Diesen Artikel als pdf

Transcription

Diesen Artikel als pdf
Afrika: Algerien
Pierre-Marie Courdouen
Zwischen zwei Kolonialreichen: Algerien im 19. Jahrhundert
I) Wechselnde Fremdherrscher bis zum imperialistischen Zeitalter
106
Gehört Algerien zu Afrika? Am Anfang des 19. Jahrhunderts war Algerien immer noch ein Gebiet
der arabischen Welt, das von der damaligen zentralen Macht des Islams, dem Osmanischen Reich,
kontrolliert wurde. Bis zur Mitte des Jahrhunderts wurde Algerien mit der Hilfe der Fremdenlegion
erobert und in ein französisches Siedlungsgebiet verwandelt.
Doch dies waren nur zwei von mehreren Fremdherrschaften, die Interessen an diesem Teil der
südlichen Mittelmeerküste hatten. Die autochthone (=einheimische) Bevölkerung bestand aus den
Nachfahren von Libyer-, Numidier-, und Mauretaniervölkern, die heute unter den Begriff „Berber”
zusammengefasst werden. Hinzu kamen die seit dem 4. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung aus
dem südwestlichen Asien zugewanderten kriegerischen Nomaden, die unter dem Namen „Tuareg”
bekannt sind. All diese Völker ließen sich im Gebiet des heutigen Algerien nieder, das bis zum 19.
Jahrhundert zum Ziel fremder Mächte wurde.
Im 9. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung wurden die Länder am südlichen Ufer des
Mittelmeeres Opfer einer Invasion der Phönizier. Sie gründeten die Stadt Karthago, die entlang der
Küste Handelsniederlassungen unterhielt. Die Erben Karthagos wurden die Römer. Sie eroberten
das nordafrikanische Gebiet und teilten es in die Provinzen „Africa” im Nordosten und
„Mauretania” im Nordwesten auf. Durch die römische Besatzung mischten sich unter die einheimische Bevölkerung die ersten Christen und Juden. Viele Berbersiedlungen wurden christianisiert.
In den Bergen des Atlas bildeten sich eigenständige Königreiche, die den Römern Tribut zahlen
mussten. Die Römer entwickelten das Land als ihre Kornkammer und die Nomaden wurden nach
Süden bis zu dem von Schwarzafrikanern besiedelten Gebiet vertrieben.
Erst im 7. Jahrhundert n. Chr. zogen die Araber unterm Banner des Propheten Mohammed in
den „Maghreb“1. Das Gebiet des heutigen Algerien wurde zum Abendland des Morgenlandes.
Römisches Kulturgut wurde durch Arabisches ersetzt, was zur Durchsetzung der arabischen Sprache
führte. Der Christianisierung folgte die Islamisierung. Erneut hatte eine fremde Kultur ihre politische, wirtschaftliche und kulturelle Struktur der unterlegenen autochthonen Bevölkerung aufgezwungen. Die Herrschaft der arabischen Dynastien im „Maghreb“ hatte sich ins südliche Spanien
ausgedehnt und hielt bis zum 15. Jahrhundert durch. Als die spanische Reconquista mit der
Vertreibung der Araber aus Granada im Jahre 1492 ihren Höhepunkt erreichte, beschlossen
Bewohner der Hafenstadt Algier, den türkischen Korsaren Arudsch zu Hilfe zu rufen, um der weiteren Ausbreitung der Spanier an der afrikanischen Mittelmeerküste ein Ende zu setzen. Mit der
Unterstützung der osmanischen Flotte, gelang es ihm, die Spanier aus ihren zahlreichen
Stützpunkten im Nordwestafrika zu vertreiben.
1 Arabisch für „Die im Westen gelegenen Gebiete des Islams“.
Pierre-Marie Courdouen
Afrika: Algerien
Algerien wurde von nun an als türkischer Vasallenstaat von einem Vertreter des Osmanischen
Sultans, dem Dey von Algerien regiert2. Trotz der türkischen Besatzung blieb die Bevölkerung
Algeriens arabisch. Die Herrschaft der Türken schuf unter der Regierungsform eines Militärstaates
Ansätze einer algerischen Nation. Die Türken erlaubten zahlreichen Korsaren an den wirtschaftlichen Aktivitäten der algerischen Häfen teilzunehmen.
Das Osmanische Reich hatte sich über drei Kontinente ausgebreitet: vom Rande Südosteuropas,
bis zum „Maghreb“ und im Nahen Osten. Von einem osmanischen Standpunkt aus, könnte man
Algerien für das Gebiet eines eurasischen Afrikas bezeichnen.
Nach den Phöniziern, den Vandalen, den Römern, den Arabern, den Spaniern und den Türken,
kamen schließlich die Franzosen.
Wegen einer unbezahlten Kornrechnung leitete Frankreichs König Charles X. im Jahre 1827 die
Blockade des Hafens von Algier ein. Die Strafaktion gegen die Piratenstaaten Algerien nahm ein
größeres Ausmaß an, als geplant. Es dauerte drei Jahre und endete mit der Einnahme des Hafens
durch General de Bourmont; 37.000 französische Soldaten landeten in der Bucht von Sidi Ferruch
und besiegten die Armee des türkischen Deys von Algier. In kurzer Zeit bemächtigten sich die
Franzosen der Häfen von Oran, Arzew, und Bougie3.
107
Karte 1: Das Osmanische
Reich vor 1830 mit seinen
nordafrikanischen Gebieten.
2 Siehe Karte 1.
3 Siehe Karte 3.
Afrika: Algerien
Pierre-Marie Courdouen
Die nach der Juli-Revolution von 1830 wiederbelebte französische Monarchie erbte die Situation
und der neue König Louis-Philippe wurde von dem Militär überzeugt diese Neuerwerbungen zu
bewahren. Die Besetzung Algiers wurde von der 1831 gegründeten Fremdenlegion gesichert. Als
Frankreich im Jahre 1840 die totale Eroberung Algeriens beschloss und europäische „Colons“4 dort
hinschickte, wurde dieses Gebiet erneut kolonisiert. Nach einem Jahrtausend islamischen Einfluss
handelte es sich nun aus französischer Sicht wieder um die Christianisierung des Landes.
Das Konzept „Frankreich über dem Meer“ war geboren und von dem französischen Standpunkt
aus, könnte man Algerien für ein eurafrikanisches Gebiet halten. Zwei Kolonialreiche standen also
in Algerien gegeneinander: Frankreich und das Osmanische Reich5. In beiden Fällen sind sowohl
Araber, als auch die autochthonen Berber- und Nomadenvölker unterdrückt worden und wurden
gezwungen die kulturelle und politische Struktur der kolonialen Völker zu übernehmen. Jedoch
war der islamische Einfluss so lang und stark gewesen, dass fast die gesamte Bevölkerung der
autochthonen Algerier6, die heute weniger als 20 Prozent der Bevölkerung Algeriens stellen, sich
zum Islam bekannten.
108
Karte 2: Ausdehnung der
französischen Besetzung in
Nordafrika.
4 In französischer Sprache: die Siedler.
5 Siehe dazu Karte 1 und 2.
6 Damit sind die Nachfahrer der Berber- und Nomadenstämme gemeint.
Pierre-Marie Courdouen
Afrika: Algerien
II) Die Geburt eines muslimischen algerischen Nationalbewusstsein
Seit der Islamisierung des Maghrebs ab den 7. Jahrhundert n. Chr. Vermischten sich Berber- und
Nomadenstämmen unter der arabischen Bevölkerung und übernahmen das arabische Kulturgut.
Jedoch verspürten schon im Mittelalter sowohl arabischen Dynastien, wie zum Beispiel die
Almohaden, die das gesamte Maghreb um 1200 beherrschten, als auch Berber und Tuareg einen
Drang nach Unabhängigkeit gegenüber der restlichen arabischen Welt.
Während der türkischen Herrschaft seit dem 16. Jahrhundert war das Bedürfnis einer algerischen Eigenständigkeit eher auf eine regionale Identität zurückzuführen, da sowohl Osmanen als
auch Algerier Muslime waren. Jedoch verstärkte das Verhältnis zwischen unterlegenen Völker und
Invasoren zuerst ein kulturell geprägtes „Nationalbewusstsein“ obwohl es keineswegs auf der
Differenzierung zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen beruhte.
Die Geburtsstunde des algerischen Nationalbewusstsein war zuerst die Folge der Kolonialgewalt
des osmanischen Reiches: Als im Jahre 1834, der König Frankreichs die Besetzung Algeriens auf das
Küstengebiet limitierte, beabsichtigte er das Innere des Landes der Kontrolle der autochthonen
Führer zu überlassen. Unter denen machte sich der junge Marabout7 Abd-el-Kader (1808-1883)
bemerkbar und wurde von den algerischen Muslime gleich einem Heiligen verehrt. Letzterer hatte
als Alliierter der Franzosen den Kampf gegen den osmanischen Führungskräfte in Algier aufgenommen. Um das Land von den türkischen Invasoren zu befreien, beschloss Abd-el-Kader die
Unterstützung Frankreichs in Anspruch zu nehmen. Die Franzosen sahen in seiner Person einen
zuverlässigen Partner, der das spätere Vorhaben Frankreichs einen Protektorat unter französischer
Herrschaft zu errichten, bewilligen könnte. Der Marabout bekam militärische Hilfe. Bis 1838 war
der Großteil Algeriens immer noch unter osmanischer Herrschaft. Es gelang Abd-el-Kader die verschiedenen Berber- und Nomadenstämme des Landes gegen die Türken zu vereinigen und seine
Macht im Großteil Algeriens zu entfalten. Er organisierte einen, auf dem Koran basierenden, arabischen Staat, vereinigte das Land und gründete eine Armee von 10.000 Freiwilligen. Die gemeinsame Ablehnung der osmanischen Kolonialmacht ließ ein Zusammengehörigkeitsgefühl der
„Algerier“ entstehen.
Erst im Jahre 1839, als Frankreich die ersten Anzeichen einer vertieften Kolonisationspolitik aufwies, brach Abd-el-Kader die Beziehung mit Frankreich ab und rief zum heiligen Krieg gegen die
christlichen Invasoren auf. In der Auseinandersetzung mit der französischen Kolonialmacht gelang
es Abd-el-Kader ein muslimischen algerisches Nationalbewusstsein zu wecken. Alle im
Befreiungskampf vereinten ethnischen Gruppen bekannten sich zum Islam, was die muslimische
algerische Identität ebnete.
Von seiner Allianz mit Frankreich bis zum Befreiungskampf gegen die Christen; der Schicksal
Abd-el-Kaders lässt sich auch anhand Bilderquelle deutlich thematisieren und ermöglicht einen differenzierten kulturellen Blick auf die Ereignisse.
7Islamischer Priester.
109
Afrika: Algerien
Pierre-Marie Courdouen
Die erste Bildquelle, die auf Abd-el-Kader verweist, stammt aus dem „Musée de l´Armée“ in
Paris und wurde von C. Godefroy gemalt als der junge Marabout noch Alliierter der Franzosen war.
Diese Kunstüberlieferung ließ ihn zeitgemäß sehr europäisch wirken, was auf seine Allianz mit der
französischen Kolonialmacht zurückzuführen ist8.
Die zweite Darstellung Abd-el-Kaders zeigt uns den
islamischen Priester aus einer anderen Perspektive. Es
handelt sich um ein Bild von Mohamed Racim
(1896-1975), das Anfang des 20. Jahrhunderts
realisiert wurde. Dies ist ein Beispiel für die stilisierte Form der persischen Kunst; die
Miniatur zeigt uns den Marabout aus einem
islamischen Blickwinkel9.
Die Rolle der Religion im Kampf um die
politische Unabhängigkeit war entscheidend, da der Ausgang der kriegerischen
Auseinandersetzung mit Frankreich, von
der Bereitschaft des Volkes, die
Freiheitskämpfer zu unterstützen abhängig
war. Die einfache Landbevölkerung
Algeriens ließ sich von den Aufrufen der
lokalen Prediger, sich am Heiligen Kampf
gegen den Ungläubigen zu
beteiligen beeinflussen.
110
8 Siehe dazu Bild 1.
9 Siehe dazu Bild 2.
Bild 1: Abd-El-Kader.
Europäisches Darstellung
von C. Godefroy (um 1835).
Pierre-Marie Courdouen
Seit 1837 waren mehrere Tausend europäischen Siedler angekommen, die vermehrt angegriffen
wurden. Daraufhin beschloss Frankreich die totale Eroberung Algeriens, um weitere Aufstände zu
vermeiden. Von 1840 bis 1843 führte General Bugeaud eine Armee von 60.000 Soldaten in den
Kampf und besiegte Abd-el-Kader in Taquine am 16. Mai 1843. Dieser floh zuerst nach Marokko
und kapitulierte dann im Jahre 1847. Ein Nationalbewusstsein war jedoch geweckt und führte trotz
französischer Unterdrückung im Jahre 1871 zu einem Aufstand der Rahmaniyya- Bruderschaft
unter der Führung von Mohammad al-Muqranis. Dieser wurde jedoch niedergeworfen. Diese
Strafaktion hinderte aber nicht die islamische algerische Identität bis ins 20. Jahrhundert weiter zu
verstärken. Die algerische nationalistische Bewegung entfaltete sich erst am Anfang des 20.
Jahrhunderts nach dem Ende des ersten Weltkrieges, in einer Zeit in der der arabische
Nationalismus im gesamten Maghreb langsam Fuß fasste. Sie forderte angesichts der erstrebten
französischen kulturellen Angleichung und Unterdrückung einen
die Gleichheit verfechtenden
Status für die arabische und
autochthone Bevölkerung Algeriens.
III) Entwicklung der Unterentwicklung durch die Franzosen
Mit der Kolonialpolitik Frankreichs stieg die Anzahl der europäischen Siedler in Algerien von
27.000 im Jahre 1841, 112.000
um 1850, 245.000 um 1870, bis
auf 580.000 zur Jahrhundertwende. Die französische Verwaltung
vergab kostenlos Grundstücke an
allen europäischen Siedler. Jedoch
musste Frankreich im Jahre 1843
besorgt feststellen, dass die
Mehrheit dieser Siedler aus
Spanien, Malta, und Italien
stammte. Algerien wurde 1848
zum französischen Gebiet erklärt,
jedoch wurde den nicht- französischen „Colons“ erst 1865 die
Afrika: Algerien
111
Abd-El-Kader. Arabisches
Darstellung von Mohamed
Racim (1896-1975).
Afrika: Algerien
Pierre-Marie Courdouen
Einbürgerung zugesprochen. Im Jahre 1870 ermöglichte das „Crémieux-Gesetz” allen Juden
Algeriens, die französische Staatsangehörigkeit zu übernehmen. Für die muslimische Bevölkerung
glich jenes Gesetz einer Provokation und führte zu dem schon erwähnten Aufstand der
Ramhaniyya- Brüderschaft. Die Muslime waren seit Napoléon III. Träger des „statut musulman“,
das ihre besondere islamische Rechtssphäre zwar anerkannte, sie jedoch dadurch von der restlichen
Bevölkerung ausgrenzte. Um die Jahrhundertwende bildeten schließlich französische Bürger die
Mehrheit der „Colons“ Algeriens. Der Anteil europäischer Siedler stieg zwischen 1844 und 1906
auf 13 Prozent der gesamten algerischen Bevölkerung.
Als Algerien an den Verwaltungsapparat Frankreichs angeschlossen wurde, brach die muslimische Gesellschaft zusammen. Die autochthone Bevölkerung wurde einem besonderen Status zugeordnet; ihre Rechte bestanden aus einer Mischung von französischem Recht und Gesetzen nach
dem Koran. Obwohl die Muslime offiziell als französische Bürger anerkannt wurden, konnten sie
keine Grundstücke erwerben, solange sie nicht zum christlichen Glauben übergetreten waren.
Während die Elite der muslimischen Gesellschaft sich auflöste, verarmten die Bauern muslimischer Herkunft durch hohe Besteuerung und Enteignung. Bis 1874 hatten die „Colons“ 500.000
Hektar den Einheimischen weggenommen. Um Algerien zu „modernisieren“ führte Frankreich eine
Reihe von Maßnahmen durch und zwang der autochthonen Bevölkerung, eine von Europa geprägte Kultur, Infrastruktur, Wirtschaft, Industrie und, ein ebenso nach europäischem Muster errichtetes Verwaltungs- und Bildungssystem auf. Die Siedler beuteten die agrarischen Ressourcen des
112
Karte.3: Staatsgebiet von
Abd-el-Kaders Algerien
(1837-47) und spätere
Aufteilung des Landes
durch die Franzosen in
Departements
Pierre-Marie Courdouen
Landes zugunsten Frankreich aus. Algerien wurde zur „Kornkammer Frankreichs“. Die französische
Besitznahme führte mit seinen Kriege, Hungersnöten und Seuchen dazu, dass zwischen 1830 bis
1890 die einheimische Bevölkerung von ungefähr 4 Millionen auf 2,5 Millionen Einwohner fiel.
Die Siedler sahen in der autochthonen Bevölkerung eine minderwertige Unterklasse, die kontrolliert werden musste. Die Muslime durften weder öffentliche Vorträge halten, noch ihre Dörfer oder
Distrikte ohne Regierungsgenehmigung verlassen. Die zunehmende Besiedlung Algeriens und
deren kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Gewalt führten zur Unterentwicklung der einheimischen Bevölkerung.
IV) Die Widersprüchlichkeit der französischen Kolonialpolitik
Die unterschiedliche politische Machtwechsel in Frankreich im 19. Jahrhundert, wie 1830 nach der
Julirevolution, 1848 nach der Februarrevolution; von der II. Republik (1848-1851), zum II.
Kaiserreich (1852-1870), bis hin zur III. Republik (1870-1940), führten zu keiner Änderung der
Kolonialpolitik Frankreichs gegenüber Algerien. Dies zeichnete sich zum Beispiel im Jahre 1857
durch die Eroberung der Kabylei unter Napoléon III. aus. Obwohl die Kolonialpolitik seit der
Gründung des Zweiten Kolonialreiches Frankreichs (1830-1870) wenig populär war10, übernahm
Frankreich seit der Aufklärung und der Revolution die Rolle des Vorkämpfers europäischer Kultur
und Zivilisation. Die „Idée de la France“ musste weltweit propagiert werden. Um die französische
Werte außerhalb der Metropole „zum Wohle“ der kolonisierten Völker zu verbreiten, musste
Frankreich paradoxer Weise jene Völker ausgrenzen und unterdrücken.
Die Gründung der „Fremdenlegion“ erscheint als bestes Beispiel für die Widersprüchlichkeit der
Kolonialpolitik Frankreichs. Die „Légion Etrangère“ wurde am 10. März 1831 von dem unmilitärischen „Bürgerkönig“ Louis-Philippe gegründet. Rastlose Emigranten waren nach Paris zugewandert. Diese bildeten einen potentiellen Unruheherd von Revolutionären, die aus allen Teilen
Europas stammten. Der König Frankreichs wollte deren unruhige Energien für den Aufbau des
Nordafrikanischen Kolonialreiches benutzen. So bildeten diese Emigranten die Anfangstruppen der
Fremdenlegion und erlebten ihre ersten Kämpfe in Algerien. Die Franzosen merkten, dass dort
keine europäische Kriegsregeln galten, und mussten sich an der Struktur eines Guerillakrieges
anpassen. Eine neue Art der Kriegführung brauchte eine neue Truppe: die Fremdenlegion. Um
gegen „Barbaren“ in den Kampf zu ziehen, musste man deren Mittel einsetzen. So bevorzugten die
französische Kriegsherren ohne Rücksicht auf Verluste und jeglichen Moral, das Verbrennen des
Getreides, das Abschlachten des Viehs, Massenhinrichtungen, Vergewaltigungen, und die Mittel
der Tortur, um dem Feind die Versorgungsmöglichkeiten und dessen Kampfmut zu nehmen. Dies
geschah jedoch im Namen der Freiheit, der Gleichheit, und der Brüderlichkeit.
10 Den Liberalen und Wohlstandsbürgern Frankreichs war das algerische Kolonialunternehmen zu teuer und zu gefährlich,
weshalb sich die Regierung 1835 verpflichtete, die Besitzung nicht ins unbekannte Landesinnere auszudehnen.
Afrika: Algerien
113
Afrika: Algerien
Pierre-Marie Courdouen
Algerien war seit der Antike bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts ein Siedlungsgebiet
fremder Herrschaften. Frankreich war eine Macht unter Vielen, die sich dieses Land aneignen wollte. Algerien ist erst seit 1962 ein freier Staat. Die junge Geschichte Algeriens und deren politischen
Unruhen sind das Erbe einer langen Kolonialgeschichte. Die heutige blutige Auseinandersetzung
zwischen Islamischen Fundamentalisten und dem europäisch geprägten sozialistischen Staat spiegelt den Kampf zweier verschiedenen Kulturen wider. Innerhalb dieser Konstellation ist die Gewalt
auch Teil des kolonialen Erbes, sie wird jedoch heute zum Zweck einer inneren Angelegenheit verübt.
114
Araber-Büro.
Vermittlungsstelle der französischen Kolonisatoren zur
Verwaltung des Landes.