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Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Institut für Weltwirtschaft Seminar „Konjunktur- und Wachstumspolitik“ im Wintersemester 2008/2009 Prof. Dr. J. Scheide Thema 2: Wie wichtig ist die Geldmenge für die Analyse der Geldpolitik? Daniel Fricke I Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ....................................................................................................... I Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................ II Symbolverzeichnis ................................................................................................... III 1 Einleitung ............................................................................................................1 2 Der langfristige Zusammenhang zwischen Geld und Preisen ........................3 3 4 5 2.1 Die Quantitätstheorie ....................................................................................3 2.2 Empirische Ergebnisse: Quantitätstheorie....................................................3 Die theoretische Diskussion über die Rolle der Geldmenge ...........................4 3.1 Das Neu-Keynesianische Makromodell (NKM) ..........................................4 3.2 Die Transmissionskanäle der Geldpolitik.....................................................6 3.3 Geld und das NKM.......................................................................................7 Die Stabilität des Zusammenhanges zwischen Geld und Preisen ..................8 4.1 Die Stabilität der Geldnachfrage ..................................................................8 4.2 Empirische Ergebnisse: Stabilität der Geldnachfrage ..................................8 Die Geldmenge als Indikatorvariable .............................................................10 5.1 Indikatoreigenschaften der Geldmenge ......................................................11 5.2 Empirische Ergebnisse: Inflationsprognosen .............................................11 6 Aktuelle Inflationsentwicklungen im Euro-Gebiet........................................13 7 Zusammenfassung ............................................................................................14 Literaturverzeichnis .................................................................................................16 II Abkürzungsverzeichnis bzw.: beziehungsweise ECB: European central bank et al.: et alia EZB: Europäische Zentralbank Fed: Amerikanische Zentralbank (Federal Reserve) ff.: fortfolgende ggü.: gegenüber H.: Heft HVPI: Harmonisierter Verbraucherpreisindex Jg.: Jahrgang NKM: Neu-Keynesianisches Makromodell No.: number Nr.: Nummer p.: page p.a.: per annum pp.: Pages S.: Seite u.a.: unter anderem Vgl.: Vergleiche Vol.: Volume z.B.: zum Beispiel III Symbolverzeichnis πt Inflationsrate zum Zeitpunkt t π̂ t Zielinflationsrate der Zentralbank πt Trendinflation Et Erwartungwertoperator bedingt auf das Informationsset zum Zeitpunkt t it Nominalzinssatz itl Langfristiger Nominalzinssatz its Kurzfristiger Nominalzinssatz ito Zinssatz auf das Geldmengenaggregat M3 M Nominale Geldmenge mt Logarithmierte nominale Geldmenge bzw. Geldmengenwachstum mt Kernwachstumsrate der Geldmenge P Preisniveau pt Wachstumsrate des Preisniveaus t Zeitindex V Einkommensumlaufgeschwindigkeit der Geldmenge vt Logarithmierte Einkommensumlaufgeschwindigkeit der Geldmenge Y Realer Output yt Logarithmierter realer Output bzw. Wachstumsrate des realen Output Y Produktionspotential yt Logarithmiertes Produktionspotential φ t , u t , e t , ηt Schocks 1 1 Einleitung Das Hauptziel von Zentralbanken ist die Gewährung von Preisstabilität. 1 Die heutige Norm ist, dass Zentralbanken zur Erreichung von Preisstabilität einen kurzfristigen Zinssatz steuern. Die Europäische Zentralbank (EZB) legt beispielsweise den Mindestbietungssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte fest. 2 In modernen Ansätzen zur Analyse der Geldpolitik spielen Geldmengenaggregate jedoch keine explizite Rolle mehr. Die Liberalisierung der Finanzmärkte und daraus entstehende neue Transaktionstechnologien haben in vielen Ländern zu großen Schwankungen in der Geldnachfrage geführt, sodass die meisten Zentralbanken der Geldmenge keine explizite Indikatorfunktion für die zukünftige Inflationsentwicklung zuweisen. In starkem Kontrast dazu steht die EZB, die der breiten Geldmenge M3 in ihrer Zwei-SäulenStrategie eine wichtige Rolle zur Erreichung von Preisstabilität beimisst. 3 In der ersten Säule wird ein umfassender Überblick über verschiedene Indikatoren für kurzfristige Risiken für die Preisstabilität gegeben (ökonomische Analyse). 4 In der zweiten Säule legt die EZB einen Referenzwert für das M3-Wachstum von 4.5% pro Jahr fest (monetäre Analyse), durch den mittelfristig ein geringer Inflationstrend gewährleistet werden soll. Deutliche und lang anhaltende Abweichungen vom Referenzwert signalisieren unter normalen Umständen mittelfristige Risiken für die Preisstabilität. Nicht zuletzt durch den Sonderstatus der Geldmenge in der Zwei-Säulen-Strategie der EZB, herrscht in der akademischen Literatur eine rege Diskussion darüber, wie wichtig die Geldmenge für die Analyse der Geldpolitik ist. Dabei geht es vor allem um die folgenden drei Fragen: Erstens, ob die Geldmenge empirisch ausgedient hat, also ob kein enger Zusammenhang mehr zwischen der Geldmenge und makroökonomischen Zielgrößen besteht. Zweitens, ob die Geldmenge theoretisch ausgedient hat, also ob die Geldmenge in der Analyse der Geldpolitik keine Bedeutung mehr besitzt. Drittens, ob die Geldmenge strategisch ausgedient hat, in dem Sinne, dass ihre Verwendung im Rahmen geldpolitischer Strategien unangemessen geworden ist. 1 Weitere Ziele können Output- und Wechselkursstabilisierung sein. Einen guten Überblick über die verschiedenen Instrumente der EZB findet man bei Jarchow (2003), S. 462-482. 3 Das Geldmengenaggregat M3 umfasst den Bargeldumlauf, sowie Sicht-, Termin- und Spareinlagen der Nichtbanken bei Kreditinstituten. Preisstabilität definiert die EZB als Anstieg des jährlichen Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) von mittelfristig unter, aber nahe an 2% und über 0%. 4 Großes Gewicht besitzt dabei das Output-Gap, welches die (prozentuale) Differenz zwischen dem tatsächlichen Output-Niveau und dem Produktionspotential ist. Somit ist es in der kurzen Frist ein Indikator für das relative Verhältnis von Angebot und Nachfrage in einer Volkswirtschaft. 2 2 Diese Seminararbeit trägt zur Beantwortung dieser Fragen bei. Eine Bewertung der Zwei-Säulen-Strategie der EZB findet nicht statt, sondern es wird gefragt, ob und in welcher Form die Geldmenge in der geldpolitischen Analyse verwendet werden kann und wird. Da die Zinssteuerung ggü. der Geldmengensteuerung vorteilhaft ist, 5 sei es beispielsweise durch bessere Kontrollierbarkeit und einfachere Kommunikation der Geldpolitik, wird dabei vor allem der Frage nachgegangen, ob Geldmengenentwicklungen wichtige Informationen für Zentralbanken beinhalten. Der heutige Konsens, sowie die Kernaussage dieser Arbeit, ist, dass Geldmengenänderungen für das Euro-Gebiet einen zeitlichen Vorlauf zu Änderungen im Preisniveau haben und im Transmissionsprozess der Geldpolitik eine wichtige Rolle spielen. Die Berücksichtigung der Geldmenge zur mittel- bis langfristigen Inflationsprognose der EZB ist daher sinnvoll. 6 Die Wichtigkeit der Geldmenge für die Analyse der Geldpolitik ist allerdings länderspezifisch. In den USA wird kein stabiler Zusammenhang zwischen Geld und Preisen beobachtet, sodass die NichtBerücksichtigung der Geldmenge in den geldpolitischen Entscheidungen der amerikanischen Zentralbank (Fed) gerechtfertigt ist. Die Arbeit ist folgendermaßen gegliedert: In Kapitel 2 wird zunächst der langfristige Zusammenhang zwischen Geld und Preisen dargestellt. Dabei wird speziell auf die Quantitätstheorie eingegangen. Empirische Ergebnisse zeigen, dass Inflation langfristig ein monetäres Phänomen ist. In Kapitel 3 wird im Rahmen eines NeuKeynesianischen Makromodells auf die theoretische Diskussion über die Rolle des Geldes eingegangen. Es wird gezeigt, dass Inflation auch in diesem Modell langfristig ein monetäres Phänomen ist. In Kapitel 4 wird die Stabilität des Zusammenhanges zwischen Geld und Preisen überprüft. Für das Euro-Gebiet ergibt sich, im Gegensatz zu den USA, ein stabiler Zusammenhang. Kapitel 5 befasst sich mit den Indikatoreigenschaften der Geldmenge für zukünftige Inflation. Es zeigt sich, dass Inflationsprognosen im Euro-Gebiet durch die Berücksichtigung der Geldmenge verbessert werden können. Kapitel 6 erklärt, dass die derzeit hohen Inflationsraten im Euro-Gebiet nur teilweise aus einem hohen Geldmengenwachstum resultieren. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit werden in Kapitel 7 zusammengefasst. 5 Siehe z.B. Carlstrom und Fuerst (1995). Das Einräumen einer eigenen Säule für die Geldmenge scheint vielen Autoren jedoch übertrieben. Siehe z.B. Angeloni et al. (1999) und Gerlach (2004). 6 3 2 Der langfristige Zusammenhang zwischen Geld und Preisen Für die weitere Analyse ist es zunächst zweckmäßig, den langfristigen Zusammenhang zwischen Geld und Preisen zu klären. Den Rahmen hierfür bildet die Quantitätstheorie. Der durch sie implizierte langfristige Gleichlauf von Geld und Preisen wird in empirischen Studien belegt. Die Geldmenge hat also empirisch nicht ausgedient. 2.1 Die Quantitätstheorie Den Ausgangspunkt für die Analyse des langfristigen Zusammenhanges zwischen Geld und Preisen bildet die Quantitätsgleichung. 7 Diese lautet: MV = PY (2.1). M ist die nominale Geldmenge, V die Einkommensumlaufgeschwindigkeit der Geldmenge (Umlaufgeschwindigkeit), P das Preisniveau und Y der reale Output. In Wachstumsraten lässt sich (2.1) schreiben als: p = m− y+v (2.2). Aus (2.2) lässt sich die Quantitätstheorie formulieren, wenn langfristig ein proportionaler Zusammenhang zwischen der Geldmengenwachstumsrate und der Inflation besteht. Geht man von der langfristigen Unabhängigkeit der Geldmengenwachstumsrate von Änderungen im Output und in der Umlaufgeschwindigkeit aus, so sollte man einen Einheitszusammenhang zwischen Geldmenge und Preisniveau erwarten. 8 Eine Änderung der Geldmengenwachstumsrate bewirkt somit eine gleich hohe Änderung des Preisniveaus. Die Zentralbank muss bei einem gewünschten Anstieg der Inflation um x Prozentpunkte einen Anstieg des steady-state Wachstums der Geldmenge um x Prozentpunkte zulassen. Der reale Sektor bleibt dabei langfristig unabhängig von den nominalen Größen. In der kurzen Frist ist Geldpolitik durch Preisund Lohnträgheiten wirksam. 2.2 Empirische Ergebnisse: Quantitätstheorie Empirisch besteht zwischen dem Geldmengenwachstum und der Inflationsrate langfristig tatsächlich ein Einheitszusammenhang. So ermitteln McCandless und Weber (1995) auf Basis eines Datensatzes mit 110 Ländern über 30 Jahre eine Korrelation 7 Dieser Abschnitt basiert auf den Darstellungen von DeGrauwe und Polan (2005). Ändern sich die Umlaufgeschwindigkeit und der reale Output langsam und in (langfristig) vorhersehbarer Weise, so ist eine Änderung der Geldmenge die Hauptursache für eine Änderung des Preisniveaus. 8 4 zwischen den beiden Variablen, je nach betrachteten Ländern und zugrunde liegender Geldmengendefinition, zwischen 0.89 und 0.99. 9 Für Länder mit niedriger Inflation (durchschnittlich weniger als 10% pro Jahr über die letzten 30 Jahre) scheint dieser Zusammenhang allerdings schwächer zu sein. 10 Carstensen (2007) findet auf Basis einer Kointegrationsanalyse zwischen Geldmengenwachstum und Inflation einen Parameter, der nicht signifikant von 1 verschieden ist. 11 Leeper und Roush (2003) finden zudem eine hohe positive Korrelation zwischen Geldmengenwachstum und der Inflation in 2 Jahren. 12 Die Geldmenge besitzt also einen zeitlichen Vorlauf ggü. Entwicklungen im zukünftigen Preisniveau, speziell für längere Horizonte. Zudem sind die Geldmengen- und die Inflationsentwicklung mit dem Outputwachstum langfristig unkorreliert. 13 Inflation ist somit langfristig ein monetäres Phänomen. Demnach ist es nicht möglich, anhaltend hohe oder niedrige Inflationsraten ohne entsprechende Geldmengenentwicklungen zu beobachten. Dies ist die grundlegende Begründung für die prominente Rolle der Geldmenge in der geldpolitischen Strategie der EZB. 3 Die theoretische Diskussion über die Rolle der Geldmenge Ein wichtiger Grund für die Vernachlässigung der Geldmenge in heutigen geldpolitischen Analysen ist das Verschwinden von Geldmengenaggregaten aus makroökonomischen Modellen. Verlässliche Makromodelle sollten jedoch den langfristigen Gleichlauf von Geld und Preisen berücksichtigen. In diesem Kapitel wird daher die theoretische Diskussion über die Rolle der Geldmenge in der Geldpolitik erläutert. 3.1 Das Neu-Keynesianische Makromodell (NKM) Das (derzeitige) Konsensmodell für die makroökonomische Analyse ist das NeuKeynesianische Makromodell (NKM). Das NKM basiert auf der inter- und intratemporalen Nutzenmaximierung von Haushalten unter Berücksichtigung ihrer Budgetre- 9 Die Korrelation ist umso höher, je breiter das Geldmengenaggregat ist. Aus diesem Grund betrachtet die EZB auch die Geldmenge M3. Daher beziehen sich alle in dieser Seminararbeit vorgestellten empirischen Ergebnisse, soweit nicht anders erwähnt, auf M3 (Euro-Gebiet) bzw. M2 (USA). 10 Siehe DeGrauwe und Polan (2005) und Rudebusch und Svensson (1999). 11 Allgemein lässt sich Kointegration dadurch beschreiben, dass zwei oder mehr nicht-stationäre ( I(1) ) Variablen langfristig gemeinsame Entwicklungen aufweisen, d.h. sie bewegen sich, abgesehen von kurzfristigen Schwankungen, nicht voneinander weg. Es handelt sich um ein statistisches Gleichgewicht, welches als langfristige ökonomische Beziehung interpretiert werden kann. 12 Ähnliche Ergebnisse finden Neumann und Greiber (2004). 13 Siehe McCandless und Weber (1995). 5 striktion, bzw. der Gewinnmaximierung von Unternehmen unter Berücksichtigung von Preisrigiditäten. 14 Ein vereinfachtes NKM sieht folgendermaßen aus (Vgl. McCallum (2001), Nelson (2003) und Meyer (2001)): yt = b0 − b1 (it − Etπ t +1 ) + Et yt +1 + φt π t = β Etπ t +1 + α ( yt − yt ) + ut mit 0 < β < 1 und α > 1 it = μ0 + Etπ t +1 + μ1 ( Etπ t +1 − πˆt ) + μ2 ( yt − yt ) + et (3.1) (3.2) (3.3). 15 Die Variablen sind wie folgt definiert: y t ist das tatsächliche Output-Niveau, yt ist das Produktionspotential. 16 Somit ist (y t − y t ) das Output-Gap. i t ist der Nominalzins und πt die Inflationsrate. π̂t stellt das Inflationsziel der Zentralbank dar. Gleichung (3.1) ist die AD-Kurve, welche als dynamische Version der alten ISKurve interpretiert werden kann. In ihr wird das Output-Niveau in Abhängigkeit vom Realzins (it − Etπ t +1 ) und dem erwarteten Output-Niveau bestimmt. Gleichung (3.2) ist die vorwärtsgerichtete Neu-Keynesianische Phillips-Kurve. Sie kann als Preisanpassungsgleichung interpretiert werden, welche die aktuelle Inflationsrate mit dem Output-Gap und der erwarteten Inflation verbindet. Exogene Kostenänderungen (beispielsweise ein unerwarteter Ölpreisanstieg) sind in u t zusammengefasst. Gleichung (3.3) ist eine Taylor-Regel als Politikinstrument. 17 In dieser setzt die Zentralbank den Nominalzins in Abhängigkeit vom Inflation-Gap ( Etπ t +1 − πˆt ) und dem Output-Gap. Gemäß des Taylor-Prinzips geht die erwartete Inflationsrate mit einem Parameter größer als Eins in die Gleichung ein, während der Parameter für das Output-Gap kleiner als Eins ist. Es gilt somit μ1 > 0 und 0 < μ2 < 1 . 18 Die unsystematische Komponente der Geldpolitik ist im policy-shock e t zusammengefasst. 14 15 Eine formale Herleitung findet sich beispielsweise in Walsh (2003), pp. 232-255. Mit Ausnahme des Nominalzinses ( i t ) und der Inflationsrate ( π t ) kennzeichnen Kleinbuchstaben logarithmierte Größen, während absolute Größen in Großbuchstaben geschrieben werden. Einen Überblick über Methoden zur Schätzung des Produktionspotentials geben Claus et al. (2000). 17 Taylor (1993) zeigt, dass Bewegungen im Zentralbankzinssatz in den USA durch eine solche einfache Regel abgebildet werden können. Gerlach und Schnabel (2000) finden ähnliche Ergebnisse für das Euro-Gebiet. 18 Auf mögliche Probleme die aus der Nicht-Beachtung des Taylor-Prinzips resultieren können, wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen. Siehe dazu McCallum (2001). 16 6 3.2 Die Transmissionskanäle der Geldpolitik Zentralbanken steuern einen kurzfristigen Zinssatz auf dem Geldmarkt. Aufgrund nominaler Rigiditäten und kurzfristig vollkommen elastischer Angebotsfunktionen ergeben sich dadurch Effekte im Output und der Beschäftigung. Die Frage, über welche Kanäle die Transmission der Geldpolitik stattfindet und vor allem in welchem Ausmaß dies geschieht, ist noch nicht abschließend beantwortet worden. Darüber, dass verschiedene Kanäle eine Rolle spielen, sind sich Ökonomen jedoch einig. Erwähnt werden üblicherweise der Zinskanal, der Wechselkurskanal, der Kreditkanal und daraus resultierende Liquiditätseffekte, der Erwartungskanal, der Kanal der relativen Preise und der aus Änderungen im Preisniveau resultierende Realkasseneffekt. 19 Die Geldmenge spielt vermutlich beim Kreditkanal und beim Realkasseneffekt eine Rolle. 20 Der Kreditkanal berücksichtigt die Geldschöpfung und die damit verbundene Mehrvergabe von Krediten, während der Realkasseneffekt aus Veränderungen im Realvermögen durch Preisniveauänderungen resultiert. 21 Das Fehlen der Geldmenge im NKM lässt vermuten, dass diese Effekte nicht allzu groß sind. Das vereinfachte NKM in Gleichung (3.1), (3.2) und (3.3) simplifiziert jedoch den Transmissionsprozess der Geldpolitik: Ein Anstieg des Nominalzinses bewirkt ein Sinken des tatsächlichen Output und ein Sinken des Output-Gap (absoluter Anstieg), was zu einem Sinken der Inflation und zu einem Realzinsanstieg führt. 22 Geldmengenentwicklungen spielen also keine explizite Rolle. Zudem wird angenommen, dass die Änderungen relevanter Variablen in den Änderungen des Output-Gap aufgefangen werden. In größeren NKM werden daher weitere Variablen und somit auch weitere Transmissionskanäle berücksichtigt. Als Beispiele lassen sich die Wirkungen des kurzfristigen Zinssatzes auf die Zinsstrukturkurve, auf die Wertpapierpreise und auf den Wechselkurs anführen. 23 Ein Term für die Geldmenge findet sich jedoch meistens nicht. 19 Für detailierte Beschreibungen einzelner Kanäle, siehe Illing (1997), S. 145-154 und Mishkin (2001), pp. 596-605. 20 Zudem wird vermutet, dass Geldpolitik Risiko- und Laufzeitprämien (beispielsweise durch Minderung der Inflationsunsicherheit) beeinflussen kann. 21 Die Ergebnisse empirischer Studien zum Realkasseneffekt sind allerdings nicht eindeutig. Während Meltzer (2001) diesen als wichtigen Transmissionskanal bezeichnet, wird in empirischen Studien für die USA und Großbritannien kein signifikanter Einfluss gefunden. Für Deutschland finden Kremer et al. (2003) dagegen signifikante Realkasseneffekte im Zeitraum von 1970 bis 1998. 22 Siehe Meltzer (2001). Dieser Zusammenhang begründet auch die wichtige Rolle des Output-Gap in der praktischen Beurteilung von Geldpolitik in der kurzen Frist. Siehe Gerlach und Smets (1995, 1999). 23 In Abschnitt 5.1 wird argumentiert, dass die Geldmenge als Proxy für die Zinsstrukturkurve dienen kann und somit implizit in größeren NKM enthalten ist. 7 3.3 Geld und das NKM Im NKM fehlt ein expliziter Term für die Geldmenge. Die alte LM-Gleichung für das Geldmarktgleichgewicht wurde durch die Politikregel in Gleichung (3.3) ersetzt. Der Zusammenhang zwischen Geld, Output und Inflation liegt unter der Oberfläche des Modells. 24 Um diesen offen zu legen, kann man beispielsweise eine LMGleichung einführen. So spezifiziert McCallum (2001) folgende allgemeine Geldnachfragegleichung: mt − pt = γ 0 + γ 1 yt − γ 2it + ηt (3.4). 25 Das Geldangebot ist nachfragedeterminiert, also vollkommen elastisch. Da Output, Zins und Inflation in den anderen Modell-Gleichungen bestimmt werden, ist Gleichung (3.4) für die Lösung des obigen Systems überflüssig. Die Geldmenge ist eine eher uninteressante endogene Variable des NKM. Meyer (2001) zeigt, dass dies konsistent mit einem stabilen empirischen Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Inflation ist. Dieser ist implizit im NKM enthalten, solange die Geldnachfragegleichung stabil ist. Die Abwesenheit des Geldes ist aus seiner Sicht nicht als Problem zu interpretieren. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt McCallum (2001), der auf Basis von Simulationen zeigt, dass die Nicht-Berücksichtigung der Geldmenge im NKM zu vernachlässigbar kleinen Fehlern führt. King (2002) sieht jedoch mehrere Probleme, die aus der Nicht-Berücksichtigung der Geldmenge folgen könnten: Zum einen besteht die bereits angesprochene Gefahr der Vernachlässigung wichtiger Transmissionskanäle der Geldpolitik. 26 Die Modellierung von Inflation im NKM ist zwar konsistent mit der Quantitätstheorie, doch besitzt die Geldmenge wichtige Informationen über das derzeitige monetäre Umfeld einer Volkswirtschaft, welche nicht allein im kurzfristigen Zinssatz zusammengefasst sind. Zum anderen lässt eine geldpolitische Analyse ohne Geld vermuten, dass die Geldpolitik eine Feinsteuerung von kurzfristigen Preis- und Outputentwicklungen vornehmen könnte. Eine Feinsteuerung ist aufgrund verschiedener Lags geldpolitischer Maßnahmen nicht möglich. Damit die Geldpolitik überhaupt eine Steuerung vornehmen kann, muss ein stabiler Zusammenhang zwischen Geld und Preisen bestehen. Dies ist Gegenstand des nächsten Kapitels. 24 Siehe Meyer (2001). Die Geldmenge lässt sich auch durch die technische Annahme einer nicht-separablen Nutzenfunktion in Geld und Konsum in obiges Modell einführen. 26 Siehe dazu auch Nelson (2003). 25 8 4 4.1 Die Stabilität des Zusammenhanges zwischen Geld und Preisen Die Stabilität der Geldnachfrage Die Existenz eines stabilen Zusammenhanges zwischen Geld und Preisen ist die Voraussetzung für eine sinnvolle Verwendung der Geldmenge zur Formulierung der Geldpolitik. Nach Einsetzen einer allgemeinen Geldnachfragefunktion in die Quantitätsgleichung (2.1) ergibt sich V = M P Y (i, Y ) (4.1). Die Stabilität der Umlaufgeschwindigkeit ist somit identisch mit der Stabilität der Geldnachfrage. 27 Unterliegt die Geldnachfragefunktion unvorhersehbaren Schwankungen, so ist die Umlaufgeschwindigkeit nicht verlässlich vorhersehbar und es besteht kein enger Zusammenhang zwischen der Geldmenge und der aggregierten Nachfrage. Geldmengenänderungen haben dann keinen messbaren Einfluss auf die Güternachfrage und das Preisniveau. Ist die Geldnachfragefunktion jedoch stabil, so besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Geldmenge und dem Nominalzins. Dadurch existiert (indirekt) auch ein Zusammenhang zwischen der Geldmenge und der aggregierten Nachfrage, wodurch die Zentralbank die Geldmenge als geldpolitische Zwischenzielgröße zur Steuerung des Endziels der Preisstabilität heranziehen kann. 4.2 Empirische Ergebnisse: Stabilität der Geldnachfrage Die Stabilität der Geldnachfrage wird typischerweise in Kointegrationsanalysen getestet. Dabei wird überprüft, ob Kointegrationsbeziehungen zwischen der Geldmenge und verschiedenen Determinanten der Geldnachfrage bestehen. Eine allgemeine Geldnachfragefunktion (Vgl. Carstensen (2003)) sieht folgendermaßen aus: mt − pt = β1 yt + β 2itl + β 3its + β 4ito + β 5π t + ut (4.2). Dabei sind itl , its , ito der langfristige, der kurzfristige bzw. der M3-Zinssatz.28 Die einzelnen Komponenten von (4.2) berücksichtigen die verschiedenen Funktionen der Geldhaltung. So wird Geld für Transaktionen, als Vorsichtskasse und als Portfolio- 27 Siehe Mishkin (2001), p. 558. Dies bedeutet nicht, dass die Umlaufgeschwindigkeit konstant sein muss. 28 Aufgrung von Multikollinearität in den Regressoren wäre Gleichung (4.2) in dieser Form nicht schätzbar. 9 Asset gehalten. Die kurz- und langfristigen Zinssätze stellen die Opportunitätskosten der Geldhaltung dar. Zahlreiche Studien haben die Stabilität von Geldnachfragegleichungen untersucht. 29 Die Ergebnisse zeigen, dass im Euro-Gebiet (im Gegensatz zu Ländern wie Großbritannien und den USA), zumindest bis zum letzten Quartal 2001, eindeutig ein stabiler langfristiger Zusammenhang zwischen Geld, Preisen und verschiedenen weiteren makroökonomischen Schlüsselvariablen bestand. Technisch gesprochen sind sämtliche beteiligten Größen der Geldnachfragegleichung nicht-stationär. Die Stabilität der Geldnachfrage im Euro-Gebiet resultiert dabei zu einem Teil auch aus der Nutzung von Aggregationsmethoden zur Generierung von Daten für das gesamte Euro-Gebiet. Daher ist es zum einen möglich, dass nationale Schocks herausgemittelt werden. 30 Zum anderen wird die Währungssubstitution internalisiert, da sich die Geldnachfrage größtenteils auf die Einheitswährung beschränkt. Weiterhin wird vermutet, dass der Größenfaktor Deutschlands eine Rolle spielt, da die Geldnachfrage in Deutschland traditionell stabil ist.31 Das hohe Gewicht Deutschlands bei der Aggregation der Daten hat daher eine tendenziell stabilisierende Wirkung auf die gesamte Euro-Geldnachfrage. 32 Im letzten Quartal 2001 gab es einen sprunghaften Anstieg der Geldmenge M3. Seitdem kam es in jedem Quartal zu einer teilweise deutlichen Abweichung des Geldmengenwachstums von seinem Referenzwert. Dies deuteten verschiedene Autoren (z.B. Carstensen (2003)) als Hinweis darauf, dass die Geldnachfrage im Euro-Gebiet instabil geworden sein könnte. Allerdings beruht der Anstieg des Geldmengenwachstums auf Portfolioumschichtungen von riskanten zu sicheren und liquiden Assets. 33 Aufgrund der Baisse am Aktienmarkt und der Terroranschläge vom 11. September 2001 herrschte eine allgemeine Unsicherheit an den Märkten, welche zu einem Anstieg der Liquiditätspräferenz führte, sodass Geld verstärkt als Wertaufbewahrungsmittel genutzt wurde. Es bestand also keine besondere Gefahr für die Preisstabilität. 29 Siehe u.a. Algeloni et al. (1999), Masuch et al. (2003) und Bruggemann et al. (2003). Siehe Fagan und Hentry (1998). 31 Gründe sind die frühe Liberalisierung des Finanzsektors, der stabilisierende Effekt der Preisstbilität und die Nicht-Genehmigung von potentiell destabilisierenden Finanzinstrumenten durch die Deutsche Bundesbank. Zudem wurden in Deutschland und im Euro-Gebiet viele Finanzinnovationen in die Definition der Geldmengenaggregate aufgenommen, sodass destabilisierende Subsitutionseffekte berücksichtigt werden konnten. Siehe dazu Calza und Sousa (2007). 32 Verschiedene neuere Arbeiten (z.B. Bosker (2004) und Dreger und Schumacher (2004)) versuchen die Aggregation einzelner Länderdaten zu umgehen und nutzen einen neuartigen Ansatz zur Schätzung nicht-stationärer Panel-Daten. Diese Methode erlaubt zudem den Vergleich der Nachfragefunktionen einzelner Länder. 33 Siehe EZB Monatsbericht (August 2008). 30 10 Traditionelle Geldnachfragefunktionen konnten diese Entwicklungen kaum oder gar nicht abbilden, was einige Autoren dazu veranlasste, diese um Indikatoren makroökonomischer Unsicherheit zu erweitern. Dadurch konnte der ursprüngliche Kointegrationszusammenhang in der Geldnachfrage wieder hergestellt werden. 34 Dreger und Wolters (2007) weisen jedoch darauf hin, dass ein solches Vorgehen aus geldpolitischer Sicht nicht optimal ist, da die Zentralbank zusätzliche Variablen berücksichtigen muss, die unter Umständen nur von temporärer Bedeutung sind und/oder auf nicht direkt beobachtbaren Größen beruhen, die teilweise nur schwer messbar sind. Auch ohne Berücksichtigung von Unsicherheitsvariablen ermitteln Dreger und Wolters auch nach 2001 eine stabile Geldnachfragegleichung. Insgesamt scheint die Geldnachfrage im Euro-Gebiet also stabil zu sein. Für die USA ergibt sich dagegen ein anderes Bild. Bis in die frühen 90er Jahre war die US-Geldnachfrage stabil, bis ein Strukturbruch beobachtet wurde. Dieser wird vor allem mit der steigenden Bedeutung von Finanzmarktinnovationen durch die Deregulierung des US-Finanzmarktes begründet. 35 Seitdem ist in den USA keine stabile Geldnachfrage zu beobachten. Dies ist der Hauptgrund für die NichtBerücksichtigung der Geldmenge in der geldpolitischen Strategie der Fed. 36 5 Die Geldmenge als Indikatorvariable Langfristig besteht zwischen Geld und Preisen ein (im Euro-Gebiet auch stabiler) Einheitszusammenhang. Fraglich ist jedoch, ob Zentralbanken diesen Zusammenhang nutzen können. Aufgrund verschiedener Lags müssen sie vorausschauend agieren und sind daher auf kurz- bis mittelfristige Inflationsprognosen angewiesen. 37 Durch Geldmengenänderungen hervorgerufene kurzfristige Realeffekte lassen sich jedoch nicht durch die Quantitätstheorie erklären, da neben dem Preisniveau auch der Output reagiert. Dieses Kapitel behandelt daher die Frage, ob die Geldmenge auch kurz- bis mittelfristig wichtige Informationen für die Inflationsentwicklung beinhaltet. Auf Basis eines Vergleichs der Prognosegüte verschiedener Schätzmodelle in Out-of-sample Inflationsprognosen zeigt sich für das Euro-Gebiet, dass die Berück34 Bruggeman et al. (2003) berücksichtigen dabei die Aktien-Volatilität als Proxy für das Risiko am Aktienmarkt. Siehe dazu auch Greiber und Lemke (2005) und Carstensen (2003). 35 Siehe z.B. Calza und Sousa (2007). 36 Siehe Nicoletti-Altimari (2001). 37 So reagiert beispielsweise in den USA der Output nach einem Jahr auf geldpolitische Maßnahmen. Nach über zwei Jahren ist ein signifikanter Einfluss auf die Inflation festzustellen. Siehe Mishkin (2001), p. 530. 11 sichtigung der Geldmenge die Inflationsprognose zwischen 8 und 12 Quartalen verbessert. In den USA ist ihr Informationsgehalt dagegen eher gering. 5.1 Indikatoreigenschaften der Geldmenge Es stellt sich zunächst die Frage, warum die Geldmenge in kurz- bis mittelfristigen Inflationsprognosen eine Rolle spielen könnte. Daher bietet es sich an, unterschiedliche Indikatoreigenschaften der Geldmenge explizit aufzuführen. Die Grundidee ist, dass die Geldmenge als indirekter Indikator für die Preisentwicklung genutzt werden kann. Wenn sich herausstellt, dass die Geldmenge Inflationsprognosen verbessert, sollte die Zentralbank sie explizit berücksichtigen. 38 Es gibt dabei verschiedene Argumente, aus welchen Gründen die Geldmenge in Inflationsprognosen eine Rolle spielen könnte. Erstens wird argumentiert, dass die Geldmenge als Proxy für unbeobachtbare Variablen gesehen werden kann. 39 Da die Geldnachfrage das tatsächliche Output-Niveau bestimmt, kann die Geldmenge wichtig sein, wenn die Zentralbank nur auf verzerrte oder nicht sofort verfügbare Schätzwerte für den Output zurückgreifen kann. 40 Die Berücksichtigung der Geldmenge reduziert die Output-Unsicherheit, denn dadurch kann das tatsächliche OutputNiveau besser geschätzt werden. 41 Als zweites kann die Geldmenge als Proxy für verschiedene Zinssätze gesehen werden. Dies ist wichtig, da die Zentralbank viele Zinssätze, die auf die aggregierte Nachfrage wirken, nicht direkt beobachten kann. Über eine Geldnachfragefunktion kann die Zentralbank verschiedene relevante Zinssätze ermitteln. Neben dieser Proxyfunktion, spielt die Geldmenge vermutlich eine Rolle im Transmissionsmechanismus der Geldpolitik (Siehe Abschnitt 3.2). Schließlich können Entwicklungen in der Geldmenge als Indikator für eventuell drohende destabilisierende explodierende Pfade von Inflationserwartungen gesehen werden. 5.2 Empirische Ergebnisse: Inflationsprognosen Viele Studien untersuchen die Prognosegüte verschiedener Modelle mit Hilfe rekursiver Out-of-sample Inflationsprognosen. 42 Eine Out-of-sample Prognose ist eine 38 Dieses Vorgehen wäre selbst dann optimal, wenn die Geldmenge keine aktive oder kausale Rolle in der Preisentwicklung spielt. 39 Siehe Leeper und Roush (2003). 40 Siehe Masuch et al. (2003). 41 Dieses Argument gilt nur in Abwesenheit von Geldnachfrageschocks. Siehe Coenen et al. (2001). 42 Die Modelle lassen sich grob in Zeitreihenmodelle und (semi-)strukturelle Modelle einteilen. Zeitreihenmodelle besitzen eine flexible Lag-Struktur in den erklärenden Variablen. Die optimale LagStruktur wird auf Basis statistischer Kriterien ermittelt und unterliegt keiner expliziten ökonomischen Intuition. In semi-strukturellen Modellen folgt die Lag-Struktur ökonomischen Überlegungen, wobei 12 simulierte Prognose in einem vollständig vorhandenen Datensatz. Angenommen es liegt ein Datensatz vom 4. Quartal 1970 bis zum 2. Quartal 2006 vor. Eine Out-ofsample Prognose vom 3. Quartal 2003 für die Inflation im 4. Quartal 2003 greift dann auf alle Daten zurück, die bis einschließlich des 3. Quartals 2003 verfügbar waren. Die Güte der Prognose kann direkt bewertet werden, da die tatsächliche Inflation vom 4. Quartal 2003 bekannt ist. Um die Prognosegüte verschiedener Modelle (mit und ohne Geld) zu vergleichen, werden die root mean squared forecast errors der einzelnen Modelle berechnet und typischerweise mit dem Benchmark des rein autoregressiven Modells verglichen. In diesem beruht die Inflationsprognose ausschließlich auf vergangenen Inflationsraten. Die meisten Studien (z.B. Masuch et al. (2003), Gerlach (2004) und Hofmann (2006)) für das Euro-Gebiet stellen fest, dass die Berücksichtigung der Geldmenge in Inflationsprognosen sinnvoll ist. So ermittelt Carstensen (2007) für ein sample des Euro-Gebietes ab Ende 1999, dass die Berücksichtigung des Geldmengenwachstums Inflationsprognosen für einen Horizont zwischen 8 und 12 Quartalen signifikant verbessert. Das Geldmengenwachstum ist für diesen mittelfristigen Prognosehorizont jedoch nicht der einzige wichtige Indikator. So spielen beispielsweise die Trendinflation ( πt ), das Inflation-Gap ( πt − πt ) und auch das Output-Gap eine Rolle. Viele Autoren, so auch Carstensen, nutzen für das Geldmengenwachstum nicht die ungefilterten Zeitreihen des M3-Wachstums, sondern greifen auf die Kernwachstumsrate der Geldmenge (Trendwachstum) zurück. 43 Die Verwendung des Trendwachstums erweist sich, nicht zuletzt auf Basis der Ergebnisse der vorherigen Kapitel, als besonders sinnvoll, da kurzfristige Schwankungen aus dem M3-Wachstum herausgefiltert werden. Gerlach und Svensson (2003) untermauern dieses Argument. Sie finden einen, im Vergleich zu anderen Indikatoren, geringen Informationsgehalt des ungefilterten M3-Wachstums, während das Trendwachstum der Geldmenge Inflationsprognosen verbessert. 44 das zugrundeliegende Modell ad-hoc festegelegt wird. Strukturelle Modelle werden dagegen explizit aus ökonomischen Modellen hergeleitet. 43 Zur Berechnung des Trendwachstums existieren verschiedene Filter. Carstensen (2007) nutzt dabei unter anderem den Hodrick-Prescott-Filter und den exponentiellen Filter. Die jeweiligen Filter ermöglichen das Herausfiltern unterschiedlicher Frequenzen, wobei Carstensen alle Frequenzen über 8 Jahre löscht. 44 Gerlach und Svensson (2003) folgern aus ihren Ergebnissen, dass die Geldmenge M3 nicht beobachtet werden sollte. Das Argument ist, dass die Geldmengenentwicklung erst durch die Anwendung komplizierter Techniken Informationen beinhaltet. Die Kommunikation der Geldpolitik für die breite Öffentlichkeit wird durch solche Vorgehen erschwert. 13 Für die USA stellen sich die Ergebnisse anders da. Die meisten Studien kommen dort zu dem Schluss, dass die Geldmenge keine besondere Prognosefunktion besitzt. 45 Allerdings finden Hafer et al. (2007) in einem sample von 1961 bis 2000, dass Änderungen der Geldmenge einen signifikanten Einfluss auf das Output-Gap haben. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Geldmenge dort eine Rolle als Indikatorvariable für kurz- bis mittelfristige Inflation einnehmen könnte. Ob dieser Zusammenhang allerdings stabil und auch in neueren Daten zu finden ist, bleibt abzuwarten. 6 Aktuelle Inflationsentwicklungen im Euro-Gebiet Seit Anfang 2007 liegt die Inflationsrate im Euro-Gebiet zum Teil deutlich über dem Zielwert der EZB von jährlich unter, aber nahe an 2%. So lagen die (jährlichen) Inflationsraten im Juni und Juli 2008 bei 4%, im August bei 3.8% und im September bei 3.6%. 46 Aufgrund eines hohen M3-Wachstums, welches durch Portfolioumschichtungen aufgrund einer flachen Zinsstrukturkurve begründet wird, liegt die Vermutung eines zu starken Geldmengenwachstums nahe. Im 4. Quartal 2007 lag das M3-Wachstum bei 12%, während es derzeit bei etwa 8.8% liegt. 47 Der deutliche Inflationsanstieg im Euro-Gebiet kann jedoch nur teilweise mit dem hohen Geldmengenwachstum erklärt werden. Er ist vor allem Resultat weltweit gestiegener Energie-, Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise. Die EZB sieht diesen Verlauf als einen Hinweis auf eine Periode lang anhaltender hoher Inflationsraten an, da sich zudem das Lohnwachstum beschleunigt hat. Angesichts der aktuellen Preise für Termingeschäfte von Rohstoffen rechnet sie im Jahr 2008 insgesamt mit einer jährlichen Inflationsrate von 3.6% und im Jahr 2009 mit einem Wert zwischen 2.3% und 2.9%. 48 Trotz dieser Abweichungen von der Zielinflation, wurde die EZB gefordert, den Zinssatz zu senken, um eine drohende Rezession abzuwenden. Die sich im September 2008 verschärfende Finanzmarktkrise hat die Rezessionsgefahr noch weiter erhöht, sodass die EZB am 8. Oktober 2008, in einer gemeinsamen Entscheidung mit den weltweit wichtigsten Notenbanken, ihren Zinssatz um 50 Basispunkte auf 3.75% senkte. Durch die Finanzmarktkrise sind zudem die Energie- und Rohstoffpreise teilweise deutlich gesunken, was die Inflationsgefahr abmildern könnte. 45 Siehe z.B Stock und Watson (1999) und Estrella und Mishkin (1997). Siehe EZB Monatsberichte (September 2008) und (Oktober 2008). 47 Zur Erinnerung: Der Referenzwert für das M3-Wachstum liegt bei 4.5% jährlich. 48 Siehe EZB Monatsbericht (Oktober 2008). 46 14 Es bleibt abzuwarten, wie lange und wie schwer die Krise sein wird. Angesichts der Ergebnisse aus den vorherigen Kapiteln, tut die EZB jedoch gut daran, das Geldmengenwachstum weiterhin genau zu beobachten. 7 Zusammenfassung In dieser Arbeit wurde gezeigt, wie wichtig bzw. unwichtig die Geldmenge für die Analyse der Geldpolitik ist. Die Geldmenge hat auf der empirischen Ebene nicht ausgedient, da Inflation langfristig ein monetäres Phänomen ist und Phasen anhaltend hoher (oder niedriger) Inflationsraten nicht ohne entsprechende Geldmengenentwicklungen erklärt werden können. Auch auf der theoretischen Ebene hat die Geldmenge nicht ausgedient, insofern als dass das Verschwinden der Geldmenge aus dem Gleichungssystem der modernen Makroökonomik nur scheinbar ist. Zwar existiert im NKM kein expliziter Term für die Geldmenge, doch besitzt die Quantitätstheorie dort weiterhin Gültigkeit. Inflation ist also auch im NKM langfristig ein monetäres Phänomen. Eine Aufnahme der Geldmenge in das Gleichungssystem scheint jedoch sinnvoll zu sein, um (empirisch) relevante Transmissionsmechanismen der Geldpolitik berücksichtigen zu können. Problematisch ist die Rolle der Geldmenge im Rahmen geldpolitischer Strategien. Zentralbanken können der Geldmenge nicht allein aufgrund langfristiger Zusammenhänge eine wichtige Rolle beimessen. Sie müssen aus Geldmengenentwicklungen zukünftige Inflationsentwicklungen ableiten können. In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass die Wichtigkeit der Geldmenge in der geldpolitischen Analyse länderspezifisch ist. Im Euro-Gebiet ist die Geldmenge für mittel- und langfristige Inflationsprognosen wichtig, sodass die Berücksichtigung der Geldmenge durch die EZB sinnvoll ist. Dagegen ist die Geldmenge in den USA für die Analyse der Geldpolitik unwichtig. Die Fed kann nur wenige oder keine Informationen aus ihr ziehen, sodass ihre Nicht-Berücksichtigung in der geldpolitischen Strategie der Fed gerechtfertigt ist. Neuere empirische Studien zeigen jedoch, dass die Geldmenge eine Rolle bei der Prognose des zukünftigen Output-Gap spielt. Sie könnte also in der Zukunft auch in den USA eine wichtige Rolle einnehmen. Abschließend ist anzumerken, dass die Berücksichtigung der Geldmenge in der Vergangenheit immer dann eine stärkere Rolle spielte, wenn steigende Inflationsraten die Stabilität des Preisniveaus gefährdeten. In Zeiten relativer Preisstabilität rücken dagegen typischerweise andere Gesichtspunkte in den Mittelpunkt geldpolitischer 15 Entscheidungen. Die derzeit hohen Inflationsraten könnten dazu führen, dass die Geldmenge auch von anderen Zentralbanken wieder stärker in ihren Entscheidungen berücksichtigt wird. 16 Literaturverzeichnis Angeloni, I., Gaspar, V., Tristani, O. (1999), The monetary policy strategy of the ECB, In: Cobham, D., Zis, G., From EMS to EMU, Macmillan Press Ltd, London, pp. 3-38 Bosker, M. (2004), Eurozone money demand: evidence from a nonstationary dynamic panel data analysis, De Nederlandsche Bank, DNB Staff Reports, 126, Amsterdam Bruggeman, A., Donati, P., Warne, A. (2003), Is the demand for euro area M3 stable?, In: ECB, Background studies for the ECB´s evaluation of its monetary policy strategy, Frankfurt am Main, pp. 245-300 Calza, A., Sousa, J. (2007), Why has broad money demand been more stable in the euro area than in other economies? A literature review, Kredit und Kapital, 40, 1, pp. 145-163 Carlstrom, C.T., Fuerst, T.S. 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