F)
Grünenthal (Chir. B.; D)
Konserv.a Deutschl. Österr.
C, F,
C, F,
F
F
F
C, F,
C, F
F,
F
F
F
adjuvantierte Impfstoffe:
FLUAD
Chiron Behring (Chiron; I)
C, F
INFECTOVAC FLU Infectoph. (Berna Biotech; E)
ADDIGRIP
Aventis Past. MSD (Chiron; I) C, F
FLUAD
Grünenthal (Chiron; I)
C, F
INFLEXAL V
Baxter (Berna Biotech; E)
-
Hg
Hg
10,87
11,44
12,20
12,64
13,05
13,25
13,35
Hg
Hg
13,42
13,43
13,80
14,40
15,13
15,60
16,00
16,00
16,00
1111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111
a
C = Cetrimoniumbromid, F = Formaldehyd, Hg = Quecksilber-haltiges
Konservans (Thiomersal); ggf auch als Produktionsrückstand.
Antiphospholipid-Syndrom – stärkere Gerinnungshemmung nicht besser als konventionell dosierte: Autoantikörper gegen Phospholipid- oder Glykopro-
!** Die neuen „Grippe”-Impfstoffe: Die Impfung gegen Virusgrippe steht jetzt an. Empfohlen wird sie für
über 60-Jährige – insbesondere für Bewohner von Alten- und
Pflegeheimen – sowie für chronisch Kranke und besonders
Exponierte wie medizinisches Personal. Die von der WHO
festgelegte Antigenzusammensetzung für 2003/2004 entspricht der des Vorjahres. Da der Impfschutz nur eine Saison
lang anhält, muss dennoch erneut geimpft werden. Infektionen durch Influenzaviren können trotz Impfung vorkommen,
auch schwere Krankheitsverläufe, insbesondere im höheren
Alter und bei schwerer Grunderkrankung. Pauschale Empfeh-
tein-Strukturen, die die Gerinnung aktivieren und venöse und
arterielle Thrombosen auslösen können, kennzeichnen das
Antiphospholipid-Syndrom. Es kann isoliert auftreten oder
im Rahmen von rheumatischen Erkrankungen wie Lupus erythematodes. Das Thromboserisiko wird vor allem durch die
Vorgeschichte und Grunderkrankung der Patienten bestimmt. Bei Thrombose in der Anamnese wird meist eine
stärkere Antikoagulation mit INR**-Zielwert zwischen 3
und 4 empfohlen. Basis dafür sind lediglich Befunde aus retrospektiven Untersuchungen (LOCKSHIN, M.D., ERKAN, D.: N. Engl. J. Med 2003; 349: 1177-79). Eine kanadische Arbeitsgruppe vergleicht jetzt erstmals den Nutzen einer Antikoagulation mit höherem INR-Zielwert (3-4) mit
dem einer konventionell dosierten (INR-Zielwert 2-3) in ei-
*
*
Kurz und bündig 11111111111111111111111111111111111
Siehe auch im Internet unter Quack-wacht:
http://www.neuropsychiater.org/quackw.htm
** Vorversion am 16. Sept. 2003 als blitz-a-t veröffentlicht.
Antigene in Öl-in-Wasser-Emulsion bzw. in virosomaler Formulierung (vgl. a-t
2000; 31: 75)
** INR = International Normalized Ratio (vgl. a-t 1993; Nr. 7: 70)