Er führt HRS, das weltweit grösste Hotelportal: Tobias

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Er führt HRS, das weltweit grösste Hotelportal: Tobias
WER STECKT
HINTER
HRS?
Er führt HRS, das weltweit grösste
Hotelportal: Tobias Ragge. Der Hauptsitz
von HRS befindet sich in Köln. Weltweit
beschäftigt das Unternehmen rund 400
Mitarbeiter, davon 275 in Deutschland.
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06I2010
INNOVATION & ORGANISATION PORTRÄT HRS
DAS GRÖSSTE HOTELPORTAL DER WELT
HRS.de. Welcher Hotelier kennt es nicht, das grösste Hotelportal der
Welt. HRS vermittelt über 250 000 Hotels weltweit. Pro Jahr buchen mehr
als 100 Millionen Menschen ein Hotelzimmer über HRS. Zudem bietet das
Internetportal über zwei Millionen Hotelbewertungen. Doch wer steckt
hinter HRS? Es ist eine Kölner Familie, die mit einem Gemüseladen angefangen h at …
Text: Bettina Weignuni
E
in Blick durch die Lobby genügt. Dann
steht für Tobias Ragge fest, ob ein Hotel
gut ist oder nicht. Denn es gibt eine
Todsünde, egal, ob an einem Haus drei
oder fünf Sterne kleben, ob es in Dubai,
Moskau oder Zürich steht: Ist das Personal schicker gekleidet als die Gäste, hat der Hotelier sein
Geschäft nicht verstanden. «Da fühlen Gäste
sich völlig deplaziert», sagt der 33-jährige Kölner. Und er muss es wissen. Der Mann kennt sich
aus mit Hotels.
Niemand in Europa bucht online mehr Zimmer als Ragge. Seine Firma ist der grösste virtuelle Hotelvermittler. Jeder zweite Deutsche, der
am Bildschirm ein Zimmer sucht, schaut bei ihm
nach, genauer gesagt auf seiner Internetseite.
HRS heisst die Firma. Die drei Buchstaben stehen für «Hotel-Reservierungs-System», und das
DER INTERNET-BROKER HRS
VERDIENT AN JEDER HOTELNACHT 13 PROZENT.
klingt nun wahrlich nicht nach zweinulliger Welt.
Trotzdem ist das Portal die absolute Nummer eins
in dem Gewerbe. Mehr als hundert Millionen
Übernachtungen verkauft Ragge in einem Monat.
Ein simples Geschäft – für ihn wie für den Reisenden. Mit drei Klicks hat man reserviert, egal in
welcher Stadt. Jedes dritte Hotel wird bereits am
heimischen PC gebucht. Das ärgert im Zweifel
das Reisebüro und freut Ragge. Von einem «Riesenmarkt» spricht der Unternehmer, und davon,
dass in ein paar Jahren zwei von drei Hotels online
vertickt werden.
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Zu Ragges Klientel gehört der Rucksacktourist ebenso wie der Manager. Konzerne wickeln
mit seiner Hilfe ihre Dienstreisen ab. Selbstverständlich testet der HRS-Chef auch persönlich
seine Herbergen. Etwa 100 Tage im Jahr ist er
unterwegs, pendelt zwischen den Büros in Rom,
Schanghai, Paris, Warschau, Istanbul und London. Die Zentrale steht seit eh und je in Köln,
untergebracht in einem unscheinbaren Bürogebäude am Rande der Innenstadt. Von hier aus
steuert Ragge seinen virtuellen Zimmerservice.
Zwei Jahre ist er nun der Geschäftsführer der
Firma, aufgebaut hat sie sein Vater. Der Hotelier
Robert Ragge hat sich 1972 mit dem Hotel-Reservierungs-System selbstständig gemacht – zu
einer Zeit, als Computer gerade mal in Rechenzentren und Universitäten standen. Vom Internet
war noch keine Rede. Selbst die Computerpioniere verkannten das Potenzial der neuen Technik. «Es gibt keinen Grund, warum jemand einen
Computer zu Hause haben sollte», behauptete
Ken Olson, der Gründer des Computerherstellers Digital, noch 1977.
Anfangs arbeitete HRS wie ein Call-Center im
Miniaturformat. Familie Ragge mietete einen
Gemüseladen und schloss dort ein paar Telefone
an. Der Vater klapperte die Hotels im Grossraum
Köln ab und warb für seine Idee: Die Hoteliers
sollten ihm zwei, drei Zimmer zu festen Preisen garantieren, Ragge würde die Kundschaft
dann zu ihnen schicken und dafür eine Provision einstecken. Zunächst gestaltete sich das
Geschäft durchaus zäh: Die Hoteliers sahen nicht
ein, warum sie Ragge bezahlen sollten, reihenweise liessen sie ihn abblitzen. Der Einzelkämpfer aber schaltete auf stur. Der Durchbruch gelang
schliesslich dank der Kölner Messen – in diesen
Zeiten sind Zimmer bis heute knapp. Ragge kam
kaum damit nach, alle Anfragen zu bedienen.
Neue Telefonistinnen mussten her. Er stellte Dutzende Frauen ein. Die Gattin brach das Lehr- i
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89 PROZENT DER DEUTSCHEN HOTELIERS
GEBEN AN, IM JAHR 2009 ÜBER HRS ZIMMERRESERVIERUNGEN ERHALTEN ZU HABEN.
amtsstudium ab und wechselte in seinen Laden.
In der Folge schlossen immer mehr Hotels, nun
in ganz Deutschland, Jahresverträge mit HRS
ab. «Wäschekörbeweise lieferte der Postbote sie
ab», erzählt Tobias Ragge von seinen Bürobesuchen als Kind.
Der entscheidende Sprung glückte der Familie
1996: Ragge eroberte für sich die Welt des Internets. Zwar hatte der Senior mit Technik und der
heraufziehenden New Economy herzlich wenig
im Sinn, aber er erkannte gleich: Das Web war
wie geschaffen für eine Hotel-Plattform. Der virtuelle Zimmerdienst rechnete sich von Anfang
an. Über Jahre hatte Ragge ein Quasimonopol
auf die Online-Vermittlung. Dies blieb natürlich
nicht unbemerkt, mächtige Spieler drängen nun
mit viel Geld und Marketingkraft in das Feld des
Familienunternehmens. Kein Reisekonzern, kein
Reisebüro, kein Hotel, das etwas auf sich hält,
ohne Online-Auftritt. Hotel.de, Booking.com und
Expedia sind aufgetaucht, auch Quereinsteiger
suchen ihr Glück im Netz. Verleger Hubert Burda
ist mit Holidaycheck.de dabei, Tengelmann-Besitzer Karl-Erivan Haub hat sich bei Trip.hunter
eingekauft. Verglichen damit hat der kleine Ragge-Clan wenig Spielgeld, dafür aber zehn Jahre
Vorsprung und eine klare Strategie: Über HRS
kann man nur Hotelzimmer buchen. Und sonst
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umfrage
HRS: Europas führendes Hotelportal
ist wichtigster Verkaufskanal im Internet
«Ohne HRS geht (fast) gar nichts»: Zu diesem Schluss
kommt eine aktuelle Untersuchung von CHD Expert,
einem internationalen Marktforschungsinstitut, das
dazu 258 Hotelbetriebe in ganz Deutschland befragt
hat. Demnach gaben knapp 89 Prozent der befragten
Hoteliers an, über HRS im vergangenen Jahr Zimmerreservierungen erhalten zu haben. Damit behauptet
HRS, Europas führendes Hotelbuchungsportal, die
Spitzenposition unter den Buchungsportalen. Laut CHD
Expert ist HRS auch beim Buchungszuwachs führend.
Mehr als die Hälfte der befragten Hoteliers (50,2 Prozent) hat in der Umfrage angegeben, 2009 noch mehr
Zimmerreservierungen über HRS realisiert zu haben
als im Vorjahr. Im Ergebnis kommen die Marktforschungsspezialisten zu dem Schluss, dass HRS für die
meisten Hotels der wichtigste Verkaufskanal im Internet ist und bleibt. Fast zwei Drittel der Häuser (64 Prozent) gaben an, über den Marktführer die meisten
Buchungen erhalten zu haben, damit lässt HRS alle
anderen Marktteilnehmer weit hinter sich. Der Vertriebskanal Internet wird zunehmend wichtiger für die
deutschen Hoteliers. Laut CHD-Studie erhalten 95 Prozent der befragten Hotelbetreiber regelmässig Zimmerreservierungen über Buchungsportale. Die Buchung per
Fax und Telefon ist stark rückläufig. Auch die Vermittlung über touristische Vertriebssysteme wie GDS und
CRS liegt laut CHD Expert lediglich bei 45 Prozent und
ist somit halb so stark vertreten wie der Vertriebskanal
Buchungsportal.
06I2010
INNOVATION & ORGANISATION PORTRÄT HRS
Tobias Ragge mit seinem Vater
Robert Ragge (nach wie vor Alleininhaber des Unternehmens
HRS). Anfangs arbeitete HRS
wie ein Call-Center im Miniaturformat. Vater Ragge mietete
einen Gemüseladen und schloss
dort ein paar Telefone an. Er
klapperte die Hotels im Grossraum Köln ab und warb für
seine Idee: Die Hoteliers sollten
ihm zwei, drei Zimmer zu festen
Preisen garantieren, Ragge
würde die Kundschaft dann zu
ihnen schicken und dafür eine
Provision einstecken.
gar nichts. Tobias Ragge vermittelt keine Reisen,
keine Mietautos, keine Flüge: «Das überlassen wir
anderen.» Nur bei den Zimmern, da lässt er niemanden an sich vorbei. Ein Stichwort bei Google,
schon erscheint HRS. «Immer oben auf der ersten Seite, das zählt.» Und jeder Hotelkunde zahlt,
nicht direkt, sondern über den Zimmerpreis. Der
Broker HRS verdient an jeder Nacht 13 Prozent.
Von 100 Euro für das Business-Hotel in Hamburg
oder Basel landen 13 bei Ragge in Köln: «Das läppert sich.»
Wie viel Geld da im Laufe eines Jahres zusammenkommt, darüber schweigt die Familie. Nur
einmal habt sie eine Ausnahme gemacht. Das
war, als der Konkurrent Hotel.de vor vier Jahren
an die Börse strebte und damit warb, er sei mit 17
Millionen Euro Buchungsumsatz auf Augenhöhe
mit HRS. «Die machen ein Viertel von unserem
Umsatz und reden von Augenhöhe», stellte Ragge
pikiert klar und steigerte fortan seine Erlöse
munter weiter, schon durch die Übernahme des
österreichischen Marktführers Tiscover mit vielen Alpenhotels, die im Sortiment zuvor gefehlt
hatten.
Auf 250 000 Hotels weltweit hat die HRS-Datenbank jetzt Zugriff. Viele Häuser garantieren, dass
sie ihre Zimmer nirgendwo im Internet billiger
anbieten. Die grossen Luxusketten hat Ragge
unter Vertrag, Business-Hotels, Fincas, Landgasthöfe, Pensionen runter bis zum Einstern-Hotel.
Er akzeptiert alles, was den hygienischen Standards entspricht und ein Bad im Zimmer vorweist.
Seit Tobias Ragges Kindheit dreht sich alles um
Hotels. Ob beim Frühstück oder Abendessen
– stets diskutierten seine Eltern über Zimmer06I2010
preise, Überbuchungen, verlorene Belege. Anfang
der 80er-Jahre erweiterte die Mutter den Betrieb
um ein eigenes Fünfstern-Haus. Aus einem heruntergekommenen Bürogebäude schuf sie ein
Nobelhotel, das «Savoy», nahe dem Kölner Bahnhof – eine beliebte Adresse für Promis wie Thomas Gottschalk, Mario Barth oder die Popband
Tokio Hotel.
Das Hotel führt Gisela Ragge heute mit Tochter
Daniela, der jüngeren Schwester des HRS-Chefs.
Tobias sollte häufiger vorbeischauen, klagt die
Mutter: «Er arbeitet zu viel, das ist nicht gut.» Mehr
Fitness legt sie dem Sohn ans Herz, der früher ein
ambitionierter Sportler war. Von der Karriere als
Fussballer träumte er, dann vom Leben als Tennisprofi. «Für beides hat es nicht ganz gereicht.»
Zumindest hält er seine Figur, obwohl das Laufband, ein Geschenk der Eltern, quasi unbenutzt
herumsteht. Auch den Gutschein für einen Personal Trainer hat der Manager nicht eingelöst. Die
Mutter aber lässt nicht locker, zwingt ihm Massagen im Hotel-Spa auf und schickt ihm gesunde
Kost aus der Hotelküche ins Büro: «Scampi mit
Spinat, das kann er auch nach 20 Uhr noch essen.»
Als Teenager hat Tobias Ragge sich gelegentlich in
Hotels das Taschengeld aufgebessert, aber nachdem er versehentlich einem Gast ein Glas Rotwein über das Hemd kippte, war ihm klar: Das
operative Hotelgeschäft ist nichts für ihn. Papas
Firma dagegen reizte ihn sehr. Gezielt bereitete er
sich darauf vor. Ein Jahr Schule in Amerika, BWLStudium an der European Business School, Trainee-Programm bei der Lufthansa. Mit Anfang
30 übernimmt er schliesslich die Marketingleitung von HRS. Er zieht in das Büro neben seinem
Vater, getrennt durch eine Glaswand mit elektrischen Rollos. «Die hat aber bisher keiner heruntergelassen», erzählt der Junior. Robert Ragge
ist heute 72 Jahre alt und fast jeden Tag im Büro.
Er ist Alleininhaber, das Geschäft aber leitet der
Junior. Tobias Ragge ist das Gesicht nach aussen.
Geschickt bringt er sich ins Gespräch, gibt auf
Podien den Tourismusexperten schlechthin. Egal
welches Thema, Ragge diskutiert mit: wie sich die
Übernachtungspreise entwickeln oder warum
Konsumenten weniger Pauschalreisen buchen.
Auch gibt er medienwirksame Umfragen in Auftrag: Mal lanciert er ein Städteranking («New
York: die teuerste Stadt der Welt»), das in jedem
Provinzblatt abgedruckt wird. Dann erforscht
er bei Hoteliers die kuriosesten Kundenbeanstandungen («Schwanger vom Hotelpool») oder
befragt Gäste: Wer klaut im Hotel? Ergebnis: Bremer stehlen selten, Gäste aus Sachsen-Anhalt und
Brandenburg dagegen stecken Handtücher oder
Shampoo ohne schlechtes Gewissen ein.
Jedes Mal, wenn HRS mit solchen Botschaften in
den Medien auftaucht, nützt das Ragge. Das ist
seine Art des Marketing. Für grosse PR-Kampagnen verschwendet der Mittelständler kein Geld.
Einzig den Fussball gönnt sich Ragge für Werbezwecke: Schalke-Fan Ragge ist Sponsor des Deutschen Fussball-Bundes und des 1. FC Köln. Läuft
die deutsche Nationalelf in einer Arena auf, fliegt
Ragge gern hin, sitzt in der Lounge, bewundert
seinen Schriftzug auf der Werbebande («HRS
– das Hotelportal») und wagt kühne Träume:
«Irgendwann soll HRS als Kürzel für sich stehen
– wie IBM oder CIA.»
H
HRS AUF EINEN BLICK
Gründung: 1972 als Einzelunternehmen, seit 1977 als GmbH geführt
Geschäftsführender Gesellschafter: Robert Ragge – Gründer des Unternehmens und alleiniger
Gesellschafter
Geschäftsführer: Tobias Ragge
MITARBEITENDE:
HRS: 400 Mitarbeiter weltweit, davon
275 in Deutschland
Tiscover: 80 angestellte und 40 freie
Mitarbeiter, davon 80 Prozent aus der
Hotellerie
Firmenzentrale: Köln
Büros in: Istanbul, London, Paris,
Rom, Schanghai, Warschau
DAS ANGEBOT
HRS betreibt ein weltweites elektronisches Hotel Reservierungssystem für Geschäfts- und Privatreisende
auf Basis einer Datenbank von über
250 000 Hotels in allen Preiskategorien in Deutschland, Europa und weltweit. Das System ermöglicht kostenlose Direktbuchungen mit Sofortbestätigung zu permanent aktualisierten
HRS-Spezialpreisen. Die für ein ausgewähltes Hotel angezeigten Zimmerpreise sind für die jeweilige Buchung
garantiert.
NUTZER VON HRS
Privatreisende, Geschäftsreisende,
Firmen. Über 20 000 Unternehmen,
die zur Kostensenkung ihr gesamtes
weltweites Buchungsvolumen über
HRS abwickeln, sind dem HRS-System
inzwischen direkt angeschlossen.
DIE RESERVIERUNG
Internet: Über www.hrs.de und
www.hrs.com in 32 Sprachen. Rund
um die Uhr HRS mobil: Spezielle
Applikationen für iPhone und BlackBerry sowie über alle anderen internetfähigen Handys, PDAs und Handhelds in 12 Sprachen mobil über HRS.
de oder HRS.com
DIE FIRMENLEISTUNGEN
Industrie-Unternehmen werden
gebührenfrei über einen codierten
Internet-Partnerzugang direkt an das
Hotel-Reservierungssystem angeschlossen: Integration von Firmenraten, Best-Buy-Funktion, Statistiken,
Anpassungen an das firmeneigene
Look & Feel. Darüber hinaus haben sie
Zugang zu speziellen HRS-Firmenraten mit bis zu 30 Prozent Rabatt.
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