Sexy Vampir

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Sexy Vampir
SCHREINER & STEGEMANN: SEXY VAMPIR-LITERATUR
Sexy Vampir-Literatur
AUTORINNEN SCHREIBEN
ÜBER IHRE ROMANE
JENNIFER SCHREINER & ULRIKE STEGEMANN
Schreiben wir doch einfach mal über Sex … und Vampire
Venushügel, Honigtopf, Lustgrotte oder die wenig spektakuläre
Creme – das alles klingt eher harmlos und umgeht die frivole Ausdrucksweise in manch einem literarischen Stelldichein. Nach wie
vor gibt es Geschichten, die sich genannter Wortwahl bedienen.
Diese finden ebenso ihre Leserschaft wie direkt beschriebene Sexphantasien, die nichts – aber auch gar nichts – zu verschleiern versuchen. Und natürlich kommt auch ein Vermischen beider Komponenten vor. Das alles, um dem Leser ein paar romantische,
prickelnde, anregende und erregende Stunden zu bescheren.
In der allgemeinen Fantasy-Welt findet sich jedoch kaum ein
Autor, der von derlei ausschweifenden Szenen erzählt. Vor allem
Männer neigen nicht gerade dazu, diese Vorgänge in allen Einzelheiten zu beschreiben. Zumeist ist von einem Ein- oder Vordringen
die Rede, gleich danach wird allerdings das Licht im Schlafzimmer
gelöscht und Platz für das nächste Kapitel geschaffen. So lange die
enthaltene Liebesgeschichte dennoch funktioniert, ist das auch
vollkommen in Ordnung.
Frauen hingegen neigen öfter dazu, über dieses Thema zu schreiben und zu lesen. Dabei haben wir im Laufe der Zeit unseren ein
oder anderen Lieblingsheld erkoren, wie zum Beispiel den
Highlander. Diana Gabaldon und ihre unübertroffene Reihe ist hier
nur ein Beispiel für »Männer-im-Kilt-Romane«, in denen es sich
Warnung: redaktionelle
Kaffeefahrt mit
abschließendem
Heizdecken-Verkauf
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mehr oder weniger um die eine Sache dreht. Da nimmt sich der
raubeinige Held seine Herzensdame daher und mutiert plötzlich
zum perfekten, einfühlsamen Liebhaber.
Bevorzugt werden ebenfalls Wikinger, Ritter, Piraten und natürlich die Adeligen. Aber keiner von ihnen wird jemals das Ansehen
erreichen, das einem ganz besonderen Wesen zuteil wird: dem
Vampir.
VAMPIR – HORROR ODER FANTASY?
Allgemein wird der Vampir
dem Horrorgenre zugeschrieben. Seine bluttrinkende Eigenschaft genügt vollkommen, um dies zu begründen.
Dennoch integrieren schon
seit Jahrhunderten immer
wieder und immer öfter Autoren aus den verschiedensten Genres ihren eigenen
Vampir-Typ in ihre Texte.
Selbst Johann Wolfgang von
Goethe konnte diesem Drang
nicht widerstehen. Mit DIE
BRAUT VON KORINTH schrieb
er nicht nur von einem weiblichen
Vampir,
sondern
mischte gleichzeitig eine Prise Lust und Leidenschaft unter die Zeilen:
»(...) Liebe schließet fester sie zusammen,
Tränen mischen sich in ihre Lust,
gierig saugt sie seines Mundes Flammen (...)«
(Johann Wolfgang von Goethe DIE BRAUT VON KORINTH,
1797)
Foto: Internetengel /
photocase.de
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Erst 100 Jahre später erschien mit Bram Stokers DRACULA eine ge-
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wisse Form des Urvampirs,
der nicht nur von Düsternis
und Mysteriösem umgeben
ist, sondern ebenso von einem ungemeinen Sex-Appeal. In der späteren Verfilmung von Coppola wird das
auch visuell sehr deutlich.
Beeinflusst wurde Bram
Stoker beim Schreiben nicht
zuletzt von einer Erzählung
um eine lesbische Vampirin.
Sheridan Le Fanu schrieb mit
CARMILLA (1872) die Geschichte einer mysteriösen
Frau und eines düsteren
Schlosses in Österreich nieder. Aber ganz gleich, wie
reizvoll es darin zugehen
mag, Leser sämtlichen Alters
werden Stoker wohl dankbar
sein, dass er mit DRACULA
dennoch einen männliche
Vertreter der Nacht erschuf.
Auch wenn DRACULA zum
Horror tendieren mag, tritt
der Vampir doch an vielen anderen Stellen ebenfalls auf. DER KLEINE
VAMPIR – wer kennt ihn nicht? Auch TKKG und DIE DREI ??? kommen
nicht gänzlich ohne die Wesen der Nacht aus. Nicht einmal Harry
Potter. Es gibt sie bei John Sinclair, Sherlock Holmes und in der
Scheibenwelt von Terry Pratchett. Allerdings haben diese Vampire
zumeist wenig mit erotischer Ausstrahlung zu tun.
Ganz anders die Fluten von Vampirerzählungen, die nun mit immer größer werdendem Druck den Buchmarkt überschwemmen.
Und dabei kommt die Literatur nicht mehr nur aus Übersee. Seit
Anne Rice hat sich hierzulande einiges getan. Auch deutsche Autoren widmen sich verstärkt den dunklen Wesen der Nacht. Ganz besonders im Liebes- und Erotikroman erfreut sich der Vampir einer
kaum zu übertreffenden Beliebtheit.
Foto:
© Johannes Schwaderer/
photocase.com
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ABER WAS MACHT DEN VAMPIR SO BESONDERS?
Er ist ein so begnadeter Liebhaber, dass kein gewöhnlich Sterblicher jemals nur annähernd mit einem dieser Wesen mithalten
könnte. Er ist nicht gewöhnlich und wird es auch niemals sein. Er
kann sich jeder erdenklichen Wunschvorstellung anpassen, weil er
schlicht und einfach »fiktiv« ist.
»Sein Körper war von einer Perfektion, die ein Sterblicher niemals erreichen würde.«
(Jeanine Krock, DER VENUSPAKT)
Das tödliche Sonnenlicht macht die Nacht zu
seinem Revier. Der Vampir ist düster und
treibt sich überwiegend in verruchten Gegenden herum. Er ist gefährlich. Und wer
möchte sich nicht gerne einmal in eine gefährliche Situation begeben? Dem schnöden
Alltag entfliehen? Etwas außergewöhnlich
Aufregendes erleben?
Zudem lässt sein langes Dasein auf ein gewisses Maß an Erfahrung schließen. Casanova machte es als »menschlicher« Held vor.
Dank seiner Liebeskunst schaffte er es unzählige Male, die Frauen zu verführen. Der
Vampir dürfte diesem Erfahrungsschatz in
keiner Weise nachstehen. Und schließlich
muss er sich ja auch irgendwie die unendliche Langeweile der Ewigkeit vertreiben.
Somit strotzt der Vampir nur so vor Lebens- und Liebeserfahrungen. Er ist stark,
mächtig, gutaussehend, gefährlich, aufregend und sicher auch ein wenig verwegen
und arrogant. Es ist in der Tat seine Perfektion, die ihn so perfekt für diese Art der Erzählung macht.
Foto: Yarik /
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Wir möchten nachfolgend einige Werke dieser unwiderstehlichen
Literatur aus dem In- und Ausland vorstellen. Von zarten Küssen
über aufbrausende Leidenschaft bis hin zu tabulosen Momenten ist
alles dabei. Wir geben jeweils einen Einblick in die Geschichte an
sich und die zu erwartenden »gewissen Momente«. Ansonsten gilt:
»Chacun à son goût« (»Jeder nach seinem Geschmack«).
CHRISTINE FEEHAN
GEFÄHRLICHER VERFÜHRER
Im September 2006 erschien mit GEFÄHRLICHER VERFÜHRER der
fünfte Band von Christine Feehans KARPATIANER-Reihe auf Deutsch.
Die Handlung der Geschichte ist auch dieses Mal mit den Vorgängern zu vergleichen. Es geht immer um einen Karpatianer, der auf
das weibliche Licht seines Daseins trifft. Die Angebetete mimt die
Unnahbare, aber der Karpatianer gibt natürlich nicht auf. Mit seinem Besitz ergreifenden Beschützerinstinkt und seinen wilden
Liebesschwüren erdrückt er die Arme regelrecht, bis sie endlich erkennt, dass sie ohne ihn nicht mehr sein kann. In der Tat erfährt der
Leser im Laufe der Geschichte, dass die beiden von Geburt an füreinander bestimmt sind. Aber es wäre wohl ziemlich langweilig,
wenn sich die Angebetete ohne Vorbehalte in die Arme ihres mächtigen Beschützers werfen würde. Also lässt sie ihn schmoren und
sorgt in der Zwischenzeit lieber für ein wenig Chaos und unvorhergesehene Ereignisse. Trotz der hartnäckigen Verweigerung der Heldin kommt es allerdings immer wieder zu erotischen Szenen, die
den besonderen Reiz dieser Geschichten ausmachen. Christine
Feehan beschreibt das Geschehen beinahe als phänomenal überirdisches Erlebnis, das man wirklich nur mit diesem einen vorherbestimmten Partner erleben kann. Es funkt und prickelt dabei gewaltig, ohne dass es ordinär wird. Obwohl es so überirdisch zugeht,
bleiben die Beschreibungen in gewisser Weise moralisch korrekt.
Bei den KARPATIANERN handelt es sich ohne Frage um eine Reihe
für unverbesserliche Romantiker. Gleichgültig, wie kitschig die
Szenen erscheinen und wie sicher man schon am Anfang über das
Ende bescheid weiß – es führt kein Weg daran vorbei, diese Geschichten trotzdem zu lesen.
Ulrike Stegemann
KARPATIANER-Reihe,
Band 5
Orginaltitel: DARK
FIRE (2001)
Übersetzung:
Katja Thomsen
Titelbild: Pino Daeni/
Agentur Thomas Schlück
GmbH
Bastei Lübbe
429 Seiten
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LAURELL K. HAMILTON
BITTERSÜSSE TODE
VAMPIRJÄGER, Band 1
Orginaltitel: GUILTY
PLEASURES (1993)
Übersetzung:
Angela Koonen
Titelbild: Steve Gardner
Bastei Lübbe
397 Seiten
Mit einer Welt, in der Vampire, mythische Wesen und Magie real
sind und staatlich reguliert werden, hat Laurell K. Hamilton ein
Szenario geschaffen, mit dem sie zu Recht regelmäßig in den USA
auf der Bestsellerliste steht.
BITTERSÜSSE TODE ist der Auftaktband der VAMPIRJÄGER-Serie in
deren Mittelpunkt Anita Blake steht. Die sarkastische junge Frau ist
als staatlicher »Executioner« nicht nur die »Buffy für Erwachsene«,
sondern verdient ihren normalen Lebensunterhalt als professionelle Zombie-Erweckerin.
Durch ihren Ruf auf sie aufmerksam geworden, heuert die psychopathische Vampirkönigin von St. Louis die junge Frau an, um im
Rahmen einer Mordserie an Vampiren den Täter zu eliminieren.
Anitas Ermittlungen führen sie nicht nur in die Fetischszene der
Stadt, sondern auch in die gefährliche Nähe des charismatischen
Vampirs Jean-Claude, der Anita für seine Zwecke benutzen will.
Im Gegensatz zu anderen Vampirromanen leben Laurell K.
Hamiltons Werke von aufregenden – oftmals sexuellen – Details,
einem zynischen Weltbild, in denen die Mythologie Wirklichkeit
geworden ist und einer übersprudelnden Fantasie, die immer für
untote Serienkiller, CIA Agenten, glamouröse Feen, Kopfgeldjäger
und Mayagötter gut ist.
So hat die bittersüße Anita Blake und ihre Geschichten einen
garantierter Suchtfaktor von hundert Prozent (und eine Altersfreigabe von 16 Jahren).
Jennifer Schreiner
CHARLAINE HARRIS
VORÜBERGEHEND TOT
Charlaine Harris erzählt mit VORÜBERGEHEND TOT eine Geschichte
um die Liebe zwischen einer menschlichen Frau und einem männlichen Vampir. Es geht um Sookie Stackhouse, eine Kellnerin aus der
Kleinstadt Bon Temps, die mit einer ganz besonderen Gabe ausgestattet ist. Sie selbst bezeichnet es allerdings eher als »Behinderung«: Sie kann die Gedanken anderer Menschen lesen. Zwar hat
sie gelernt, sich von der Gedankenwelt um sich herum abzuschir-
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men, doch hat es trotzdem zur Folge, dass sie ein sehr einsames
Leben führt.
Eines Tages taucht der Vampir Bill in ihrer Kneipe auf. Dazu sollte
erwähnt sein, dass Vampire auch in dieser Geschichte zur ganz normalen Menschenwelt gehören und in die Gesellschaft integriert
wurden. Sookie spürt sofort, dass Bill anders ist, denn seine Gedanken kann sie nicht lesen. Sie rettet ihn vor den Rattrays – einem
Ehepaar, das mit Vorliebe Vampire ausbluten lässt. Daraufhin baut
sich allmählich eine Beziehung zwischen Sookie und Bill auf, die
sich im Laufe der Geschichte immer mehr verfestigt.
Aufgerüttelt wird die Handlung von einer Mordserie in Bon
Temps. Die Opfer sind ausgerechnet Kellnerinnen – und auch Bill
gerät unter Verdacht.
Dabei entwickelt Sookie doch gerade erst ihre Gefühle für diesen
Vampir. Er ist der erste Mann, den sie wirklich nahe an sich heran
lässt, denn bei ihm muss sie nicht befürchten, von seinen Gedanken
überwältigt und irritiert zu werden. Sehr einfühlsam schildert die
Autorin die Erfahrungssuche dieser unglaublich sympathische Heldin.
Sookie ist eine ganz und gar nicht gewöhnliche Frau, die trotz
äußerlicher Stärke ihre inneren Schwächen hat. Man muss sie ganz
einfach gern haben und ihre Geschichte voller Eifer verfolgen.
Ulrike Stegemann
Orginaltitel: DEAD
UNTIL DARK (2001)
Übersetzung: Dorothee
Danzmann
Titelbild: Eva
Widermann
Feder & Schwert
328 Seiten
SANDRA HENKE & KERSTIN DIRKS
BEGIERDE DES BLUTES
Mit BEGIERDE DES BLUTES legt das Autorenduo Sandra Henke und
Kerstin Dirks einen Vampirroman vor, der nicht nur erotisch, sondern auch recht spannend zu lesen ist.
Die Geschichte beginnt in Tagebuchform, aufgezeichnet von Sophie Ashford, die im England des 18. Jahrhunderts lebt. Sie erzählt
von ihrer Liebe zu dem Vampir Jeremy Wellingham. Doch dies ist
nur die eine Seite des Romans. Verfolgt werden die Tagebucheinträge von Tamara Malt, einer jungen Frau im 21. Jahrhundert. Sie
erhält die Aufzeichnungen eines Tages durch einen scheinbaren
Zufall und beginnt, durch ihre Neugier angetrieben, darin zu lesen.
Es dauert nicht lange und sie ist der Geschichte um die Liebe zwischen der jungen Frau und dem Vampir verfallen. So werden die
CONDANNATOVAMPIRLOGE, Teil 1
Titelbild: Dynamic
Graphics
Plaisir d’Amour Verlag
202 Seiten
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M A G I R A
Foto gegenüberliegende
Seite: corben /
photocase.de
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Handlungsstränge um die beiden Frauen auf geschickte Weise verknüpft.
Und natürlich naht auch der Vampir in Tamaras Leben – in Gestalt von Dorian Everheard. Schnell wird klar, dass die junge Frau
nicht zufällig in den Besitz von Sophies Tagebuch gelangt ist.
Gespickt ist die Geschichte mit erotischen Szenen, die der spannenden Handlung einen zusätzlichen Reiz geben. Dorian ist in seiner Art allerdings sehr dominant und so leidet man an einigen Stellen regelrecht mit Tamara mit. Denn da wird auch schon mal die
Gerte als Liebesspielzeug zweckentfremdet und der Verwalter des
Gestüts zum ungewollten Voyeur.
BEGIERDE DES BLUTES ist der erste Teil der Trilogie um die
CONDANNATO-VAMPIRLOGE. Neben der Erotik gibt es Einblicke auf die
Macht und die Verhältnisse der Vampire untereinander.
Schlussendlich darf man aber nicht vergessen, dass es sich vor allem um einen erotischen Liebesroman handelt. Zudem werden zwei
Geschichten miteinander verkettet. Während es bei Tamara und
Dorian heftig zugeht, ist die Beziehung zwischen Sophie und
Jeremy ausgleichend romantisch. Lust und Qual vereinen sich hier
und haben sowohl Liebesroman-Fans als auch hartgesottenen Lesern etwas zu bieten.
Ulrike Stegemann
SANDRA HENKE
PURPURFALTER
Alles dreht sich um die purpurne Schriftrolle, die sich im Besitz der
Herrscher von Ingrimm befindet, denn dieses Schriftstück enthält
die Aufschlüsselung des »Geheimnisvollen« – einer Mixtur, mit Hilfe derer sich die Menschen die Vampire vom Leib halten können.
Als der Herrscher Ingrimms, König Wor, schwer erkrankt, bleibt seiner Tochter Loreena jedoch nichts anderes übrig, als mit dem Oberhaupt der Vampire, Graf Schomul, einen Pakt zu schließen. Die purpurne Schriftrolle fällt in seine Hände, und von diesem Moment an
ist das gesamte Volk Ingrimms den Vampiren ausgeliefert. Doch viel
verwirrender ist für Loreena die Erkenntnis, dass sie gleich von ihrer ersten Begegnung an der außergewöhnlichen Anziehungskraft
des Grafen verfallen ist. Nur allzu deutlich spürt sie, dass dieser
Vampir ihr gefährlich werden kann. Schomul selbst scheint eben-
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